07 Blut- und Lymphsystem Flashcards
Nennen Sie bitte eine übersichtliche Einteilung der hämolytischen Anämien.
Bei hämolytischen Anämien liegt eine Verkürzung der Erythrozytenlebenszeit vor. Man unterscheidet eine korpuskuläre hämolytische Anämie (Ursache der Hämolyse liegt in den Erythrozyten selbst) und eine extrakorpuskuläre Hämolyse.
• Beispiele für eine korpuskuläre Hämolyse sind: Sphärozytose, Sichelzellanämie, Thalassämie, Enzymdefekte wie Favismus (Glukose-6-Phosphat- Dehydrogenase-Mangel)
• Beispiele für eine extrakorpuskuläre Hämolyse sind: Wärmeautoantikörper gegen Erythrozyten, Kälteagglutininkrankheit, Blutgruppenunverträglichkeit (AB0, Rhesusfaktor), traumatisch bedingt durch künstliche Herzklappen, toxisch bedingt durch Gifte (exogen: Schlangengift , endogen: Urämie, hämolytisch-urämisches Syndrom)
Skizzieren Sie die Grundzüge der Therapie bei hämolytischer Anämie.
Grundsätzlich muss sich die Therapie bei Hämolyse nach den auslösenden Ursachen richten. Bei erworbenen Formen ist es zwingend erforderlich, den Auslöser zu beseitigen. Bei den durch Medikamente hervorgerufenen (allergischen) Formen kann zur Unterdrückung der Immunreaktion eine Behandlung mit Glukokortikoiden sinnvoll sein.
Die Gabe von Erythrozytenkonzentraten kann notwendig sein (Hb kann bis auf Werte < 4 g/dl abfallen! Norm Männer: 14–18 g/dl, Frauen: 12–16 g/ dl).
Da eine Splenektomie als Ultima Ratio erforderlich werden kann, sollte rechtzeitig ein Chirurg hinzugezogen werden.
Merke: Ausschlaggebend für die Indikationsstellung zur Transfusion ist die Klinik des Patienten, nicht der Hämoglobinwert. Relative Indikation bei Hb < 9 g/dl.
Was verstehen Sie unter einer hämolytischen Krise?
Bei einer sog. hämolytischen Krise kommt es zu einer plötzlich auftretenden massiven Auflösung der Erythrozyten, z. B. bei Kugelzell-, Sichelzellanämie oder bei Transfusionszwischenfällen.
Wichtige Alarmsignale sind: Schüttelfrost, Fieber, Kreislaufstörungen bis zum Kollaps, Bauch-, Rücken- und Kopfschmerzen, Ikterus und brauner Urin.
Wie weisen Sie eine autoimmunhämolytische Anämie nach?
Meist liegen bei der autoimmunhämolytischen Anämie inkomplette Wärmeantikörper der Gruppe IgG vor. Diese Auto-Antikörper kommen idiopathisch oder symptomatisch z. B. beim Non-Hodgkin-Lymphom und Lupus erythematodes disseminatus vor. Bekannt ist das Auftreten von autoimmunhämolytischen Antikörpern als Nebenwirkung von Methyldopa. Der Nachweis erfolgt mittels des direkten Coombs- Tests.
Sie stellen bei einem Patienten eine Milzvergrößerung, Anämie und einen mäßigen Ikterus fest. Beim Anfertigen einer BSG fällt Ihnen eine sog. Schleiersenkung auf. Woran denken Sie?
Bei dieser Befundkonstellation liegt die Verdachtsdiagnose einer Kugelzellanämie (Sphärozytose) nahe. Neben den genannten Befunden Anämie, Splenomegalie und Ikterus finden sich manchmal auch Skelettveränderungen wie Turmschädel und Bissfehler. Es handelt sich um eine korpuskuläre, hämolytische Anämie, die durch einen angeborenen Membrandefekt der Erythrozyten hervorgerufen wird. Prävalenz 1 : 5.000 (häufigste angeborene hämolytische Anämie in Europa).
Eine verminderte osmotische und mechanische Resistenz ist für die Hämolyse verantwortlich. Durch die Formveränderung der Erythrozyten (Kugelzellen) kommt es zur verstärkten Sequestration und zum Abbau im retikulohistiozytären System, vor allem in Milz und Leber. Eine kausale Behandlung der Sphärozytose ist nicht möglich. Bei ausgeprägter Anämie mit überwiegendem Abbau der Erythrozyten in der Milz ist die Splenektomie die Therapie der Wahl und führt meist zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik.
Bevor eine Splenektomie erfolgt, muss die Diagnose stärker abgesichert sein. Welche hämatologischen Parameter kennzeichnen eine Sphärozytose? Durch welche Untersuchung können Sie die Indikation zur Milzexstirpation stellen?
Für eine Sphärozytose sprechen:
• verminderte osmotische Resistenz der Erythrozyten. Normalerweise setzt die Hämolyse erst ab einer 0,45-prozentigen oder weniger konzentrierten NaCl-Lösung ein. Bei der Kugelzellanämie kommt es schon in einer 0,7-prozentigen Lösung zum Platzen der Erythrozyten.
• Retikulozytose (führt zur sog. Schleiersenkung = unscharfe Abgrenzung der Blutsäule vom Plasma)
• Nachweis von Kugelzellen im Blutausstrich mit kleinerem Durchmesser als normale Erythrozyten
• normochrome Anämie
• Ikterus durch Erhöhung des indirekten Bilirubins im Serum
Durch radioaktive Markierung der Erys mit 51Cr können szintigrafisch sowohl ihre Lebensdauer als auch der hauptsächliche Abbauort bestimmt werden. Liegt ein Großteil der gemessenen Aktivität über der Milz, ist eine Splenektomie indiziert. Von einer Besserung der Anämie- und Hämolysezeichen darf dann ausgegangen werden.
Worin liegt das Problem bei allen hypochromen mikrozytären Anämien?
Von einer hypochromen mikrozytären Anämie spricht man bei einem MCH von < 28 pg und einem MCV von < 80 fl. Es liegt immer eine Störung der Hämoglobinsynthese vor, entweder durch die gestörte Globinsynthese (z. B. Thalassämien) oder bei gestörtem Fe-Einbau (z. B. Eisenmangel, Anemia of chronic disease).
Differenzialdiagnosen der mikrozytären Anämien:
• Thalassämiesyndrome und andere hereditäre Hämoglobinopathien
• hereditäre sideroblastische Anämien
• erworbene sideroblastische Anämie bei Vitamin-B6-Mangel
• Verwertungsstörungen durch Medikamente
• Bleivergiftung
• Eisenmangel
Welche Anämieform ist in Deutschland am häufigsten ?
Am häufigsten sind die Eisenmangelanämien, die aus erhöhten Eisenverlusten oder vermehrtem Verbrauch herrühren. Bei Frauen sind dafür Schwangerschaft und Menstruation häufige Gründe. Beim alten Menschen muss man an eine ungenügende Zufuhr von Eisen, chronischen Blutverlust (gastrointestinal!) oder an konsumierende Erkrankungen (Tbc, Tumoren) denken.
Worüber klagt ein Patient mit Eisenmangelanämie? Welche klinischen Befunde können Sie erheben?
Die Patienten klagen über unspezifische Symptome wie Antriebsschwäche, Kopfschmerzen, Zungenbrennen und Schluckbeschwerden. Je nach Grad der Anämie sind folgende Befunde zu erheben: • Blässe • Dyspnoe • schnelle Ermüdbarkeit • Glossitis • Mundwinkelrhagaden • Dysphagie mit Ösophagusstriktur (Plummer-Vinson-Syndrom) • Koilonychie (Hohlnägel) • gelegentlich funktionelles Systolikum • Angina pectoris (selten)
In Welcher Größenordnung bewegt sich der tägliche Eisenbedarf? Was sind die wichtigsten Blutbild- und Laborparameter, die bei Verdacht auf Eisenmangelanämie bestimmt werden?
Der tägliche Eisenbedarf des Mannes beträgt ungefähr 1 mg, bei der Frau ungefähr 2 mg. Es handelt sich bei der Eisenmangelanämie um eine hypochrome, mikrozytäre Anämie, d. h. (mittleres korpuskuläres Hb) MCH < 28 pg und (mittleres korpuskuläres Volumen) MCV < 80 μm3. Im
Blutausstrich sind sog. Anulozyten (blasse, hohl aussehende Erythrozyten) sowie eine Mikrozytose, Anisozytose und Poikilozytose zu sehen.
Bestimmt werden weiterhin die Proteine Ferritin und Transferrin. Ferritin ist ein Eisenspeicherprotein (hauptsächlich in Leber, Milz und Knochenmark). Die Serumkonzentration von Ferritin korreliert gut mit den Körpereisenvorräten. Transferrin stellt das Transportprotein für Eisen im Serum dar (› Abb. 4.1). Bei Eisenmangel ist der Serum-Ferritinspiegel erniedrigt und der Transferringehalt erhöht.
Sie sprachen gerade davon, dass die Ferritinkonzentration gut mit den Körpereisenvorräten korreliert. Wann kann aber Ferritin trotz leerer Eisenspeicher erhöht sein?
Bei vielen Entzündungen, Infektionen, Traumen oder Tumorerkrankungen kann trotz bestehenden Eisenmangels ein normaler Ferritinspiegel gemessen werden und so den leeren Eisenspeicher laborchemisch kaschieren.
Da Ferritin ein Akute-Phase-Protein ist, kann durch eine zusätzliche Messung von CRP ein falsch normaler oder erhöhter Ferritinwert bei Eisenmangel erkannt werden (CRP in diesen Fällen erhöht).
Wie würden Sie eine gesicherte Eisenmangelanämie therapieren? Wie kontrollieren Sie den Therapieerfolg?
Die Eisenzufuhr sollte oral erfolgen. Man gibt täglich ca. 100 mg. Bei gastrointestinalen Nebenwirkungen können Präparate mit verzögerter enteraler Löslichkeit (verkapselt) eingesetzt werden, diese haben jedoch eine geringere Resorptionsquote.
Eine parenterale Eisengabe sollte wegen möglicher Nebenwirkungen (selten lebensbedrohliche allergische Reaktionen bei Eisendextranen) nur bei Patienten eingesetzt werden, die orale Eisenpräparate nicht vertragen haben oder eine Eisenresorptionsstörung aufweisen.
Die Effektivität der Therapie ist am Retikulozytenanstieg (nach 1 Woche) erkennbar (20–40 ‰). Die Therapie sollte bis ca. 3 Monate nach der Normalisierung der Hämoglobinkonzentration fortgesetzt werden (Speicherauffüllung).
Merke: Die gleichzeitige Einnahme von Eisen zusammen mit absorbierenden und alkalisierenden Substanzen hemmt die Eisenresorption. Zu diesen Substanzen gehören Kaffee, Tee, Milch, Oxalate, Phosphate und Antazida. Umgekehrt fördert Vitamin C die Aufnahme von Eisen: Daher ist die Eisentablette am besten z. B. mit einem Fruchtsaft einzunehmen.
Welche Anämieform kann bei strikt vegetarischer Ernährung entstehen?
Die Vitamin-B12-Zufuhr hängt beim Menschen vollständig von tierischen Nahrungsbestandteilen ab. So könnte bei lang dauernder vegetarischer Ernährung eine makrozytäre, hyperchrome Vitamin-B12-Mangelanämie entstehen.
Gibt es eine Vitamin-B12-Mangel-Anämie trotz ausreichender Zufuhr des Vitamins mit der Nahrung?
Zur Resorption von Vitamin B12 benötigt der Mensch den in den Belegzellen des Magens gebildeten „Intrinsic-Faktor“. So kann nach Gastrektomie oder als Folge einer atrophischen Gastritis (AK gegen Belegzellen) mit Belegzelluntergang ein Vitamin-B12-Mangel entstehen. Weitere Gründe des Vitamin-B12-Mangels trotz normaler Vitaminzufuhr sind:
• Malabsorptionssyndrom (z. B. Morbus Crohn)
• Fischbandwurmbefall (erhöhter Verbrauch)
• Blind-Loop-Syndrom (bakterielle Überwucherung)
Geben Sie eine kurze Definition für die Polycythaemia vera.
Die Polycythaemia vera gehört zu den chronischen myeloproliferativen Erkrankungen und führt wahrscheinlich aufgrund einer neoplastischen Transformation von hämatopoetischen Stammzellen zu einer Steigerung der Erythro-, Thrombo- und Granulopoese.
Es handelt sich um eine Erkrankung des höheren Alters. Wichtigste Differenzialdiagnose ist die sekundäre Polyglobulie.
Typisch sind:
• erhöhter Hämoglobingehalt (> 16 g/dl)
• erhöhter Hämatokrit (> 60 %)
• gerötete Haut („gesundes“ Aussehen = Plethora)
• niedrige BSG
• Leuko-, Erythro- und rombozytose
• zellreiches Knochenmark
• erhöhte alkalische Leukozytenphosphatase
• Basophilie
• normale arterielle Sauerstoffsättigung
• Erythropoetinspiegel nicht erhöht
Über welche Beschwerden klagen Patienten mit einer Polycythaemia vera? Was sind die häufigsten Komplikationen?
- Durch die erhöhte Blutviskosität kommt es zu Mangeldurchblutung und thrombotischen Komplikationen.
- Die Patienten klagen über Angina pectoris, Dyspnoe und Kopfschmerzen.
- Myokardinfarkte, Embolien und apoplektische Insulte treten vermehrt auf.
- Eine Rötung der Haut und der Schleimhäute, Hepatosplenomegalie und eine Hypertonie lassen sich oft finden.
- Durch den verstärkten Zellumsatz liegt ein erhöhter Harnsäure- und Bilirubingehalt des Serums vor.
- Typisch ist ein häufig quälender Juckreiz.
- Zwar liegt eine Thrombozytose vor, dennoch können diese Thrombozyten in ihrer Funktion insuffizient sein, sodass Patienten auch hämorrhagische Diathesen aufweisen.
- Schließlich geht ein Teil der Fälle mit Polycythaemia vera in eine akute myeloische Leukämie oder Osteomyelosklerose über.
Wie wird eine Polycythaemia vera primär therapiert? Welche Möglichkeiten gibt es zusätzlich?
Entscheidender Risikofaktor ist der Hämatokrit, daher sollten Patienten mit einem Hämatokrit von über 55 % wegen der genannten Komplikationen behandelt werden. Als einfache und relativ sichere Methode bietet sich ein wiederholter Aderlass (300–500ml) und unter Umständen eine gleichzeitige Hämodilution mit NaCl 0,9 % an. Zielwert ist ein Hämatokrit < 45 %. Meist wird dadurch eine Besserung der Beschwerden erreicht. Nachteilig kann sich ein entstehender Eisenmangel auswirken, der nicht ausgeglichen werden sollte, solange keine schwerwiegenden Eisenmangelsymptome auftreten. Die Thrombozytose und damit die Gefahr thrombotischer und hämorrhagischer Komplikationen werden durch eine Aderlasstherapie alleine nicht beeinflusst.
Erst bei zu hoher Aderlassfrequenz (z. B. mehr als 2×/Monat), symptomatischem Eisenmangel, symptomatischer Splenomegalie und ausgeprägter Thrombozytose mit Risikofaktoren für thrombembolische Erkrankungen sollte eine zytoreduktive Therapie eingeleitet werden. Standardtherapie ist Hydroxyurea (Litalir®). Nur bei älteren Patienten sollte Busulfan eingesetzt oder eine Therapie mit Radiophosphor (Gefahr von Zweitneoplasien und Risikoerhöhung für akute Leukämie) erwogen werden.
Der Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmern (z.B. ASS 100mg/d) bei Thrombozytose ist nur bei Patienten mit normaler Blutungszeit und fehlender klinischer Blutungsneigung angebracht.
Wegen des hohen Zellumsatzes bei Polycythaemia vera liegt häufig eine Hyperurikämie vor. Vor allem während einer zytostatischen Behandlung steigt der Harnsäurewert aufgrund des Zellabbaus an. Zur Vermeidung eines Gichtanfalls oder einer Uratnephropathie ist die Gabe von Allopurinol indiziert.
Wie unterscheidet sich eine Polyglobulie von einer Polycythaemia vera?
Bei einer Polyglobulie liegt isoliert eine absolute Vermehrung der Erythrozyten bzw. Erhöhung des Hämatokrit vor. Dagegen sind bei einer Polyzythämie alle drei Zellreihen (Granulozyten, rombozyten, Erythrozyten) vermehrt. Dennoch gibt es Polyzythämien mit überwiegender Erythrozytose, sodass weitere Unterscheidungskriterien herangezogen werden müssen (› Tab. 4.1).
Die Differenzialdiagnose ist deshalb bedeutend, weil es sich bei der Polycythaemia vera um eine potenziell maligne Erkrankung des hämatopoetischen Systems handelt, während die Polyglobulie reaktiv durch Hypoxie oder im Rahmen einer anderen Grundkrankheit (z.B. paraneoplastisch) vorkommt. Die Therapie bzw. weitere Diagnostik sind dadurch völlig unterschiedlich.
Tab. 4.1 Differenzialdiagnose von Polyglobulie und Polycythaemia vera
Differenzialdiagnose
Polyglobulie : Polycythaemia vera
ALP normal erhöht
Leukozyten normal meist erhöht
Thrombozyten normal meist erhöht
Basophilie nein häufig
Splenomegalie nein häufig
Chromosomenanomalien nein häufig
Erythropoetin erhöht normal/erniedrigt
O2-Sättigung erniedrigt normal
Nennen Sie einige Ursachen, die zum Auftreten einer Polyglobulie führen können.
Polyglobulien, die in der Folge einer Hypoxie entstehen, können bedingt sein durch:
• Rauchen
• Sauerstoffmangel durch Aufenthalt in großen Höhen bei niedrigem Sauerstoffpartialdruck (z. B. Bergsteiger)
• Herzfehler mit Rechts-Links-Shunt
• chronisch pulmonale Erkrankungen, die zu einer verminderten O2-Sättigung des arteriellen Blutes führen
• zentral verursachte Hypoventilation (Pickwick-Syndrom)
• paraneoplastische Syndrome (z.B. bei Hypernephrom, Ovarialkarzinom, Kleinhirntumoren),
• nichtmaligne Nierenerkrankungen (z. B. Hydronephrose, Zysten, Doppelanlagen)
• Adenome endokriner Drüsen (z. B. Morbus Cushing)
Eine 41-jährige Frau nimmt wegen Kopfschmerzen ein Metamizolpräparat ein. Am nächsten Tag bekommt sie abends hohes Fieber, Schüttelfrost und starke Halsschmerzen.
An welche Verdachtsdiagnose denken Sie bei dieser Anamnese?
Aufgrund der Metamizoleinnahme, die kurz vor Auftreten des schweren Krankheitsbildes stattfand, ist eine allergische Agranulozytose wahrscheinlich. Eine allergische Agranulozytose ist nicht vorhersehbar und dosisunabhängig. Dabei sinken die Granulozyten innerhalb weniger Stunden auf Werte unter 500/μl Blut ab. Durch Zusammenbruch der Infektabwehr kommt es zu ulzerierenden Schleimhautnekrosen vor allem im Mundbereich (Angina agranulocytotica). Auch die Perianal- und Vaginalregion kann betroffen sein.
Wie sieht die Therapie der allergischen Agranulozytose aus?
Selbstverständlich müssen die verursachenden Medikamente sofort abgesetzt werden (im Zweifelsfall alle im Zeitraum von 4 Wochen vor Symptombeginn gegebenen Medikamente). Die Patienten müssen isoliert und vor Infektionen geschützt werden. Eine sorgfältige Händedesinfektion von Besuchern, ärztlichem und Pflegepersonal sollte beachtet sowie Schnitt- und Topfpflanzen aus dem Krankenzimmer entfernt werden. Bei Auftreten von Fieber muss nach Erregersicherung (Blutkulturen, Abstriche) eine breit wirksame antibiotische Therapie erfolgen.
Fieber- und Schmerzbekämpfung sollten nicht durch gebräuchliche Analgetika (weil potenzielle Agranulozytose-Auslöser) erfolgen. Zur Fieberbekämpfung werden z. B. Wadenwickel, zur Schmerzbekämpfung Opiate eingesetzt. Bei Granulozytenzahlen unter 200/μl und Fehlen granulopoetischer Vorstufen im Knochenmark ist der Einsatz des Granulozytenwachstumsfaktors G-CSF (z. B. Neupogen®) sinnvoll.
Im Allgemeinen ist die Prognose bei Beherrschung der septischen Komplikationen gut. Meist erholt sich die Granulopoese innerhalb von 10–14 Tagen nach Absetzen des auslösenden Medikaments.
Merke: Fieber- und Schmerzbekämpfung sollten nicht durch gebräuchliche Analgetika (da potenzielle Agranulozytose-Auslöser) erfolgen.
Wodurch sind myelodysplastische Syndrome charakterisiert und welche möglichen Ursachen kennen Sie?
Bei den myelodysplastischen Syndromen handelt es sich um erworbene, klonale Stammzellerkrankungen, die durch quantitative Veränderungen des peripheren Blutbildes (Mono-, Bi- oder Panzytopenie) gekennzeichnet sind, bei gleichzeitig normaler bis erhöhter Zelldichte des Knochenmarks.
Neben dysplastischen Zellatypien findet sich oft ein erhöhter Blastenanteil im Knochenmark, wobei ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer akuten myeloischen Leukämie besteht. Die Einteilung erfolgt nach morphologischen Gesichtspunkten (Anteil der Blasten in Knochenmark und Blut, Ausmaß der Dysplasien), unter Berücksichtigung zytogenetischer Aberrationen und molekularer Marker.
Die WHO-Klassifikation (2008)der myelodysplastischen Syndrome und myelodysplastisch/myeloproliferativen Neoplasien unterscheidet zwischen:
• refraktärer Zytopenie mit unilineärer Dysplasie (RCUD)
• refraktärer Anämie mit Ringsideroblasten (RARS)
• refraktärer Zytopenie mit multilineärer Dysplasie (RCMD) mit oder ohne Ringsideroblasten
• MDS mit del (5q)
• refraktärer Anämie mit Blastenvermehrung I (RAEB I)
• refraktärer Anämie mit Blastenvermehrung II (RAEB II)
• unklassifzierbarer MDS (MDSU)
• chronischer myelomonozytärer Leukämie I (CMML I)
• chronischer myelomonozytärer Leukämie II (CMML II)
• refraktärer Anämie mit Ringsideroblasten und Thrombozytose (RARS-T)
Betroffen sind vor allem ältere Patienten (medianes Alter > 70 J.), bei jüngeren Patienten ist die Entwicklung eines MDS eher selten. Je nach auslösender Ursache unterscheidet man primäre Formen (auslösende Ursachen unbekannt, 90 % der Fälle) von sekundären Formen. Letztere treten z.B. nach Chemotherapie, Strahlentherapie und insbesondere nach kombinierter Radiochemotherapie auf. Auch eine Knochenmarkschädigung durch organische Lösungsmittel (z. B. Benzol, halogenierte Kohlenwasserstoffe) kann zur Entwicklung eines MDS führen.
Zu Ihnen kommt eine 25-jährige Patientin, die am Vortag plötzlich Petechien an Bauch und Unterschenkeln bemerkt hat. Die Patientin berichtet, dass sie nie ernsthaft krank gewesen sei. Vor ca. 4 Wochen habe sie allerdings einen grippalen Infekt mit Husten, Schnupfen, Sinusitis und leichtem Fieber gehabt. Die Patientin fühlt sich zum Zeitpunkt der Vorstellung bei Ihnen wohl, sie hat kein Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust oder andere Symptome. Der körperliche Untersuchungsbefund ist bis auf die schon beschriebenen Petechien absolut unauffällig.
Sie machen ein Blutbild und finden folgende Parameter: Leukozyten 4.500/μl mit unauffälligem Differenzialblutbild, Hb 14,0 g/dl mit normaler Erythrozytenmorphologie, Thrombozyten 13.000/μl. Bei einer Blutbildkontrolle 2 Wochen zuvor seien die Thrombozyten noch im Normbereich (172.000/μl) gewesen.
An welche Erkrankung denken Sie?
Die geschilderte Symptomatik und der (wahrscheinlich virale) Infekt 4 Wochen zuvor lässt hier an eine ITP (idiopathische thrombozytopenische Purpura = Morbus Werlhof) denken. O gehen virale Infekte der Erkrankung wenige Wochen voraus. Es kommt zur Bildung von Autoantikörpern (meist IgG) gegen Thrombozyten, wodurch deren Lebensdauer im Kreislauf von ca. 7–10 Tagen unter Umständen auf Stunden verkürzt ist. Hauptabbauort der Thrombozyten ist die Milz, aber auch andere Orte des RES (z. B. die Leber) können zum Abbau der Plättchen beitragen.
Mit welchem spezifischen Test können Sie die Diagnose ITP sofort stellen?
Einen solchen Test gibt es leider nicht, die Diagnose ITP ist immer eine Ausschlussdiagnose. Es muss insbesondere nach medikamenten-induzierten (z. B. Goldsalze, Heparin, Chinidin) rombozytopenien gesucht werden. Des Weiteren sollte man auch an eine sekundäre Immunthrombozytopenie bei SLE, Lymphomen oder HIV denken. Eine Pseudothrombopenie kann durch EDTA- induzierte Plättchenverklumpung auftreten (Nachtesten im Zitratblut!).
Neben der Anamnese trägt auch das Blutbild zur Diagnosefindung bei. Hier findet sich eine Thrombozytopenie bei normaler Leukozytenzahl und normalem Differenzialblutbild. Die Knochenmarkaspiration zeigt ferner eine normale bis gesteigerte Megakaryozytenzahl und hilft , Lymphome bzw. Leukämien auszuschließen.
Merke: Der Nachweis von plättchenassoziierten Antikörpern ist zwar in vielen Fällen möglich, jedoch weder sensitiv noch spezifisch genug, um die Diagnose ITP zu beweisen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten einer ITP kennen Sie?
In der Akuttherapie, d.h. vor allem bei Blutungszeichen, kommen in erster Linie intravenöse Immunglobuline zum Einsatz (400mg/ kg KG über 5d).
Eine weitere Möglichkeit der Primärtherapie ist die Gabe von Prednison (1–2 mg/kg KG täglich über 2 Wochen, dann langsames Ausschleichen über 6–8 Wochen) mit einer Erhaltungsdosis, die einen Thrombozytensollwert von 40.000/μl ermöglicht. Hierbei sollte man immer versuchen, unter der Cushing-Schwellendosis zu bleiben.
Unter der Cushing-Schwellendosis versteht man im Allgemeinen die Wirkungsstärke von 7,5mg Prednison oder 30–40mg (Männer) bzw. 15–30mg (Frauen) Kortisol pro Tag. Diese Dosis beschreibt die tägliche Erhaltungstherapie, die gerade noch kein Cushing-Syndrom (› Kap.7.7) auslösen soll. Diese Dosierungen sind allerdings nur grobe Richtwerte, da es erhebliche interindividuelle Unterschiede gibt. Eine absolute Untergrenze, unter der die Therapie mit Glukokortikoiden als sicher angesehen werden kann, besteht nicht.
Ultima Ratio zur Behandlung einer IPT ist die Splenektomie.
Bitte nennen Sie die Indikationen zur Splenektomie bei ITP.
Die Splenektomie wird für Patienten empfohlen, bei denen es nicht gelingt, die Steroide (Erhaltungsdosis) nach 3–6 Monaten auszuschleichen, ohne dass der Thrombozytenwert auf unter 40.000/μl fällt.
Auch Patienten mit schweren Kontraindikationen gegen Steroidtherapie (z. B. Steroidpsychose, Brittle-Diabetes = stark schwankender Blutzuckerwert) sollte die Splenektomie angeboten werden. Mit 111In- oder 51Cr-markierten Thrombozyten kann vorher die Milz als Hauptabbauort der Thrombozyten identifiziert werden. Dies erlaubt eine prognostische Aussage bzgl. des Erfolgs einer solchen Maßnahme sowie die Identifizierung einer Nebenmilz.