7. Sexuelle Orientierung 2 Flashcards

1
Q

SEXUELLE ORIENTIERUNG - ASEXUALITÄT

A

Zunehmende wissenschaftliche Aufmerksamkeit ABER noch immer Bedarf nach Studien
Prävalenz: 0.4%-1%-3.3%, M:F=1:4
Wissenschaftliche Rezeption der frühen 2000er Psychopathologie(!?) oder Sexualstörung (!?) oder Paraphilie (!?) oder sexuelle Orientierung (vgl. Lori A. Broto & Morag Yule, 2017; Jessica J. Hille, 2023)
Psychopathologie (!?): Kein Unterschied bei Depressionen oder Kindheitstraumata ABER mehr sozialer Rückzug, individuelle Schwierigkeiten, schizoide Persönlichkeitsstörungen und Asperger Syndrom
Sexualstörung (!?): sexuelles Arousal unterscheidet sich nicht, nur Interesse; verringerte Masturbationsfrequenz, unterschiedliche Fixationsfrequenz erotischen Materials, Reaktion auf pornographische Darstellungen etc.
Paraphilie (!?): Verlangen richtet sich nicht auf einen Partnerin, Stressabbau, fiktionale, nicht-selbstbezogene Masturbationsfantasien

Sexuelle Orientierung (Anthony Bogaert, 2015; Sinead Kelleher et al., 2022; Samantha Guz et al., 2022)
Relative Stabilität  aktuelle Studie aus China (Yanchen Su & Lijun Zheng, 2022)
Biologische Erklärungsmodelle (atypischer Menstruationszyklus, Linkshändigkeit, Anzahl älterer Brüder etc.)*in, Stressabbau, fiktionale, nicht-selbstbezogene Masturbationsfantasien

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2
Q

Asexuelle Identität

A

Spektrum von Identitäten
Graysexuality/gray-asexuality…sexuelle Anziehung tritt nur selten, oder
unter bestimmten Bedingungen auf
Demisexuality …sexuelle Anziehung tritt nur auf, wenn eine emotionale Beziehung gebildet werden kann
Asexuality… Asexuality…geringes oder kein sexuelles Interesse, Wünsche oder Fantasien
Häufig Gefühl des Anders-Seins in der Adoleszenz 
AVEN-Forum

Erleben von heteronormativem und allonormativem Druck Heteronormativität…Heterosexualität als ‚normal‘ oder Default-Sexuelle
Orientierung
Allonormativität…Sexuelle Anziehung und sexuelles Verlangen als menschliches ‚Norm‘-Bedürfnis

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3
Q

Asexualität
Sexuelle und romantische Beziehungen

A

Sexuelle und romantische Beziehungen müssen als getrennt begriffen werden aromantisch, bi-romantisch, heteroromantisch etc.
Sexuelle und romantische Beziehungen sind bei 89% allosexueller Personen konkordant aber nur bei 37% asexueller Personen (Alyssa N. Clark & Corinne Zimmerman, 2022)
Weniger Interesse in Beziehungsaufbau, Familie etc. (Jared M. Edge et al., 2021; Scott S. Hall & David Knox, 2022);
Asexuelle Personen haben Sex und masturbieren ABER seltener (Alissa N. Clark & Corinne Zimmerman, 2022)
Demisexuelle Personen haben häufig mehr Interesse an zukünftigem Sex als gray- sexuelle und asexuelle Personen (Jessica J. Hille et al., 2019)

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4
Q

Asexualität
Intersektionale Betrachtung

A

Derzeit überwiegend in WEIRD-Countries und an Cis-Personen
Asexualität scheint häufiger bei Cis-Frauen aufzutreten  korrespondiert mit stereotyp weiblichen Zuschreibungen von Passivität und wenig Eigeninitiative (Karen Cuthbert, 2021).
 Identifizieren sich asexuelle Menschen auch häufiger als trans? (Alyssa N. Clark & Corinne Zimmerman, 2022)
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Neurodiversität und Asexualität ? (Hillary H. Bush et al., 2020; Margherita Attanasio et al., 2021)
Studie aus China (Ynchen Su & Lijun Zheng, 2022) zeigt cross-kulturelle Konsistenz bei sexueller Identität und auch Erfahrungen.

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5
Q

SEXUELLE ORIENTIERUNG - ASEXUALITÄT
Bewusstsein

A

Mehr Bewusstsein in Forschung und Praxis, um Stigmatisierung und Anti- Asexuellen-Bias vorzubeugen, insbesondere beim Gesundheitssystem (Cara Herbitter et al., 2021)

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6
Q

SEXUELLE ORIENTIERUNG – GENDER NONCONFORMITY (GNC)

A

 ‚Gender Nonconformity‘ im Kindesalter als Prädiktor für nicht- heteronorme Orientierung (vgl. z.B. Gu Li, Karon Kung & Melissa Hines, 2016; Yin Xu et al., 2021)
 Sign. Prädiktor für Nicht-Heterosexualität
 Oft bereits im Alter von 2.5 Jahren erkennbar, nimmt im Laufe
der Kindheit zu

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7
Q

HISTORISCHE MODELLE

A

„Historische und interkulturelle Vergleiche zeigen, dass gleichgeschlechtliche Praktiken meist nicht nur als Ausdruck sexueller Lüste oder Vergnügungen galten, sondern mit spezifischen Eigenschaften, ja sogar Eigenheiten der betreffenden Personen verknüpft wurden und als Ausdruck ihres sozialen Status oder ihrer rituellen Stellung galten.“ (Franz X. Eder, 2014)

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8
Q

HISTORISCHER ABRISS – ÄGYPTEN

A

Vier Arten homosexueller Interaktionen (Alissa Price, 2015) Homosexuelle Akte (wenig Evidenz, da keine Bezeichnung; Sexualität =
männliche Sexualität)
Homosexuelles Verhalten (bildliche Darstellungen)
Homosexuelle Gewalt als Form der Bestrafung
Homosexualität im religiösen Kontext (sexuelle Akte zwischen Gottheiten)
Homosexuelle Beziehungen wurden toleriert

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9
Q

HISTORISCHER ABRISS – ANTIKES GRIECHENLAND

A

Päderastie
Eromenos (Jüngling von etwa 15) und Erastes (idealerweise
25 und verheiratet)
Lehrer/Schüler-Beziehung (vgl. Zeus u. Ganymed; Achilles u. Patroklos)
„Als Jüngling lockte er die Ehemänner von den Frauen weg, und als junger Mann die Frauen von deren Ehemännern“ Platon über Alkibiades (gr. Politiker 5. Jh. v. Chr.)
Tribadie
Dichterin Sappho (wohnhaft auf Lesbos) schreibt Gedichte die
weibliche Beziehungen thematisieren
ABER Platon verurteilt homosexuelle Begehren, das zum Akt führt, als widernatürlich (insbesondere bei passiver Rolle)

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10
Q

HISTORISCHER ABRISS – ANTIKES ROM

A

Knabenliebe wird z.T. aus Griechenland übernommen ⇨ Zeichen für Verweichlichung (Effeminiertheit)?
passive Sexualität wird deutlich stärker minderbewertet (impudicus, pathicus, cinaedus)
Bisexualität ist weit verbreitet (z.B. Caesar, Hadrian) „omnium mulierum virum et omnium virorum mulierem“ Sueton
‚Männerehen‘: Tiberius, Caligula, Commodus, Nero
Juvenal (60 n. Chr.) verurteilt männliche Homosexualität
Weibliche Homosexualität wird kaum thematisiert und wenn eher negativ tribas oder frictrix
Zwei Epigramme von Marcus Martialis
 Ovid verneint weibliche Homosexualität

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11
Q

HISTORISCHER ABRISS - FRÜHES CHRISTENTUM

A

Germania: Laut Tacitus wurden Feiglinge, Weichlinge und Unzüchtige (corpore infames) im Sumpf versenkt
Christentum:
Verzicht auf Päderastie als distinktes Unterschiedsmerkmal zum römischen
Polytheismus (Michael Brinkschröder, 2006)
Altes Testament->Sodom und Gomorra-> Sodomie wird zum Synonym für
Analverkehr und Sodomit der Begriff für Homosexuelle
Römerbriefe 1, 26: “Deshalb überließ (…) Gott (die Gottlosen) den schimpflichsten Leidenschaften. Ihre Frauen vertauschten den natürlichen Geschlechtsverkehr mit dem widernatürlichen. Ebenso gaben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in ihrer Begierde gegeneinander.“

Mit Beginn des 4. Jh befassen sich Konzile und Synoden mit gleichgeschlechtlichen Handlungen
Ab 390 n. Chr öffentliche Verbrennung
Bußbücher (6.-12. Jh) zeigen, dass gleichgeschlechtliche Delikte
zwischen 5-10% der Eintragungen
13. Jh ⇨ Diskurs der Widernatürlichkeit plus Dämonisierung und Politisierung
Einfluss der Inquisition->zwischen 1250 und 1300 wird Sexualität zwischen Männern zu einem Verbrechen, das mit Todesstrafe geahndet wird

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12
Q

HISTORISCHER ABRISS – NEUZEIT U. MODERNE

A

1532 Constitutio Criminalis Carolina Artikel 116 unter Karl V bestätigt Todesstrafe für Sodomie durch Verbrennen
Reformation ⇨ ändert nichts an Auffassung der Homosexualität Mitte 16. Jh verstummten in Deutschland Diskurse über Sodomie Frankreich schafft 1791 die Strafbarkeit von Homosexualität ab
 Ab 1791 in Preußen, ab 1787 Österreich (Josephinisches Gesetzbuch) ⇨ nur mehr Zuchthausstrafen

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13
Q

HISTORISCHER ABRISS - MODERNE

A

Ab 1872 in Deutschland §175
”Widernatürliche Unzucht: Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.” §175
Ab 1852 (Kaiser Franz Josef) Reform des §129 b „Unzucht wider die Natur mit demselben Geschlecht“ in Österreich 1-5 Jahre schwerer Kerker
Mediziner und Psychiater beginnen nun die ‚Ursache‘ für Homosexualität zu erforschen

1864 Karl Heinrich Ulrichs (Jurist, Journalist, Verleger) „Uranismus“, fordert Straffreiheit
1868 Karl Maria Kertbeny (Schriftsteller) prägt den Begriff ‚Homosexualität‘
1870 Carl Westphal „conträre Sexualempfindung“
1886 Richard von Krafft-Ebbing sorgt in Psychopathia sexualis für
Verbreitung des Begriffs Homosexualität
Sigmund Freud: Homosexuelle werden als ‚Kontrasexuelle‘ oder ‚Invertierte‘ bezeichnet
 Magnus Hirschfeld (1868-1935): Sexualwissenschaftler und Mitbegründer der weltweit ersten Homosexuellen-Bewegung ⇨ für ihn bilden Homosexuelle ein drittes Geschlecht zwischen „Vollmann“ und „Vollweib“.

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14
Q

HISTORISCHER ABRISS – RECHTLICHE ENTWICKLUNG

A

Legalisierung: Frankreich 1791, Belgien 1794, Niederlande 1811, Dänemark 1933, Island 1940, Schweiz 1942, Schweden 1944, Tschechoslowakei 1962, Deutschland 1969, Österreich 1971, Finnland und Norwegen 1972
Todesstrafe 2024: Brunei, Iran, Mauretanien, Nigeria und Saudi-Arabien; in Afghanistan, Pakistan, Katar, Somalia, Uganda und den Vereinigten Arabischen Emiraten kann die Todesstrafe unter bestimmten Bedingungen ausgesprochen werden
Italien: seit Einführung des Strafgesetzbuches 1889 nie ein rechtliches Verbot (Ausnahme Regierungszeit Mussolinis, sowie 1943-1945) ⇨ eingetragene Partnerschaft seit 2016 ABER deutliche Verschlechterung seit der Regierung Giorgia Meloni (Anfechtung von Geburtsurkunden von Kindern, die in Familien von gleichgeschlechtlichen Paaren geboren wurden)
In Türkei ist Homosexualität seit 1852 kein Strafbestand mehr, aber es gibt keine Antidiskriminierungsgesetze und homosexuelle Partnerschaften werden nicht anerkannt („Erklärung der Vereinten Nationen über die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität“ ist nicht unterzeichnet
Nationalsozialismus: § 175 wird modifiziert und verschärft ⇨10.000 bis 15.000 in KZ (rosa Winkel)

Bis 1970 psychische Erkrankung (Freiheitsentzug)
1973->Homosexualität wird im DSM-II durch „sexuelle Orientierungsstörung“ und 1980 im DSM-III durch „egodystone Homosexualität“ ersetzt; erst 1987 wird sie aus dem DSM-III-R gestrichen
1991->Homosexualität wird aus ICD-10 entfernt
1994 streicht der Deutsche Bundestag den Paragraf 175 (ab
2000 ermöglichen die Niederlande als 1. Land der Welt gleichgeschlechtlichen Paaren eine Eheschließung (seit 2001 Adoptionsrecht)
2003 folgt Belgien (seit 2006 Adoptionsrecht) 2005 Spanien (inklusive Adoptionsrecht)

2009 Dänemark (inklusive kirchliche Trauung!) und Schweden
Deutschland: seit 01.08.2001 Lebenspartnerschaft (seit Feber 2013 Stiefkindadoption, kein Recht auf künstliche Befruchtung, anderes Steuerrecht); ab 1.10.2017 Ehe für Alle
EU: Seit 2004 Diskriminierungsverbot (u.a. aufgrund der sexuellen Orientierung) in Beschäftigung und Beruf
Schweiz: Seit 2020 Diskriminierungsverbot Homosexueller inklusive Beleidigung und Hass im Netz; öffentliche Einrichtungen (Hotels, Restaurants, Fitnesscenter, Schwimmbäder etc. dürfen keinen Einlass mehr verwehren [in Österreich schon!])

Österreich:
1971 fällt Totalverbot von Homosexualität
§209 Sonderaltergesetz (Schutzalter für gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Männern war 18, für Frauen mit Männern war 14 und für Frauen mit Frauen ebenfalls 14)2002
§210 schwule Prostitution wird unter Strafe gestellt  1989 §220 Werbeverbot für gleichgeschlechtliche Unzucht  1997  01.01.2010-> Eingetragene Partnerschaft
seit Feber 2013 Stiefkindadoption
seit Jänner 2015 Gleichstellung des Adoptionsrechts UND Gleichstellung bei Recht auf
künstliche Befruchtung ABER kein Recht auf Leihmutterschaft
Seit 2017: „Homo-Ehe“ auch am Standesamt
4.12.2017: österreichische Verfassungsgerichtshof hebt unterschiedliche Regelungen auf (Diskriminierungsverbot des Gleichheitsgrundsatzes)
1.1.2019: Ehe für gleichgeschlechtliche Paare
13.11.2023: Rehabilitation und Entschädigungszahlungen für strafrechtlich verfolgte homosexuelle Menschen in der Zweiten Republik

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15
Q

NICHT-HETEROSEXUALITÄT IM TIERREICH

A

Universelles Verhalten
Bei mehr als 1500 Tierarten
Insbesondere bei Herdentieren
z.B. Bonobos, Languren, Makaken, Orang- Utans, Trauerschwäne, Pinguine, Delfine, Giraffen, Wale, Seemöwen, Dickhornschafe, Tümmler, Schafe u.v.m.; vgl. Aldo Poiani, 2010

Schwierige Operationalisierung
Genitalkontakt, Aufreiten, orale Genital-Kontakte,
manuelle Genital-Kontakte, Orgasmen etc.
Exklusive ‚Homosexualität‘ findet sich bei Böcken mancher Schafssorten (6% bis 10%; Anne Perkins & James A. Fitzgerald,1997)
Theorien:
Social-Glue-Theorie: Sexuelle Kontakte stärken den Zusammenhalt, reduzieren Spannungen, erleichtern Futterteilung, hilft Allianzen zu bilden (z.B. Bonobos)
Verwandtenselektion!? Übungssexualität!?

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