Objektive Zurechnung Flashcards
Was ist der Sinn der objektiven Zurechnung?
Sie dient als Instrument, um Ergebnisse im objektiven Tatbestand, die nach der Naturkausalität dem Täter zurechenbar sind, normativ zu begrenzen.
Damit wird der Zweck verfolgt, dass der sozialschädliche Erfolg, dessen Missbilligung durch die Aufstellung einer Strafnorm durch den Gesetzgeber deulich wird, nur insoweit zurechenbar sein kann, wie sich die geschaffene Gefahr und der eingetretene Erfolg als das Werk des Täter darstellen.
Wie lautet die Definition der objektiven Zurechnung?
Die objektive Zurechnung ist gegeben, wenn der Täter ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen hat und sich dieses im konkreten tatbestandlichen Erfolg verwirklicht hat.
Wie lauten die Fallgruppen in der objektiven Zurechnung?
- Risikoverringerung
- Allgemeines Lebensrisiko/ Erlaubtes Risiko
- Atypischer Kausalverlauf
- Schutzzweck der Norm
- Eigenverantwortliche Selbstgefährdung
- Eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten
- Rechtmäßiges Alternativverhalten
Was versteht man unter der Risikoverringerung?
In der Risikoverringerung verringert der Täter die Folgen eines bereits eingetrenen Risikos, sodass die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sinkt, der Schaden sich quantitativ verringert oder ein weniger gravierender Erfolg eintritt.
Bsp.: Abstiftung
Wann liegt keine Risikoverringerung vor?
Sie liegt nicht vor, wenn der Täter durch den Versuch der Verringerung eine neue Gefahr schafft. Dabei handelt es sich dann lediglich um eine Risikoverlagerung.
Wann besteht nach der Fallgruppe des “Allgemeinen Lebensrisiko” keine rechtlich relevante Gefahr?
Keine rechtlich relevante Gefahr besteht, wenn die Grenzen des allgemeinen Lebensrisikos nicht überschritten wird oder nur ganz entfernte Bedingungen greifen.
Bsp.: Tötung durch erhofften Blitzeinschlag o. Flugzeugabsturz
Abzulehnen bei HIV-Infektionen durch ungeschützten GV
Was versteht man unter einem atypischem Kausalverlauf?
Ein Atypischer Kausalverlauf liegt vor, wenn der eingetretene Erfolg völlig außerhalb dessen liegt, was nach allgemeiner Lebenserfahrung in Rechnung zu stellen ist.
Bsp.: Eine alleine nicht tödlich wirkende Giftdosis führt zum Tode, weil ein Dritter eine zweite Giftdosis verabreichte, sodass beide zusammen zum Tode führten.
Was bedeutet Schutzzweck der Norm?
Die Strafnorm, gegen die verstoßen wurde, muss gerade den eingetrenen Erfolg missbilligen.
Bsp.: Klassiber der Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit und Zurechnung eines späteren Unfalls, der nicht stattgefunden hätte, wenn man später am Unfallort eingetroffen wäre.
Wie ist die eigenverantwortliche Selbstgefährdung zu bewerten?
Die eigenverantwortliche Selbstgefährdung ist von der einverständlichen Fremdgefährdung nach dem Kriterium der Tatherrschaft abzugrenzen.
Die Fallgruppe bedrf immer einer Einzelfallbetrachtung, insbesondere daraufhin, ob überlegenes Wissen auf Täterseite (Dann Fremdgefährdung) besteht oder ob das Opfer das Geschehen bis zum letzten Augenblick in seinen Händen hält.
Wann liegt ein eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten vor und wie wird es bewertet?
Es ist umstritten, wann der Zurechnungszusammenhang beim Dazwischentreten eines Dritten unterbrochen wird. Grds. endet die Verantwortlichkeit, wenn ein Dritter vollverantwirtlich eine neue Kausalkette schafft.
Die Zurechnung bleibt jedoch erhalten, wenn der Erfolgseintritt gerade auf der Verletzung von Sicherheitsvorschriften durch den Täter beruht, die vom Schutz vor Vorsatz- pder Fahrlässigkeitstaten Dritter schützen, oder wenn das Verhalten des Dritten typischerweise mit der Ausgangsgefahr verknüpft ist.
Welche Frage stellt sich beim rechtmäßigen Alternativverhalten und wo ist es v.a. relevant?
Es stellt sich die Frage, ob der Erfolg auch beim rechtmäßigen Alternativverhalten eingetreten wäre.
Es ist vor allem relevant in der Fahrlässigkeitsprüfung.
Ab welchem Wahrscheinlichkeitsgrad lässt ein Alternativverhalten den Zurechnungszusammenhang entfallen?
Meinungsstreit!
hM - Vermeidbarkeitstheorie: Es fehlt am Pflichtwidrigkeitszusammenhang, wenn der Erfolg auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre.
mM - Risikoerhöhungslehre: Die Zurechenbarkeit ist zu bejahen, soweit das Verhalten des Täters den Erfolgseintritt irgendwie erhöht hat.
Wie ist es zu bewerten, wenn der konkrete tatbestandliche Erfolg nicht durch die Erst-, sondern erst durch eine Zweithandlung eintritt?
Meinungsstreit!
M1 - Lit.: Bei einem Zweiaktigen Geschehensablauf, bei dem der Täter irrtümlich davon ausgeht, das Ziel sei bereits durch den ersten Akt erreicht, wird zT die objektive Zurechnung verneint. Der Ersthandlung haftet dann nicht das spezifische Risiko des Erfolgseintritts durch die Zweithandlung an.
(-) Verengt die objektive Zurechnung zu stark, da potentiell der Schutzzweck der jeweiligen Normen verkürzt werden könnte
(-) privilegiert den Täter für jeden planwidrigen Wechsel der Tötungsart, auch wenn dieser noch im Rahmen der Lebenserfahrung liegt.
(-) Zurechnung wird nicht beseitigt und ein völlig neues, unabhängiges Risiko gesetzt, sondern es realisiert sich gerade ein in der Ersthandlung mitangelegtes Risiko.
M2 - hM: Nach der herrschenden Meinung ist die objektive Zurechnung in solchen Fällen zu bejahen. Nach allgemeiners Lebensgefahr sind verspätete Erfolgseintritte durch Zweithandlungen immer einzukalkulieren, so dass sich die durch den Erstakt geschaffene rechtlich relevante Gefahr in dem durch Zweitakt herbeigeführten tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat.
Stellt das Anstecken bei ungeschütztem GV mit HIV, ohne dass der Partner von der Infektion wusste, ein “erlaubtes Risiko” dar?
Nein. Anders als alltägliche und landläufige Krankheiten, die geradezu “in der Luft liegen” und damit kaum abschirmbar sind, fehlt es bei zB HIV-Infektionen an der Sozialadäquanz, weil jede Übertragung einen lebenslang wirkenden, mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar tödlichen Eingriff darstellen.