§ 239 StGB Flashcards
P: geschütztes Rechtsgut
h. M.: potentielle persönliche Fortbewegungsfreiheit (= Freiheit zur Ortsveränderung)
a. A.: aktuelle persönliche Fortbewegungsfreiheit
(+) wenn Opfer nichts bemerkt, nur Handlungsunrecht, kein Erfolgsunrecht
Fortbewegungsfreiheit
es kommt darauf an, ob das Opfer den gegenwärtigen Aufenthaltsort verlassen kann
→ bloßes Versperren einer Möglichkeit zum Verlassen eines Ortes oder zum Erreichen eines bestimmten anderen Ortes grundsätzlich keine Beeinträchtigung
potentiell
es kommt nicht auf tatsächlich vorliegenden Willen an, hinreichend ist die natürliche Fähigkeit zur willkürlichen Fortbewegung
(-) bei Säuglingen
(+) bei Hilfsmitteln (z. B. Krücken etc.)
Einsperren
Verhindern des Verlassens eines umschlossenen Raumes durch äußere Vorrichtungen, so dass der Betroffene obj. daran gehindert ist, sich von der Stelle zu bewegen
(+), wenn das Opfer den unverschlossenen Ausgang nicht kennt
(+) in beweglichem Gegenstand
(-), wenn der Aufenthaltsort gefahrlos auf andere zumutbare Weise verlassen werden kann
auf sonstige Weise
verschiedenste Tatmittel (z. B. Gewalt, Drohung, List), wenn dadurch eine erhebliche Barriere beim Opfer aufgebaut wird
P: Genügt faktischer Zwang trotz an sich gegebener Ausweichmöglichkeit? (Seebadefall)
weite Betrachtung
jede Form der “Barriere” von nicht völlig unerheblichem Charakter, psychisch oder physischer Natur
(-) nur allg. Willensfreiheit beeinträchtigt, ausreichender Schutz durch § 240 StGB
P: Genügt faktischer Zwang trotz an sich gegebener Ausweichmöglichkeit? (Seebadefall)
restriktive Betrachtung
nur, wenn der faktische Zwang seiner Intensität nach (ausnahmsweise) so stark ist, dass er einem physischen Zwang gleichsteht, kann dies genügen
→ Überwindung der Barriere für Leib/Leben unzumutbar gefährlich
ohne/gegen den Willen des Opfers
- ungeschriebenes TBM
- tatbestandsausschließendes Einverständnis
Vollendung und Beendigung
→ Dauerdelikt: wenn das Opfer seine Freiheit wiedererlangt
Vollendung mit Eintritt des (nicht unerheblichen) Freiheitsverlustes
Konkurrenzen
§ 239 StGB tritt im Wege der Gesetzeskonkurrenz gegenüber allen TB zurück, bzgl. derer die Begehung der Freiheitsberaubung notwendige oder regelmäßige Begleiterscheinung ist
P: Schützt § 239 StGB auch die potentielle Fortbewegungsfreiheit?
→ Schlafende, Bewusstlose
unstreitig: bei konstitutionell unmöglicher Willensbildung (z. B. bei Säuglingen) scheidet § 239 StGB mangels natürlicher Fähigkeit zur Fortbewegung aus (aber ggf. Wille des Sorgepflichtigen maßgeblich?)
sonst str.:
- e. A.: Aktualitätstheorie
- h. L. / Rspr.: Potentialitätstheorie
- vermittelnd: Aktualisierbarkeitstheorie
P: Schützt § 239 StGB auch die potentielle Fortbewegungsfreiheit?
→ Schlafende, Bewusstlose
1. e. A.: Aktualitätstheorie
§ 239 I StGB erst vollendet, wenn sich Opfer tatsächlich fortbewegen will
(+) § 239 StGB schützt natürlichen Fortbewegungswillen des Opfers, wenn dieser nicht tangiert ist, liegt nur Gefährdung vor
(-) Behandlung Schlafender / Bewusstloser in anderen TB
(-) willkürlich, zufällig, ob Schlafender rechtzeitig erwacht
P: Schützt § 239 StGB auch die potentielle Fortbewegungsfreiheit?
→ Schlafende, Bewusstlose
2. h. L. / Rspr.: Potentialitätstheorie
§ 239 I StGB auch vollendet, wenn sich Opfer nicht fortbewegen will bzw. seine Lage nicht bemerkt
(+) umfassender Schutz auch von Kranken und Ruhebedürftigen; verfassungsrechtlich weite Auslegung geboten
(-) nur Handlungs-, kein Erfolgsunrecht
(-) Versuch strafbar, daher keine Strafbarkeitslücke
P: Schützt § 239 StGB auch die potentielle Fortbewegungsfreiheit?
→ Schlafende, Bewusstlose
3. vermittelnd: Aktualisierbarkeitstheorie
§ 239 I StGB vollendet, wenn das Opfer seinen potentiell vorhandenen Fortbewegungswillen jederzeit aktualisieren könnte, selbst wenn es die Lage nicht bemerkt hat
(+) Schutz des § 239 I StGB für denjenigen, der persönliche Freiheit nutzen kann
(-) Wertungswiderspruch zu anderen TB
(-) wer sich nicht fortbewegen will, ist kein taugliches Tatobjekt → untauglicher Versuch