07 Hernien Flashcards
Definieren Sie bitte den Begriff „Hernie“. Was ist der Unterschied zwischen einer Hernie und einem Prolaps?
Das Wort „Hernie“ leitet sich ab aus dem griechischen Wort hernos. Übersetzt ins Deutsche bedeutet es Spross, Knospe, Vorwölbung. Unter einer Hernie wird das Austreten intraabdomineller Organe oder Organteile in eine abnorme Ausstülpung oder die Verlagerung in Lücken oder Nischen des Abdomens verstanden. Eine Hernie besteht aus einer Bruchpforte, einem Bruchsack und dem Bruchinhalt. Bei einem Prolaps handelt es sich um einen Vorfall von Eingeweiden durch eine Lücke des Peritoneums. Er ist nicht vom Peritoneum bedeckt.
Beschreiben Sie mögliche Symptome einer Inguinalhernie.
Anamnestisch beschreiben die Patienten meist eine Schwellung oder eine Vorwölbung der Leiste, die manchmal von einem Druckgefühl, Ziehen oder Schmerzen begleitet ist. Verstärkt werden die Beschwerden durch Niesen, Pressen, Anstrengung oder das Heben schwerer Lasten. Bei ausgedehnten Befunden oder bei sehr schlanken Patienten kann man den Bruch durch die Bauchwand tasten. Stuhlunregelmäßigkeiten und peranaler Blutabgang sind bei einer unkomplizierten Leistenhernie eher selten. Das Ausmaß der Beschwerden korreliert nicht unbedingt mit der Größe der Hernie.
Wie untersuchen Sie einen Patienten, bei dem Sie den Verdacht auf eine Inguinalhernie haben?
Nur in sehr ausgeprägten Fällen ist eine Vorwölbung des Bruchsacks im Bereich der Leiste schon inspektorisch erkennbar. Die Untersuchung erfolgt im Stehen durch Austasten der Bruchpforte und des Leistenkanals mit dem Zeige- oder Kleinfinger (Palpation). Beim Mann wird dies durch den Hodensack hindurch (transskrotal), bei der Frau durch die Haut der Leiste durchgeführt. Durch Husten oder Pressen bei der manuellen Palpation lassen sich in der Regel auch nicht direkt erkennbare Hernien finden (inzipiente Hernien). Findet sich ein weiter innerer Leistenring und eine schlaffe Hinterwand (Transversalisfaszie), liegt eine „weiche“ Leiste vor. Die Palpation der Bruchpforte sollte beidseitig erfolgen, um einen Seitenvergleich vornehmen zu können. Beidseitige Hernien sind keine Seltenheit. Unter den bildgebenden Verfahren eignet sich besonders die Sonografie oder auch die CT zur Darstellung einer Leistenhernie.
Leistenhernien werden in zwei Typen unterteilt. Auf welche Einteilung möchte ich hinaus?
Man unterscheidet direkte und indirekte Hernien (› Tab. 7.1, Abb. 7.1):
Tab. 7.1 Einteilung der Leistenhernien
Häufigkeit, Ursache, Bruchpforte, Austrittspforte
Indirekte Hernien
→ ca. 65 % aller Leistenhernien
→ • angeboren: fehlender Verschluss des Processus vaginalis
• erworben: Erweiterung des inneren Leistenrings
→ innerer Leistenring (lateral der epigastrischen Gefäße)
→ äußerer Leistenring
Direkte Hernien → ca. 35 % aller Leistenhernien → immer erworben → Bauchdecke direkt („Hesselbach-Dreieck“ = Locus minoris resistentiae) medial der epigastrischen Gefäße in der Fossa inguinalis medialis → äußerer Leistenring
Wie therapieren Sie einen Leistenbruch?
Jede Leistenhernie sollte operativ saniert werden, da sie inkarzerieren kann, was bedeutet, dass der Bruchinhalt in der Bruchpforte einklemmt. Die meisten Leistenhernien werden langfristig symptomatisch durch Schmerzen und Beschwerden vor allem bei körperlicher Anstrengung. Da man die operative Sanierung zum Teil sogar in Lokalanästhesie durchführen kann, sind selbst hohes Alter, ein reduzierter Allgemeinzustand oder schwere kardiopulmonale Erkrankungen keine Gründe, von einer Operation abzusehen. Das früher noch vielfach gebräuchliche Bruchband hat somit höchstens noch antiquarischen Stellenwert. Gefürchtete Komplikationen einer Inguinalhernie sind:
• Inkarzeration
• Ileus
• Entzündungen und Blutungen
Welche OP-Verfahren kommen in Frage?
Es gibt verschiedene OP-Methoden zur Leistenkanalrevision und -rekonstruktion. Ziel aller OP-Verfahren ist das Reponieren des Bruchsacks mitsamt Inhalt und eine Verstärkung der Hinterwand des Leistenkanals, um einem erneuten Bruch vorzubeugen. Zurzeit kommen offene und minimalinvasive Verfahren zum Einsatz. Bei den offenen Verfahren führt man meist eine OP nach Lichtenstein, seltener (bei jungen Männern und Kindern) nach Shouldice (alternativ auch nach Bassini oder Kirschner) durch. Die minimalinvasiven Verfahren eignen sich besonders für Rezidiv- oder beidseitige Leistenhernien. Hier gibt es zwei Verfahren: die transabdominale präperitoneale Netzimplantation (TAPP) oder die total-extraperitoneale Netzimplantation (TEP).
Können Sie kurz das Vorgehen bei den offenen Operationen beschreiben?
Ziel der OP nach Shouldice ist eine Wiederherstellung der normalen anatomischen Verhältnisse. Die tiefste tragende Bauchwandschicht wird fortlaufend doppelt vernäht. Nach Spaltung der Fascia transversalis wird der Samenstrang aus den Fasern des M. cremaster gelöst und der M. cremaster reseziert. Der Bruchsack wird ebenfalls reseziert. Die Transver- susaponeurose wird inzidiert, ggf. teilweise reseziert und durch eine zweireihige fortlaufende, nicht resorbierbare Naht gedoppelt. Nach der Fasziennaht erfolgt die abschließende Hautnaht. Die Verschieblichkeit der einzelnen Schichten der Bauchdecke bleibt erhalten.
Bei der Leistenhernienreparation nach Lichtenstein wird die Bruchpforte spannungsfrei verschlossen. Der M. cremaster wird nicht reseziert, sondern intraoperativ mit dem Samenstrang auf die Seite gezogen. Danach wird über der Bruchpforte ein Kunststoffnetz mit der obersten Muskelschicht des Leistenkanals vernäht. Der innere Leistenring wird auf diesem Weg verstärkt. Nach Verschluss der Faszie erfolgt die Hautnaht.
Welchem Verfahren würden Sie den Vorzug geben?
Das Verfahren nach Shouldice ist zurzeit noch die Methode der Wahl beim jungen Patienten mit kleiner primärer Hernie. Bei jungen Patienten mit großer primärer Hernie, bei über 35-Jährigen und vor allem bei Rezidivhernien jeder Herniengröße wird zunehmend das Verfahren nach Lichtenstein oder ein minimalinvasives Verfahren gewählt, da die Tendenz zur geringeren Invasivität, früheren Belastungsmöglichkeit und größeren Rezidivsicherheit geht.
Welche OP-Risiken müssen Sie einkalkulieren?
Bei allen OP-Methoden kann der Samenstrang mitsamt Hodengefäßen verletzt werden. Auch postoperative Orchitiden sind nicht ungewöhnlich. Eine Verletzung oder Entzündung des Samenstrangs bzw. der Ho- den kann zur Hodenatrophie bzw. sogar zum Hodenverlust führen. Weitere typische Komplikationen sind:
• Verletzung des Ductus deferens ( Infertilität)
• Nervenschädigung oder -einklemmung (besonders gefährdet: N. ilioinguinalis und N. genitofemoralis) mit der Folge neuropathischer Schmerzen
im Bereich der Leiste und Skrotum
• Stenosierung der V. femoralis durch OP-Nähte (Beinvenenstauung)
• Nachblutungen, Hämatome und Abszessbildung
Vor allem bei operativen Verfahren, bei denen körperfremdes Material zum Einsatz kommt (Vicrylnetz), besteht ein höheres Infektionsrisiko. Prophylaktisch erfolgt eine einmalige Antibiose kurz vor Operationsbeginn.
Kennen Sie auch das OP-Verfahren nach Bassini?
Das Verfahren nach Bassini wird immer seltener angewandt. Zudem existieren verschiedene OP-Variationen. Die Rekonstruktion der Leistenhinterwand ist bei allen Verfahren gleich. Am Rand des M. transversus abdominis wird eine Naht gelegt, die den M. obliquus internus, beide Ränder der gespaltenen Fascia transversalis, das Lig. reflexorum und mit dem ersten Stich auch das Schambeinperiost umfasst. Die Vorderwand wird variabel rekonstruiert nach den Verfahren:
• Bassini-Kirschner: Der Samenstrang wird über die Externus aponeurose verlegt.
• Girard: Die Externusaponeurose wird vor dem Samenstrang gedoppelt.
• Bassini-Hackenbruch: Der Samenstrang wird innerhalb der Blätter der gedoppelten Externusaponeurose verlegt.
Können Sie mir auch noch etwas zu den minimalinvasiven Verfahren sagen?
Die minimalinvasiven Verfahren eignen sich besonders bei beidseitigen Leistenhernien und bei Rezidivhernien. Zudem können vorbestehende Adhäsionen gelöst werden. Die Operation wird in Allgemeinanästhesie durchgeführt, da ein Pneumoperitoneum angelegt wird. Die minimalinvasiven Verfahren zeichnen sich aus durch eine kurze Hospitalisationszeit, geringe postoperative Schmerzen und seltenere Irritationen des N. ilioinguinalis oder N. genitofemoralis.
Von Nachteil ist jedoch vor allem bei der TAPP (transabdominale präperitoneale Netzimplantation), dass die Operation in die Bauchhöhle verlegt wird, wo es theoretisch zu einer Verletzung von Organen wie Harnblase, Darm und größeren Gefäßen kommen kann. Bei der TEP (totale extraperitoneale Netzimplantation) wird das Peritoneum nicht eröffnet. Das Operationsgebiet liegt in der Bauchdecke. Daher ist eine Verletzung intraabdomineller Organe eher die Ausnahme. Zwischen dem hinteren Blatt der Rektusscheide und dem M. rectus abdominis wird mittels Gas (CO2) ein Arbeitsraum (Druckgradient 12 mmHg) erzeugt. Der Bruchsack wird freipräpariert und alle umgebenden Strukturen werden dargestellt. Danach wird das Netz locker der Fascia transversalis angelegt und mit einigen Clips fixiert. Der Patient darf sich postoperativ schon nach 1 Woche wieder mehr oder weniger voll belasten.
Wann würden Sie welche Operationsmethode einsetzen?
Bei sehr jungen Patienten mit kräftigen Bauchdecken und bei sehr kleinen Hernien würde ich eine Rekonstruktion des Leistenkanals z. B. nach Shouldice durchführen. Bei großen Hernien, adipösen und älteren Patienten und schwachen Bauchdecken sollten eher die Verfahren nach Lichtenstein oder ein minimalinvasives Verfahren gewählt werden. Bei Rezidivhernien und beidseitigen Hernien eignen sich am besten minimalinvasive Operationen wie TEP und TAPP.
Was ist eine Schenkelhernie?
Bei der Schenkelhernie liegt die Bruchpforte zwischen Leistenband und Beckenknochen in der Lacuna vasorum. Die Durchtrittsstelle der Hernie aus dem Peritonealraum durch das Septum femorale, das sich zwischen Lig. inguinale, Lig. lacunare und dem Schambein ausspannt, liegt typischerweise medial der Vasa femoralia. Betroffen sind vor allem Frauen ab dem 50. Lebensjahr. Bei Männern tritt eine Schenkelhernie manchmal als Spätfolge einer Leistenrekonstruktion nach Shouldice auf. Schenkelhernien verursachen oft mehr Schmerzen als unkomplizierte Inguinalhernien und neigen zur Inkarzeration. Dabei klemmen selten Anteile des Darms ein, dafür jedoch das Omentum majus oder bei Frauen sehr mobile Ovarien (selten). Zudem sind sie meist nicht reponierbar. Bei jeder Schwellung in der Leistenregion sollte man eine Schenkelhernie ausschließen. Die Therapieoptionen sind ähnlich denen der Inguinalhernie.
Welche Symptome erwarten Sie bei einer epigastrischen Hernie?
Epigastrische Hernien entstehen infolge von Lücken oder Schwachstellen im Bereich der Linea alba. Die Klinik ist o uncharakteristisch und kann von absoluter Beschwerdefreiheit bis zu erheblichen, meist bewegungsabhängigen Oberbauchbeschwerden reichen, die zu Fehldiagnosen wie Ulcus ventriculi oder duodeni, symptomatische Cholezystolithiasis oder Pankreatitis führen können. Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit passen zu einer epigastrischen Hernie, aber auch zu den differenzialdiagnostischen Erkrankungen. Bei schlanken Patienten kann der Bruch von außen tastbar oder sogar sichtbar sein. Bei adipösen Patienten gestaltet sich der Nachweis epigastrischer Hernien schwieriger. Die Diagnose wird mithilfe von Sonografie und CT gestellt.
Mittlerweile werden die meisten epigastrischen Hernien minimalinvasiv operiert. Der Bruchinhalt wird reponiert, die Bauchwand mit einem Vicrylnetz verstärkt und vernäht (Mesh-Sublay). Bei ausgedehnten Adhäsionen, intraoperativen Komplikationen oder bei sehr ausgedehnten Befunden kann es passieren, dass eine Laparotomie notwendig wird. Eine geplante Laparotomie ist nur noch Ausnahmefällen vorbehalten. Bei sehr kleinen Defekten (< 2 cm) und kräftiger Faszie, wird o eine primär offene Fasziennaht angelegt. Bei größeren Defekten und schwachen Faszien wird die Bauchwand mit einem Netz (Mesh-Sublay) verstärkt.
Ein 53-jähriger, adipöser Patient klagt seit 3 Wochen über ziehende Schmerzen im linken Unterbauch. Abends sind sie besonders stark. Die Beschwerden treten bevorzugt nach Anstrengungen auf. Manchmal könne er eine kleine „Beule“ an der schmerzenden Stelle spüren. Der Hausarzt hat den Darm schon komplett endoskopisch untersucht. Der Leistenkanal erscheint palpatorisch unauffällig, ist jedoch aufgrund der Adipositas nicht sicher beurteilbar. Eine Sonografie des Abdomens führt nicht zur Diagnose, erst die CT liefert die Diagnose.
Was glauben Sie, hat der Radiologe in der CT entdeckt?
Da die körperliche Untersuchung nicht unbedingt auf eine Inguinalhernie hindeutete, könnte es sich um eine Spieghel-Hernie handeln. Die Bruchpforte liegt dabei an der vorderen Bauchwand im Bereich der Linea semilunaris vor dem Außenrand der Rektusscheide in der Aponeurose der Mm. transversus abdominis und obliquus internus. Als interstitielle Hernie breitet sie sich unter der Externusaponeurose aus und ist somit sehr schwierig zu diagnostizieren. Sonografie und CT des Abdomens führen zur Diagnose.