06 Gefäßchirurgie Flashcards
Nennen Sie bitte verschiedene Aneurysmaformen und erläutern Sie ihre Unterschiede.
Ein Aneurysma ist eine begrenzte Erweiterung einer Arterie. Degenerative Prozesse im Rahmen einer Arteriosklerose, eines Diabetes mellitus, einer Hypertonie oder als Folge einer zystischen Medianekrose Erdheim- Gsell sind die häufigsten Ursachen für die Ausbildung eines Aneurysmas.
Mykotische, bakterielle (z. B. als Folge einer Lues) und dysplastische Formen (z. B. beim Marfan- oder Ehlers-Danlos-Syndrom) sind eher selten. Das inflammatorische Aneurysma (z. B. als Folge einer granulomatösen Takayasu-Arteriitis) ist vermutlich eine Sonderform des degenerativen Wandschadens, die genaue Ätiologie ist ungeklärt.
Man unterscheidet folgende Formen (› Abb. 6.1):
• Aneurysma verum: Alle Wandschichten des Gefäßes sind gleichermaßen erweitert.
• Aneurysma dissecans: Ein Einriss der Intima ermöglicht den Eintritt von Blut unter die Intima. Diese wird durch austretendes Blut nach distal gespalten. Es entstehen ein echtes und ein falsches Lumen. Häufig kommt es zu einem Verschluss abgehender Arterienäste mit der Folge einer absteigenden Ischämie. Ein Wiedereintritt des Blutes ins Gefäßlumen ist möglich (= re-entry). Als Ursache werden die Medianecrosis idiopathica cystica oder kongenitale Erkrankungen, wie z. B. das Marfan-Syndrom, vermutet. Auch die Hypertonie spielt bei Entstehung und Ausdehnung dieser Aneurysmaform eine Rolle. Lues und andere bakterielle Erkrankungen werden ursächlich seltener beobachtet.
• Aneurysma spurium: Ein (oft traumatischer) Defekt der Arterienwand kann zu einem lebensbedrohlichen Blutverlust oder zu einem nur bindegewebig abgegrenzten periarteriellen Hämatom führen.
Worin liegt der Unterschied zwischen einem Aneurysma und einer Ektasie?
Bei einer Ektasie handelt es sich um eine Aussackung einer ansonsten intakten Gefäßwand, während bei einem Aneurysma mindestens eine Wandschicht defekt ist.
Welcher Abschnitt der Bauchaorta ist am häufigsten von einem Aneurysma betroffen?
Am häufigsten ist mit 95 % aller Aortenaneurysmen der infrarenale Abschnitt betroffen. Die Inzidenz wird für über 65-Jährige mit 2,7% (maximaler Querdurchmesser größer als 6 cm) angegeben. Bei Frauen wird ein infrarenales Bauchaortenaneurysma in wesentlich geringerer Zahl beobachtet. Das Verhältnis Männer zu Frauen liegt bei 9 : 1.
Sagt Ihnen die Einteilung nach De Bakey etwas?
Aortenaneurysmen vom Typ Aneurysma dissecans werden nach De Bakey wie folgt in drei Gruppen eingeteilt:
• Typ I: Entry liegt in der Aorta ascendens. Das Aneurysma kann sich bis in die Femoralisgabel ausdehnen.
• Typ II: Entry liegt in der Aorta ascendens. Das Aneurysma dehnt sich maximal bis zum Truncus brachiocephalicus aus.
• Typ III: Entry liegt in der Aorta descendens. Das Aneurysma kann sich bis zur Femoralisgabel ausdehnen.
Der Typ III ist die am häufigsten auftretende Form.
Sie untersuchen einen 73-jährigen Patienten, der sich wegen rezidivierender stechen- der Schmerzen im Bereich des Thorax und des Epigastriums bei Ihnen vorstellt. Bei der klinischen Untersuchung fallen Ihnen im Oberbauch ein pulsierender Tumor und ein systolisches Strömungsgeräusch auf.
Welche differenzialdiagnostischen Überlegungen fallen Ihnen spontan ein?
Anamnese und klinische Untersuchung lassen spontan vor allem wegen des pulsierenden Oberbauchtumors an ein Bauchaortenaneurysma denken. Differenzialdiagnostisch kommen aber auch thorakale Ereignisse wie z.B. eine Lungenembolie, ein Myokardinfarkt oder abdominelle Erkrankungen wie ein Ulcus ventriculi oder duodeni, eine akute Pankreatitis und eine symptomatische Cholezystolithiasis infrage.
Gibt es Risikofaktoren für die Entstehung eines Aortenaneurysmas?
Die Risikofaktoren für die Entwicklung eines Aortenaneurysmas sind vielfältig und ähneln den Faktoren, die zu einer Atherosklerose führen. Dies sind vor allem:
• männliches Geschlecht (9-mal häufiger als Frauen)
• Rauchen
• Hypertonie
• Hypercholesterinämie
• pAVK
• Alter
• Adipositas
• genetische Disposition und Erkrankungen (z. B. Marfan-Syndrom)
Welche Diagnostik führen Sie beim Verdacht auf ein abdominelles Aortenaneurysma durch?
Symptome eines Aortenaneurysmas können sehr unspezifisch sein oder ganz fehlen.
Daher kommen bildgebende Verfahren zum Einsatz wie:
• Sonografie des Abdomens und Duplex-Scan/Farbdoppler
• CT
• MRT (nur bei speziellen Fragestellungen oder bei Kontrastmittelallergie)
• DSA/Angiografie: Sie dient sowohl der Aneurysmadarstellung als auch dem Nachweis von begleitenden Gefäßverschlüssen.
An welche weiteren Symptome müssen Sie neben den oben genannten bei einem Bauchaortenaneurysma noch denken?
Als weitere Symptome können auftreten:
• radikulär ausstrahlende Schmerzen durch Druck des Aneurysmas auf radikuläre Wurzeln
• Anurie oder Oligurie bei Einbezug der Nierenarterien mit renalen Perfusionsstörungen
• Darminfarkt bei Beteiligung des Truncus coeliacus
• Rückenschmerzen durch Arrosion der Wirbelsäule bei Penetration des Aneurysmas nach dorsal
• diffuse Abdominalschmerzen mit Ausstrahlung ins Becken
Wann würden Sie den Patienten (abdominelles Aortenaneurysma) behandeln?
lle Aortenaneursymen können rupturieren. Das Rupturrisiko steigt mit zunehmendem Durchmesser des Aneurysmas. So haben Aneurysmen mit einem Durchmesser > 5cm ein spontanes Rupturrisiko von etwa 10 %, solche mit einem Durchmesser > 7 cm ein spontanes Rupturrisiko bis zu 75 %. Daher sollten alle symptomatischen Aortenaneurysmen und, wenn der Allgemeinzustand und die Vorerkrankungen des Patienten dies erlauben, alle Aneurysmen > 5 cm oder bei einer Größenzunahme innerhalb kurzer Zeit operiert werden. Patienten unter einer chronischen immunsuppressiven Therapie scheinen ein erhöhtes Risiko für eine Ruptur zu besitzen. Eine exakte Einschätzung des Rupturrisikos ist allerdings nicht möglich.
Wie würden Sie bei einem abdominalen Aortenaneurysma therapeutisch vorgehen?
Es gibt zwei therapeutische Optionen beim abdominalen Aortenaneurysma. Beim operativ-interventionellen Vorgehen wird transarteriell von der A. femoralis aus ein endovaskulärer Stent (EVAR, Fullwall-Stent) in den Aneurysmabereich geführt. Dieses Verfahren eignet sich vor allem bei kleineren Aneurysmen oder nach Traumen der thorakalen Aorta descendens. Schwere intraoperative Komplikationen wie vor allem ein Einriss des Aneurysmas sind sehr selten. Etwas häufiger sind postoperative Komplikationen wie eine Stentdislokation oder eine fehlende Abdichtung des Aneurysmas durch den Stent. Der Vorteil der Methode liegt in der geringen Invasivität. Daher sind auch sehr alte Patienten für diesen Eingriff geeignet, der grundsätzlich in Lokalanästhesie durchgeführt werden kann.
Ziel der konventionellen operativen Therapie, die immer indiziert ist bei blutenden oder dissezierten Aneurysmen, ist der Ersatz der aneurysmatischen Strombahn durch eine Gefäßprothese. Diese kann je nach Lage und Ausdehnung des Aneurysmas eine Rohrprothese oder eine Bifurkationsprothese (Y-Graft) sein. Handelt es sich um ein suprarenales Aortenaneurysma, muss eine Reinsertion beider Aa. renales in die Prothese erfolgen. Bei Ausschaltung der A. iliaca interna sind am Ende des Eingriffs die distale Darm- und die Glutäalzirkulation zu überprüfen. Die Notwendigkeit zur Implantation der A. mesenterica inferior in die Aortenprothese ist nach Freigabe des Blutstroms in die Beckenarterien durch Inspektion des Colon descendens und des rekto-sigmoidalen Übergangs zu prüfen. Am Ende der Operation muss die Perfusion beider Beine kontrolliert werden.
Während des Einsetzens einer Gefäßprothese infolge eines ausgedehnten Bauchaortenaneurysmas musste bei einem 70-jährigen Patienten die A. mesenterica inferior ligiert werden.
Was ist Ihre Meinung: Ist das für den Patienten schlimm?
Normalerweise nein. Über die Riolan-Anastomose kann die Durchblutung des Colon descendens bis in den Sigmabereich aufrechterhalten werden. Bei der Riolan-Anastomose handelt es sich um eine Gefäßarkade zwischen den Ästen der A. colica media und der A. colica sinistra im Bereich der linken Kolonflexur. Klinisch bedeutsam ist die Verbindung im Fall einer Ligatur der A. mesenterica inferior. Wenn die Anastomose nicht angelegt ist, muss die A. mesenterica inferior in die Gefäßprothese reinseriert werden, da es sonst zu einer Ischämie und Nekrose des Colon descendens kommt.
Bei einem 64-jährigen Patienten wird aufgrund eines Aneurysmas im aortoiliakalen Übergang eine EVAR (endovaskuläre Aortenrekonstruktion) mit einem Fullwall- Stent durchgeführt. Die Operation verläuft gut. Postoperativ scheidet der Patient immer weniger aus, bis die stündliche Urinmenge nur noch 5–10ml/h beträgt. Das Kreatinin steigt bis zum Abend des 1. postoperativen Tages auf 177 μmol/l. Der Patient fühlt sich subjektiv wohl bei suffizienten Kreislaufverhältnissen.
Von diesem Patienten habe ich Ihnen ein Röntgenbild mitgebacht (› Abb. 6.2). Was meinen Sie zu dem Fall?
Wie lautet Ihre Diagnose und was würden Sie machen?
Die Entwicklung der Retentionswerte und der Urinproduktion sowie das Röntgenbild, bei dem es sich um eine DSA-Angiografie handelt, legen den Verdacht nahe, dass entweder der endovaskuläre Stent bei der Operation nicht korrekt platziert wurde oder dass nach der Operation eine Dislokation des Stents stattgefunden hat. Dies hat dazu geführt, dass der Stent beide Nierenarterienabgänge verlegt und die Nieren infolgedessen nicht mehr perfundiert werden. Der Truncus coeliacus dagegen füllt sich mit Kontrastmittel.
Um die Nieren evtl. retten zu können, muss umgehend die Nierenstrombahn wieder eröffnet werden. Dies kann in der Regel nur über eine Laparotomie erfolgen, bei der die Aorta abgeklemmt und eröffnet wird, der dislozierte Stent entfernt und die aortale Strombahn mithilfe einer Y-Prothese wiederhergestellt wird. Während und nach der Operation ist darauf zu achten, dass die Kreislaufverhältnisse stabil gehalten werden, damit die Niere nach der Operation eine Chance hat, sich wieder zu erholen.
Wie stellen Sie sich die Klinik eines plötzlichen arteriellen Verschlusses an den Extremitäten vor?
Ein plötzlicher Verschluss einer größeren Arterie einer Extremität verursacht eine charakteristische Klinik, die unter dem Ausdruck der 6 Ps nach Pratt zusammengefasst wird: • pain = Schmerz • pulselessness = Pulslosigkeit • paralysis = Lähmung • paraesthesia = Sensibilitätsstörung • paleness = Blässe • prostration = Schock
Meist handelt es sich um Embolien durch thrombotisches Material bevorzugt aus dem Herzen, z. B. bei Vorhoflimmern, fast immer kombiniert mit vorbestehenden Gefäßschäden, wie sie bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit oder traumatisch vorkommen.
Was versteht man unter einem Tourniquet-Syndrom?
Das Tourniquet-Syndrom, auch „Stauschlauch“-Syndrom genannt, stellt eine postischämische Stoffwechselveränderung des Organismus dar. Es tritt nach längeren Ischämiezeiten und wiedereinsetzender Perfusion auf. Durch die plötzlich wiederhergestellte Durchblutung (Reperfusion) werden toxische Abbauprodukte aus dem vorher ischämischen Gebiet freigesetzt.
Die Folgen können eine Azidose (Laktatanstieg), Muskelschwellung, Rhabdomyolyse, Hyperkaliämie, Gerinnungsstörungen und eine Myoglobulinurie mit drohendem akutem Nierenversagen (Crush-Niere) sein. Prophylaktisch wird eine forcierte Diurese (Volumengabe, Diuretika) durchgeführt. Der Patient bedarf einer intensivmedizinischen Überwachung und Behandlung.
Eine 71-jährige Patientin landet bei Ihnen auf der Intensivstation. Sie wurde zu Hause von ihrem Ehemann auf dem Boden liegend bewusstlos aufgefunden. Der Notarzt intubierte die Frau bei einem GCS von 5 und Verdacht auf eine intrazerebrale Blutung oder Ischämie. Eine CT des Schädels zeigt einen alten Infarkt rechts parietal, jedoch keinen Hinweis auf neuere Ischämien oder eine Blutung. An weiteren Vorerkankungen sind Ihnen eine Hypertonie, eine koronare und hypertensive Herzkrankheit, ein Diabetes mellitus Typ 2 und eine chronische Niereninsuffizienz bekannt. Als Sie versuchen, die Patientin aufwachen zu lassen, wird sie verzögert wach, bewegt aber alle Extremitäten. Am 3. Tag können Sie die Patientin extubieren. Am Abend fällt Ihnen plötzlich auf, dass das gesamte linke Bein der Patientin zyanotisch, kalt und blass ist. Die immer noch somnolente Patientin jammert, weil sie anscheinend Schmerzen hat. Es wird eine CT-Angiografie durchgeführt.
Was erkennen Sie in der CT-Angiografie (› Abb. 6.3)? Und glauben Sie, dass die Patientin das überlebt hat?
Man erkennt subtotale Stenosierungen beider Aa. iliacae communes mit einem langstreckigen kompletten Verschluss der A. femoralis superficialis links. Die arteriellen Gefäße müssen schnellstmöglich wieder eröffnet werden, um eine Reperfusion und somit einen Erhalt des linken Beins zu erreichen. Da das Ereignis sich so schnell entwickelt hat, liegt der Verdacht nahe, dass es sich um ein embolisches Geschehen handelt. Der Chirurg kann versuchen, die Gefäßstrombahn mithilfe eines Fogarty-Katheters (Ballonkatheter) wieder zu eröffnen. Gelingt dies nicht, müsste die gesamte Strombahn durch Bypässe ersetzt werden. Da man jedoch nicht genau weiß, über welche Strecke die Strombahn verstopft ist, ist die Operation ein sehr schwieriges Unternehmen. Ich persönlich glaube nicht, dass die schon vorher schwer kranke Patientin dieses akut dazugekommene Geschehen überlebt hat.
Sie haben recht. Der Versuch, eine Embolektomie durchzuführen, schlug fehl, da die komplette arterielle Strombahn verschlossen war. Die Patientin hat das Ganze leider nicht überlebt. Bleiben wird doch gerade noch bei den unteren Extremitäten. Sagt Ihnen der Begriff Leriche-Syndrom etwas?
Ein vollständiger oder inkompletter Aortenverschluss im Bereich der Bifurkation führt zum Leriche-Syndrom. Man unterscheidet zwei Formen: ein akutes und ein chronisches Leriche-Syndrom. Beim akuten Verschluss beider Beckenstrombahnen kommt es zu einer kompletten Ischämie beider Beine. Diese muss schnellstmöglich behoben werden, weil das Krankheitsbild sonst tödlich verläuft.
Beim chronischen Leriche-Syndrom stehen Blasenentleerungsstörungen, Impotenz und Muskelatrophien an den unteren Extremitäten im Vordergrund. Bei sehr langsamen Verläufen können sich Kollateralen, insbesondere ein Kollateralkreislauf zwischen A. mesenterica inferior und A. iliaca interna, ausbilden.
Erläutern Sie eine Stadieneinteilung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK).
Klinisch bedeutsam ist die Einteilung der pAVK nach Fontaine (› Tab. 6.1). Sie beschreibt den klinischen Schweregrad von Durchblutungsstörungen der unteren Extremitäten.
Tab. 6.1 Einteilung der pAVK nach Fontaine
Stadium I : Stenose oder Verschluss ohne Beschwerden
Stadium II
IIa) Claudicatio intermittens (Gehstrecke > 200 m)
IIb) Claudicatio intermittens (Gehstrecke < 200 m)
Stadium III
Ruheschmerz, v. a. der Akren, im Liegen (Nachtschmerz)
Stadium IV
• trophische Störungen, Nekrosen (trockene Gangrän)
• sekundäre Infektion der Nekrosen (feuchte Gangrän)
Welche Risikofaktoren spielen bei der Entstehung der pAVK eine Rolle ?
Die häufigsten Risikofaktoren sind: • Nikotinabusus • arterielle Hypertonie • Hyperlipidämie • Diabetes mellitus • Adipositas • Hyperurikämie