§ 211 StGB Flashcards
Einheitstheorie
in jeder Tötung ist mindestens eine Körperverletzung als notwendiges Durchgangsstadium enthalten
Heimtücke
bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers
Arglosigkeit
arglos ist, wer sich im Zeitpunkt der Tat (= Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs) keines tätlichen Angriffs auf seine körperliche Unversehrtheit oder sein Leben versieht
Fähigkeit zum Argwohn
- Schlafender (+)
- Besinnungslose (-), da von Zustand überrascht, aber ggf. Abstellen auf schutzbereite Dritte
- sehr kleine Kinder (< 3 Jahre) (-) → aber bei Ausschaltung eines schutzBEREITen Dritten, der sich in räumlicher Nähe befindet und eingreifen könnte, dies aber aus Vertrauen auf den Täter nicht tut, Heimtücke möglich
→ jedoch auf Kleinkind selbst abzustellen, wenn Täter dessen natürliche Abwehrinstinkte ausschaltet (Bsp. Gift in süßen Brei mischt)
maßgeblicher Zeitpunkt für Arglosigkeit
grundsätzlich: Opfer muss noch zu Beginn der mit Tötungsvorsatz begangenen Handlung arglos sein
Ausnahme:
- auf früheren Aggressionen beruhende latente Angst des Opfers hebt seine Arglosigkeit erst dann auf, wenn es deshalb im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet
- wenn Täter Opfer arglistig in Hinterhalt gelockt hat, in dem es Täter nicht mehr entrinnen kann, ist auf Zeitpunkt des Lockens abzustellen
→ Opfer kann auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen
Wehrlosigkeit
wehrlos ist, wer infolge der Arglosigkeit zur Verteidigung außer Stande oder in seiner natürlichen Abwehrbereitschaft und Abwehrfähigkeit stark eingeschränkt ist
Eingrenzungsversuche Heimtücke Rspr.
- Tatbegehung in feindlicher Willensrichtung
- Rechtsfolgenlösung
Eingrenzungsversuche Heimtücke h. L.
- verwerflicher Vertrauensbruch
- tückisch-verschlagenes Vorgehen
grausam
wer dem Opfer im Rahmen der Tötungshandlung aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung durch Dauer, Stärke oder Wiederholung der Schmerzverursachung besonders schwere Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt
Mordlust
Tötung aus Freude an der Vernichtung menschlichen Lebens, aber auch zum Zeitvertreib, aus Angeberei oder “zum sportlichen Vergnügen”
Tötung nur um des Tötens willen
→ Abgrenzbarkeit zu niedrigen Beweggründen: Austauschbarkeit des Opfers
zur Befriedigung des Geschlechtstriebes
- Lustmord: wer im Tötungsakt selbst geschlechtliche Befriedigung sucht
- Nekrophilie: wer seine Geschlechtslust an der Leiche befriedigen will
- wer die Tötung (des Vergewaltigungsopfers) in Kauf nimmt, um den Geschlechtsverkehr durchführen zu können
- wer die Befriedigung des Geschlechtstriebes erst bei der späteren Betrachtung des Videos vom Tötungsakt empfindet → zwischen Tötung und Befriedigung muss kein zeitlich-räumlicher ZH bestehen
- Getöteter und Person, auf die sexuelles Begehren gerichtet ist, müssen identisch sein
Habgier
= ungezügeltes und rücksichtsloses Streben nach Vermögensvorteilen um jeden Preis
→ Vermögensvorteil = jegliches Vermögensplus
→ Vermögen muss sich nach Vorstellung des Täters unmittelbar vermehren oder durch die Tat muss wenigstens eine unmittelbare Vermögensmehrung entstehen
P: Ersparnis von Aufwendungen
MM: Habgier (-) bei bloßer Vermeidung von Vermögensnachteilen
(+) “Gier” nur bei einem Streben nach einem Mehr an Gütern, Vermeidung von Nachteilen kein hemmungsloses Gewinnstreben
(+) restriktive Auslegung der Mordmerkmale
h. M.: gleichgültig, ob Vermögenszuwachs oder Vermeidung von Aufwendungen erstrebt
(+) Vermögenszuwachs und Ersparung von Aufwendungen wirtschaftlich gleichwertig
(+) besondere Verwerflichkeit kann in beidem liegen, Täter nicht weniger gefährlich
(+) sonst zufällige Ergebnisse
sonstige niedrige Beweggründe
Tatantriebe, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, durch hemmungslose, triebhafte Eigensucht bestimmt und deshalb verwerflich, ja verächtlich sind
→ Motivation im weitesten Sinne menschlich nachvollziehbar?
→ ergibt sich nicht schon aus der fehlenden moralischen Rechtfertigung der Tat
→ Gefühlsregungen (Eifersucht, Rache, Wut, Hass) kommen nach st. Rspr. nur in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen (wenn sie jeglichem nachvollziehbarem Grund entbehren)
→ Verhältnis zwischen Anlass der Tat und ihren Folgen
→ Bsp. Tötung des Ehegatten, um neuen Partner zu gewinnen (Rspr.)
→ subjektiv: Täter muss Umstände kennen und mit seinem Bewusstsein erfassen, welche die Bewertung seines Handlungsantriebs als niedrig begründen; muss Bewertung nicht teilen, aber sie muss seiner Einsicht wenigstens grds. zugänglich sein
Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht
= dem Täter kommt es auf die Ermöglichung / Verdeckung einer anderen Straftat an
→ Selbstbegünstigung wirkt anders als sonst qualifizierend wegen besonderer Gefährlichkeit des Täters + Präventionsgedanke
P: Muss gerade der Tötungserfolg in der Tätervorstellung kausal für die Ermöglichung/Verdeckung der anderen Straftat sein?
Rspr. früher
→ Tötungserfolg muss notwendiges Mittel zur Zielerreichung sein
Täter stellt sich vor: ohne Tod lässt sich andere Straftat nicht begehen/verdecken
P: Muss gerade der Tötungserfolg in der Tätervorstellung kausal für die Ermöglichung/Verdeckung der anderen Straftat sein?
Rspr. heute + h. L.
→ auch Tötungshandlung kann dem Täter als das notwendige Mittel erscheinen, um Begehung/Verdeckung anderer Tat zu ermöglichen
→ finale Ausrichtung der Tötungshandlung auf andere Tat genügt
→ Eventualvorsatz bzgl. Tod genügt, Absicht nur bzgl. Ermöglichung/Verdeckung
A: in konkreter Situation kann nur durch Todeserfolg das Ermöglichungs-/Verdeckungsziel erreicht werden
einschränkende Auslegung der Ermöglichungs-/ Verdeckungsabsicht
- keine “andere” Tat, wenn Tötung und zu verdeckende Tat eine einzige, identische Tat bilden
- hat Täter bei Erstakt mit Tötungsvorsatz gehandelt, dann verdeckender (nachfolgender) Tötungsakt kein Verdeckungsmord, außer deutliche zeitliche Zäsur zwischen Erst- und Zweitakt
Mordmerkmale und § 28 StGB
- MM der 2. Gruppe = tatbezogen → keine Anwendung § 28 StGB
- MM der 1. und 3. Gruppe = täterbezogen → Anwendung § 28 StGB grundsätzlich eröffnet
- da § 211 StGB Qualifikation (h. L.), sind MM strafmodifizierend → § 28 II StGB
einschränkende Auslegung Heimtücke
→ verfassungskonforme Auslegung
(1) Handeln in feindseliger Willensrichtung: Täter handelt nicht zum vermeintlich Besten des Opfers, objektive Nachvollziehbarkeit erforderlich
(2) Typenkorrektur: Tötung “besonders verwerflich”?
(+) Einzelfallgerechtigkeit, VHMK
(-) Bestimmtheit
(3) verwerflicher Vertrauensbruch: Täter muss ihm entgegengebrachtes Vertrauen bewusst missbrauchen
(-) unpräzise, erfasst klassischen Attentäter und Terroristen nicht
(4) tückisch-verschlagenes Vorgehen: listig, hinterhältig
(+) Wortlaut, entspricht Leitbild des Mordes
(5) Rechtsfolgenlösung: Strafmilderung analog § 49 I Nr. 1 StGB bei ganz außergewöhnlichen Umständen (SZM); gilt nur i. R. d. Heimtücke
(+) vgl. §§ 13 II, 17 S. 2, 21, 23 II StGB
(+) Einzelfallgerechtigkeit
(-) widerspricht Gesetzeswortlaut, Wertungswidersprüche zu § 212 ff. StGB, Umgehung
Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe
müssen innerhalb eines Motivbündels tatbeherrschend und bewusstseinsdominierend sein
besondere Absichten mit dolus eventualis vereinbar?
Rspr.: (+)
gemeingefährliches Mittel
bringt Gefahr für große Anzahl anderer Personen mit sich, nicht zu beherrschen / kontrollieren
Bsp. Sprengstoffe
Opfer arglos, wenn es Täter zuvor angegriffen hat?
→ Opfer hat zuvor Notwehrlage herbeigeführt
→ Durfte Opfer arglos sein?
(+) Wortlaut stellt nur auf bloße Gefühlslage des Opfers ab, deskriptives Merkmal
(-) systematisch → § 32 StGB → Opfer muss mit Gegenwehr rechnen, unabhängig davon, ob sich diese in den Grenzen des Notwehrrechts hält