Lernsheet 3 - Gender – Trans* Flashcards
Trans* im Tierreich
📌 Beispiele für Geschlechtswechsel & nicht-binäre Geschlechtsformen:
🔹 Clownfische (MtF-Transition)
Das größte Tier eines Paares wandelt sich in ein Weibchen um.
Das nächstgrößere Tier übernimmt dann die männliche Rolle.
🔹 Rote Seesterne
In manchen Gebieten sind 4 % der Population zwittrig.
🔹 Neumexikanische Peitschenschwanzeidechse
100 % Weibchen → Parthenogenese (Jungfernzeugung ohne Männchen).
🔹 Bananenschnecke
Zwitter, die sich auch selbst befruchten können.
🔹 Amerikanische Pantoffelschnecke (MtF-Transition)
Kann sich von männlich zu weiblich umwandeln.
🔹 Komodowaran
Parthenogenese möglich (Fortpflanzung ohne Männchen).
🔹 Streifenköpfige australische Bartagame
Geschlechtswechsel durch Temperatur:
Bei hoher Temperatur schlüpfen genetische Männchen mit weiblichem Phänotyp, die fortpflanzungsfähig sind.
in eigenen Worten:
- Clownfische eine Spezies weil wir Trans fische haben male to Female (das größte Tier findet sich mit einem anderen Tier zusammen und dieses große Tier wird dann zu einem Weibchen. Anschließend wird das nächst größere Tier zum Weibchen)
Weltweit erste Geschlechtsumwandlung Einar Wegener/Lili Elbe
Einar Wegener / Lili Elbe (1882-1931)
Erste Operation 1930 durch Erwin Gohrbandt
Folgeoperationen durch Kurt Warnekros
„The Danish Girl“ (2015)
Erste erfolgreiche !! Geschlechtsumwandlung in den 50er Jahren
Transsexualität → Geschlechtsdysphorie
Änderung von DSM-4 auf DSM-5, Änderung von ICD-10 auf ICD-11
📌 Änderungen von DSM-IV → DSM-5 & ICD-10 → ICD-11
🔹 ICD-10 (veraltet)
Bezeichnung: Transsexualismus (F64).
Eingestuft als Persönlichkeits- & Verhaltensstörung → Pathologisierung.
🔹 DSM-IV (veraltet)
Bezeichnung: Geschlechtsidentitätsstörung.
Fokus auf Normabweichung, statt auf individuellem Erleben.
⚠ Kritik: Stigmatisierung & Pathologisierung → Notwendigkeit zur Depathologisierung!
Aktuelle Klassifikationen (Depathologisierung)
✔ ICD-11 (seit 2022 in Kraft)
Neue Bezeichnung: Geschlechtsinkongruenz (HA60).
Nicht mehr als psychische Störung, sondern unter „Conditions related to Sexual Health“ (Zustände mit Bezug zur sexuellen Gesundheit) → Fokus auf medizinische & soziale Versorgung.
✔ DSM-5 (seit 2013)
Neue Bezeichnung: Geschlechtsdysphorie.
Fokus auf Leidensdruck, der durch Unwohlsein, Körperablehnung & Unzufriedenheit mit der Geschlechterrolle entsteht.
🔹 Diagnosekriterien:
✅ Kinder:
Körperliche Inkongruenz.
Auffälligkeiten im Phantasiespiel.
Präferenz für geschlechtsuntypisches Spielzeug, Aktivitäten & Spielkamerad*innen.
✅ Jugendliche & Erwachsene:
Identifikation mit dem erlebten Geschlecht, unabhängig vom bei Geburt zugewiesenen Geschlecht.
Prävalenzen und Probleme der Prävalenzschätzungen
➢ Keine validen Daten in Österreich & Deutschland
Schätzungen:
🇦🇹 4.6/100.000 (SVA, 2019)
🇩🇪 4.6/100.000 (GEDA, 2022)
🇳🇱 0.01–0.03%
🇺🇸 0.1–0.7% (Lindsay Collin et al., 2016)
🇸🇪 7.6 Transmänner & 12.9 Transfrauen / 100.000 (Dhejne et al., 2014)
➢ Geschlechterverhältnis:
Höhere Rate von Transfrauen (MTF) als Transmänner (FTM) → 1.9–2.7 MTF : 1 FTM
Aber: Verhältnis bei Kindern & Jugendlichen gleicht sich an! (Meyer et al., 2019; Aitken et al., 2019)
Anstieg um 18% in 6 Jahren, Altersschnitt sinkt (Fielding & Bass, 2018)
🇺🇸 1.8% der Highschool-Schüler:innen trans (CDC, 2018)
🇺🇸 10% gender-diverse Schüler:innen (AAP, 2021)
30% transmaskulin, 39% transfeminin, 31% non-binär
➢ Probleme der Prävalenzschätzungen:
Viele Trans-Personen erscheinen nicht in den Daten, da sie keine medizinische Versorgung in Anspruch nehmen
Ohne operative Eingriffe oft keine offizielle Geschlechtsänderung in Registern
Entwicklungsphasen von Trans* Kindern
📌 Zwei kritische Phasen:
1️⃣ Frühe Kindheit (3–5 Jahre)
Intensiver, anhaltender & zunehmender Wunsch, das andere Geschlecht zu sein (oft ab 2,5 Jahren erkennbar).
Ablehnung geschlechtstypischer Merkmale:
Kleidung (v. a. Unterwäsche & Badeanzüge).
Geschlechtstypisches Spielzeug.
Genitalien & Art zu urinieren.
2️⃣ Späte Kindheit / frühe Adoleszenz (9–15 Jahre)
Sozialer Rückzug aufgrund körperlicher Veränderungen in der Pubertät.
Kleidung wird so gewählt, dass die Körperlichkeit verdeckt wird.
„Flucht“ in soziale Medien als Rückzugsort.
Wahl eines neuen Namens als Ausdruck der Geschlechtsidentität.
Geschlechtsdysphorie bei Kindern und Jugendlichen
➢Kinder & Jugendliche (vgl. Ristori & Steensma, 2016; Steensma et al., 2013)
▪Frühe Ablehnung der eigenen ‚Sex‘-Charakteristika und Wunsch
nach Charakteristika des erlebten Genders.
▪Cross-Dressing, Cross-Gender-Rollen im Spielverhalten,
Bevorzugung von Spielzeug und Aktivitäten des anderen
Geschlechts, Ablehnung kultureller Gendervorstellungen zeigen
→ bei ca. 10% bis 39% bleibt eine kindliche Genderdysphorie
bestehen
Trans* Zunahme bei Kindern und Jugendlichen
➢Viele theoretische Erklärungen:
▪Anstieg der Prävalenz in der Population
▪Änderung der medizinischen Möglichkeiten
▪erhöhte öffentliche/mediale Aufmerksamkeit
▪Sozialer ‚Ansteckungseffekt‘ durch soziale Medien etc.
➢Fazit: Die ‚wahre‘ Prävalenz kann derzeit (noch) nicht
abgeschätzt werden (Nicos Skordis et al., 2020)
➢Prävalenz von GD bei Kindern und Jugendlichen 0.6%-1.7%
abhängig von Auswahl, Studienkohorte, geographischer Region,
Alter, Untersuchungsmethode
‚Rapid-Onset-Gender Dysphoria (ROGD);
vgl. Lisa Littman, 2018)
📌 Häufige Elternfrage:
🗣 „Haben Freunde oder soziale Medien die Geschlechtsdysphorie meines Kindes verursacht?“
🔹 Hintergrund der ROGD-Debatte:
Begriff „Rapid-Onset Gender Dysphoria“ (ROGD) wurde durch Lisa Littman (2018) geprägt.
Studie basiert auf n=256 Elternfragebögen.
82,8 % der berichteten Kinder waren weiblich.
Eltern berichteten von:
✔ Psychischen Problemen & Stress vor der Geschlechtsdysphorie.
✔ Erhöhtem Internetkonsum & Gruppeneffekten als mögliche Einflussfaktoren.
✔ „Flucht vor der Weiblichkeit“ als These.
🔹 Kritik & wissenschaftliche Einordnung:
❌ Studie methodisch problematisch:
Elternperspektive ohne Befragung der betroffenen Jugendlichen.
Fehlende Kontrolle für alternative Erklärungen.
❌ Artikel wurde 2019 korrigiert & formal kommentiert (vgl. Florence Ashley, 2020).
❌ Kein empirischer Support für eine tatsächliche Zunahme von ROGD.
🔹 „Testimonial Injustice“ der Betroffenen:
Erfahrungen von trans Personen werden delegitimiert*.
Gefahr: Verhinderung von geschlechtsbejahender Unterstützung.
💡 Fazit:
👉 ROGD bleibt eine umstrittene Hypothese ohne empirische Evidenz & mit potenziell schädlichen Folgen für Betroffene.
Kritische Phasen, Prädiktoren
➢I.d.R. zwei kritische Phasen: a) 3-5 Jahre und b) 9 bis 15
Jahre
➢Ad a) Intensiver, anhaltender und zunehmender Wunsch das
andere Geschlecht zu sein (häufig ab 2.5 Jahre merkbar),
Ablehnung geschlechtstypischer Kleidung insb. Unterwäsche/Badeanzüge, Ablehnung typischen Spielzeugs, Ablehnung des Genitals, der Art zu urinieren etc.
➢Ad b) Häufig sozialer Rückzug aufgrund körperlicher
Veränderungen, Kleidung wird so gewählt, dass
Körperlichkeit verdeckt wird, ‚Flucht‘ in die sozialen Medien,
Wahl eines neuen Namens
Ätiologie-Modelle
➢Psychosoziale und biologische Faktoren werden diskutiert
▪Genetische Disposition möglich → eineiige Zwillinge (Heylens et al. 2012)
ABER es gibt keine Kandidaten-Genen [Jiska Ristori et al., 2020]
▪Post-mortem Gehirnanalysen → ‚cross-sex-shifts‘ (Klinik DdHm, 2013)
▪Pränatale (androgen) Hormonsituation (Heylens et al, 2012)→
▪Netzwerke im Gehirn
▪Mutter-Kind-Beziehung bzw. abwesende oder dysfunktionale
Väter werden diskutiert → wenig Evidenz (Steensma, 2013)
▪Wsl. ein Zusammenspiel vieler Faktoren
FAMILIE – VON DER KRISE ZUR AKZEPTANZ
➢Häufige Frage von Eltern von Trans-Kindern/Jugendlichen – „Hab‘
ich das verursacht, lässt es sich aufhalten?“
▪Nein und Nein (Stefanie Brill & Rachel Pepper, 2022)
➢Keinen nachweislichen Einfluss haben: Scheidung, Missbrauch, Gefühl
abgelehnt zu werden, Vernachlässigung oder Helikopterisierung,
fehlendes Elternteil etc.
▪ABER Umgang mit dem Kind beeinflusst, wie es mit seiner
Geschlechtsidentität umgeht
➢Weltweit gab es immer Trans-Personen (vgl. Two-Spirits bei
indigene Völker), wurden aber vielfach erst durch die Kolonialisierung unsichtbar gemacht und oder / pathologisiert
➢Meist ein sehr emotionales Ereignis → braucht manchmal Jahre um überwunden zu
werden
▪Schuld, Scham, Sorge, Trauer, Verwirrung, Konflikte etc.
▪Angst um die Sicherheit und das Wohlergehen des Kindes
▪Unbedingte Liebe (vgl. Carl Rogers)
−Entscheidungen aus Liebe nicht aus Angst treffen
−Soziale Erwartungen hintanstellen
−Aus der ‚Sorgenfalle‘ heraustreten
−Das Wohlergehen des Kindes/Jugendlichen fokussieren
−Kontakt halten
−Psychoedukation und Selbsthilfegruppen
−Nicht auf die anderen Kinder vergessen
▪Geschwister werden in der Regel unterstützender empfunden als Eltern
UMFELD
➢Schulung des Betreuungspersonals (Kindergarten,
Lehrerinnen, Universitätslektorinnen, Vorgesetzte etc.)
➢Gender-sensitive Unterrichtsmaterialien
➢spezialisierte Expert*innen
IST ES NICHT NUR EINE FRAGE DER SEXUELLEN
ORIENTIERUNG?
➢Möglich!
▪Wie homophob ist das Umfeld (Eltern, Familie, Kultur, Peers etc.)
▪Wie ist es um die eigene Homophobie bestellt?
▪Gender-expansive und Trans-Kinder sind häufig homophoben
Äußerungen ausgesetzt (schwul als Schimpfwort!?) → Trans als
Ausweg (!?)
▪Kinder/Jugendliche nicht in eine Richtung beeinflussen, aber
ermuntern Neues auszuprobieren/zu denken
EMPFEHLUNGEN FÜR ELTERN/FAMILIEN
📌 Zentrale Prinzipien:
✔ Gender-Kongruenz beginnt mit sozialer Kongruenz → Unterstützende Umgebung ist essenziell.
✔ Eltern tragen Verantwortung, sich zu informieren → Nicht das Kind muss die Eltern aufklären!
🔹 Konkrete Empfehlungen:
1️⃣ Informieren & Fachwissen einholen
Beratung bei Expert*innen statt alleinige Informationsbeschaffung durch das Kind.
2️⃣ Unterstützende Umgebung schaffen
Alternative Gender-Identitäten zulassen → Name, Pronomen, Kleidung, Haarstil, Accessoires etc.
Kein Druck zur sofortigen Entscheidung → Flexibilität & Offenheit.
3️⃣ Kommunikation & Sensibilität
Nicht ständig nachfragen, aber offen für Gespräche bleiben.
Besorgnis über externe Faktoren äußern (z. B. Akzeptanz, Mobbing), ohne das Kind abzuwerten.
4️⃣ Keine Diskriminierung zulassen
Schutz vor negativen Einflüssen aus Familie, Freundeskreis, Schule oder religiösen Gemeinschaften.
5️⃣ Sichere Räume schaffen
Zugang zu geschützten Badezimmern (z. B. versperrbare Toiletten).
6️⃣ Vernetzung mit anderen Eltern trans Kinder*
Austausch mit anderen Eltern unter psychologischer oder psychotherapeutischer Begleitung (nicht nur über Social Media).
Behandlungsrichtlinien
- Dutch-Protokoll und Behandlungsprozess in Österreich (vgl. Diana Klinger et al,
2024)
📌 Behandlungsprozess in Österreich
Schrittweise Herangehensweise mit psychologischer Beurteilung & medizinischen Maßnahmen.
Wichtige Phase: Kritische Jahre 10–13 → Hier wird geprüft, ob eine medizinische Intervention notwendig ist.
Betreuung erfolgt in spezialisierten multidisziplinären Einrichtungen:
Pädiatrie
Endokrinologie
Klinische Psychologie & Psychiatrie
Psychotherapie
🔹 Ablauf der Behandlung:
1️⃣ Psychologische Beurteilung
Diagnostik & Gespräche mit Jugendlichen & Familien.
2️⃣ Beratung im Team & erneute Evaluation in der Pubertät
Entscheidung: Wie geht es weiter?
Falls anhaltende oder intensivierte Geschlechtsdysphorie → medizinische Intervention.
Dutch-Protokoll
🔎 Standardisiertes Behandlungsmodell mit mehreren Stufen
1️⃣ Psychologische Beurteilung
Diagnostik & Beratung zur Geschlechtsidentität.
2️⃣ Multidisziplinäre Entscheidung
Ein Team aus Fachleuten entscheidet über das weitere Vorgehen.
3️⃣ Hinauszögern der Pubertät (Pubertätsblocker, reversibel)
Verhindert körperliche Veränderungen, die später als belastend empfunden werden könnten.
4️⃣ Multidisziplinäre Entscheidung über geschlechtsangleichende Hormone (ab Volljährigkeit, irreversibel)
Schrittweise Anpassung der Hormontherapie.
5️⃣ Multidisziplinäre Entscheidung über chirurgische Maßnahmen
Erfolgt individuell nach gründlicher Evaluierung.
Ist ein Behandlungsprotokoll
Psychologische Beurteilung
Beratung im Team
Dann nochmal in der Pubertät schauen - was machen wir jetzt?
➢wenn Geschlechtsdysphorie andauernd und/oder intensivierend
→ medizinische Intervention
▪Kritischen Jahre10-13
▪Betreuung erfolgt in spezialisierten multidisziplinären
Einrichtungen (Pädiatrie, Endokrinologie, klinische
Psychologinnen, , Psychiaterinnen etc.)
Dutch Protokoll:
Psycholo-
gische
Beurteilung
Multidisziplinäre
Entscheidung
Hinaus-
zögern der
Pubertät
(Pubertäts-
blocker) (reversibel)
Multidisziplinäre
Entscheidung
Geschlechts-
angleich-
ende
Hormone (Volljährigkeit und irreversibel)
Multidisziplinäre
Entscheidung
Chirurgische
Maßnahmen
PROBLEMFELD - PUBERTÄTSBLOCKER
➢Ursprünglich verordnet an Kinder, deren Pubertät viel zu früh beginnt
➢Verhindert Produktion von Testosteron in den Hoden bzw. Östrogen in den
Eierstöcken → Stimmbruch und Brustwachstum bleibt aus
▪Subkutane Injektion alle 4 Wochen
➢2020 stoppt Finnland, dann Schweden, Dänemark und Norwegen und 2024
England und im April 2024 die Niederlande die Gabe von Pubertätsblockern vor
18 außerhalb medizinischer Studien → wegen fehlende Langzeitdaten und
problematische Versorgungslage
▪Absolutes Verbot in Russland und republikanisch regierten Staaten Amerikas
➢Neue Leitlinie der DACH-Länder derzeit zur Begutachtung (7 Jahre Arbeit, 27
Fachgesellschaften, Konsens)
➢Pubertätsblocker (gonadotropin release hormons (GnRH))
▪ Empfehlungen der Endocrine Society (Wylie C. Hembree et al, 2017):
✅ Voraussetzungen für die Anwendung:
Diagnose: Geschlechtsdysphorie (Gender Dysphoria, GD) muss vorliegen.
Pubertätsbeginn: Die Pubertät hat eingesetzt & es gibt keine Kontraindikationen.
Aufklärung: Jugendliche & Eltern müssen über Nebenwirkungen und Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit informiert werden:
⚠ Mögliche Nebenwirkungen:
Erhöhte Osteoporose-Neigung
Höheres Thromboserisiko
Blutdruckschwankungen
Verringertes Größenwachstum
Erhöhtes Körperfett
Hitzewallungen
Stimmungsschwankungen
Akne
Verringerte Libido
Elterliche Zustimmung: Vor Volljährigkeit erforderlich.
Multidisziplinäre Empfehlung: Entscheidung muss von einem spezialisierten Team unterstützt werden.
Studie aus den Niederlanden publiziert im Lancet Child & Adoleszent
Health (Maria A.T. van der Loos et al., 2022):
Jugendliche die
Pubertätsblocker eingenommen haben, nehmen auch im Erwachsenenalter
eher geschlechtsaffirmative Hormone (704 von 720 Jugendlichen;)
Studie aus den
New England Journal
Gender affirmative Hormonbehandlungen führen laut aktueller Studie aus
dem New England Journal zu einer signifikanten Verbesserung des
psychischen Wohlbefindens der Jugendlichen innerhalb eines
Beobachtungszeitraums von 2 Jahren (Diane Chen et al., 2023)
Cass-Report und der Fall Keira Bell
- Cass-Report (2024): Bericht der Pädiaterin Hilary Cass, der die
Behandlungspraxis von Minderjährigen mit GD an der Travistockklinik untersucht - Reaktion auf den Fall Keira Bell
- Wurden Minderjährige im Gender Identity Development Service fahrlässig
behandelt? Fehlte der ganzheitliche Blick (psychiatrische, somatische
Diagnostik, biografischer Werdegang, sexuelle Entwicklung, familiäre
Rahmenbedingungen etc.)? - Risikoprofil: Vernachlässigung oder Missbrauch (11-67%), körperliche
Misshandlung (15-20%), sexueller Missbrauch (5-19%), emotionaler
Missbrauch (14%), psychische Erkrankungen oder Drogenmissbrauch der
Mutter (54% und 49%) oder des Vaters (38%) - Gender-affirmativer Behandlungsansatz beruht (derzeit) auf dünner
Evidenzlage - ‚Toxische‘ Diskussionskultur
- Keira Bell ist eine Trans Person die in ihren Jungen Jahren Pubertätsblocker bekommen hat und dies in ihren 20ern bereut hat. Dann hat sie geklagt.
Detransitionen → aktueller Kenntnisstand (vgl. Pablo Exposito-Campos et al., 2023)
➢Prozentsatz ist unbekannt, Phänomen noch nicht genügend wissenschaftlich
untersucht, bis jetzt einzelne Fallvignetten (J. Cohn, 2023)
➢Gründe aus den Case-Report-Studien (Pablo Exposito-Campos et al., 2023):
▪psychologisch (Zweifel, Nicht-Binarität, Anhalten der psychischen Probleme etc.)
▪medizinisch (Gesundheit, Fertilität, Unzufriedenheit mit dem Ergebnis)
▪sozial (mangelnde familiäre/gesellschaftliche Unterstützung/Verständnis, Isolation, gesetzliche Gründe, Gewalt etc.)
▪kulturell (internalisierte Misogynie oder Homophobie)
▪ideologisch (Frau sein in der Gesellschaft, Abhängigkeit von medizinischer
Behandlung etc.)
➢Keira Bells Appeal an den High Court → Entscheidung wurde als Teenager
getroffen, sie habe Risiken oder langfristige Folgen nicht bedacht
S2K-Leitlinie des DACH-Raumes
➢ Seit März 2024 in Diskussion
27 Fachgesellschaften + 2 Vertretungsorganisationen → 95% Konsens
➢ Diagnosekriterien:
ICD-11 HA61: Persistierende Geschlechtsinkongruenz (bereits vor Pubertät) PLUS geschlechtsdysphorischer Leidensdruck
→ Geschlechtsinkongruenz allein reicht nicht aus
➢ Indikationsstellung für Pubertätsblocker:
Kinder- und jugendpsychiatrische/psychotherapeutische Einschätzung
Pädiatrisch-endokrinologische Fachperson
➢ Wichtige Punkte:
Keine verpflichtende Psychotherapie, aber empfohlen
Keine strikte Altersgrenze, aber nicht vor Pubertätsbeginn
Pubertätsblocker sind reversibel, aber nicht ohne Folgen:
🦴 Erhöhte Osteoporose-Neigung
🧠 Verzögerung pubertärer Hirnreifung
👶 Mögliche Auswirkungen auf Fertilität
Schutzwürdiges Recht auf Selbstbestimmung
Kritik & Kontroversen
📅 21. Mai 2024 → 15 Fachleute fordern Überarbeitung (vgl. Florian Zepf, 2024)
Kritik an Gremiumszusammensetzung → zu wenig kritische Stimmen, mögliche pharmakologische Interessen
Studienlage volatil → mehr Forschung nötig
„Gefährdung vulnerabler Minderjähriger“
Überlappung mit Autismus-Spektrum-Störung (11%)
📅 05. Juni 2024 → DGPPN lehnt Leitlinie ab
Hormonelle & chirurgische Eingriffe sollen Ausnahme bleiben
Ethikkommission als Entscheidungsinstanz gefordert
📅 08. Juni 2024 → SGKJPP (Schweiz) fordert ebenfalls Überarbeitung
BEHANDLUNGSPROZESS IN ÖSTERREICH
📌 Ziel:
Unterstützung für Kinder/Jugendliche & ihre Familien in der Entwicklung von Umgangsstrategien.
Finanzierung medizinischer Maßnahmen durch das Gesundheitssystem.
🔹 Ablauf des Behandlungsprozesses:
1️⃣ Interdisziplinärer Ansatz & Entscheidungsfindung
Beteiligung verschiedener Fachrichtungen:
Kinder- & Jugendpsychiatrie
Klinische Psychologie & Psychotherapie
Endokrinologie
Entscheidungen erfolgen konsensbasiert.
2️⃣ Einbindung der Familie
Besprechung & Beratung der Familie → Unterstützung für soziale Transition, wenn gewünscht.
3️⃣ Spezialisierte Zentren (Universitätskliniken)
Geschlechtsinkongruenzboard des Comprehensive Center for Pediatrics, MedUni Wien.
Transgender Center Innsbruck.
„Trans und nun?“-Ambulanz* der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychosomatik & Psychotherapie, Graz.
🔹 Medizinische Maßnahmen nach Altersstufen:
❌ Vor der Pubertät:
Keine medizinische Intervention → Entwicklungsverläufe variieren.
Psychosoziale Maßnahmen:
Klinisch-psychologische Diagnostik.
Begleitende Psychotherapie.
Unterstützung bei sozialer Transition (wenn von Kind & Familie gewünscht).
⏳ Bei Pubertätsbeginn:
Einsatz von Pubertätsblockern → verhindert unerwünschte körperliche Veränderungen.
Fortlaufende psychologische & psychotherapeutische Begleitung.
✅ Ab 16 Jahren:
Geschlechtsangleichende Hormontherapie (schrittweise Dosiserhöhung).
Voraussetzung:
Gründliche psychologische, psychotherapeutische & kinderpsychiatrische Evaluierung.
Zustimmung aller Erziehungsberechtigten.
📊 Evidenzlage zu geschlechtsangleichenden Hormonen:
Langzeitstudien zu MtF-Hormontherapie:
Höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen.
Verbesserte Lebensqualität (weniger Depression & Angst) → [Kellan E. Baker et al., 2021].
Signifikante Verbesserung der Lebensqualität bei Jugendlichen mit Hormontherapie.
BEHANDLUNG
➢81%-88% hormonelle Behandlung
➢Mehr Transfrauen als Transmänner unterziehen sich hormoneller
und chirurgischer Behandlungsschritte
➢In Österreich war bis 2009 (in Deutschland bis 2011) eine
geschlechtsanpassende Operation (inkl. Sterilisation)
Voraussetzung für rechtliche Änderung des Geschlechtseintrags
➔ seit Gesetzesänderung weniger volle chirurgische
Anpassungen
PSYCHISCHE GESUNDHEIT
➢Metaanalyse (Michael J. Pellicane & Jeffrey A. Ciesla, 2022) → Höhere Raten an Depression
und Suizidalität
▪Substanzabusus (Cesar Gonzalez et al., 2022)
▪HIV (Joshua D. Niforatos et al., 2020)
▪Unzufriedenheit mit dem Körper und Essstörungen (Jennifer Coelho et al., 2019)
▪Kindheitstraumen (Phillip Schnarrs et al., 2019)
Das Minority-Stress Modell distaler Stress vs. proximaler
Stress
(Ilan H. Meyer, 2003);
Modell über sexuelle Minderheiten
Sexuelle Minderheiten (bspw. Trans personen) haben on top zu stressoren, die alle Menschen haben noch zwei weitere Arten von Stressoren:
Distalen und Proximalen Minderheiten Stress
Distaler Stress
- Stress der von Außen kommt durch die Umgebungsbedingungen (zb weil eine Institution das nicht zulässt)
Proximaler Stress
- internalisierter stress im Hinblick auf Geschlechtsidentität
➢Distaler Stress: Externe Ereignisse, die mit dem Wissen über
oder die Wahrnehmung des Trans‘-Status einhergehen
▪Gewalterfahrungen
▪(Online-) Bullying (z.B. Abreu & Kenny, 2018)
▪Wohnungs- und Arbeitssuche
▪Medizinische Betreuung (Unwissen und Ablehnung) →
medizinische Behandlung wird dann häufig aufgeschoben
➢Proximaler Stress: Internalisierter Stress im Hinblick auf
Geschlechtsidentität, Erfahrungen und auch Erwartung der
Ablehnung und Diskriminierung, Verbergen, Selbst-
Stigmatisierung und internalisierte Transphobie
▪Besondere Aufmerksamkeit auf Äußeres → Erschöpfung,
Ängste, Selbst-Ausbeutung
▪Proximaler Stress scheint für die psychische Gesundheit noch
belastender zu sein!
Transsexism, Transmisogynie, Transphobie
Trans-exclusionary radical feminism
📌 Begriffe & Definitionen:
🔹 Transsexismus
Diskriminierung & Abwertung von trans* Personen, basierend auf der Vorstellung, dass Cis-Geschlechtlichkeit überlegen sei.
🔹 Transmisogynie
Spezifische Form von Transsexismus, die sich gegen trans Frauen & transfeminine Personen richtet.
Kombination aus Sexismus & Transphobie → trans Frauen werden als „männlich“ abgewertet und gleichzeitig als Bedrohung für Frauenräume dargestellt.
🔹 Transphobie
Ablehnung, Diskriminierung & Feindseligkeit gegenüber trans* Personen.
Reicht von Vorurteilen bis hin zu struktureller Gewalt.
Trans-Exclusionary Radical Feminism (TERF)
(Begriff seit 2008 in Gebrauch)
📌 Kernpositionen & Diskurse von TERF-Bewegungen:
✔ „Schutz der Frauen!“ → Trans Frauen werden als Bedrohung für Cis-Frauen dargestellt.
✔ Biologische Unterschiede → Fokus auf „angeborene“ Geschlechterdifferenzen zur Ausschließung von trans Personen.
✔ Trans Frauen als Gefahr für binär-geschlechtlich getrennte Räume → Behauptung, sie seien „Männer“, die Zugang zu Frauenräumen fordern.
✔ „Dominanz von Trans-Personen im Sport“ → Narrativ, dass trans Frauen im Sport unfaire Vorteile haben.
✔ „Trans Frauen füllen politische Frauenquoten auf“ → Vorwurf, dass trans Frauen Cis-Frauen um Ressourcen & Positionen „berauben“.
💡 Fazit:
👉 TERF-Ideologie verbindet Transphobie mit radikalfeministischen Konzepten, um trans Frauen aus feministischen Räumen auszuschließen.
Transsexism, Transmisogynie, Transphobie
Verknüpfung mit Intergroup Threat Theorie und Femmephobia
➢Intergroup Threat Theorie (Walter G. Stephan, Oscar Ybarra & Kimberly Rios, 2015)
▪2 Arten der Bedrohung:
−Symbolisch → Inkompatibilität (Ansicht/Kultur/Identität);
*Reaktionen: Gewalt, Dehumanisierung, reduzierte Empathie
−Realistisch→ ökonomisch, politisch, physisch;
*Reaktionen: Diskriminierung, Vorurteile
Rechtsgrundlage zur Änderung des Geschlechts Österreich und Deutschland im Vergleich
Seit 1983 juristisch möglich, seit 2009 keine geschlechtsangleichende Operation mehr notwendig.
🔹 Voraussetzungen für die Änderung des Geschlechts:
1️⃣ Gutachten erforderlich von:
Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapeutin oder klinischer Psychologin.
Diagnose „Transidentität“ → in Wien teils nicht mehr notwendig (Bundesländerentscheidung).
2️⃣ Erklärung über Geschlechtszugehörigkeit:
Bestehendes & irreversibles Zugehörigkeitsempfinden zum gewünschten Geschlecht.
Deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des gewünschten Geschlechts.
🔹 Rechtliche Änderungen nach der Geschlechtsänderung:
✔ Erst danach kann ein geschlechtsspezifischer Vorname beantragt werden.
✔ Rechtsanspruch auf Änderung in:
Geburtsurkunde
Staatsbürgerschaftsnachweis
Reisepass
Führerschein-Duplikat
❌ Kein Rechtsanspruch auf Änderung von Zeugnissen → abhängig vom „Good Will“.
DEUTSCHLAND – GESETZ ÜBER DIE SELBSTBESTIMMUNG
IN BEZUG AUF DEN GESCHLECHTSEINTRAG (SBGG)
Ab 1. November 2024 (ersetzt das Transsexuellengesetz (TSG) von 1980)
✅ Ziel:
Schutz des Rechts auf geschlechtliche Selbstbestimmung
Erleichterung der Änderung des Geschlechtseintrags & Vornamens für trans, inter & nicht-binäre Personen
✅ Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags & Vornamens:
Erklärung beim Standesamt
Unter 14 Jahre: Antrag durch gesetzliche Vertreterin + Einverständnis des Kindes (ab 5 Jahren)
14–18 Jahre: Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin erforderlich
Ab 18 Jahre: Eigenständige Entscheidung möglich
Mögliche Einträge: „weiblich“, „männlich“, „divers“
Wartezeit: 3 Monate (Bedenkzeit)
Sperrfrist: 1 Jahr (bis zur nächsten Änderung)
✅ Wichtige Regelungen:
Keine gerichtliche Entscheidung oder Sachverständigengutachten mehr erforderlich
Sonderregeln & Klarstellungen:
Quotenregelungen
Zugang zu geschützten Räumen & Einrichtungen
Teilnahme an Veranstaltungen & Bewertung sportlicher Leistungen
Medizinische Behandlungen
Spannungs- & Verteidigungsfall
Eltern-Kind-Verhältnis
✅ Länder mit ähnlichem Gesetz:
Seit 2012: Argentinien
Weitere Länder: Chile, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien etc.
UNTERSTÜTZUNG (JASON RAFFERTY ET AL., 2018)
➢Akzeptanz/Ablehnung durch die Familie hat wenig Auswirkung auf
die Genderidentität ABER auf den proximalen Stress
▪ABER unhinterfragte Akzeptanz ist nicht vorteilhaft → reflektive,
kommunikative Auseinandersetzung, Vor- und Nachteilabwägung
➢Multiprofessionelle Pädiatrie muss sicheren Raum für Kinder und
Familie herstellen
➢Sichere Kindergärten/Schulen → Mobbing und Ausgrenzung
➢Respekt vor den Wünschen, wie Kinder/Jugendliche angesprochen
werden wollen
➢Intersektionale Berücksichtigung (z.B. Religiosität, Behinderung, etc.)