Rechtshindernde Einwendungen (Wirksamkeitshindernisse) Flashcards
Wirksamkeitshindernisse
Voraussetzungen § 138 II BGB
objektiv:
- auffälliges Missverhältnis Leistung ↔︎ Gegenleistung; Rspr.: Grenze des Doppelten = mind. 100% über Wert
- objektive Ausbeutungslage → besondere Schwäche des Vertragspartners
subjektiv: bewusstes Ausnutzen der obj. gegebenen Ausbeutungslage → “verwerfliche Gesinnung” des Vertragspartners
Rechtsfolge: Nichtigkeit
§ 138 II BGB: besonders grobes Missverhältnis → Vermutung für Handeln aus verwerflicher Gesinnung
Ratio?
außergewöhnliche Leistungen werden in der Regel nicht ohne Not zugestanden und der Begünstigte weiß dies auch
§ 242 BGB: Rechtsmissbrauch
- Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn das ihm zu Grunde liegende Interesse im Einzelfall aus besonderen Gründen nicht schutzwürdig erscheint
- § 242 BGB restriktiv anzuwenden, muss auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben → umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Besonderheiten einer Internetauktion
Rspr.: wucherähnliches Rechtsgeschäft, § 138 I BGB
bei Überhöhung von 100 % (Preis - Wert) bestehe i. d. R. eine tatsächliche Vermutung für die verwerfliche Gesinnung
§ 242 BGB: Verwirkung
- Zeitmoment: Berechtigter hat Recht über längeren Zeitraum nicht geltend gemacht
- Umstandsmoment: Verpflichteter durfte sich darauf einrichten, dass Recht nicht mehr geltend gemacht wird
→ Einzellfallabwägung
Nichtigkeit gem. § 134 BGB
- Gesetzesverstoß
- Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB zum Schutz eines anderen
- Rechtsfolgen des Gesetzesverstoßes - Zweck des Verbotsgesetzes
Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB
Norm muss sich gerade gegen die Vornahme oder den Inhalt des RG selbst richten, um dessen wirtschaftlichen Erfolg zu verhindern
→ Inhaltsverbot, nicht lediglich formale Ordnungsvorschrift
§ 134 BGB: Rechtsfolgen des Gesetzesverstoßes
Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes entscheidend
→ Gesetzesverstoß nicht bloßes Internum einer der beiden Parteien, sonst Sanktion der Nichtigkeit gegenüber gutgläubigen Erwerber = Bestrafung eines unbeteiligten Dritten, wird durch Zweck der Vorschrift nicht gefordert
Nichtigkeit nach § 138 I BGB
RG sittenwidrig, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt
→ Gesamtwürdigung: Inhalt, Motiv, Zweck unter Berücksichtigung objektiver und subjektiver Momente abzuwägen
§ 138 I BGB: Umstandssittenwidrigkeit
obj. neutrales Geschäft, Sittenwidrigkeit aufgrund umfassender Gesamtwürdigung sowie Kenntnis / Kennenmüssen des sittenwidrig Handelnden
§ 138 I BGB: Inhaltssittenwidrigkeit
objektives Vorliegen eines sittenwidrigen RG-Inhalts genügt für Nichtigkeit, auf subj. Umstände kommt es nicht mehr an
Anfechtungsgesetz
bei Rechtshandlungen, deren Inhalt und Zweck im Wesentlichen nur darin besteht, die Gläubiger zu benachteiligen, regeln die Sondervorschriften des AnfG grds. abschließend, unter welchen Voraussetzungen die Gläubiger geschützt werden
→ §§ 134, 138 I BGB kommen daneben nicht zur Anwendung
Scheingeschäft, § 117 I BGB
(+), wenn WE nur zum Schein abgegeben, d. h. ohne den Willen, die bezeichneten Rechtsfolgen tatsächlich zu bewirken
Nichtigkeit nach § 507 II 1 BGB
wenn Vertragsschluss nicht der nach § 492 I BGB gebotenen Schriftform i. S. v. § 126 BGB genügt
Vrss.:
→ Teilzahlungsgeschäft i. S. d. § 506 III BGB
→ entgeltliche Finanzierungshilfe
→ zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher
rechtsvernichtende Einwendungen ↔︎rechtshindernde Einwendungen
rechtshindernd: lassen Anspruch gar nicht erst entstehen
rechtsvernichtend: lassen Anspruch erlöschen
§§ 506 I, II, 492 I, 494 I BGB: Nichtigkeit wegen Formmängeln
Vrss. Formzwang, § 506 I i. V. m. § 492 BGB:
- sachlich: entgeltliche Finanzierungshilfe, § 506 II BGB
- persönlich: Verbraucher - Unternehmer
- Bereichsausnahme §§ 506 IV, 491 II, III BGB
→ Schriftform i. S. d. § 126 BGB + Mindestinhalt, §§ 506 I, II, 492 II BGB: Art. 247 EGBGB
§ 138 II BGB: Zwangslage
zwingendes Bedürfnis nach der Leistung, wirtschaftliche Bedrängnis oder andere Umstände, anderenfalls drohen dem Betroffenen schwere Nachteile
§ 138 II BGB: Unerfahrenheit
Mangel an Lebens- und Geschäftserfahrung (nicht nur auf bestimmtem Gebiet), idR nur Jugendliche / beschränkt Geschäftsfähige
§ 138 II BGB: Mangel an Urteilsvermögen
Inhalt und Folgen des RG können nicht richtig erkannt und eingeschätzt werden; Fähigkeit, sich durch vernünftige Beweggründe leiten zu lassen, muss in erheblichem Maße fehlen
§ 138 II BGB: Ausnutzung
Wucherer macht sich diese Umstände zunutze, hat Kenntnis von Missverhältnis, besondere Ausbeutungsabsicht nicht erforderlich
§ 138 II BGB: erhebliche Willensschwäche
psychisch verminderte Widerstandsfähigkeit ermöglicht nicht, Verhalten entsprechend zu steuern (z.B. Alkohol- oder Drogenabhängigkeit)
§ 134 BGB: Wann führt Verstoß zu Nichtigkeit des Vertrages?
wenn Verstoß gegen Gesetz Hauptzweck des Vertrages ist, d. h. es vorrangig darum geht, Verstoß zu erreichen
Rechtsfolge § 138 II BGB
- Nichtigkeit ex tunc
- “versprechen oder gewähren lässt” → sowohl Verpflichtungs- als auch Verfügungsgeschäft nichtig
§ 138 II BGB
P:Mdj. des Wucherers → Kann Mdj. ausbeuten?
→ Wissenszurechnung bei Mdj.?
→ auf Eltern (Wertung der §§ 104 ff. BGB) oder auf Mdj. (Wertung § 828 III BGB) abzustellen?
→ § 828 III BGB
(+) große Nähe zum deliktischen Handeln
→ Wissenszurechnung (+), soweit Mdj. erforderliche Einsichtsfähigkeit besitzt
Verhältnis § 138 II BGB ↔︎§ 134 BGB i. V. m. § 291 StGB
e. A.: Anwendbarkeit nebeneinander / Vorrang § 134 BGB i. V. m. § 291 StGB
(-) so würde § 138 II BGB faktisch gegenstandslos
h. M.: § 138 II BGB lex specialis
→ keine praktische Bedeutung, Tatbestände decken sich
Rückwirkung der Heilung durch Eintragung ins Grundbuch?
§ 311b I 1 BGB: Heilung wirkt nur ex nunc, Heilung erst bei Auflassung und Eintragung ins GB
Nichtigkeit gem. § 138 II BGB bei Partnervermittlungsverträgen
Rspr.: wenn für einen Partnervorschlag, in dem lediglich Name und Kontaktdaten des möglichen Partners ohne nähere Hintergrundinformationen mitgeteilt werden, 1000 €verlangt wird
Täuschung → § 138 I BGB?
§ 123 I BGB = lex specialis; nur eigener Anwendungsbereich von § 138 I BGB, wenn neben die unzulässige Willensbeeinflussung weitere Umstände treten, die das Geschäft seinem Gesamtcharakter nach als sittenwidrig erscheinen lassen
Bsp.: (-) bei Lockvogelangeboten in Partnervermittlungsverträgen
Heiratsvermittlungsverträge: § 656 I 2 BGB
- str., ob Norm Entstehen des Anspruchs hindert oder nur Durchsetzbarkeit, kann aber i. d. R. dahinstehen, da sie jedenfalls zum Ausschluss führt
- Achtung: schließt nur aus, dass die geleistete Vergütung mit der Begründung zurückgefordert wird, es habe wegen § 656 I 1 BGB keine Verbindlichkeit bestanden → Möglichkeit der Anfechtung aus andere n Gründen (z. B. Anfechtung!) bleibt hingegen unberührt
§ 656 I 2 BGB analog bei Partnervermittlungsverträgen
- planwidrige Regelungslücke
(+), Gesetzgeber dachte 1900 nicht an Partnerschaftsvermittlung, Folgen nicht absehbar - vglb. Interessenlage
(+) Schutz vor “Makel der Heiratsvermittlung”
(+) aus Partnervermittlung kann Ehe werden, praktisch nicht zu trennen
(+) Schutz des APR greift auch hier: in Prozess müsste Beklagter Profil = Intimsphäre offenlegen