6.3 Lebenswelten von Hundertjährigen und ihren Angehörigen Flashcards
Warum ist das Thema Hundertjähriger heute von besonderem Interesse, gesellschaftlich und wissenschaftlich?
- UN zufolge leben aktuell über 570k Hundertjährige auf der Welt
- Hundertjährige sind die am schnellsten wachsende Bevölkerung weltweit und in Deutschland
- 0,025% in DE, 20465 Menschen
- für 1929 geborene Frauen ergibt sich aktuell eine durchschnittliche Lebenserwartung von 64,7 Jahren, für damals geborene Männer liegt sie bei 57,5 Jahren
- 25-50% der im Jahr 2007 geborenen Kinder werden das 102. Lebensjahr erreichen
- 2019 in Berlin: 1025 Hundertjährige
- > statistische Häufungen extrem Hochaltriger an 5 Orten der Erde, die als Blue Zones bezeichnet werden
Was macht die Okinawa Centenarian Study
- durchgeführt von verschiedenen japanischen und amerikanischen Forscherteams, untersucht Gründe für die Langlebigkeit vieler Einwohner
- mehr als 900 der 1,3 Millionen Menschen dort sind 100 Jahre oder älter
- werden seltener Krank an chronologischen altersbedingten Erkrankungen
- sind zufriedener und weniger oft depressiv als in amerikanischen Kohorten
- wurden multiple grundlegende Faktoren untersucht:
- > salz-, fett- und kalorienarme Ernährung
- > tägliche Bewegung durch traditionelle Tänze und Tai Chi, soziale Einbindung
- > Gene
Was macht das Projekt A Kent’Annos (auf Sardinien)?
- Sichtung von Geburts- und Sterbeurkunden
- 1800 lebende oder bereits verstorbene hundertjährige Sarden
- durchschnittlich 22 Hundertjährige auf 100.000 Einwohner
- Verhältnis hoch betagter Frauen zu Männern liegt bei 1/2:1 (normal 5:1)
- vermutliche Gründe:
- > tägliche Bewegung bis ins höchste Alter (Schlafhirten, Olivenernte, Spazieren im Gebirge)
- > soziale Kontakte durch familiäre Einbindung
- > Ernährung (cholesterinfreier Schafskäse, Rotwein, Olivenöl)
- > Gene
Was ist ein “Escaper”?
- verbringt weitgehend ohne chronische Erkrankungen sein Leben
Was ist ein “Delayer”?
- die alterstypischen Erkrankungen treten später auf
Was ist ein “Survivor”?
- überlebt lange, obwohl alterstypische Erkrankungen schon früh auftreten
Wie werden Hundertjährige in Deutschland erforscht?
- über Sozialversicherungsdaten zur Beschreibung der Population u. deren Inanspruchnahmeverhalten
-> Sekundärdatenanalyse Routinedaten der über hundertjährigen Mitglieder (100-109 Jahre) der AOK Nord-Ost
=> die meisten habe mindestens 1-2 aber vor allem über 3 Erkrankungen - erste Heidelberger Hundertjährigen-Studie
- > N=91 persönlich befragter Hundertjährige
- > Aussagen zum kognitiven Status, zur funktionalen Kapazität, der psychischen Gesundheit und dem subjektiven Wohlbefinden getroffen
- zweite Heidelberger Hundertjährigen-Studie
- > N=95 persönlich befragter Hundertjährige
- > Herausforderungen, Stärken und Potenziale, körperliche Verletzlichkeit, Selbstständigkeit, Lebenssituation (59% Privathaushalte, 41% Einrichtungen der Altenpflege), Unterstützungsbedarf
Was sind Probleme mit Hundertjährigen?
- Bewältigung des Themas Sterben und Tod ist Lebensaufgabe und zugleich relevanter Faktor “gelingenden Alterns”
- wenige Untersuchungen befassen sich mit Herausforderungen und Präferenzen bei der Versorgung sehr alter Menschen am Lebensende
- Situation von Angehörigen wird lediglich mit dem Fokus auf das Geschehen während der Sterbephase untersucht
- Hundertjährige finden in der Forschung zu Sterben und Tod kaum Berücksichtigung
Welche biographischen Herausforderungen gibt es bei Hundertjährigen?
- Herausforderungen der Kindheit waren maßgeblich durch die Ereignisse des ersten Weltkrieges geprägt
- junges Erwachsenenalter war durch NS und WW2 bestimmt
- Männer schilderten einschneidende Erlebnisse als Soldaten
- Frauen berichten von Flucht, dem Verlust des Partners, Bedrohung durch Bombenangriffe oder körperliche Übergriffe
Wie wirkt sich der Verlust Angehöriger auf Hundertjährige aus?
- Kriegserfahrungen nicht in Zusammenhang mit Sterben und Tod thematisiert
- Verlust von nahen Angehörigen stellte die Befragten in allen Lebensphasen vor schwerste Herausforderungen
- Kinder werden teilweise überlebt
Wie gehen Hundertjährige mit dem Thema Sterben und Tod um?
`- sehr kleine familiäre und freundschaftliche Netzwerkstrukturen
- umfangreiche Erfahrungen mit Sterben und Tod
- als Referenzpunkte für das Sterben werden Sterbeerfahrungen Dritter genannt
Wie gehen Hundertjährige mit Sorgen und Hoffnungen um?
- nicht Tod ist beunruhigend, sondern der Sterbeprozess
- belastende Symptome, insbesondere Schmerzen werden gefürchtet
- Hauptsorge: Pflegebedürftige im Sinne eines verlängertes Sterbeprozesses
- Glaube an ein gnädiges Schicksal, begründet durch das sehr hohe Alter
Wie gehen Hundertjährige mit Offenheit und Begrenzung um?
- Leben sehr stark im Jetzt verortet: Zukunftsperspektiven werden teilweise kategorisch zurückgewiesen
- Wahrnehmung begrenzter Lebenszeit: Wer 100 Jahre alt geworden ist, erwartet oftmals nicht mehr deutlich älter zu werden
- oftmals wird Todesnähe und teilweise werden Sterbewünsche klar benannt
Wie verhalten sich Angehörige den Hundertjährigen gegenüber?
- begrenzte Lebenszeit der Hundertjährigen ist bei diesen präsent
Welche Rolle hat Würde für Hundertjährige?
- besonders stark ausgeprägte der Wunsch der Angehörigen nach einem würdevollen Umgang, der Hundertjährige in besonderer Weise zustehen sollte