Kortikale Reorganisation Flashcards

1
Q

Was ist kortikale Reorganisation?

A

= Veränderung in der Strukturierung, Form und Lage einer Kortexregion, die einer bestimmten Funktion zugeordnet ist (somatosensorisch, visuell, auditorisch, motorisch)

Kortikale rezeptive Felder repräsentieren in der geordneten Form einer Karte die räumliche Anordnung der Rezeptoren in der Peripherie → Abbildung des visuellen Raums, der Körperoberfläche oder der Tonhöhe durch die Kerne entlang der sensorischen Bahnen (und die Kortexareale)

Voraussetzungen kortikaler Reorganisation:
Stimulation intensiv und verhaltensrelevant

Beispiele:

  • nach Deafferenzierung (zB. Amputation Finger) reagieren die Neurone der deafferenzierten Areale auf Eingänge in benachbarten Repräsentationsarealen nach Stimulation
  • Thalamische Reorganisation bei Ausschaltung der efferenten Fasern (→ frühere Schaltstationen entlang der sensorischen Bahnen werden über top-down-Prozesse entscheidend beeinflusst)
  • Erklärung für Spontanerholung von nach einer Hirnverletzung anfänglich reduzierten Verhaltensweisen, Wahnehmung oder kognitiven Fertigkeiten
    → Verhaltensplastizität
  • Mangelnde Erholung von Bewegungsstörung nach Apoplex?
    → gelernter Nichtgebrauch der Neurone nach Deafferenzierung (Studie mit Affen; versuchen in Erholungsphase Arm einzusetzen, dieser bewegt sich aber nicht, da noch zu früh, Arm wird nach Misserfolg nicht nochmal eingesetzt (Ansatz für Shaping Therapie)
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2
Q

Morphologische neuronale Plastizität

A

Neuronales Netzwerk wird in Abhängigkeit der intrinsischen Struktur und der Aktivität verändert

Erfahrung bedingt:

  • longterm potentiation/longterm depression
  • Bildung von Synapsen
  • Erhöhte Dichte von Spines
  • längere Dentriten und Axone
  • Vermehrte Aktivität in Gliazellen
  • Veränderter Stoffwechsel (Angiogenese)
  • Integration neuer Neurone ins Gehirn
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3
Q

Hebb’sche Regel

A

Hebb: “What fires together, wires together”
→ simultane prä- und postsynaptische Erregung benachbarter Neurone führt zu gesteigerter Erregbarkeit der beiden Neurone beim nächsten Impuls
→ so entstehen “cell assemblies” oder neuronale Netzwerke (stärken ihre Verbindung durch synchrone Aktivität und grenzen sich so von anderen ab), die Aktivierung eines Teils aktiviert das gesamte Netzwerk
→ 2 chemische Prozesse sind bei gleichzeitiger Erregung beteiligt:

Langzeitpotenzierung (LTP): Potenz der Synapse zur elektrischen Impulsübertragung wird langandauernd verstärkt, wenn ein präsynaptischer Impuls dem Feuern des postsynaptischen Neurons vorausgeht

Langzeitdepression (LTD): Potenz der Synapse zur elektrischen Impulsübertragung wird andernfalls dauerhaft geschwächt, die Aktivität der Synapse nimmt ab.

  • Zeitfenster von 10ms zwischen LTP und LTD
  • Wikipedia: Zusammen mit ihrem Gegenstück – der Langzeit-Potenzierung (LTP) stellt LTD eine der zellulären Grundlagen von Lernen und Gedächtnis dar. Es wird heute gemeinhin angenommen, dass durch diese Formen von synaptischer Plastizität Informationen in Nervensystemen dauerhaft abgespeichert werden.
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4
Q

Gebrauchsabhängige kortikale Reorganisation/Prinzipien

A
  1. Deafferenzierung: Invasion benachbarter Repräsentationsbereiche
  2. Vermehrter Gebrauch eines Gliedes: Expansion des entsprechenden Bereichs, Schärfung der rezeptiven Felder der entsprechenden Neurone (z.B. nach Amputation, Invasion der kortikalen Reorganisation korreliert mit dem Ausmaß pathologischer Symptome, z.B. Phantomschmerz im Arm, wenn Gesicht berührt wird oder Tinnitus.)
  3. Zeitsynchrone, verhaltensrelevante Stimulation von zwei Regionen (z.B. zwei Finger) bedingt Fusion der Repräsentationen, zeitlich korrelierte Aktivitäten formen kortikale Repräsentationen (Blinde, die Braille-Schrift lesen → Überlagerung der Repräsentationsareale einzelner Finger)
  4. Asynchrone Reizung zweier Rezeptorgebiete bedingt Trennung der zugehörigen Repräsentationen
    (es entstehen z.B. getrennte Fingerareale)
  5. Veränderungen in den kortikalen Karten erfolgen nur, wenn die Reizverarbeitung mit hoher Motivation erfolgt
  6. Kortikale Reorganisation kann nur durch intensive Übung erreicht werden.
  7. Eine Hirnverletzung kann kortikale Reorganisation in zur Läsion benachbarten Gebieten hervorrufen
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5
Q

Gebrauchsabhängige kortikale Reorganisation/Pseudoplastizität

A

Schärfung eines von vielen möglichen Aktivationsmustern in der Karte durch kontextuelle Variablen oder Verschiebung des Aufmerksamkeitsfokus, aber anatomisches Substrat im Repräsentationsareal bleibt unverändert (z.B. Ausdehnung Fingerareale linke Hand bei Streichinstrumentenspielern)

Pseudoplastizität geht also nicht mit strukturellen Veränderungen einher, sondern ist nur eine kontextuell erhöhte Reaktivität des Netzwerks

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6
Q

Gebrauchsabhängige kortikale Reorganisation/Kreuzmodale Plastizität

A

Wenn gesamte modalitätsspezifische Hirnregion von Eingängen abgeschnitten ist (Blindheit, Taubheit etc.) → depriviertes Hirnareal nicht untätig, sondern reagiert auf Reize anderer sensorischer Modalitäten

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7
Q

Gebrauchsabhängige kortikale Reorganisation/top-down oder bottom up?

A

10x mehr Fasern ziehen vom Kortex zum Thalamus (top-down) als aufsteigend vom Thalamus zum Kortex

  • Plastizität ist also nicht nur von sensorischem Input (bottom-up), sondern auch von top-down Prozessen bestimmt, bei denen der Kortex die Feinstruktur funktioneller thalamischer Organisationen dominiert → Selbstregulation des Gehirns
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8
Q

Neuropsychologische Konsequenzen und therapeutische Nutzung von kortikaler Reorganisation/Umkehrung kortikaler Reorganisation

A

Umkehrung kortikaler Reorganisation

Beispiel: Linderung von Phantomschmerz durch Sauerbruch-Prothese

→ erlaubt wirksame motorische Kontrolle, Phantomschmerz nimmt deutlich bis vollständig ab, da kortikale Reorganisation reduziert wird (bei normaler Prothese nimmt Phantomschmerz zu)

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9
Q

Neuropsychologische Konsequenzen und therapeutische Nutzung von kortikaler Reorganisation/Fokale Dystonie

A

Fokale Dystonie = lokale, nicht beeinflussbare und häufig langanhaltende Muskelkontraktionen, betrifft meistens Regionen, die unter äußerster Präzision komplexe Bewegungen ausführen

z.B. bei professionellen Klavierspielern durch Überbeansprunchung oder Handverletzung
→ fehlende Koordination der Hand- und Fingermuskulatur
→ Überlappung der Areale durch häufige, gleichzeitige Stimulation
→ Training mit fixierten kompensatorischen Fingern zur distinkten afferenten Stimulation

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10
Q

In welcher Weise verändert Deafferenzierung die funktionelle kortikale Organisation?

A

Repräsentationsareale der/des deafferenzierten Körperteils/Gliedmaßes werden bei Input in homunkulär benachbarte Repräsentationsareale aktiviert

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11
Q

Was unterscheidet funktionelle kortikale Reorganisation von S-R-Lernen?

A

Kortikale Reorganisation erfolgt durch intensiven afferenten Input unter hoher Motivation, S-R-Lernen ist nur über zeitliche Kontiguität von Reiz und Reaktion erklärbar

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12
Q

Constrained-Induced-Prinzipien

A

Constraint = reduzierter afferenter Input in Regionen, die normalerweise über kompensatorische Bewegungen gestärkt werden, indem ebensolche kompensatorischen Bewegungen unterbunden werden (Schlinge, Handschuh o.ä. an gesundem Arm)

Induced= nach Shaping-Prinzipien induzierten afferenten Input in betroffene oder Zielareale über zeitintensive und nach Schwierigkeit aufeinander aufbauende Übungen in motivierendem (alltagsrelevanten) Kontext (mit verletztem Arm)

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13
Q

Gebrauchsabhängige kortikale Reorganisation/Plastizität

A

= gebrauchsabhängig induzierter intensivierter afferenter Input führt zu erhöhter Effizienz des Netzwerks im Repräsentationsareal

messbar in ausgedehnter oder stärkerer Reaktion auf Stimulation, aber auch strukturelle Änderungen (Rekrutierung von Neuronen ins cell assembly - “Willkommen im Club”)

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