Migräne Flashcards
Migräne
Eine Migräne ist etwas anderes als gewöhnliche Kopfschmerzen, die fast jeder Mensch ab und zu hat.
Bei einem Migräneanfall setzen plötzlich heftige Schmerzen ein, oft nur auf einer Kopfseite. Sie sind deutlich stärker als gewöhnliche Kopfschmerzen und meist von weiteren Beschwerden begleitet.
EPI
Sehr häufige primäre Kopfschmerzerkrankung
Geschlecht: ♀>♂ (3:1) im mittleren Erwachsenenalter
Alter: Erstmanifestation meist zwischen 15. und 25. Lebensjahr
Ätiologie: Familiäre Disposition und Triggerfaktoren
Über die pathophysiologische Ursache der Erkrankung gibt es viele Theorien, aber keine eindeutigen Erkenntnisse
Familiäre Disposition
Mögliche Triggerfaktoren:
- Klimaeinflüsse: Wetterwechsel, Kälte
- Genussmittel: Alkohol, Nikotin, Zitrusfrüchte, Milchprodukte, tyraminhaltige Lebensmittel (Schokolade, Rotwein)
- Veränderungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, Zeitverschiebungen
- Nach einer anstrengenden, stressigen Zeit (sog. “Feiertagsmigräne”)
- Bei Frauen zusätzlich: Menstruation, Hormoneinnahme (Kontrazeptiva)
Migräne Formen
Die Migräne wird klinisch in:
einfache ( vegetative Begleitsymptome),
klassische ( neurologische Defizit begleitet ) und
komplizierte ( neurologische Störungen begleitet) Form eingeteilt.
Einige Autoren teilen die Migräne auch nach dem Vorhandensein einer Aura in “mit Aura” und “ohne Aura” ein.
- Einfache Migräne: Die einfache oder gewöhnliche Migräne zeichnet sich durch vegetative Begleitsymptome wie Übelkeit, Erbrechen, audiovisuellen Missempfindungen (Photophobie, Phonophobie), Palpitationen und Diarrhöen aus.
- Klassische Migräne: auch Migräne mit Aura genannt, werden die Kopfschmerzen zusätzlich von meist kurz andauernden und nach Anfallsende abklingenden neurologischen Defiziten begleitet. So sind beispielsweise für die ophthalmische Migräne Gesichtsfeldausfälle in Form von sog. Flimmerskotomen typisch, auf welche oft Lichtblitze (Photopsie) folgen. Bei Lidschluss leuchten die Lichtblitze intensiv bläulich-gelb wie ein Feuerwerk. Dem folgt ein Halbseitenkopfschmerz mit Rötung der Gesichtshaut der betroffenen Seite. Ätiologisch verantwortlich ist wahrscheinlich eine temporäre Blutzirkulationsstörung im Bereich der Arteria cerebri posterior. Diese Art der Migräne betrifft meist jüngere Patientinnen zwischen 10 und 30 Jahren.
- Komplizierte Migräne: auch als Migraine accompagnée bezeichnet, auftretenden neurologischen Störungen dauern länger als bei der klassischen Migräne und können den einzelnen Anfall auch überdauern. Beispiele für die komplizierte Migräne sind:
Hemiplegische Migräne
Basilaris-Migräne
Ophthalmoplegische Migräne mit Paresen im Versorgungsgebiet des Nervus oculomotorius - Sonderformen:
Der medikamenteninduzierte Dauerkopfschmerz kann im Rahmen einer Migräne durch zu häufige Einnahme von Schmerzmitteln, Mutterkornalkaloiden oder Triptanen zustande kommen. Es kommt dabei zu einer Zunahme der Migräneattacken. Auch die Einnahme von Tranquillizern (Benzodiazepinen), Nitropräparaten und Antibiotika (z.B. Aminoglykoside) können zu Kopfschmerzen führen.
Die vestibuläre Migräne ist die häufigste Ursache von spontan rezidivierenden Schwindelattacken im mittleren Lebensalter.
Klinik: Prodromi
Vorboten: Stunden bis 2 Tage vor der Migräneattacke
Stimmungsveränderung Heißhunger oder Appetitlosigkeit Schwierigkeiten beim Schreiben und Lesen Vermehrtes Gähnen Polyurie Polydipsie
Klinik: Kopfschmerzen
Lokalisation: Ca. 60% einseitig (kann auch während eines Anfalls die Seite wechseln), insb. frontal, frontotemporal, retroorbital
Dauer: 4–72 Stunden
Verlauf: Langsam zunehmender Schmerz
Charakter: Pulsierend, bohrend, hämmernd
Klinik: Begleitphänomene
Phonophobie = Lärmenempfindlichkeit Photophobie = Lichtempfindlichkeit Appetitlosigkeit Übelkeit Erbrechen Leichtes Augentränen Geruchsüberempfindlichkeit Verstärkung durch körperliche Tätigkeiten
Klinik: Migräne mit Aura
Anfallsweise auftretende, reversible fokale neurologische Symptome <60 Minuten Dauer
Migränetypische Kopfschmerzen sind dabei nicht obligat (Migraine sans migraine)
Kortikale Symptomatik, insb. mit Beteiligung der Sehrinde
Flimmerskotom
Negatives Skotom: Gesichtsfeldausfall
Positives Skotom: Gezackte Linien bzw. Fortifikationsspektren , die das Flimmerskotom umgeben oder ausfüllen
Photopsien (Lichtblitze)
Grelle Farbwahrnehmungen
Sensibilitätsstörungen, Parästhesien
Aphasie
Hirnstamm- bzw. Kleinhirnsymptomatik: Paresen, Schwindel
Klinische Diagnose der klassischen Migräne ohne Aura
Anamnestisch mind. fünf Attacken, die folgende Kriterien erfüllen und nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen sind:
Dauer (ca. 4–72 Stunden)
Mind. zwei der folgenden Kriterien bzgl. der Kopfschmerzen werden erfüllt
Lokalisation (meistens einseitig)
Pulsierender Charakter
Mittlere bis starke Intensität
Verstärkung durch körperliche Tätigkeiten
Auftreten von mind. einem der folgenden Begleitsymptome
Übelkeit und/oder Erbrechen
Photophobie und Phonophobie
Klinik: Allgemeine Untersuchung beim Leitsymptom Kopfschmerz zum Ausschluss anderer Ursachen
- Neurologischer Status und detaillierter Hirnnervenstatus.
- Trigeminale Nervenaustrittspunkte: Zum Ausschluss einer Trigeminusneuralgie
- Bulbusdruck- und Bewegungsschmerz: Als Hinweis auf ein ophthalmologisches Geschehen (z.B. akutes Glaukom)
- Beweglichkeit der HWS, Druckschmerzhaftigkeit der perikraniellen Muskulatur: Kann als Hinweis auf einen Spannungs- oder zervikogenen Kopfschmerz dienen
- Klopf- und Druckschmerz der Kalotte: Diffuser Klopfschmerz kann z.B. Zeichen einer Meningitis sein; umschriebener Klopfschmerz kann z.B. im Rahmen von Knochenprozessen auftauchen
- Schmerzen bei Kieferöffnung: Störungen im Bereich des Kiefergelenks und der Kaumuskulatur (Myoarthropathien) treten gehäuft zusammen mit Migräne oder Kopfschmerzen vom Spannungstyp auf
- Beurteilung der Schleimhäute, Zahnstatus: Kopfschmerzen können im Rahmen von dentogenen und kieferorthopädischen Leiden auftreten
- Ertasten der A. temporalis superficialis: Kann Hinweis auf das Vorliegen einer Arteriitis temporalis geben. Der Puls der Arteria temporalis superficialis (“Schläfenpuls”) lässt sich oberhalb des Jochbogens etwas anterosuperior des Tragus tasten.
- Messung des Blutdrucks: Zum Ausschluss einer Hypertonie bzw. einer hypertensiven Krise
DD
Spannungskopfschmerz
Cluster-Kopfschmerz
Medikamenten-induzierter Kopfschmerz
Hypertensive Krise
Spannungskopfschmerzen
Typischerweise bifrontal, okzipital oder holozephal
Dumpf drückend, Engegefühl („Schraubstockgefühl“)
Meist leichte bis mäßige Intensität
Weitere Charakteristika
Keine Verstärkung durch körperliche Tätigkeit
Keine vegetativen Begleitsymptome.
Erbrechen ist mit Kopfschmerzen vom Spannungstyp nicht vereinbar!
Cluster-Kopfschmerzen Hinweisend auf Clusterkopfschmerz: Einseitige Symptomatik Schmerzen im Bereich des Auges Zeitliche Charakteristika (bspw. Erwachen aus dem Schlaf, Wiederholung zur selben Tageszeit) (Motorische) Unruhe während Attacke
Leitsymptomatik: Stärkste einseitige Kopfschmerzattacken mit ipsilateraler autonomer Symptomatik Kopfschmerzen
Lokalisation: Streng einseitig Augenregion (orbital, supraorbital und/oder temporal)
Schmerzcharakter: Hohe oder sehr hohe Schmerzintensität Bohrend, stechend, brennend
Zeitlicher Charakter: Häufig nachts auftretend
Dauer der einzelnen Attacke: 15 Minuten bis 4 Stunden
Gehäuftes Auftreten in „Clusterperioden“ mit bis zu 8 Attacken pro Tag !
Autonome Symptome (mindestens eines obligat und immer ipsilateral zu den Kopfschmerzen): Konjunktivale Injektion und/oder Lakrimation (Tränenfluss), Inkomplettes Horner-Syndrom (nur Ptosis und/oder Miosis) Rhinorrhö und Schleimhautschwellung der Nase, Schwitzen, Gesichtsrötung
Paroxysmale Hemikranie
Sehr selten
Klinik: Periorbitale bohrende Schmerzen hoher Intensität
Kürzere Attacken (5–30 Minuten) und höhere Attackenfrequenz (bis zu 30/Tag) als beim Clusterkopfschmerz
Medikamenten-induzierter Kopfschmerz
Übergebrauch von Analgetika
Bei regelmäßiger Schmerzmitteleinnahme aus anderen Gründen als einer primären Kopfschmerzerkrankung kommt es nicht zu einem Medikamenten-induzierten Kopfschmerz!