Handelsrecht: Kaufmannseigenschaft, kaufmännisches Bestätigungsschreiben Flashcards
Charakteristika Handelsrecht
= Sonderrecht der Kaufleute
→ subjektive Anknüpfung an Kaufmannseigenschaft, nicht Natur des betreffenden Geschäfts
→ verdrängt oder ergänzt BGB
Besonderheiten des Handelsverkehrs
- größere Geschäftserfahrung und -Gewandtheit von Kaufleuten
- Bedürfnis der Befreiung von Formzwängen
→ Erweiterung der Privatautonomie zu Lasten des Individualschutzes - Bedürfnis nach Rechtssicherheit
→ Zurücktreten des Individualschutzes gegenüber Verkehrsinteressen - Massengeschäfte, Bedürfnis nach einfacher und schneller Abwicklung → Beschleunigung
Gewerbe
jede nach außen erkennbare, planmäßige und auf Dauer angelegte, selbständige auf Gewinnerzielung ausgerichtete (str.) bzw. am Markt entgeltlich angebotene Tätigkeit, die nicht zu den freien Berufen, Wissenschaft oder Kunst gehört
Kaufmann, § 1 I HGB
Kaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt
Betreiben
Kaufmann = derjenige, in dessen Namen das Gewerbe betrieben wird
→ nicht das Organ einer juristischen Person
§ 1 II HGB: Istkaufmann
- nicht tatsächliches Vorhandensein, sondern Erforderlichkeit einer kaufmännischen Organisation entscheidend
- Vermutung
§ 2 HGB: kleingewerblicher Kannkaufmann
fakultative Eintragung ins Handelsregister
→ uneingeschränkter Status als Kaufmann mit besonderen Rechten und Pflichten
→ auch Nachteile, daher nur ausnahmsweise sinnvoll
§ 3 HGB: Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten
Futter muss selbst erzeugt werden (= Ausnutzung des Bodenertrags)
auch bei Großbetrieb nicht ipso iure, sondern nur nach fakultativer Eintragung
§ 5 HGB: Fiktivkaufmann
Zweck: Rechtssicherheit → Ungewissheit über Erforderlichkeit nach § 1 HGB soll vermieden werden
→ fällt Erforderlichkeit weg, gilt Gewerbe dennoch als Handelsgewerbe
keine Rechtsscheinsnorm!
§ 6 HGB: Kaufmann kraft Rechtsform
- AG, KGaA, GmbH = Handelsgesellschaften kraft Rechtsform (+)
- OHG / KG = Kaufmann kraft Betreibens → Gesellschaftszweck muss auf § 1 II, 2 oder 3 HGB gerichtet sein (A: vermögensverwaltende OHGs und KGs)
Vertretung KG
durch Komplementär, § 125 I HGB i. V. m. § 161 II HGB
Vertretung AG
durch Vorstand (oder entsprechend bevollmächtigt), § 78 I AktG
Kaufmannseigenschaft der KG
→ § 1 I, II HGB, Zweck der KG nach §§ 105 I, 161 I HGB = Betrieb eines Handelsgewerbes
KG = Kaufmann kraft Handelsgewerbes, nicht kraft Rechtsform
Kaufmannseigenschaft der AG
§ 3 I AktG → § 6 I HGB
Kommissionsgeschäft
Kommissionär kauft oder verkauft Waren im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung (sog. mittelbare Stellvertretung)
→ Fall des Geschäftsbesorgungsvertrages
Warenschulden im Handelsverkehr
sind i. Z. Schickschulden, Leistungsort ist also Wohnsitz / Niederlassung des Schuldners
→ § 346 HGB: Handelsbrauch
kaufmannsähnliche Personen
Personen, die wie Kaufleute am Geschäftsverkehr teilnehmen (z. B. Freiberufler und Kleingewerbetreibende)
→ Anwendbarkeit §§ 343 ff. HGB im Einzelfall möglich, wenn Abweichungen von den Wertungen des BGB nicht gravierend
Rspr.: wenn Nichtkaufleute “in ähnlicher Weise wie ein Kaufmann am Verkehr teilnehmen und von ihnen erwartet werden kann, dass sie nach kaufmännischer Sitte verfahren”
öffentliche Hand im Handelsverkehr
vgl. kaufmannsähnliche Personen
analoge Handhabung großzügiger, da die öffentliche Hand vom Gesetzgeber sogar bei der Abweichung von zwingenden Schutzvorschriften teilweise Kaufleuten gleichgestellt wird
Geschäfte eines Kaufmanns, § 343 I HGB
alle Geschäfte eines Kaufmannes, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören
→ alle Verträge, die der Kaufmann aus geschäftlichen Interessen schließt
→ nur mittelbarer, entfernter Zusammenhang mit betriebenen Handelsgewerbe erforderlich
→ auch vorbereitende Geschäfte, Hilfs- und Nebengeschäfte
§ 344 HGB: Vermutung
nur widerlegt, wenn die objektiven Umstände für den privaten Charakter des Geschäfts sprechen und dieser Charakter auch für den Geschäftspartner erkennbar war
→ (+), wenn ein Geschäft eindeutig zur Privatsphäre gehört
§ 346 HGB: Handelsbrauch
kaufmännische Verkehrssitte
→ Auslegung
→ Streben nach Typisierung und Standardisierung
→ bei fehlender Kenntnis Anfechtung wegen Irrtums ausgeschlossen
Voraussetzungen Bestehen Handelsbrauch i. S. d. § 346 HGB
längere, allgemein und einheitlich befolgte tatsächliche Übung + freiwillige Anerkennung durch beteiligte Verkehrskreise
freie Berufe
- Definition § 2 PartGG für Handelsrecht nicht maßgeblich
- historische Begründung: nur für den engen Bereich der historisch tradierten freien Berufe, für die z. T. in Berufsordnungen ausdrücklich geregelt ist, dass kein Gewerbe vorliegt
in kaufmännischer Weise eingerichteter Gewerbebetrieb i. S. v. § 1 II HGB
erforderlich, wenn sich das Unternehmen aufgrund seiner Größe nur mit einer kaufmännischen Organisation lenken lässt, um eine ordentliche, übersichtliche und zuverlässige Geschäftsführung zu gewährleisten
h. M.: nicht anhand von starren Grenzen oder Kennzahlen zu beurteilen, sondern nur nach dem Gesamtbild
Umfang = Betriebsgröße, vgl. § 241a HGB
Indizien kaufmännische Organisation
- Buchführung
- Errichtung eines Inventars und einer Bilanz
- kaufmännische Vertretung
- Führung einer Firma
- Arbeitsteilung
- Angestellte → Lohnbuchhaltung
- überwiegender Teil der Einkünfte bargeldlos
überwiegend kreative Tätigkeiten
→ individuelle Leistung des Inhabers steht im Vordergrund → Erfordernis eines kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetriebes fehlt häufig → kein Handelsgewerbe
Eintragung Firma bei Ist-Kaufleuten
nur deklaratorische Wirkung
kaufmännisches Bestätigungsschreiben
Schweigen gilt ausnahmsweise als Zustimmung und Vertrag wird als mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens geschlossen angesehen
kaufmännisches Bestätigungsschreiben: dogmatische Einordnung
str.:
- Handelsbrauch i. S. d. § 346 HGB
- Form der Rechtsscheinhaftung kraft verkehrsmäßig typisierten Verhaltens
- Willenserklärung
- § 362 I 1 HGB analog
→ kann i. E. dahinstehen, da gewohnheitsrechtlich verfestigt
kaufmännisches Bestätigungsschreiben: Voraussetzungen
- persönlicher Anwendungsbereich
- Bestätigungslage: Bedürfnis nach schriftlicher Fixierung + in engem zeitlichem ZH mit Vertragsabschluss erfolgt
- geht von bereits geschlossenem Vertrag aus
- Redlichkeit / Schutzwürdigkeit des Absenders: Absender darf mit Einverständnis des Empfängers rechnen (branchenüblich / zumutbar)
kaufmännisches Bestätigungsschreiben: persönlicher Anwendungsbereich
- Kaufmannseigenschaft nicht zwingend erforderlich, Anwendbarkeit, wenn von Vertragsparteien der gleiche Sorgfaltsmaßstab wie von Kaufleuten erwartet werden kann
- Absender: muss erwarten können, dass ihm gegenüber nach kaufmännischer Sitte verfahren wird
- Empfänger: muss ähnlich einem Kaufmann am Verkehr teilnehmen (→ Nachteile)
Schweigen auf ein Vertragsangebot, § 362 HGB
wenn Kaufmann nicht unverzüglich reagiert, gilt sein Schweigen als Annahme, wenn er mit dem Antragenden in Geschäftsverbindung steht oder sich diesem gegenüber anerboten hat
→ Fiktion einer Zustimmung
Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben
→ Rechtsgedanke des § 362 HGB
Vertrag gilt mit dem Inhalt des Bestätigungsschreiben geschlossen, auch wenn das Bestätigungsschreiben gegenüber dem zuvor Vereinbarten Änderungen oder Ergänzungen enthält