12 Psychische Störungen, Nervensystem Flashcards

1
Q

Sie werden als Notarzt zu einer 68-jährigen Patientin gerufen, die gestürzt ist. Die Patientin kann den rechten Arm und das rechte Bein nicht mehr richtig bewegen und ist verwirrt. Der Blutdruck beträgt 180/110 mmHg, Puls 100/min mit häufigen Extrasystolen. Vor 2 Jahren wäre eine Lähmung ebenfalls rechts aufgetreten, die sich langsam gebessert hat. Die Patientin ist Diabetikerin und spritzt unregelmäßig Insulin nach dem Blutzuckerwert. Der Ehemann berichtet, dass seine Frau vor 3 Tagen Schwindel und Sehstörungen angegeben hätte, die aber gestern komplett verschwunden waren.
Welche Differenzialdiagnosen haben Sie?

A

Aufgrund der Befunde muss von einem zerebralen Ereignis ausgegangen werden. Als Verdachtsdiagnose kommt vor allem ein linkshirniger Apoplex infrage. Ebenfalls wäre eine diabetische Krise oder eine hypertone Hirnblutung möglich. Vor allem die Angaben über Schwindel und Sehstörungen lassen an einen zerebralen Insult denken.

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2
Q

In der Klinik veranlassen Sie ein CT und erhalten folgenden Befund (› Abb. 9.1). Beschreiben Sie bitte die Aufnahme und finden Sie zu einer Diagnose.

A

Das CT zeigt eine Hypodensität im Versorgungsbereich der linken A. cerebri media mit Kompression des linken Seitenventrikels. In der Zusammenschau der Symptome und des CT ist von einem linksseitigen apoplektischen Insult auszugehen.

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3
Q

Was sind die Risikofaktoren für einen zerebralen Insult? Welche Einteilung kennen Sie?

A

Die meisten Ischämien im Gehirn sind durch Arteriosklerose und arterielle Thrombosen verursacht (70%). Wichtigster Risikofaktor ist die arterielle Hypertonie. Weitere Risikofaktoren sind die koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus, Rauchen, starker Alkoholkonsum und Karotisstenosen (Lumeneinengung > 60 %).
Etwa die Hälfte der zerebralen Ischämien haben ihre Ursache in extrakraniellen Gefäßstenosen. Prädilektionsstellen für eine zerebrale Arteriosklerose sind der Abgang zur A. carotis interna und externa in Höhe des Bulbus caroticus sowie der Karotissiphon.
Arterielle Embolien, die entweder aus kardialen oder arterio-arteriellen Quellen stammen, sind weitere Ursachen für einen apoplektischen Insult (30 %). Gerinnungsthromben können durch ulzerierende Plaques oder Stenosen der A. carotis und des Aortenbogens, Endokarditis, Herzinfarkt, künstliche Herzklappen oder durch eine Arrhythmie verursacht sein und dann zerebral verschleppt werden.
Die ischämischen Insulte können nach Schweregrad eingeteilt werden (› Tab. 9.1).
Tab. 9.1 Schweregradeinteilung ischämischer Insulte
Stadium
Definition
I : asymptomatische Stenosen, die zufällig entdeckt werden
II : (TIA) mit Symptomrückbildung < 24 h (cave: folgender Schlaganfall, 40 % in 5 Jahren)
III : prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit (PRIND) mit Symptomrückbildung > 24 h oder Minor Stroke
IV : kompletter Hirninfarkt: partielle oder fehlende Rückbildung neurologischer Ausfälle

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4
Q

Welche Routineuntersuchungen werden Sie bei einem notfallmäßig eingelieferten Schlaganfallpatienten veranlassen?
Welche therapeutischen Maßnahmen werden Sie sofort ergreifen?

A

Eine Krankenhauseinweisung ist unabdingbar. Folgende Untersuchungen werden veranlasst:
• neurologischer Status
• Labor: Blutbild, Hämatokrit, Elektrolyte, Gerinnungsstatus, Blutzucker, Serum-Kreatinin
• EKG
• sofortiges CT (Angio-CT/Spiral-CT)!
• Doppler-Sonografie (extra- und transkraniell), Echokardiografie (optimal transösophageal)
Die Therapie des akuten Schlaganfalls muss sofort beginnen und dem Einzelfall angepasst werden. Folgende Maßnahmen sind nach Ausschluss einer zerebralen Blutung einzuleiten → d. h. nach dem CT:
• Sicherung der Vitalfunktionen, Kontrolle von Atmung, Kreislauf, Wasser-/Elektrolythaushalt, Darm- und Blasenfunktion
• Aufrechterhaltung eines hoch normalen oder leicht erhöhten Blutdrucks in der Akutphase, vorsichtige Blutdrucksenkung bei hohen RR-Werten (> 220/110 mmHg). Schonende RR-Senkung, nicht mehr als 20 % des Ausgangswertes
• Thrombozytenaggregationshemmer beim ischämischen apoplektischen Insult (z. B. 100–300 mg ASS/d)
• Hämodilutionstherapie mit mittelmolekularen Hydroxyäthylstärkelösungen (HAES-steril® 10 %) bei pathologisch erhöhtem Hämatokrit
• Vollheparinisierung (cave: zerebrale Blutung!), keine Vollheparinisierung bei Masseninfarkt oder schwer einstellbarer arterieller Hypertonie
• Low-Dose-Heparinisierung, wenn Vollheparinisierung nicht möglich
• Thrombolyse bei akutem Mediainfarkt ohne große Infarktdemarkierung sowie bei Basilaristhrombose unter Beachtung von Kontraindikationen und Nebenwirkungen
• Behandlung von Komplikationen: Hirnödem (evtl. Glukokortikosteroide), Hirndruckerhöhung (Intubation und Beatmung + Mannitol)
Merke: Das Zeitfenster für eine erfolgreiche Lyse beschränkt sich auf 41⁄2 h nach Insultbeginn. Mittel der Wahl ist rt-PA 0,9 mg/kg KG (max. Gesamtdosis 90 mg).

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5
Q

Ein 72-jähriger Patient berichtet seit Kurzem über rechtsbetonte Sehstörungen. Er habe das Gefühl, eine „graue Wand“ würde von rechts in sein Blickfeld wandern. Auch habe er dann leichte Schwierigkeiten mit dem linken Arm. Nach einigen Sekunden sei wieder alles normal. RR 160/95 mmHg, leichte Adipositas, AZ gut.
Um welches typisches Krankheitsbild handelt es sich? Welche Diagnostik und Therapie halten Sie für sinnvoll?

A

Es handelt sich um transiente ischämische Attacken (TIA). Die Sehstörungen werden als Amaurosis fugax bezeichnet. Häufig liegen Durchblutungsstörungen im Karotiskreislauf zugrunde (A. carotis interna). Der Patient bedarf dringend einer weiteren stationären Abklärung.
Diagnostik:
• neurologischer Status, Strömungsgeräusche über den Karotiden?
• Doppler-Sonografie der Hirnarterien (A. carotis interna)
• Angio-CT und/oder Angio-/3-D-MRT
Therapie:
• Klinikeinweisung!
• Heparinisierung (falls keine Kontraindikationen)
• falls Karotisstenose > 70 %, gefäßchirurgisches Vorgehen (Endarteriektomie) oder PTCA und Stentimplantation
• bei komplettem Karotisverschluss keine OP
• Sekundärprävention: konsequente Ausschaltung und Behandlung aller Risikofaktoren, Thrombozytenaggregationshemmer: ASS 100–300 mg/d oder Clopidogrel 75 mg/d

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6
Q

Wann besteht die Indikation zur operativen Revaskularisation einer Karotisstenose?

A

Man unterscheidet asymptomatische von symptomatischen Stenosen:
• OP-Indikation bei asymptomatischer Stenose als elektiver Eingriff (Rate zerebraler Ereignisse 0,5–1 %/Jahr unter ASS):
• progrediente Stenose > 70 % sowie Lebenserwartung > 5 Jahre
• OP-Indikation bei symptomatischer Stenose (Rate zerebraler Ereignisse 10–15 %/Jahr unter ASS)
• Stenose>70%
• Stenose > 50 % bei Rezidiv unter Thrombozytenaggregationshemmung

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7
Q

Was versteht man unter einer paradoxen oder gekreuzten Embolie?

A

Es handelt sich um eine arterielle Embolie, bei der der Thrombus aus dem venösen System über ein offenes Foramen ovale in das arterielle System gelangt. Dies passiert vor allem dann, wenn der Druck im rechten Vorhof gegenüber dem linken Vorhof erhöht ist.
Ca. 15–25 % der Normalbevölkerung haben ein

Merke: schlitzförmig offenes Foramen ovale, das jedoch in der Regel klinisch asymptomatisch und ohne Krankheitswert ist. Das offene Foramen ovale ist echokardiografisch vor allem bei Hustenreiz oder
Valsalva-Manöver erkennbar.

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8
Q

Was ist das Wallenberg-Syndrom?

A

Beim Wallenberg-Syndrom handelt es sich um neurologische Ausfälle, hervorgerufen durch Durchblutungsstörungen im Versorgungsge- biet der A. cerebelli inf. posterior (Kleinhirn, Hirnnervenkerne). Symptomatik:
• ipsilateral: Trigeminus-und Gaumensegelparese, Ataxie, Horner-Syndrom
• kontralateral: Sensibilitätsstörungen der Extremitäten
• allgemein: Erbrechen, Heiserkeit, Drehschwindel

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9
Q

Beschreiben Sie die gemeinsame klinische Symptomatik von Meningitiden unterschiedlichen Ursprungs. Können Sie uns eine Klassifikation der Meningitiden geben?

A

Hirnhautentzündungen werden durch eine Vielzahl verschiedener Erreger und auf verschiedenen Wegen (hämatogen, lymphogen, kanalikulär) verursacht. Neben dem unterschiedlichen Verlauf (akut oder chronisch) bestehen auch Unterschiede in ihrer lokalen Ausbreitung (umschrieben oder diffus, Konvexitäts- oder Basismeningitis). Demzufolge differiert die klinische Symptomatik, doch sind alle Meningitiden durch die folgenden Kardinalsymptome bzw. -befunde charakterisiert:
• Kopfschmerzen
• Nackensteifigkeit mit mehr oder minder ausgeprägtem Opisthotonus
• Dehnungsproben sind positiv (Brudzinski-, Lasègue- und Kernig-Zeichen)
• allg. Reizüberempfindlichkeit, z. B. gegenüber Licht, Berührung etc.
• Bewusstseinsstörung bis hin zum Koma
• Liquorpleozytose
• Liquorproteinerhöhung durch Störung der Blut-Liquor-Schranke
Aus klinisch-ätiologischer Sicht können die Meningitiden in vier Gruppen eingeteilt werden:
• akute eitrige Meningitiden (besonders Haemophilus influenza, Meningo- und Pneumokokken)
• tuberkulöse Meningitis
• akute lymphozytäre Meningitis (besonders bei neurotropen Viren und Leptospiren)
• chronisch-lymphozytäre Meningitiden (z.B. bei Meningiosis carcinomatosa, Lymphomen, Toxoplasmose)

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10
Q

Welche Sofortmaßnahmen ergreifen Sie beim Verdacht auf eine bakterielle Meningitis?

A

Zu den Maßnahmen gehören:
• CT/MRT
• Erregernachweis aus Liquor und Blut (Erregersicherung), mikroskopische Sofortuntersuchung (Diplokokken); falls keine Liquorpunktion möglich, kalkulierte „blinde“ Antibiose
• sofortige hoch dosierte Antibiose, z. B. Cephalosporin der 3. Generation + Ampicillin, je nach Erreger- und Resistenzbefund; Anpassung der antibiotischen Therapie nach einigen Tagen
• intensivmedizinische Betreuung
• Fokussuche (Pneumonie, Otitis, Sinusitis, Schädel-Hirn-Trauma, Rachenabstrich etc.).

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11
Q

Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist in den letzten Jahren sporadisch in den Medien aufgetaucht. Warum?

A

Es handelt sich um eine übertragbare spongiforme Enzephalopathie, die durch einen besonderen Erregertyp, namentlich „Prione“, ausgelöst wird. In der aktuellen Diskussion ist eine neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, die, ausgehend von Schafen (Scrapie, seit Jahrhunderten bekannt) durch die Verfütterung von Tiermehl an Rinder (Rinderwahnsinn), die Artenbarriere überwunden hat. Zeitweise hatten sich die Fälle dieser neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, die BSE (= bovine spongiforme Enzephalopathie), die über den Verzehr von in zierten Rinderprodukten möglich ist, deutlich vermehrt.

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12
Q

Welche Empfehlungen geben Sie beunruhigten Patienten, die Sie fragen, welche Rinderprodukte risikofrei sind?

A

Die Erreger sind vor allem im Zentralnervensystem (Gehirn und Rückenmark) und im retikulohistiozytären System (Milz, Lymphknoten) zu finden. Somit sind Wurstwaren, die Innereien und Gehirnanteile verarbeiten, zu meiden. Muskelfleisch und Milch sind wahrscheinlich weniger betroffen.

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13
Q

Vielleicht ist Ihnen „Kuru“ ein Begriff?

A

Kuru ist eine infektiöse Erkrankung, die sporadisch bei Frauen und Kindern in Neuguinea auftritt. Im Rahmen religiöser Riten wird menschliches Gehirn von den Frauen und Muskelfleisch eher von Männern verzehrt. Nach einer 5- bis 15-jährigen Inkubationszeit entwickelt sich ein progressives neurologisches Krankheitsbild mit Tremor, Ataxie und Lähmungen. Der Tod tritt innerhalb einiger Monate ein. Die Symptomatik ist ähnlich der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung. Durch das Verbot des Kannibalismus ist diese Rarität praktisch verschwunden.

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14
Q

Wir haben bald Karneval – welche Alkoholmengen sind pro Tag gut verträglich? Wann ist eine Alkoholabhängigkeit zu diagnostizieren?

A

Eine für die Gesundheit schädliche Aufnahme besteht bei einem Alkoholkonsum von mehr als 30–40 g/d bei Männern und 20 g/d bei Frauen.
Alkoholabhängigkeit besteht, wenn mindestens drei der folgenden Kriterien für mindestens 1 Monat vorliegen:
• starker Wunsch nach Alkohol und zwanghafter Konsum (z. B. auch morgens oder bei der Arbeit)
• verminderte Kontrollfähigkeit
• Entzugssymptome bei Abstinenz
• Nachweis einer Toleranzentwicklung gegenüber Alkohol
• fortschreitende Vernachlässigung von sich selbst und/oder Umwelt
• fortgesetzter Konsum trotz eingetretener schädlicher Folgen Es werden verschiedene Typen von Alkoholikern unterschieden (› Abb.9.2).
Merke: Mit mehr als 2 Flaschen Bier (2 × 0,5 l) oder mehr als 2 Gläsern Wein (2 × 0,25 l) täglich ist die Grenze für einen Mann überschritten. Beim Mann führt der Genuss von 60 g/d und bei der Frau von 30 g/d über 10 Jahre zur manifesten Leberschädigung und in der Regel zur Leberzirrhose. Zwischen der Inzidenz der Zirrhose und dem Produkt aus täglich konsumierter Alkoholmenge und der Dauer des Alkoholkonsums in Jahren besteht eine lineare Beziehung. Es besteht jedoch eine interindividuelle Streuung der Alkoholtoleranz, deren Ursache nicht eindeutig geklärt ist.

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15
Q

Ein bewusstseinsgetrübter, alkoholisierter Patient wird in ihre Behandlung gebracht. Es findet sich eine Prellmarke am Hinterkopf. Welche Erkrankung müssen Sie ausschließen?

A

Durch einen vorangegangenen Sturz kann ein Schädel-Hirn- Trauma vorliegen. Subdurale Hämatome sind in diesem Zusammenhang häufig. Die Bewusstseinstrübung darf nicht unkritisch auf die Alkoholintoxikation zurückgeführt werden.

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16
Q

Kennen Sie auch die Stadien der Alkoholvergiftung?

A

In Abhängigkeit von der Alkoholkonzentration unterscheidet man vier Vergiftungsstadien:
• I exzitatorisches Stadium
• II hypnotisches Stadium (<2‰)
• III narkotisches Stadium (>2‰)
• IV asphyktisches Stadium: Tod durch Atemlähmung und Kreislaufversagen

17
Q

Beschreiben Sie das Vollbild eines Alkoholentzugsdelirs.

A
Das plötzliche Absetzen von Alkohol bei Alkoholikern führt zu mehr oder weniger ausgeprägten Symptomen über das Prädelir (Dauer: Tage bis Wochen) bis hin zum relativ seltenen Vollbild des Alkoholentzugsdelirs. Psychiatrisch-neurologische Symptome sind:
• Tremor
• akustische und taktile Halluzinationen
• Angst, Verwirrtheit, örtliche Desorientierung
• motorische Unruhe
• Bewusstseinstrübung
Klinische Befunde:
• Gesichtsrötung
• Mydriasis
• Schwitzen, gel. Fieber, Tachykardie
• Elektrolytverschiebungen
Gefährlich wird das Alkoholentzugsdelir durch die Elektrolytverschiebungen mit Auswirkungen auf Herz und Niere sowie durch häufig gleichzeitig auftretende Infekte. Bei einem Teil der Erkrankten kommt es zu epileptischen Anfällen.
18
Q

Wie therapieren Sie ein Alkoholentzugsdelir?

A

Die intensivmedizinische Überwachung des sich im Delir befindlichen Patienten ist unumgänglich.
Kreislauf, Atmung, Elektrolyt- und Glukosehaushalt (Hypoglykämiegefahr!) müssen intensiv überwacht werden. Die Pharmakotherapie besteht in der Verabreichung von Clomethiazol (Distraneurin®) bei Fehlen von kardiopulmonalen Vorerkrankungen oder Diazepam bei kardiopulmonalen Vorerkrankungen.
Der Patient sollte sediert, aber gut erweckbar sein. Bei starker Angst und Unruhe erweist sich Haloperidol als sehr gut wirksam. Vitamin B1 (Thiamin) 100 mg/d wird zur Prophylaxe einer Wernicke-Enzephalopathie gegeben. Flüssigkeitssubstitution, Elektrolytausgleich und Blutgaskontrollen sind weitere wesentliche Bestandteile der Behandlung. Das Delir klingt normalerweise nach 3–5 Tagen ab.
Merke: Ein Alkoholentzugsdelir ist zwar grundsätzlich selbstlimitierend, das heißt aber nicht, dass es der Patient auch alleine durchstehen könnte – im Gegenteil: die Letalität eines unbehandelten Delirs liegt bei 15 %, unter Therapie nur noch bei 2 %.

19
Q

Welche Ursachen hat eine Anorexia nervosa? Beschreiben Sie die Ätiologie und Pathogenese.

A

Trotz zahlreicher Hypothesen und Einzelaussagen zu dieser psychosomatischen Erkrankung bleibt eine Vielzahl von wichtigen Fragen weitgehend ungeklärt.
Es werden sowohl mangelhafte Ausbildung von Persönlichkeitsstrukturen durch kindliche Fehlentwicklungen als auch konstitutionelle Einflüsse sowie neurotische und psychotische Faktoren als Ursachen diskutiert. Unbestritten ist eine Zunahme des Krankheitsbildes in den westlichen Überflussgesellschaften. Das weibliche Geschlecht ist vor dem 25. Lebensjahr, meist nach der Pubertät zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr, besonders häufig betroffen (95 % der Erkrankten sind Frauen). Spätformen können auch im höheren Alter beobachtet werden.
Psychodynamisch wird die Nahrungsverweigerung als Ablehnung der weiblichen Geschlechtsrolle sowie als Kampf gegen den Wunsch nach Annäherung gedeutet. Sozialer Druck oder Modeströmungen sowie Schlankheitsideale können dabei auslösend sein.

20
Q

Wie äußert sich körperlich diese psychosomatische Erkrankung? Welche wichtigen klinischen Unterschiede weist die Bulimie gegenüber der Anorexia nervosa auf?

A
Die beim weiblichen Geschlecht in der Pubertät und postpubertären Zeit auftretende Anorexia nervosa ist durch charakteristische Merkmale gekennzeichnet. Zum Ersten ist die extreme Abnahme des Gewichts (> 25 % KG), die durch reduzierte Nahrungsaufnahme, selbstinduziertes Erbrechen und/oder durch Abführmittelmissbrauch bedingt ist. Häufig wiegen die Patientinnen zwischen 30 und 40 kg. Der BMI liegt unter 17,5 kg/m2.
Das nächste charakteristische Leitsymptom ist die sekundäre Amenorrhö, die gewöhnlich 1–3 Jahre nach der Menarche eintritt. Motorische und intellektuelle Überaktivität sowie Obstipation sind weitere Krankheitszeichen, die bei der Anorexia nervosa auftreten. Oft klagen die Patientinnen über Übelkeit und Magenbeschwerden mit Druck- und Völlegefühl.
Die Bulimie (Fress-Brechsucht) ist durch heimliches, anfallsweise auftretendes Verschlingen von großen Nahrungsmengen, gefolgt von Erbrechen und/oder Abführmittelabusus, gekennzeichnet. Neben mancherlei Parallelen und Übergängen zur Pubertätsmagersucht lässt sich die Bulimie durch ein meist normales Körpergewicht von der Anorexia nervosa differenzieren.
21
Q

Welche Richtlinien sollte die Therapie der Anorexia nervosa befolgen?

A

Die Frage nach der angemessenen Behandlung der Anorexia nervosa ist noch sehr umstritten. Die Behandlungswege richten sich nach dem Zustand des Patienten. Bei lebensbedrohlicher Abmagerung empfiehlt es sich grundsätzlich, eine Sondenernährung (Magen-Nasensonde) bei leichter Sedierung bzw. eine parenterale Ernährung einzuleiten. Zwar kann damit zusätzlich eine „traumatische“ Essstörung induziert werden, aber anders ist diese kritische Phase nicht zu überwinden. Weiterhin wird argumentiert, dass auf diese Weise der Patientin die Verantwortung zur Nahrungsaufnahme abgenommen werde und dadurch die Magersüchtige Erleichterung empfinde.
Baldmöglichst muss die Nahrungszufuhr oral erfolgen. Ein Essensprogramm unter Aufsicht, kombiniert mit Bettruhe, kann am ehesten zur Gewichtszunahme führen. Therapeutisch entscheidend ist in dieser Phase eine drängende Haltung auf Gewichtszunahme. Die eigentliche Psychotherapie (z. B. Verhaltens- oder Familientherapie, analytische Therapie) sollte bei gut tolerablem Gewicht einsetzen, da sich bei konfliktaufdeckender Behandlung Gewichtsverluste nicht vermeiden lassen.

22
Q

Was verstehen Sie unter funktionellen Herzbeschwerden?

A

Mit dem Terminus „funktionelle Herzbeschwerden“ werden Krankheitsbilder bezeichnet, die mit lebhafter, belästigender und sehr variabler subjektiver Symptomatik einhergehen, jedoch keine morphologisch beschreibbaren Organveränderungen am Herzen aufweisen.
Etwa 15% der Patienten, die einen Arzt wegen Herzbeschwerden konsultieren, leiden an funktionellen Herzbeschwerden. Durch eine genaue Anamneseerhebung kann man einen Einblick in den Beschwerdereichtum dieser funktionellen Störung erhalten.
Depressionen und Angstneurosen sind die wichtigsten psychopathologischen Korrelate dieses Syndroms. Verängstigung, vermehrte Erregung und gesteigerte motorische Aktivität sind u. a. charakteristische Besonderheiten im Verhalten des Patienten.
Bei der körperlichen Untersuchung stellt man häufig einen Tremor der Hände und lebhafte physiologische Reflexe fest. Ein Patient mit funktionellen Herzbeschwerden ist kein Simulant, sondern fühlt sich wirklich krank. Für eine Diagnosestellung muss ein genaues Untersuchungsprogramm aufgestellt werden, um sowohl organische Leiden als auch physiologische Phänomene auszuschließen. Die Diagnostik enthält Funktionsprüfungen, Röntgen- und Laboruntersuchungen sowie EKG, Ergometrie und Echokardiografie.

23
Q

Beschreiben Sie die differenzialdiagnostische Abgrenzung funktioneller Herzbeschwerden von der koronaren Herzkrankheit.

A

Die Furcht des Patienten vor einer Herzerkrankung in Verbindung mit einer Symptomähnlichkeit zu organischen Herzkrankheiten erschwert die Differenzialdiagnose. Folgende Faktoren bzw. Befunde sprechen für eine funktionelle Störung und gegen eine koronare Herzkrankheit:
• keine Beschwerden bei körperlicher Belastung
• vorwiegend Brust- und Atembeschwerden in Ruhe und in der Herzspitzengegend lokalisiert
• Nitroverbindungen führen zu keiner oder erst nach über 20-minütiger Latenzzeit (cave: DD Infarkt) zu Beschwerdefreiheit
• Anwesenheit eines Arztes reduziert die Beschwerdesymptomatik deutlich
• keine EKG-Veränderungen in Ruhe und bei Belastung
• jüngerer Patient mit vorsichtiger Lebensweise und wenig Risikofaktoren Nicht selten muss eine diagnostische Klärung mit aufwendigen Methoden (Angio-CT, evtl. Koronarangiografie) erfolgen.