Lernsheet 6 - Soziale Klasse Flashcards
Definition von Meritokratie
📌 Was versteht man unter Meritokratie?
🔹 Begriff: Von Michael Young (1958) in „The Rise of the Meritocracy“ geprägt.
🔹 Grundidee:
Menschen können alles erreichen, wenn sie genug Talent haben und hart arbeiten.
Erfolg hängt von individueller Begabung und Leistungsfähigkeit ab.
🔹 Meritokratische Trias (Reinhard Kreckel, 1992):
1️⃣ Bildung 🎓
2️⃣ Beruf 💼
3️⃣ Einkommen 💰
🔹 Kritik: Soziale Herkunft bleibt entscheidend für Lebenschancen.
Meritokratie als Mythos und Legitimation sozialer Ungleichheit
📌 Meritokratie als Mythos und Ungleichheitsmotor
🔹 Steffen Hillmert (2019):
Meritokratie dient als Legitimation für soziale Ungleichheiten.
Erfolg wird als rein individuell betrachtet, strukturelle Benachteiligung ignoriert.
🔹 OECD-Studie (2021):
Reichste 10% besitzen über 50% des Vermögens → Ungleichheit nimmt zu!
Einer von 10 Haushalten mit niedrigem Einkommen ist hoch verschuldet.
🔹 Oxfam (2023):
1% der reichsten Personen verursacht mehr CO₂-Emissionen als die ärmsten 66%.
Meritokratie als Maßstab für Leistungsgerechtigkeit?
📌 Meritokratie als Bewertungssystem
🔹 Theoretische Annahme:
Hohe Leistung wird belohnt, unabhängig von sozialer Herkunft.
Individuelle Begabung und harte Arbeit bestimmen den sozialen Aufstieg.
🔹 In der Praxis:
Soziale Mobilität ist stark eingeschränkt.
Wohlhabende Familien haben Bildungs- und Karrieremöglichkeiten, die anderen fehlen.
Bildungsungleichheit & meritokratische Trias
📌 Warum ist Bildung kein gleicher Zugangspunkt?
🔹 Meritokratische Trias (Bildung, Beruf, Einkommen) suggeriert Chancengleichheit.
🔹 OECD (2021):
Bildung ist stark an soziale Herkunft gekoppelt.
Kinder aus einkommensstarken Haushalten haben bessere Bildungschancen.
🔹 Folgen:
Soziale Schichtung bleibt bestehen.
Höhere Bildung ≠ automatisch bessere Jobs für alle.
Dequalifikation und Downgrading
📌 Was bedeutet Dequalifikation/Downgrading?
🔹 Menschen mit hoher Bildung arbeiten in Berufen unterhalb ihrer Qualifikation.
🔹 Besonders betroffen:
Migrant*innen (Anerkennungsprobleme).
Frauen mit akademischen Abschlüssen.
🔹 Folgen:
Niedrigeres Einkommen trotz hoher Bildung.
Verlust von Fachwissen & Kompetenzen, da Qualifikationen nicht genutzt werden.
Klasse & Schicht – Grundbegriffe
📌 Definition von Klasse und Schicht
🔹 Klasse:
Begriff aus der Marxistischen Theorie (Karl Marx, 19. Jh.).
Ökonomische Gruppen basierend auf Besitzverhältnissen an Produktionsmitteln.
Hauptklassen:
1️⃣ Bourgeoisie (Besitzende, Kapitalisten)
2️⃣ Proletariat (Besitzlose, Lohnabhängige)
Klassenbewusstsein führt zu potenziellem Klassenkampf.
🔹 Schicht:
Einführung durch Theodor Geiger (1952).
Feinere Differenzierung sozialer Gruppen nach Einkommen, Bildung, Beruf.
Mehrdimensionale Betrachtung im Vergleich zur Klassentheorie.
Max Weber – Mehrdimensionale Klassentheorie
📌 Erweiterung der Klassentheorie
🔹 Max Weber (1864–1920):
Unterscheidet Erwerbsklassen, Besitzklassen und soziale Klassen.
Klassenlage hängt von Qualifikation und Chancen ab.
Drei zentrale soziale Hierarchien:
1️⃣ Klasse (ökonomische Stellung)
2️⃣ Stand (soziale Wertschätzung, Prestige)
3️⃣ Partei (politischer Einfluss & Macht)
Klasseneinteilung nach Anthony Giddens (1969)
📌 Schichtmodell moderner Gesellschaften
🔹 Oberschicht:
Reichste 1–2 %, Besitz von großen Vermögenswerten.
„Alter Geldadel“ vs. „Neureiche“.
🔹 Mittelschicht:
Alte Mittelschicht: Kleinunternehmer, Bauern.
Obere Mittelschicht: Manager, Freiberufler, höhere Beamte.
Untere Mittelschicht: Büroangestellte, Lehrer.
🔹 Arbeiterklasse:
Obere Arbeiterklasse: Facharbeiter mit stabilen Jobs.
Untere Arbeiterklasse: Hilfsarbeiter mit prekären Jobs.
Das „Dahrendorfhäuschen“ (1965) – Gesellschaftliche Schichtungen
📌 Ralf Dahrendorf: 7-Schichten-Modell
🔹 Moderne Klassengesellschaft ist differenzierter:
1️⃣ Eliten (wirtschaftliche & politische Führung)
2️⃣ Dienstklasse (bürokratische Helfer der Elite)
3️⃣ Alter Mittelstand (Selbstständige)
4️⃣ Arbeiterelite
5️⃣ Arbeiterschicht
6️⃣ Falscher Mittelstand (einfache Dienstleistungsberufe, Verkäufer*innen)
7️⃣ Unterschicht (Langzeitarbeitslose, prekär Beschäftigte)
🔹 Erweiterung nach Reiner Geißler (2014):
„Falscher Mittelstand“ ahmt den alten Mittelstand nach.
Schichten beeinflussen soziale Mobilität & Lebensstile.
Soziale Lager – Definition & Bedeutung
📌 Was sind soziale Lager?
🔹 Unterteilung der Gesellschaft nach sozialstrukturellen Merkmalen (Einkommen, Beruf, Bildung).
🔹 Menschen mit ähnlichem sozialen Status teilen Erfahrungen, Werte und Mentalitäten.
🔹 Wichtige Begriffe:
„Klassenbewusstsein“ (Karl Marx) → Wahrnehmung der eigenen Klasse.
„Schichtmentalität“ (Theodor Geiger) → Gruppenspezifische Werte und Normen.
„Klassenhabitus“ (Pierre Bourdieu) → Lebensstil, Geschmack und soziale Praktiken.
Soziale Milieus & Lebensstile
📌 Was sind soziale Milieus?
🔹 Erweiterung des Schichtmodells um Werte, Lebensstile & Einstellungen.
🔹 Menschen mit ähnlicher Lebensauffassung und sozialen Merkmalen werden gruppiert.
🔹 Bedeutung für Markt- & Wahlforschung.
🔹 Beispiele:
Sinus-Milieus (Unterschiedliche soziale Gruppen mit gemeinsamen Wertvorstellungen).
Lebensstilforschung (regelmäßige, wiederkehrende Muster im Alltag).
Sozioökonomischer Status (SES)
📌 Was ist der sozioökonomische Status (SES)?
🔹 Definiert gesellschaftliche Position einer Person basierend auf:
1️⃣ Einkommen 💰
2️⃣ Bildung 🎓
3️⃣ Beruf 💼
🔹 Hartmut Ditton & Kai Maaz (2011):
Hierarchische Positionierung innerhalb der Gesellschaft.
Soziale Vergleiche bestimmen SES (Einkommen, Abschlüsse, Berufsstatus).
🔹 Wichtige Faktoren für soziale Ungleichheit & Mobilität.
Soziale Klasse als Identitätskategorie
📌 Ist soziale Klasse eine Identitätskategorie?
🔹 Antony Manstead (2018):
Soziale Klasse wird oft unterschätzt in der psychologischen Forschung.
Menschen empfinden sie als genauso wichtig wie Geschlecht oder Ethnizität.
🔹 Easterbrook et al. (2018):
Besonders in höheren sozialen Klassen spielt soziale Identität eine große Rolle.
🔹 Wichtige Unterschiede zwischen sozialen Klassen:
Bildungsaspirationen 📚
Politische Einstellungen 🗳
Gesundheitsverhalten 🏥
Konsum- & Freizeitverhalten 🛍
Hard Interdependence vs. Expressive Independence
📌 Unterschiedliche soziale Schichten – unterschiedliche psychologische Muster
🔹 Nicole Stephens et al. (2014): „Gateway Contexts“ (Zuhause, Schule, Arbeit)
🔹 Untere soziale Schichten → „Hard Interdependence“
Hohe Resilienz notwendig, um mit Unsicherheiten umzugehen.
Mehr Fokus auf Gemeinschaft & gegenseitige Unterstützung.
Mehr Kontextualismus → Wahrnehmung ist auf die Umgebung ausgerichtet.
🔹 Mittelschicht → „Expressive Independence“
Selbstverwirklichung & Unabhängigkeit als kulturelles Ideal.
Eigene Interessen & Wahlfreiheit werden betont.
Mehr Solipsismus → Fokus auf individuelle Leistung & Erfolg.
Klassenspezifische Vorurteile & Empathiefähigkeit
📌 Unterschiedliche soziale Klassen haben unterschiedliche Vorurteile & Empathiefähigkeiten
🔹 Vorurteile gegenüber niedrigen sozialen Klassen (Manstead, 2018):
Wenig Willensstärke, fehlende Anstrengung → „Life-Style-Choice“-Narrativ.
Diese Vorurteile haben in den letzten Jahren zugenommen.
🔹 Vorurteile gegenüber ethnischen Minderheiten (Manstead, 2019):
Niedrigere soziale Schichten haben mehr Vorurteile & autoritärere Einstellungen (höherer RWO & SDO).
Höhere Schichten haben besonders starke Vorurteile gegenüber ethnischen Minderheiten, wenn diese höhere Bildungsabschlüsse erreichen (Kuppens et al., 2018).
🔹 Ökonomische Instabilität (Jetten et al., 2017):
Niedrige soziale Schichten → mehr generelle Ängste.
Höhere soziale Schichten → negativere Einstellungen gegenüber Immigration.
🔹 Empathiefähigkeit & Prosozialität (Manstead, 2018):
Niedrigere soziale Klassen zeigen höhere Empathiewerte & mehr Sensitivität gegenüber Bedrohungen.
Mehr Hilfsbereitschaft & prosoziales Verhalten.
Höhere soziale Klassen → mehr Selbstbezogenheit & unethische Entscheidungen.
Verstärkt sich mit wachsender sozialer Ungleichheit.
🔹 Coté et al. (2015):
„Fear of losing a privileged position“ → Reiche fürchten den Verlust ihres Status.
„Justify a privileged position“ → Privilegien werden als gerechtfertigt dargestellt.
Modell von Antony Manstead (2018)
📌 Integratives Modell der Psychologie sozialer Klassen
🔹 Klassenzugehörigkeit beeinflusst:
1️⃣ Kognition (wie wir die Welt wahrnehmen)
2️⃣ Emotionen (wie wir auf soziale Situationen reagieren)
3️⃣ Soziales Verhalten (wie wir mit anderen interagieren)
🔹 Wichtige Kernpunkte:
Soziale Klasse prägt Denkweise, Wahrnehmung & Entscheidungen.
Niedrigere soziale Klassen → mehr Gemeinschaftssinn & soziale Sensitivität.
Höhere soziale Klassen → mehr Individualismus & Statusdenken.
Soziale Klasse beeinflusst nonverbale Kommunikation (weniger Augenkontakt & Lächeln in höheren Schichten).
ANGUCKEN
Definition soziale Ungleichheit
📌 Was ist soziale Ungleichheit?
🔹 Soziologie:
Ungleiche Verteilung von materiellen & immateriellen Ressourcen in einer Gesellschaft.
Unterschiedliche Teilhabechancen an Bildung, Wohlstand, Macht und sozialem Kapital.
🔹 Definition nach Stefan Hradil (2001):
Soziale Ungleichheit liegt vor, wenn bestimmte Gruppen regelmäßig mehr wertvolle Güter & Möglichkeiten erhalten als andere.
🔹 Reproduktion der Ungleichheit:
Findet besonders an Schnittstellen & Übergängen statt (z. B. Wahl von Schule, Beruf, Beförderungen).
Indikatoren sozialer Ungleichheit
📌 Wie zeigt sich soziale Ungleichheit?
🔹 Objektive Indikatoren:
Beruf & arbeitsrechtliche Stellung
Bildung (Schulabschluss, Bildungsjahre)
Einkommen & Vermögen
Prestige & sozialer Status
Macht & Einfluss
Teilnahme am kulturellen Leben
Wohngegend & Lebensumfeld
🔹 Subjektive Indikatoren:
Selbstwahrnehmung der sozialen Stellung
Zugehörigkeitsgefühl zur sozialen Klasse
🔹 Prädiktoren für Bildung, Beruf & Gesundheit (Mirowsky, 2017; Marsh, 2018):
Soziale Klasse ist der beste Prädiktor für Bildungs- & Berufserfolg sowie Gesundheitszustand.
Je niedriger die Herkunftsklasse, desto entscheidender wirkt sich der soziale Status auf die Zukunftschancen aus.
Cumulative Social Inequality at Workplaces Model (CSI-W-Model, Hans van Dijk, 2020)
📌 Soziale Ungleichheit in der Arbeitswelt
🔹 4-Ebenen-Modell:
1️⃣ Individuelle Ebene:
Job-Performance wird bewertet nach Fähigkeiten, Wissen & Motivation.
2️⃣ Dyadische Ebene:
Stereotypen & Statuszuschreibungen beeinflussen Kompetenzbewertung.
3️⃣ Netzwerk-Ebene:
Soziales Kapital entscheidet über berufliche Chancen.
Homophilie: Manager rekrutieren bevorzugt Bewerber, die ihnen ähneln (soziale Klasse, Bildung, Geschlecht).
Reziprozität: Gegenseitiges Unterstützen verstärkt bestehende Netzwerke.
4️⃣ Organisationale Ebene:
Core-Sektor: Hochstabile Jobs, hohe Einkommen, Boni, Karriereoptionen.
Peripherer Sektor: Prekäre Jobs, wenig Aufstiegsmöglichkeiten.
Winner-take-all-Struktur: Die „High-Performer“ erhalten unverhältnismäßig viele Ressourcen.
Meritokratische Ideologie: Chancengleichheit wird betont, aber strukturelle Benachteiligung bleibt bestehen.
Doing Social Class – Soziale Klasse als performatives Konzept
📌 Was bedeutet „Doing Social Class“?
🔹 Performative Dimension sozialer Klasse:
Soziale Klasse ist nicht nur ein ökonomischer Status, sondern zeigt sich in Verhalten, Sprache, Kleidung & Interaktion.
Stereotype & soziale Codes (z. B. Dresscodes, Manieren, Dialekt) verstärken soziale Grenzen.
🔹 Psychologische Auswirkungen:
Angst, Unsicherheiten & soziale Traumata bei Klassenaufstieg oder -abstieg.
Status wird durch soziale Praktiken sichtbar & reproduziert.
Klassenhabitus (Pierre Bourdieu)
📌 Was ist der Klassenhabitus?
🔹 Pierre Bourdieu:
Soziale Klasse beeinflusst unsere Wahrnehmung, unser Denken & unser Verhalten.
Klassenhabitus ist ein internalisiertes System von Werten, Geschmack & Lebensstil.
🔹 Drei zentrale Kapitalarten:
1️⃣ Ökonomisches Kapital: Einkommen, Besitz, Erbschaften.
2️⃣ Soziales Kapital: Netzwerke & Beziehungen.
3️⃣ Kulturelles Kapital: Bildung, Sprachgebrauch, kulturelle Codes.
🔹 Folgen:
Soziale Ungleichheit wird weitergegeben, da privilegierte Gruppen mehr Zugang zu diesen Kapitalarten haben.
Ghetto Taxes – Warum zahlen ärmere Menschen mehr?
📌 Was sind „Ghetto Taxes“?
🔹 Benachteiligung einkommensschwacher Menschen durch höhere Kosten für grundlegende Güter & Dienstleistungen.
🔹 The Brooking Institution (2006):
Arme Haushalte zahlen höhere Preise für Kredite, Versicherungen & Grundbedürfnisse.
🔹 Beispiele für Ghetto Taxes:
Schlechtere Kreditbedingungen (höhere Zinsen, schlechtere Bonitätseinstufung).
Höhere Lebensmittelpreise in strukturschwachen Gebieten (keine günstigen Supermärkte).
Längere Wege zur Arbeit → höhere Transportkosten.
Schlechtere Gesundheitsversorgung → höhere langfristige Gesundheitskosten.
🔹 Folgen:
Armutsfalle: Geringverdiener zahlen verhältnismäßig mehr für essentielle Güter.
Soziale Mobilität wird erschwert.
Definition soziale Mobilität
📌 Was ist soziale Mobilität?
🔹 Bewegung von Personen oder Gruppen zwischen verschiedenen sozioökonomischen Positionen.
🔹 Wird bestimmt durch Einkommen, Bildung, Beruf & Status.
🔹 Zwei Hauptarten:
1️⃣ Intragenerationenmobilität → Veränderung innerhalb eines Lebens (z. B. Beförderung, Jobverlust).
2️⃣ Intergenerationenmobilität → Vergleich der sozialen Position zwischen Eltern & Kindern.
Formen sozialer Mobilität
📌 Arten der sozialen Mobilität
🔹 Horizontale Mobilität → Wechsel innerhalb der gleichen sozialen Schicht (z. B. Krankenschwester → Lehrerin).
🔹 Aufsteigende Mobilität → Verbesserung des sozialen Status (z. B. Kind aus Arbeiterschicht wird Arzt).
🔹 Absteigende Mobilität → Verlust des sozialen Status (z. B. Arbeitslosigkeit, Jobverlust, Invaliditätspension).
🔹 Intragenerationenmobilität → Veränderung der sozialen Stellung im Laufe eines Lebens.
🔹 Intergenerationenmobilität → Sozialer Auf- oder Abstieg zwischen zwei Generationen.
Intergenerationelle Mobilität in Österreich (OECD, 2018)
📌 Wie durchlässig ist Österreichs Gesellschaft?
🔹 Soziale Mobilität in Österreich ist gering!
Dauert 5 Generationen, bis jemand aus den untersten 10% das Durchschnittseinkommen erreicht.
Vergleich:
Dänemark: 2 Generationen
Norwegen, Schweden, Finnland: 3 Generationen
🔹 Warum ist Mobilität in Österreich so gering?
Einkommen, Beruf & Bildung werden stark durch den sozialen Status der Eltern bestimmt.
Erbschaften verstärken die soziale Ungleichheit.
Menschen mit Migrationshintergrund haben geringere intergenerationelle Mobilität.
Einkommensschwierigkeiten in der Kindheit führen langfristig zu niedrigerem Einkommen (-10 bis -20 %).
Väter haben größeren Einfluss auf das Bildungsniveau der Kinder als Mütter.
Sticky Floor – Warum ist sozialer Aufstieg schwer?
📌 Sticky Floor – Die Falle der unteren Schicht
🔹 Kinder aus niedrigen Einkommensschichten bleiben oft in ihrer sozialen Schicht gefangen.
🔹 Gründe für fehlenden Aufstieg:
Schlechtere Gesundheit → Weniger Zugang zu guter medizinischer Versorgung.
Geringere Bildung → Weniger Ressourcen für Nachhilfe, Studium, akademische Laufbahnen.
Eher manuelle Jobs → Weniger Karriereoptionen & Aufstiegschancen.
🔹 Folgen:
Wenig soziale Mobilität.
Kinder übernehmen häufig den Status der Eltern.
Sticky Ceiling – Warum bleiben die Reichen oben?
📌 Sticky Ceiling – Die Elite bleibt unter sich
🔹 Personen aus der Oberschicht geben ihre Vorteile an ihre Kinder weiter.
🔹 Gründe für geringe Abwärtsmobilität:
Beste Bildung → Zugang zu Eliteschulen & Universitäten.
Soziale Netzwerke → Bessere Karrieremöglichkeiten durch familiäre Kontakte.
Ähnliche Jobs wie Eltern → Traditionelle Weitergabe von beruflichem Status.
🔹 Folgen:
Wenig Risiko für Abwärtsmobilität.
Soziale Ungleichheit bleibt bestehen.
Was ist Bildungsvererbung?
📌 Definition & Mechanismen der Bildungsvererbung
🔹 Bildungsvererbung bedeutet, dass der Bildungsstand der Eltern maßgeblich den Bildungserfolg der Kinder beeinflusst.
🔹 Hauptfaktoren der Bildungsvererbung:
1️⃣ Soziale Herkunft (Eltern mit Hochschulabschluss → höhere Chance für Kind auf Hochschulabschluss).
2️⃣ Bildungseinrichtungen in der Region (weniger Infrastruktur = schlechtere Chancen).
3️⃣ Elterliche Unterstützung (finanzielle & kognitive Förderung).
🔹 Daten zur Bildungsmobilität (Statistik Austria, 2024):
24,5% der Erstsemestrigen → beide Eltern haben Hochschulabschluss.
2,5% der Erstsemestrigen → beide Eltern haben nur Pflichtschulabschluss.
61,3% der Kinder akademischer Eltern → erreichen denselben Bildungsstatus.
Nur 9,4% aus bildungsfernen Elternhäusern → schaffen Hochschulabschluss.
Zusammenhang zwischen Armut & Bildung
📌 Armut als Bildungsfalle („Armutshabitus“) → Armut reproduziert sich!
🔹 Armutsfaktoren (Hanna Dumont et al., 2014):
Gymnasien sind dominiert von Mittelschichtskindern.
Haupt- & Sonderschulen werden zu „Schulen der Armen“.
🔹 Drei Formen der Bildungsarmut (PISA-Studien, EU-SILC):
1️⃣ Einkommensarmut:
Eltern können keine Nachhilfe oder bessere Schulen finanzieren.
2️⃣ Zertifikatsarmut:
Fehlende Schulabschlüsse & irreguläre Schullaufbahnen begrenzen die Berufswahl.
3️⃣ Kompetenzarmut:
Schlechte Lese- & Sprachfähigkeiten erschweren Bildungserfolg (vgl. PISA-Studien).
🔹 Studien zu Lehrer*innenurteilen (IGLU Deutschland 2021):
Bei gleicher Intelligenz & Lesekompetenz haben Arbeiterkinder eine 2-fach geringere Gymnasialempfehlung.
Mittelschichtkinder werden bevorzugt (Eigengruppenfavorisierung der Lehrer*innen).
„Cumulative Social Inequality Model at Workplace“ (Hans van Dijk, 2020)
Karteikarte 3: Was ist das CSI-W-Modell?
📌 Das „Cumulative Social Inequality at Workplace Model“ (CSI-W) beschreibt, wie soziale Ungleichheit in der Arbeitswelt entsteht & sich verstärkt.
🔹 4 Ebenen-Modell der Ungleichheit im Beruf:
1️⃣ Individuelle Ebene
Bewertung der Job-Performance nach:
Wissen & Fähigkeiten
Motivation & Engagement
2️⃣ Dyadische Ebene
Stereotypen & Statusüberzeugungen beeinflussen Kompetenzzuschreibungen.
3️⃣ Netzwerk-Ebene
Soziales Kapital entscheidet über Karrierechancen:
Homophilie: Führungskräfte rekrutieren bevorzugt ähnliche Personen.
Reziprozität: Karrierevorteile werden in engen Netzwerken weitergegeben.
4️⃣ Organisationale Ebene
Segmentierte Arbeitsmärkte:
Core-Sektor: Hohe Gehälter, stabile Jobs (Managerinnen, Spezialistinnen).
Peripherer Sektor: Prekäre Jobs, wenig Aufstiegschancen.
🔹 Fazit:
Strukturelle & soziale Mechanismen verstärken soziale Ungleichheit in der Arbeitswelt.
Was ist der GINI-Koeffizient?
📌 Der GINI-Koeffizient misst die Ungleichverteilung von Einkommen & Vermögen.
🔹 Wertebereich:
0 = perfekte Gleichverteilung (alle verdienen gleich viel).
1 = extreme Ungleichheit (eine Person besitzt alles).
🔹 Wie wird der GINI-Koeffizient berechnet?
Basierend auf der Lorenz-Kurve (Max Otto Lorenz, 1905).
Zeigt, wie stark Einkommen/Vermögen in einer Gesellschaft konzentriert sind.
GINI-Koeffizienten – Österreich, Deutschland & weltweit
📌 Einkommensungleichheit in Europa & weltweit (Stand 2023, Eurostat/OECD):
🔹 Europa:
Österreich: 0.28
Deutschland: 0.29
EU-Schnitt: 0.30
Belgien: 0.24 (sehr geringe Ungleichheit)
Slowakei: 0.22 (niedrigste Ungleichheit in Europa)
Italien: 0.33 (höhere Ungleichheit)
🔹 Weltweit:
Türkei: 0.44
UK: 0.36
USA: 0.49 (hohe Ungleichheit)
Russland: 0.44
Brasilien & Südafrika: ~0.60 (extreme Ungleichheit)
🔹 Interpretation:
Länder mit niedrigem GINI-Koeffizient (z. B. Skandinavien) haben bessere soziale Absicherung & Bildungssysteme.
Länder mit hohem GINI-Koeffizient (z. B. USA, Brasilien) haben große Einkommensunterschiede & wenig soziale Durchlässigkeit.
Absolute Armut & Indikatoren (World Bank, 2019 & 2023)
📌 Definition von absoluter Armut
🔹 World Bank (2023):
Absolute Armut liegt vor, wenn eine Person weniger als 2,15 USD pro Tag zur Verfügung hat.
Bis September 2022 lag die Grenze noch bei 1,90 USD pro Tag.
Stand 2023: 9,2% der Weltbevölkerung lebt in absoluter Armut.
🔹 Indikatoren für absolute Armut:
1️⃣ Pro-Kopf-Einkommen (PKE) < 150 USD/Jahr
2️⃣ Kalorienaufnahme < 2160–2670 kcal/Tag (je nach Land)
3️⃣ Durchschnittliche Lebenserwartung < 55 Jahren
4️⃣ Kindersterblichkeit > 33 von 1000 Geburten
5️⃣ Geburtenrate > 25 von 1000
🔹 Abgrenzung zur relativen Armut:
Relative Armut = Armut im Vergleich zum sozialen Umfeld.
Bezieht sich auf mangelnden Zugang zu Ressourcen & eingeschränkte Lebenschancen.
Statistik Austria (2024) / EU-SILC 2023 → Relative Armut wird in Österreich anhand von Einkommen & Lebensstandard ermittelt.
Was ist relative Armut?
📌 Definition von relativer Armut
🔹 Relative Armut bedeutet, dass eine Person im Vergleich zum gesellschaftlichen Umfeld deutlich weniger materielle & immaterielle Ressourcen besitzt.
🔹 Folgen:
Eingeschränkte Lebenschancen (Bildung, Arbeit, Wohnraum, soziale Teilhabe).
Unterversorgung bei materiellen & immateriellen Gütern.
🔹 Unterschied zu absoluter Armut:
Absolute Armut = weniger als 2,15 USD pro Tag (World Bank, 2023).
Relative Armut = Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle (60% des Medians).
Armuts- & Ausgrenzungsgefährdung (3 Bedingungen)
📌 Laut Europa-2030-Strategie sind Personen armuts- & ausgrenzungsgefährdet, wenn sie mindestens eine der drei Bedingungen erfüllen:
1️⃣ Armutsgefährdung: Einkommen liegt unter 60% des Medianeinkommens.
2️⃣ Geringe Erwerbsbeteiligung: Haushaltsmitglieder (18–64 Jahre) arbeiten weniger als 20% des Erwerbspotenzials.
3️⃣ Erhebliche materielle & soziale Deprivation: Mindestens 7 von 13 Deprivationskriterien erfüllt.
🔹 EU-SILC 2023:
Österreich: 17,7% armuts- & ausgrenzungsgefährdet.
EU-Durchschnitt: 21,4%.
Höchste Werte: Rumänien (32%), Türkei (30,7%), Bulgarien (30%).
Armutsgefährdung & Armutsgefährdungsschwelle
📌 Armutsgefährdung
🔹 Wenn das Einkommen unter 60% des Medianeinkommens liegt.
🔹 2023: Armutsgefährdungsschwelle für Einzelpersonen in Österreich:
€18.866 pro Jahr = €1.572 pro Monat.
🔹 EU-SILC 2023:
Österreich: 14,9% armutsgefährdet.
EU-Durchschnitt: 16,4%.
Ohne Sozialleistungen wären 24% der Bevölkerung armutsgefährdet!
Materielle & soziale Deprivation (mind. 7 von 13 Kriterien)
📌 Definition & Beispiele für erhebliche materielle & soziale Deprivation:
🔹 Personen gelten als depriviert, wenn sie sich mind. 7 dieser 13 Dinge nicht leisten können:
1️⃣ Einmal im Jahr auf Urlaub fahren.
2️⃣ Unerwartete Ausgaben (€1.370) tätigen.
3️⃣ Regelmäßig Fleisch, Fisch oder vegetarische Alternativen essen.
4️⃣ Wohnung angemessen warmhalten.
5️⃣ Internetverbindung besitzen.
6️⃣ Abgenutzte Kleidung ersetzen.
7️⃣ Freizeitaktivitäten ausüben.
🔹 EU-SILC 2023:
Österreich: 3,7% der Bevölkerung betroffen.
EU-Durchschnitt: 6,8%.
Höchste Werte: Rumänien (23,5%), Türkei (21,3%), Griechenland (20,7%).
Geringe Erwerbsbeteiligung
📌 Definition
🔹 Wenn der Haushalt (18–64 Jahre) weniger als 20% des Erwerbspotenzials nutzt.
🔹 EU-SILC 2023:
Österreich: 5,7%.
EU-Durchschnitt: 8,8%.
Hohe Werte in: Spanien (10,8%), Belgien (12,4%), Griechenland (13,8%).
Mehrfach ausgrenzungsgefährdete Personen
📌 Definition
🔹 Personen, die mehr als eine der drei Armuts- & Ausgrenzungsbedingungen erfüllen.
🔹 EU-SILC 2023:
Österreich: 4,3% der Bevölkerung.
Besonders gefährdete Gruppen
📌 Wer ist besonders von Armut & Ausgrenzung betroffen?
🔹 EU-SILC 2023:
Menschen, die von Sozialleistungen leben: 69%.
Langzeitarbeitslose (>6 Monate): 67%.
Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft: 38%.
Alleinerziehende Haushalte: 48%.
Haushalte mit 3+ Kindern: 36%.
Personen mit maximal Pflichtschulabschluss: 33%.
Armutsgefährdungslücke
📌 Definition
🔹 Die Differenz zwischen dem Medianeinkommen der Armutsgefährdeten & der Armutsgefährdungsschwelle.
🔹 EU-SILC 2023:
EU-weit: 22,2%.
Österreich: 20,5%.
Deutschland: 21,5%.
Belgien: 14,0% (niedrigste in der EU).
Working Poor – Erwerbsarmut
📌 Definition & Zahlen
🔹 Personen, die trotz Erwerbstätigkeit armutsgefährdet sind.
🔹 EU-SILC 2023:
Österreich: 8,2% der Erwerbstätigen.
EU-Durchschnitt: 11,1%.
🔹 Typische Merkmale der Working Poor:
Geringqualifizierte Jobs → Niedriglöhne.
Befristete Arbeitsverträge & unsichere Beschäftigung.
Hohe Wohn- & Lebenskosten.
Probleme armuts- & ausgrenzungsgefährdeter Kinder & Jugendlicher
📌 Wie beeinflusst Armut Kinder & Jugendliche?
🔹 EU-SILC 2023: 22,7% aller armuts- & ausgrenzungsgefährdeten Personen sind unter 18!
🔹 Typische Probleme:
Keine Freund*innen nach Hause einladen können.
Keine Geburtstagsfeiern oder Feste.
Kein Zugang zu kostenpflichtigen Freizeitaktivitäten (Sport, Musik).
Weniger Teilnahme an Schulveranstaltungen.
Wohnungen sind überbelegt, Luftverschmutzung ist höher.
Schwierigkeiten, Wohnung angemessen zu heizen.
Mangelhafte Ernährung – Fleisch/Fisch nur selten.
Überschuldung in Österreich laut Schuldenreport 2024
📌 Überschuldungssituation in Österreich (2024)
🔹 Durchschnittliche Schulden pro Person: €54.691
🔹 Anteil der Geschlechter an der Überschuldung:
41% Frauen
59% Männer
Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Überschuldungsgründen
📌 Häufige Ursachen für Überschuldung (Frauen vs. Männer, 2024)
🔹 Scheidung / Trennung
Frauen häufiger betroffen: 15% vs. 11% (Männer)
🔹 Lebenserhaltungs- & Wohnkosten
Frauen stärker betroffen: 14% vs. 11% (Männer)
🔹 Ehemalige Selbstständigkeit
Männer stärker betroffen: 21% vs. 13% (Frauen)
🔹 Bürgschaften & Mithaftung
Frauen deutlich häufiger betroffen: 9% vs. 2% (Männer)
🔹 Unterhaltskosten
Männer stärker belastet: 5,6% vs. 3,6% (Frauen)
Was bedeutet Verteilungs(un-)gerechtigkeit?
📌 Definition
🔹 Verteilungs(un)gerechtigkeit beschreibt die ungleiche oder gerechte Verteilung von Ressourcen (Einkommen, Vermögen, Bildung, Chancen) in einer Gesellschaft.
🔹 Wichtige Aspekte:
Einkommensverteilung → Gerechter als Vermögensverteilung.
Vermögensverteilung → Starke Ungleichheit zwischen reichen & armen Haushalten.
Bildung & Chancengleichheit → Bildung als möglicher, aber begrenzter „sozialer Egalisator“.
Vermögenskonzentrationen in Österreich & EU
📌 Österreich gehört zu den Ländern mit der höchsten Vermögensungleichheit in der Eurozone!
🔹 Daten aus dem Household Finance and Consumption Survey (HFCS, 2021):
Das reichste 1% besitzt 39% des gesamten privaten Vermögens.
Die reichsten 5% besitzen 55% des gesamten Vermögens.
Die reichsten 10% besitzen 66% des gesamten Vermögens.
Die unteren 50% besitzen nur 2,8% des Gesamtvermögens.
🔹 Erklärung:
Vermögensaufbau in reichen Familien durch Erbschaften (38,4%).
Immobilienbesitz → Wichtige Einkommensquelle für wohlhabende Haushalte.
Politische Einflussnahme durch Reiche (z. B. Elon Musk, Thomas Piketty 2014).
Vermögensungleichheit – Österreich im EU-Vergleich
📌 Vergleich des GINI-Koeffizienten für Vermögen (UBS, 2023):
🔹 GINI-Koeffizient (Vermögen):
Österreich: 0.65
Deutschland: 0.68
USA: 0.75
Südafrika: 0.82 (höchste Ungleichheit weltweit)
🔹 Interpretation:
Niedrige Werte (z. B. Dänemark, Finnland) → Gleichmäßigere Vermögensverteilung.
Hohe Werte (USA, Südafrika) → Extreme Unterschiede zwischen arm & reich.
In Österreich & Deutschland sind Vermögen stark konzentriert, Einkommen aber relativ gleichmäßig verteilt.
Bildung als sozialer Egalisator?
📌 Kann Bildung Ungleichheit reduzieren?
🔹 Bildung erhöht Wohlstandschancen, aber…
Menschen aus reichen Familien sind selbst bei schlechter Bildung nicht armutsgefährdet!
Herkunft beeinflusst Bildungschancen stark (Privatschulen, Lernmittelfreiheit, Studiengebühren).
🔹 Daten zu Bildung & Arbeitsmarkt:
3,2% aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor haben einen Hochschulabschluss.
12,4% haben einen mittleren Bildungsabschluss.
Steigende Einkommens- & Vermögensungleichheit führt zu steigender Bildungsungleichheit.
🔹 Fazit (Christoph Butterwegge, 2024):
„Als sozialer Egalisator ist Bildung nur begrenzt geeignet, insbesondere bei einem mehrgliedrigen Schulsystem.“
Hindernisse für Bildung als sozialer Gleichmacher
📌 Warum kann Bildung Ungleichheit nicht vollständig beseitigen?
🔹 Dequalifikation & Downgrading:
10-15% der Akademikerinnen sind überqualifiziert für ihre Jobs.
Besonders betroffen: Frauen mit Matura, Migrantinnen & Akademikerinnen.
🔹 Bildungssystem & soziale Ungleichheit:
Mehrgliedriges Schulsystem begünstigt soziale Selektion.
Privatisierung von Bildung → Zwei-Klassen-Bildungssystem.
Zugangsbeschränkungen durch NC & Aufnahmeprüfungen.
🔹 Mögliche Lösungsansätze:
Einführung eines Bildungs-GINI-Koeffizienten?
Gleicher Zugang zu Bildung unabhängig von sozialer Herkunft.