Verfassungsgerichte Flashcards

1
Q

Was ist die Definition der Verfassungsgerichtsbarkeit nach Dieter Grimm (2010)?

A

“Verfassungsgerichtsbarkeit ist die justizförmige Entscheidung von Konflikten entweder zwischen verschiedenen Staatsorganen (=Organstreit) oder zwischen Staat und Bürger (=am häufigsten) über die Anforderungen des Verfassungsrechts an staatliches Handeln

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2
Q

Was ist Judical Review (“richterliches Prüfungsrecht”)?

A

allgemein das Prinzip der richterlichen Überprüfung von gesetzgeberischem und Verwaltungshanden auf die Vereinbarkeit mit der Verfassung

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3
Q

Was sind die Voraussetzungen für Verfassungsgerichtbarkeit?

A
  • Erkennbarkeit und Höherrangigkeit der Verfassung (“constitutional text”) gegenüber einfachen Parlamentsgesetzen u. Rechtsakten
  • englische (nicht britisch!) steht dem entgegen (“Parlamentssouveränität”)
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4
Q

Wo liegt der Ursprung der Verfassungsgerichtsbarkeit?
(2)

A
  1. funktional: Ursprung der Verfassungskontrolle in den USA
    -> Marbury vs. Madison (24. Februar 1803) => “Inthronisation der Verfassungsgerichtsbarkeit als Hüter der Verfassung” (Brugger)
    -> Revisionsinstanz
  2. organschaftlich: Deutschösterreichischer Verfassungsgerichtshof (1919), Österreichisches “Bundesverfassungsgestz” (1920)
    -> gentrennt konstitutionell&verfassungsgerichtsbarkeit
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5
Q

Welche zwei Formen der Verfassungsgerichtsbarkeit gibt es?

A
  1. Diffuse Normenkontrolle
    (-> “US-Modell”, “inzidente Kontrolle”, “dezentralisiertes Modell”)
    = Verfassungsgerichtsbarkeit als Funktion, nicht als eigene Institution
  2. Spezialisierte Normenkontrolle
    (->”österreichisch-deutsches Modell” “kontinental-europäisches Modell” ; “zentralisierte Kontrolle”, “Trennmodell”
    = Verfassungsgerichtsbarkeit als spezialisiertes Gericht, i.d.R: außerhalb des normalen Instanzenzugs

–> Unterschied in der Kompetenzenzuschreibung

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6
Q

Wie ist das diffuse oder dezentralisierte Modell aufgebaut? Welche Komptenzen hat es? Wie arbeitet es?

A
  • “jeder Richter an jedem Gericht in jedem Streitfall zu jeder Zeit” kann Normkontrolle ausüben
  • integrierte Verfassungsgerichtsbarkeit + oberste Instanzen. bzw. Reviionsgericht

—- im diffusen Modell ist mit dem obersten Gerichtshof ein Gericht benannt, welches i.d.R. am Ende des normalen Instanzenzuges letzverbindlich Rechts auslegt und Normen kontrolliert—-
-> aber nur KONKRETE Normenkontrolle (Voraussetzung: konkreter Fall oder Streitigkeit und dass Richter:innen Fall annehmen können auch mit political question doctrine ablehnen)
-> oberstes Gericht entscheidet als Letztinstanz (also nicht exklusiv, sondern !letztinstanzlich!)

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7
Q

Wie ist die spezialisierte Verfassungsgerichtbarkeit aufgebaut? Woher geht sie zurück? Welche Kompetenzen hat sie?

Welche 4 Merkmale hat sie?

A
  • geht zurück auf den österreichischen Staatsrechtler Hans Kelsen
  • exklusive Normenkontrolle durch spezialisierte Verfassungsgerichte, denen im Falle vermuter Verfassungswidrigkeit ein Gesetz zur Prüfung vorgelegt werden muss
    (hinzugekommen: Wahlprüfung, Parteinverbot)

Merkmale:
1. Monopol auf verfassungsrechtliche Normenkontrolle
2. Beschränkt auf verfassungsrechtliche Streitfragen
3. Scharnierfunktion zwischen Gerichtsbarkeit und Legislative (genau so beabsichtigt, obwohl oft kritisiert)
4. Meist abstrakte Normenkontrolle (historisch: Kernfunktion)

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8
Q

Das Beispiel SCOUTS:
Eckdaten
- gesetzliche Grundlage
- Art III, §2:
- wann geschaffen/eingerichtet?
- wie lange ist die durchschnittliche Amtszeit?
- wie viele Richter:innen gibt es
- Ernennung der Richter:innen

A
  • Grundlage in Art. III, §1 US-Verfassung
  • “Die richterliche Gewalt erstreckt sich auf alle Rechts- und Billigkeitsfälle, die sich aus dieser Verfassung, den Gesetzen der Vereinigten Staaten und den unter ihrer Autorität geschlossesnen oder zu schließenden Veträgen ergeben…”
  • 1789 geschaffen, 1790 eingerichtet (nicht 1801??)
  • 16 Jahre
  • einen chief justice und 8 associate justices
  • Richter werden auf Lebenszeit vom Präsidenten ernannt (Nominierung durch Exekutive; Bestätigung durch den Senat mit Mehrheit)
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9
Q

Wie wird am SCOUTUS entschieden?

A

mit Mehrheit (Chief Justice kein Sonderstimmrecht); wird das Quorum nicht erreicht, bleibt der status quo bestehen

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10
Q

Wie ist der Zugang zum Gericht (SCOTUS)?

A

EINGESCHRÄNKT
- entscheidet nur in konkreten Fällen und Streitigkeiten
- Nachweis der persönlichen Betroffenheit notwendig

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11
Q

Welche zwei Prinzipien der Verfassungsinterpretation gibt es? (“zwei Schulen”)

A
  • Hüter der Verfassung => “original intent”-Position (wie Verfassungsväter urspünglich gemeint, Vorteil: konservative/bewahrende Funktion, Kritik: Richter:innen keine Historiker:innen)
  • Verfassungsrichter als “Treuhänder”
    (liberale Position: Interpretation immer passend zum aktuellen Zustand der Gesellschaft, Nachteile: Willkür der Verfassung, gibt es überhaupt die Gesellschaft?, Überschreitung ihrer Kompetenzen)
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12
Q

Wie wird der Grad der Unabhängigkeit des SCOUTUS bewertet?

A
  • hohes Maß an Unabhängigkeit, da keine Amtszeitbeschränkung
    -> Abberufung nur durch Senat (“impeachment”, mit 2/3 Mehrheit)

–> weder abhängig von power of the sword or of the purse (militärische und ökonomische Macht), einzig von informellen Fakotoren (gesellschaftliche Akzeptanz, Legitimität)

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13
Q

Probleme Ernennungsverfahren SCOUTUS

A

-> Ernennungsverfahren im Falle von “divided government” und bei Polarisierung potentiell blockadeanfällig
-> Abstimmungen werden auch immer knapper

-> Richter:innen kurz vor Neuwahlen (nicht) ernannt (Garland 10 Monate (Obama, nicht ernnant, stattdessen: Neil Gorsuch) vs. Barret 2 Wochen (Trump, ernannt)

-> Brett Kavanaugh und s*xuelle Belästigung

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14
Q

Was besagt das Urteil um Marybury vs. Madison (1803) (Inthronisation der Verfassungsgerichtsbarkeit) und warum ist es wichtig?

A
  • Jefferson -> Adams Präsidentschaft
  • Nacht vor Amtsübergabe noch Richter:innen neu ernennen (midnight justices)
  • Madison vs. Marbury die Klage, sind die Richter im Amt?
  • SCOTUS: nein
  • Judge Marshall hat die Kompetenz beansprucht Handlungen des Staates auf die Anwendung der Verfassung zu entscheiden
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15
Q

Wie hat sich das Vertrauen des Gesellschaft in den SUpremecourt entwickelt?

A
  • von über 50% in den 80igern bis 2005 und mittlerweile auf 25%
  • Vertrauen hängt stark mit der politischen Meinung der Befragten zusammen -> Demokraten niedriges Vertrauen
  • SCOUTS nicht nur als Schiedsrichter sondern Teil des politischen Wettbewerb
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16
Q

Weshalb welche Form von Verfassungsgericht?

Welche vier Erklärungen für die globale Ausbreitung von “judical review”, insb. seit 1970 gibt es?

A
  • ideelle Erklärungen
  • Multi-Level-Governance Theorien
  • Diffusionstheorien
  • Theorie des elektoralen Wettbewerbs (ABSICHERUNGSTHEORIE)

xxxxxxxxxxxxxxxxx

17
Q

Weshalb welche Form von Verfassungsgericht?

Wann entstehen welche Formen von “judicial review”?

A
  • Demokratien:
  1. Internationale Normendiffusion
  2. Nachbarschaftseffekte
  3. Sozialisation der Akteure
  4. Elektoraler Wettbewerb
18
Q

Was ist die elektorale Wettbewerbs- oder Absicherungstheorie (Ginsburg 2003)?

A
  • Verfassungsgeber als rationale, egoistische Nutzenmaximierer
    (gilt nur für junge Demokratien, die sorgen um sich selbst)
  • da Verfassungsgerichte den Handlungsspielraum der Mehrheit einengen, werden Präferenzen für oder gegen ein “starkes” Verfassungsgericht dadurch beeinfluss, welchen “Nutzen” die Akteure sich davon versprechen
    (Einführer sorgen sich um ihre eigene Position nach Einführung von Wahlen)
  • Verfassungsgerichtsbarkeit als “MinMax-Strategie” (Minimierung der maximalen Kosten)
  • (Selbst)Bindung des Verfassungsgebers verursacht Kosten; auch Machtverlust verursacht Kosten
  • Nutzen hängt von der Wahrscheinlichkeit und den Kosten des Machtverlusts in Wahlen ab
  • Entscheidene Parameter sind
    1 Risiko des Machtverlusts (abhängig von Wettbewerbsgrad der Wahlen)
    2 Kosten des Machtverlusts (abhängig vom institutionellen Design; England hoch vs. Schweiz niedrig (hier schwache Verfassungsgerichtsbarkeit)
19
Q

Weshalb welche Form von Verfassungsgericht?

ERGEBNISSE UND ZUSAMMENFASSUNG

A

!! Je höher der politische Wettbewerb und je größer die potentiellen Kosten des Machtverlusts, desto höher der potentielle Nutzen einer starken Verfassungsgerichtsbarkeit !!
(Absichern gegen potentiellen Kosten)

  • d.h. wo großer Wettbewerb, dort eher kompetenzstarke, offene und unabhängige Verfassungsgerichte
  • Operationalisierung der Theorie: Indikator der “Parteienstärke” (Variante der klassischen “winner’s margirl”):
    -> Die Differenz des Sitzanteils der stärksten und der zweitstärksten Partei/Parteienblocks in der ersten Wahl nach der Verfassungsgebung. Je geringer die Differenz, desto unwahrscheinlicher war es, dass die größte Partei tatsächlich die Macht halten würde

–> robuster Zusammenhang zwischen Operationalisierung Ginsburg und der Stärke dr Verfassungsgerichtsbarkeit, brilliante und erklärungskräftigste Theorie