§§ 239a, b StGB Flashcards
geschütztes Rechtsgut
- persönliche Freiheit und Unversehrtheit des Opfers, Freiheit der Willensentschließung und -betätigung
- in Drei-Personen-Verhältnissen auch Freiheit des Dritten
Entführen
= Vorstufe oder Modalität des Sich-Bemächtigens
Veränderung des Aufenthaltsorts ohne oder gegen den Willen des Opfers mit der Wirkung, dass es der Herrschaftsgewalt des Täters ausgeliefert ist
Sich-Bemächtigen
Täter erlangt die physische Herrschaft über das Opfer
→ mehr als § 239 StGB, Herrschaftsverhältnis
→ auf Ortsveränderung kommt es nicht an
→ auch, wenn sich Ersatzgeisel “freiwillig” gegen andere austauschen lässt, aber nicht bei bloßer “Scheingeisel”
Erpressungsabsicht
der Täter muss in der Absicht handeln, die Sorge des Opfers um dessen eigenes Wohl (Zwei-Personen-Verhältnis) oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers (Drei-Personen-Verhältnis) zu einer Erpressung auszunutzen
zeitlich-funktionaler Zusammenhang
Erpressungsopfer soll während der Dauer und unter Ausnutzung gerade der geschaffenen Zwangslage erpresst werden
Bedrohen mit ungeladener Schusswaffe = Bemächtigen?
→ Bemächtigen bei Bedrohung mit einer Scheinwaffe?
e. A.: (-)
(+) nicht einmal abstrakte Gefahr → hohe Strafandrohung nicht gerechtfertigt
h. M.: (+), wenn die Scheinwaffe beim Opfer den Eindruck der Gefährlichkeit erweckt und es dadurch an seiner freien Selbstbestimmung gehindert ist
(+) Opfer sieht sich in Gewalt des Täters, psychische Folgen
(+) vgl. § 250 I Nr. 1b StGB
§ 239b I Alt. 2 StGB: Ausnutzungstatbestand
→ Restriktion
- aufgrund des Erfordernisses zweier tatsächlich begangener Akte nicht dasselbe Einschränkungsbedürfnis
- aber auch hier zumindest Eigenständigkeit bzw. Trennbarkeit der beiden Akte erforderlich, die bspw. bei großer zeitlicher Nähe fehlt
§ 239b I Alt. 2 StGB: Ausnutzungstatbestand
= Täter muss zuvor (nicht vorsätzlich / mit Absicht der Alt. 1) geschaffene Bemächtigungslage zu Erpressung / Nötigung ausnutzen
- Auffangtatbestand: soll nur greifen, wenn es dem Täter im Zeitpunkt der Bemächtigungshandlung an der Absicht einer qualifizierten Nötigung fehlt
- genügt, dass Bemächtigungslage des Opfers kausal für die Erpressung / Nötigung wird
- Täter muss Lage selbst geschaffen haben
Spezifischer Gefahrzusammenhang bei Erfolgsherbeiführung i. S. d. §§ 239a III, 239b II StGB durch gescheiterte Befreiungsaktion
Bsp.: Polizist P hält Geisel G für zweiten Täter und erschießt sie bei Befreiung aus vermeintlicher Notwehr o. ä. → Täter zurechenbar?
e. A.: Befreiungsaktionen vom spez. GZH erfasst
(+) Befreiungsaktion vom Täter veranlasst, “typisch” für Geiselnahmen
(+) Täter schafft unübersichtliche Situation, Fehleinschätzung = typisches Risiko
a. A.: Differenzierung anhand allg. Zurechnungsrisiken
→ Pflichtwidrigkeitszusammenhang unterbrochen, wenn Dritter / Opfer selbst grob fahrlässig oder vorsätzlich handelt und Täter dieses Verhalten nicht herausgefordert hat
(+) Einzelfallabwägung
tätige Reue, § 239a IV StGB
Strafmilderung möglich, wenn nach Voollendung des TB die genannten Umstände eintreten
→ Täter muss Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in seinen Lebensbereich zurückgelangen lassen
Gründe restriktive Auslegung / teleologische Reduktion der §§ 239a f. StGB im Zwei-Personen-Verhältnis
- hohe Strafandrohung
- Vorverlagerung der Strafbarkeit gegenüber §§ 249 ff. StGB, Möglichkeit zum Rücktritt abgeschnitten
- bei §§ 253, 255 und 249 ff. StGB selbst im Zwei-Personen-Verhältnis häufig auch §§ 239a, 239b StGB verwirklicht, obwohl “klassische” Raubfälle
h. M.: teleologische Reduktion §§ 239a f. StGB im Zwei-Personen-Verhältnis
- Betonung der Zweiaktigkeit: Sich – Bemächtigen + weitergehendes Nötigungsmittel
→ jeder Akt muss eigenständige Bedeutung haben, d. h. zwischen Entführung / Bemächtigung (= 1. Akt) und Erpressung / Nötigung (= 2. Akt) muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang bestehen
→ Täter muss gerade die durch das Sich-Bemächtigen geschaffene Lage zu einer qualifizierten Nötigung ausnutzen
→ Trennung zwischen Nötigungsmittel zum Sich-Bemächtigen einerseits und qualifizierten Nötigungsmitteln andererseits
Restriktion im Zweipersonenverhältnis
in funktionaler Hinsicht
die Bemächtigung (1. Akt) muss eine eigenständige, für die beabsichtigte Erpressung / Nötigung (2. Akt) funktionale Bedeutung haben
→ dafür muss stabile Bemächtigungslage eingetreten sein
stabile Bemächtigungslage
Drucksituation, die über diejenige hinausgeht, die mit jeder Nötigung verbunden ist
fehlt, wenn die Bemächtigung (1. Akt) mit der Nötigung (2. Akt) zusammenfällt
- bei Entführung i. d. R. (+) (→ Ortsveränderung)
- bei Bemächtigung oft (-), v. a. bei kurzen Tatgeschehen
→ Bleibt Bemächtigungslage bestehen, wenn man den zur Erpressung beabsichtigten Nötigungsakt hinwegdenkt?
Restriktion im Zweipersonenverhältnis
zeitlicher Zusammenhang zwischen Entführung / Bemächtigung und Erpressung
(+), wenn Täter das Opfer
- während der Dauer der Zwangslage nötigen / erpressen will UND
- die abgenötigte Handlung / Erpressung während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll
→ fehlt, wenn die abgenötigte Handlung erst nach Beendigung der Bemächtigungs- bzw. Entführungslage erfolgen soll