PTBS TP Flashcards

1
Q

Um eine Entscheidung über eine angemessene Therapie treffen zu können, ist in dem psychodynamischen Verständnis die …. ein entscheidender Aspekt.

A

Um eine Entscheidung über eine angemessene Therapie treffen zu können, ist in dem psychodynamischen Verständnis die Hypothese über das zugrundeliegende Störungsmodell ein entscheidender Aspekt.

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2
Q

Psychodynamisch gesehen
wichtige diagnostische Fragestellungen

A

 Mit welchen Konfliktthemen hat ein Patient/eine Patientin in besonderer Weise zu kämpfen? Welcher Konflikt ist aktualisiert?
 Wie sieht die Selbst- und Ichorganisation bei diesen Pat. aus? Welche Ich-Funktionen sind ggf. nur eingeschränkt vorhanden? Auf welchem Strukturniveau bewältigt jemand sein Leben?

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3
Q

Grundlegendes Modell der Entstehung von konfliktbedingten Störungen

A
  1. Frühe Biografie
  2. Grundkonflikt
  3. Neurosenstruktur
  4. Auslösende Situation
  5. Aktualisierter Konflikt
  6. Symptome
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4
Q

Traumaerfahrung auf dem Boden einer defizitären Strukturentwicklung: Als psychische Traumatisierung gilt:

A

Als psychische Traumatisierung gilt der Einbruch von existenzbedrohenden, emotional-überflutenden, kognitiv nicht verstehbaren, physiologisch nicht regulierbaren Erfahrungen in eine bereits gestaltete Persönlichkeit (erwachsen, jugendlich oder kindlich),
 die bis dahin entweder unauffällig war
 oder bereits konflikthafte
 oder strukturelle Störungen aufwies.

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5
Q

Wenn eine Grunderkrankung mit einer weiteren Krankheit einhergeht, wird dies als „…“ bezeichnet.

A

Wenn eine Grunderkrankung mit einer weiteren Krankheit einhergeht, wird dies als „Komorbidität“ bezeichnet.

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6
Q

Die vier zentralen Säulen der psychischen Struktur nach OPD-2

A
  1. Wahrnehmung
  2. Steuerung
  3. Kommunikation
  4. Bindung
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7
Q

Psychische Struktur bezeichnet?

A

Psychische Struktur bezeichnet die Art und Weise, wie die psychischen Vorgänge eines Menschen organisiert werden.

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8
Q

Das Strukturmodell sieht die Ursache bestimmter psychischer Störungen folgendermaßen:

A

Das Strukturmodell sieht die Ursache bestimmter psychischer Störungen in mangelhaft ausgebildeten, grundlegenden Fähigkeiten des Kindes, entstanden durch eine krisenhaft verlaufende Eltern-Kind-Beziehung am frühen Lebensbeginn (ca. 1-2 Jahre). Diese grundlegenden Fähigkeiten sind für Urvertrauen, das eigene Selbst, Beziehungs- und Affektregulierung von besonderer Bedeutung. Das Selbst benötigt strukturelle Fähigkeiten, um seine Beziehung zu sich selbst und anderen adäquat zu gestalten und zu regulieren.

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9
Q

Wodurch zeichnet sich die frühe Biografie strukturgestörter Personen aus? Was dominiert?

A

Die frühe Biografie strukturgestörter Personen zeichnet sich in der Regel durch (frühe) Einschränkungen in den grundlegenden förderlichen Entwicklungsbedingungen aus. Es dominieren also deutliche Entwicklungsdefizite.

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10
Q

Die psychische Struktur und die einzelnen strukturellen Funktionen (Ich- Fähigkeiten) müssen …..

A

Die psychische Struktur und die einzelnen strukturellen Funktionen (Ich- Fähigkeiten) müssen in den frühen Lebensjahren erst aufgebaut und eingeübt werden

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11
Q

Belastende Beziehungserfahrungen können in den ganz frühen Lebensabschnitten:

A

Belastende Beziehungserfahrungen können in den ganz frühen Lebensabschnitten nicht von einer Struktur aufgenommen und darin als Konfliktmuster gespeichert werden, da diese noch nicht besteht, sondern sie stören diese Struktur in ihrem Aufbau ; es fehlen die positiven Entwicklungsanreize für die strukturelle Entwicklung.

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12
Q

Die strukturellen Funktionen werden nicht, wie es notwendig wäre:

A

Die strukturellen Funktionen werden nicht, wie es notwendig wäre, in zahllosen Interaktionen (genügend) geweckt und eingeübt.

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13
Q

Zum Strukturbegriff im OPD 2
Struktur in der OPD-2 bedeutet:

A

Struktur in der OPD-2 bedeutet die Verfügbarkeit über intrapsychische und interpersonell regulierende Funktionen, mit deren Hilfe eine Person
 ihr Gleichgewicht und
 ihre Beziehungsfähigkeit nach außen sicherstellt.

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14
Q

24 Strukturelle Funktionen: jeweils 6 zu Wahrnehmung, Bindung, Kommunikation und Regulierung

A
  1. Wahrnehmung:
    - Selbstwahrnehmung:
    Selbstreflexion, Affektdifferenzierung, Identität
  • Objektwahrnehmung:
    Selbst-Objekt-Differenzierung, Ganzheitliche Objektwahrnehmung, Realistische Objektwahrnehmung
  1. Regulierung:
    - Selbstregulierung
    Impulssteuerung, Affekttoleranz, Selbstwertregulierung
  • Regulierung des Objektbezugs
    Beziehung Schützen, Interessenausgleich, Antizipation
  1. Emotionale Kommunikation
    - Kommunikation nach innen:
    Affekterleben, Fantasie nutzen, Körperselbst
  • Kommunikation nach außen
    Emotionaler kontakt, Affektausdruck, Empathie
  1. Bindung:
    - Bindung an innere Objekte
    Internalisierung, Introjekte nutzen, Variable Verbindungen
  • Bindung an äußere Objekte
    Bindungsfähigkeit, Hilfe annehmen, Bindungen lösen
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15
Q

Strukturbedingte Störungen: Worauf bezieht sich das Strukturkonzept?

A

Das Strukturkonzept bezieht sich auf die in der frühen Eltern-Baby-Beziehung geförderte Entwicklung regulativer Funktionen, die für das Affekterleben, das Selbstverständnis und die Beziehungsregulierung maßgeblich werden. Im Falle früher Beziehungsstörungen durch psychische oder soziale Überlastung der Eltern kommt es zu defizitären oder vulnerablen Strukturentwicklungen. Das führt unter Umständen bereits im Kindesalter zu Regulati- onsstörungen oder diese werden durch spezielle Bewältigungsmuster (z.B. schizoide oder narzisstische Persönlichkeitszüge) überdeckt, bis es angesichts von Lebensschwellen und zugehörigen Entwicklungsaufgaben zur Überforderung der Bewältigungsstrategien und zur strukturellen Symptombildung kommt.

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16
Q

Psychische Störungen, speziell solche mit depressiver Symptomatik, Angstsympto- men und Zwängen und dadurch geprägten Persönlichkeits- und Beziehungsproble- men werden im klassisch psychoanalytischen Sinne als Ausdruck ….. verstanden und entsprechend konfliktaufdeckend behandelt.

A

Psychische Störungen, speziell solche mit depressiver Symptomatik, Angstsympto- men und Zwängen und dadurch geprägten Persönlichkeits- und Beziehungsproble- men werden im klassisch psychoanalytischen Sinne als Ausdruck internalisierter unbewusster Konflikte verstanden und entsprechend konfliktaufdeckend behandelt.

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17
Q

Wodurch sind Störungen gekennzeichnet, die sich nur schwer durch unbewusste Konflikte erklären lassen und auf entsprechende Behandlungsversuche problematisch reagieren?

A

Es gibt aber ganz anders geartete Störungen, gekennzeichnet durch Orientierungs- und Identitätsprobleme, fehlendes affektives Selbstverständnis, Kontrollverluste und ausgeprägte Beziehungsschwierigkeiten, die sich nur schwer durch unbewusste Konflikte erklären lassen und auf entsprechende Behandlungsversuche problema- tisch reagieren. Für diese als strukturell gekennzeichneten Störungen sind eine andere Pathogenese und andere ätiologische Bedingungen anzunehmen.

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18
Q

Die Position von Anna Freud: Definition von Konflikten

A

definierte bereits Anna Freud
„Konflikte als psychische Reaktionen, zu denen der psychische Apparat erst im späteren Alter fähig ist“
und
„mit zunehmender Ich- und Über-Ich-Funktion, dem Bedürfnis nach Realitätsan- passung und der Intoleranz für unterschiedslose Wunscherfüllung kommt es zu einer Disparität der Ziele, d. h. zum Konflikt.“

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19
Q

Woraus resultieren strukturelle Störungen?

A

Strukturelle Störungen hingegen resultieren aus belastenden Erfahrungen, welche das Kind in früheren Entwicklungsstufen treffen. In diesen früheren Entwicklungs- abschnitten braucht das Kind die Objekte für andere Entwicklungsaufgaben als etwa in seiner späteren Autonomie- oder Identitätsentwicklung.

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20
Q

Psychopathologie hat nach Anna Freud zweierlei Ursachen:

A

„von denen die eine in den Konflikten, der Abwehr und den Kompromissbildungen wurzelt, die ande- re in Entwicklungsprozessen“.

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21
Q

Die Folge der schwierigen Entwicklung sind „nicht Symptombildung, sondern? Wozu können Störungen der Entwicklung nach Anna Freud führen?

A

Die Folge der schwierigen Entwicklung sind „nicht Symptombildung, sondern Entwicklungsrückschläge“. Im Gegensatz dazu können die einsetzenden Störungen in der Entwicklung „zu allen Arten von Ich-Defekten, Mängeln und Verzerrungen führen, wie wir sie aus den atypischen Borderline- und psychotischen klinischen Bildern kennen“. Diese sind „nicht durch Konflikte verur- sacht wie die Neurose“

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22
Q

Anna Freud unterstreicht die große Bedeutung der „Interaktionen zwischen Säugling und Mutter und ihre Relevanz für die Ich-Entwicklung“ und die „bleibende Auswir- kung auf die allgemeine Fähigkeit des Individuums zu Objektbeziehungen“. Dabei schreibt sie der fehlenden Erfahrung der Unlustbewältigung eine entscheidende Rolle zu:

A

„Wenn eine Mutter aus welchem Grunde auch immer, unfähig ist, ihrem Säugling angemessen Trost zu geben, kann dies bleibende Auswirkungen auf die Fähigkeit des Individuums selbst haben, auch nur mit normalen Mengen von Unlust, Schmerz und Angst fertig zu werden, d. h. auf seine Frustrationstoleranz.“

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23
Q

Die gestörte Entwicklung struktureller Funktionen
Heute kann die Entwicklungspsychologie genauer unterscheiden, welche psychischen Entwicklungsschritte gemeint sind, wenn Anna Freud von der „Errichtung des Fun- daments für den Aufbau der Persönlichkeit“ spricht, insbesondere:

A
  • welche Objektqualitäten das kleine Kind in seinem erwachsenen Gegenüber
    erlebt und
  • in welchen unterschiedlichen Aspekten eines Subjekts es ihm gegenübertritt.
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24
Q

In den ersten Lebensmonaten handelt es sich bei dem Kind nicht um ein selbststän- diges, abgegrenztes Subjekt, sondern eines, das? In den folgenden Lebensmonaten ist das Kind vor allem ein Wesen, dessen vitale Bedürfnisse?

A

In den ersten Lebensmonaten handelt es sich bei dem Kind nicht um ein selbststän- diges, abgegrenztes Subjekt, sondern eines, das mit der Mutter bzw. den betreuenden Erwachsenen gewissermaßen ein gemeinsames Subjekt bildet; bereits im Uterus ist das Kind eingebunden in die Phantasien seiner Eltern, die Entwürfe für das künftige Subjekt und ihre Beziehungen zu ihm machen. In den folgenden Lebensmonaten ist das Kind vor allem ein Wesen, dessen vitale Bedürfnisse von den betreuenden Personen verlässlich befriedigt und rechtzeitig antizipiert werden sollten. So lassen sich, vom Kind her gesehen, in seinen Objektbeziehungen viele unterschiedliche Aspekte unterscheiden, deren Vorhandensein für seine Entwicklung bedeutsam ist

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25
Q

Bereits nach den ersten Monaten „wacht das Baby auf “ und richtet seine kognitive Aufmerksamkeit auf? Es reagiert imitierend auf ?

A

Bereits nach den ersten Monaten „wacht das Baby auf “ und richtet seine kognitive Aufmerksamkeit auf die Bewegungen und speziell die menschlichen Gesichter in seiner Umgebung. Es reagiert imitierend auf mimische Signale und startet seinerseits interaktionelle Episoden, die zunehmend stärker kommunikative Bedeutung erlan- gen, es entsteht nun ein intentionales, kommunikatives Subjekt.

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26
Q

Das angemessene Gegenüber für ein intentionales, kommunikatives Subjekt bilden? Welche Fähigkeiten brauchen Erwachsene?

A
  • Das angemessene Gegenüber dafür bilden zugewandte, interessierte Erwachsene, die psychisch so strukturiert sind, dass sie feinfühlig verstehend auf die Signale des Kindes reagieren können.
  • Insbesondere brauchen sie die Fähigkeit, die Unlustäußerungen des Kindes angemessen handelnd zu beantworten, so dass die negativen Affekte aufgefangen und beruhigt werden. Ferner brauchen die Erwachsenen die Fähigkeit, das Baby spielerisch in Interaktionen zu verwickeln, seine Aufmerksamkeit und seine Freude- affekte zu wecken, so dass beide gemeinsam in positive Affekte eintauchen können. Von hier ausgehend ist die geteilte Aufmerksamkeit für dritte Objekte ein weiterer wichtiger Schritt. Schließlich brauchen die Erwachsenen auch die Fähigkeit, das gemeinsam Erlebte und beim Kind Wahrgenommene zur Sprache zu bringen, in- dem sie dem Kind gegenüber immer wieder Entwürfe über seine innere Verfassung formulieren, d. h. über seine aktuelle Befindlichkeit, seine Gefühle, seine Wünsche, sein psychisches Innen, sein gesamtes Subjektsein. So werden in Tausenden von Interaktionen die Grundlagen für die wichtigsten strukturellen Funktionen gelegt.
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27
Q

Nach welchen Regeln laufen Interaktionen zwischen Kind und erwachsenen?

A

Dabei konnte die empirische Kleinkindforschung zeigen, dass die Interaktionen nach bestimmten Regeln verlaufen, indem z. B. die Eltern das Befinden des Kindes „spiegeln“ und speziell seine Affektäußerungen „markieren“. Ferner ließ sich deutlich machen, wie die Eltern negative Affekte des Babys auffangen und ausleiten, wie sie gemeinsam in positive Affektzustände eintauchen, wie sie die Aufmerksamkeit auf etwas Drittes lenken und sich gemeinsam darauf konzentrieren, wie präverbale Äu- ßerungen in einem Wechsel von Sprecher und Hörer zeitlich getaktet werden, so dass eine Dialogstruktur entsteht usw. Zunehmend werden auch die neurobiologischen Grundlagen dieser Entwicklungsschritte verstehbar

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28
Q

Entwicklungsfördernde frühe Beziehungserfahrungen (6)

A
  • gespiegelt, markiert werden in der eigenen Affektivität
  • gehalten und beruhigt werden in Unlusterfahrungen
  • gemeinsames Erleben von positiven Affekten
  • gemeinsames Interesse für dritte Objekte
  • emotionale Ansteckung und körperliche Imitation
  • Möglichkeiten zur Rückversicherungen (social referencing)
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29
Q

Was resultiert daraus, wenn all diese Fähigkeiten entstehen und die Entwicklung gefördert wird ? Das mittlerweile gereifte Belohnungssystem des Gehirns bewirkt, dass?

A

Wenn diese Fähigkeiten entstehen und wachsen, resultiert letzten Endes die emoti- onale Bindung an die Objekte, die in der Lage sind, alle diese positiven Erfahrungen und Affekte beim Kind zu mobilisieren bzw. die negativen Affekte aufzufangen. Das mittlerweile gereifte Belohnungssystem des Gehirns bewirkt, dass die Anwesenheit bzw. Verfügbarkeit der wichtigen Objekte mit Wohlgefühlen von Freude, Sicherheit und Behagen begrüßt und ihre Abwesenheit oder ihr Verlust mit Schmerz und Trau- eräußerungen beklagt wird.

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30
Q

Alle hier beschriebenen psychischen Vorgänge sind, je kleiner das Kind ist umso mehr, …. körperlich. Das Miteinander des Stillens, Fütterns und körperlichen Versorgens, der spielerische Umgang miteinander, das Wohlfühlen des Kindes und seine Schmerzäußerungen sind in ein psychisch-körperliches Gesamtgeschehen eingebunden, so dass für die frühe Entwicklung des Selbst der Begriff des … verwendet wird, um auszudrücken, dass Baby und Erwachsene vorwiegend handelnd interagieren und dabei insbesondere körperliche Erfahrungen erlebt und …. gespeichert werden.

A

Alle hier beschriebenen psychischen Vorgänge sind, je kleiner das Kind ist umso mehr, explizit körperlich. Das Miteinander des Stillens, Fütterns und körperlichen Versorgens, der spielerische Umgang miteinander, das Wohlfühlen des Kindes und seine Schmerzäußerungen sind in ein psychisch-körperliches Gesamtgeschehen eingebunden, so dass für die frühe Entwicklung des Selbst der Begriff des Embodi- ment verwendet wird, um auszudrücken, dass Baby und Erwachsene vorwiegend handelnd interagieren und dabei insbesondere körperliche Erfahrungen erlebt und implizit gespeichert werden.

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31
Q

Belastende Beziehungserfahrungen in diesen frühen Lebensabschnitten können somit nicht von einer Struktur aufgenommen und darin als Konfliktmuster gespeichert werden, da

A

Belastende Beziehungserfahrungen in diesen frühen Lebensabschnitten können so- mit nicht von einer Struktur aufgenommen und darin als Konfliktmuster gespeichert werden, da diese noch nicht besteht, sondern sie stören diese Struktur in ihrem Aufbau; es fehlen die positiven Entwicklungsanreize für die strukturelle Entwicklung. Die strukturellen Funktionen werden nicht, wie es notwendig wäre, in zahllosen Interaktionen geweckt und eingeübt, so dass sie sich in den folgenden Jahren weiter entfalten könnten.

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32
Q

Entstehende Konfliktmuster und gestörte strukturelle Funktionen haben meistens folgende Ursache:

A

Grundsätzlich geht es immer darum, dass die Erwachsenen außerstande sind, sich „instinktsicher“ einfühlsam, gelassen und wohlwollend aufmerksam dem Kind zuzuwenden und jene Beziehungsangebote zu machen und Beziehungsantworten zu geben, die das Kind in seiner speziellen Entwicklungsphase benötigt. Das kann der Fall sein bei schweren psychischen (z. B. depressiven) Störungen der Eltern, bei Substanzabhängigkeiten, bei schweren sozi- alen Notlagen und Krisen der Elternfamilie oder bei ausgeprägten Bindungs- bzw. Persönlichkeitsstörungen der Eltern.

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33
Q

Die strukturelle Störung ist eine sehr spezielle Beziehungsstörung zwischen? Wie äußert sich diese?

A

Die strukturelle Störung ist eine sehr spezielle Beziehungsstörung zwischen Erwach- senen und dem Baby und äußert sich aufseiten des Kindes unter Umständen bereits als Regulationsstörung (Schreibaby, Störung der Nahrungsaufnahme, Störung der Schlaf-Wach-Regulation). Solche Störungen belasten die Eltern-Kind-Beziehung und erschweren einen wohlwollend fördernden Umgang mit dem Kind. Insbesondere ist das Verhalten des Kindes nicht geeignet, die Erwachsenen in ihrer Rolle als gute Eltern zu bestätigen. „Erst wollte ich kein Kind, dann schrie es auch nur noch“, sagt die Mutter eines Schreibabys.

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34
Q

strukturelle Funktionen werden vorwie- gend in den….Lebensabschnitten zugrunde gelegt, aber wichtig ist dass auch in der …. Kindheit strukturelle Entwicklungen stattfinden. Bedeutsam ist die Tatsache, dass die Verfügbarkeit über strukturelle Funktionen damit nicht endgültig festgelegt ist, sondern dass diese psychischen Fähigkeiten und Werkzeuge bis in die …. hinein gefestigt und geübt werden müssen, damit sie dem Erwachsenen zur Verfügung stehen können

A

strukturelle Funktionen werden vorwie- gend in den frühen Lebensabschnitten zugrunde gelegt, aber wichtig ist dass auch in der mittleren Kindheit strukturelle Entwicklungen stattfinden. Bedeutsam ist die Tatsache, dass die Verfügbarkeit über strukturelle Funktionen damit nicht endgültig festgelegt ist, sondern dass diese psychischen Fähigkeiten und Werkzeuge bis in die Adoleszenz hinein gefestigt und geübt werden müssen, damit sie dem Erwachsenen zur Verfügung stehen können

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35
Q

Die Entstehung struktureller Störungen
Die weiteren Entwicklungsschritte des Kindes mit strukturellen Einschränkungen sind zwangsläufig durch die frühe Situation geprägt: Welche Art von Bindung kann ein Kind eingehen, dessen beeinträchtigte Näheregulierung und Affektregulierung sein Beziehungsverhalten belastet?

A

Es wäre zumindest auf feinfühlige, geduldig- wohlwollende Erwachsene angewiesen, um seine Problematik bewältigen zu können. Deren Anwesenheit ist aber wenig wahrscheinlich in Familien, in denen sich bereits die frühe Beziehungsaufnahme als schwierig erwiesen hat. Welche Art von Autono- mieentwicklung und Entwicklung einer eindeutigen psychosexuellen Identität ist in den folgenden Jahren zu erwarten für ein Kind, dessen frühe Selbstentwicklung wenig stabil verlaufen ist und dessen Objekterfahrungen vorwiegend durch Irritation, wenn nicht durch massive Belastungen, aggressiv-entwertende Haltungen, emotio- nale Vernachlässigung oder physische Misshandlung bestimmt waren?

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36
Q

Was in den frühen Entwicklungsabschnitten geschieht, bleibt häufig „in der Familie“ und nur, wenn Kinder schwer auffällig werden oder zu Tode kommen, dringt etwas an die Öffentlichkeit. Erst ab der Kindergartenzeit und der Einschulung werden die Auffälligkeiten für andere sichtbar. Beim Vorliegen ausgeprägter struktureller De- fizite kann es jetzt zum Auftreten externalisierender Störungen kommen oder zum weitgehenden inneren Rückzug, der das Kind gleichsam unsichtbar macht:

A

„Ich habe nie irgendwo dazugehört, ich war immer anders“, äußern Patienten rückblickend. In der Pubertät und Adoleszenz schließlich artikuliert sich das Anderssein in stärker auffälligem Verhalten, Zugehörigkeit zu Randgruppen, ausgeprägten Lern- und Leis- tungsstörungen, antisozialem Verhalten. Die Adoleszenz schließlich, in der ohnehin eine Umstrukturierung des Erlebens (und des Gehirns) erfolgt, ist ein Härtetest für die verfügbare Struktur, die der Jugendliche nun benötigen würde, um jenseits des gewohnten familiären Rahmens als selbstständiges Individuum in neugewonnenen sozialen Zusammenhängen zu leben. In diesem Alter kommt es zu erheblichen, oft krisenhaft intensiven Symptombildungen. Insofern ist das Jugendalter und jun- ge Erwachsenenalter eine besondere Prädilektionsstelle für strukturelle Störungen

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37
Q

In welchen Altersgruppen werden PatientInnen mit strukturellen Störungen noch auffällig?

A

Ein nicht geringer Teil der Patienten mit strukturellen Störungen wird in der Alters- gruppe der jungen Erwachsenen auffällig. Ein zweiter Altersschwerpunkt findet sich im mittleren Lebensalter. In diesem Alter sind weniger die strukturellen Funktionen selbst, sondern eher die Bewältigungsmuster überfordert. In einer Zeit nachlassender Kräfte und sich einengender Lebensperspektiven erschöpft sich häufig eine strikt sachbezogene Leistungsorientierung ebenso wie eine beziehungsvermeidende nar- zisstische Orientierung. Mit dem Wegfall solcher Selbstschutzmaßnahmen treten die strukturellen Defizite stärker in Erscheinung. Was vordergründig als Selbstwertkon- flikt und dahinter als Individuations-Abhängigkeits-Konflikt imponiert, offenbart nun basale Ängste von Selbstverlust und Beziehungslosigkeit, d.h. von defizitären strukturellen Funktionen. Diese Themen sind nicht selten verborgen hinter massiven Somatisierungsstörungen.

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38
Q

Wir können den Unterschied des ätiopathogenetischen Modells der strukturellen und konflikthaften Störung nochmals wie folgt verdeutlichen:
Konfliktbezogene Störungen:

A
  • Internalisierung von negativen Beziehungserfahrungen und Objektvorstellungen (Objekt- hass, -enttäuschung, -sehnsucht usw., mentalisiert)
  • resultierend: negative Selbstvorstellungen, pathogene Überzeugungen
  • spezielle Formen der Abwehr: Übertragungsbereitschaft
39
Q

Wir können den Unterschied des ätiopathogenetischen Modells der strukturellen und konflikthaften Störung nochmals wie folgt verdeutlichen:
Strukturbezogene Störungen:
und Konfliktbezogener Ansatz:

A
  • fehlende Verfügbarkeit von positiven Beziehungserfahrungen
  • resultierend: unzureichende Entwicklung von strukturellen Selbstkompetenzen, psychische Werkzeugstörung und dysfunktionale Bewältigungsmuster
    Ferner sind die beiden Aspekte in unterschiedlichen Bereichen des Gedächtnisses gespeichert:
    Konfliktbezogener Ansatz:
  • Speicherung der kindlichen Beziehungserfahrungen im expliziten narrativen Gedächtnis (mentalisiert, aber unbewusst)
  • Folgeerscheinungen (Abwehrstrategien) sind ebenfalls unbewusst
40
Q

Wir können den Unterschied des ätiopathogenetischen Modells der strukturellen und konflikthaften Störung nochmals wie folgt verdeutlichen:
Strukturbezogener Ansatz:

A
  • implizit körpernahe Speicherung der frühen Erfahrungen (nicht mentalisiert)
  • Folgeerscheinungen (Defizite und Bewältigung) sind bewusstseinsnah, wahrnehmbar
41
Q

Kontroverse Theoriebildungen: Der Ausdruck der “primären Liebe” und Grundstörung nach Balint

A

Das Thema der gestörten frühen Entwicklung hat Psychoanalytiker immer wieder zu intensiver Theoriebildung veranlasst (Rudolf 2007e). Michael Balint z.B. hat bereits in den 1930er Jahren vorgeschlagen, die frühe Eltern-Kind-Beziehung aus der psychoanalytischen Trieblogik zu lösen, und hat den speziellen Charakter dieser Beziehung als Ausdruck „primärer Liebe“ charakterisiert (Balint 1932). Sie ist durch ihre Asymmetrie gekennzeichnet, in der das erwachsene Gegenüber noch keinen Objektstatus hat, sondern dem Baby wie eine gute Atmosphäre in bedingungsloser Responsivität zur Verfügung stehen muss. Massive Störungen dieser Beziehung hinterlassen eine komplexe Störung, die Balint Grundstörung (basic fault) nannte. Deren Folgen bei erwachsenen Patienten zu behandeln, erfordert weitreichende Modifikationen des analytischen Vorgehens (Balint 1970).

42
Q

In den 1940er Jahren kam es zu einer kontroversen Diskussion innerhalb der briti- schen psychoanalytischen Vereinigung, in der Anna Freud und Melanie Klein gegen- sätzliche theoretische Auffassungen vertraten, die bis heute bedeutsam geblieben sind. Die Position von Anna Freud wurde eingangs schon erwähnt, sie sieht:
Was beschreibt hingegen Melanie Klein?

A

In den 1940er Jahren kam es zu einer kontroversen Diskussion innerhalb der briti- schen psychoanalytischen Vereinigung, in der Anna Freud und Melanie Klein gegen- sätzliche theoretische Auffassungen vertraten, die bis heute bedeutsam geblieben sind (King u. Steiner 2000). Die Position von Anna Freud wurde eingangs schon erwähnt, sie sieht hier eine Entwicklungsstörung bei einem Kind, das noch keine funktions- fähige psychische Struktur besitzt und daher noch keine Konflikte erleben kann.

Das Konzept von Melanie Klein und ihrer Nachfolger beschreibt hingegen das Erleben von Feindseligkeit, Hass, Neid und Angst aufseiten des Babys, das durch den Wahrnehmungskanal der projektiven Identifizierung mit der ablehnenden Mutter verbunden sei und die negativen Erfahrung auf vielfältige Weise psychisch verarbeiten müsse. Sie vertritt ein triebpsychologisches Konfliktmodell, allerdings transponiert auf frühe Bedingungen mit angenommenen heftigen Impulsen und Affektlagen, unreifen Abwehrvorgängen und schwer greifbaren Kommunikationsprozessen im vorsprach- lichen Bereich. Einzelne Elemente dieses Modells finden sich auch in Kernbergs Konzept der gespaltenen Selbst- und Objektrepräsentanzen, das der „Übertragungs- fokussierten Psychotherapie“ zugrunde gelegt ist

43
Q

Von manchen Psychoanalytikern wird die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt eine andere psychische Störung als eine konfliktbedingte geben könne und, in der thera- peutischen Konsequenz, ob Psychoanalytiker überhaupt etwas anderes tun sollten, als unbewusste Konflikte zu bearbeiten?

A

Von manchen Psychoanalytikern wird die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt eine andere psychische Störung als eine konfliktbedingte geben könne und, in der thera- peutischen Konsequenz, ob Psychoanalytiker überhaupt etwas anderes tun sollten, als unbewusste Konflikte zu bearbeiten. Die verschiedentlich erwähnten Ausführun- gen von Anna Freud, die Konzepte zur interpersonellen Dynamik ich-struktureller Störungen und zu Struktur und struktureller Störung sowie Fonagys Ausführungen zur Mentalisierung legen es nahe, persönlichkeitsstrukturellen Entwicklungen eine eigene, von der Konfliktthematik deutlich unterschiedene Dynamik zuzuerkennen und daraus entschiedene therapeutische Konsequenzen zu ziehen

44
Q

Bewältigungsmuster struktureller Störungen: Die Ätiologie struktureller Störungen wurde in den frühen Abschnitten der Persön- lichkeitsentwicklung lokalisiert. Es bleibt die Frage, was aus den früh erworbenen Störungen wird. Die Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung wurden bereits an- gedeutet:

A

Kleine Kinder, die sich nur schwer beruhigen lassen und keinen Rhythmus beim Essen, Schlafen und Wachen finden; Kinder, deren Unruhe später als ADHS- Verhalten verstanden wird; Kinder die nicht alleine sein können, nicht spielen kön- nen, sich wahllos anklammern oder in ängstigenden Situation aggressiv reagieren, eine Tendenz zu Unfällen erkennen lassen; Jugendliche, die sich nicht unbefangen an Gemeinsamkeiten beteiligen können, nicht dazugehören, sich Außenseitergruppen anschließen mit dem Risiko von Suchtverhalten und sozialer Randständigkeit. Andererseits gibt es auch Bewältigungsstrategien, die nicht als Abwehrfunktion verstanden werden sollen, sondern als adaptives Bemühen, trotz der gegebenen strukturellen Werkzeugstörungen ein psychisches Gleichgewicht zu finden; ein Gleichgewicht, das dem Individuum einerseits ein akzeptables Bild der eigenen Per- son und einen gewissen Selbstwert gewährt und das andererseits eine lebbare Form von Beziehung zu den anderen ermöglicht.

45
Q

Das schizoide Muster der Bewältigung ist gekennzeichnet durch ?

A

Das schizoide Muster der Bewältigung ist gekennzeichnet durch emotionalen Rück- zug und soziale Vermeidung. Der Patient meidet das, was ihm am schwersten fällt, den lebendigen emotionalen Austausch mit anderen Menschen. Er nimmt stattdessen die Position eines außenstehenden Beobachters ein, der sich mit verächtlicher oder ironischer Distanz aus dem emotionalen Geschehen mit anderen heraushält. Das macht ihn einsam, aber auch frei im Denken und Urteilen, da er nicht von Gruppen- zwängen geleitet wird. An die Stelle der sozialen Distanziertheit kann auch soziale Angst treten, so dass Begegnungen mit anderen, vor allem emotionale Verwicklungen panisch gemieden werden müssen. Als Ausgleich bietet sich die Beschäftigung mit Sachinteressen, und die darin erarbeiteten Kompetenzen sind geeignet, den Selbst- wert zu stabilisieren. Das System scheitert in der Regel am Ausmaß der Einsamkeit, in die unter Umständen paranoide und hypochondrische Ängste, abwegige sexuelle Phantasien und Impulse und Suizidphantasien einbrechen können.

46
Q

Die narzisstische Bewältigung stellt ein weiteres, bei strukturellen Störungen häu- figes Bewältigungsmuster im charakterlichen Bereich dar:

A

Die narzisstische Bewältigung stellt ein weiteres, bei strukturellen Störungen häu- figes Bewältigungsmuster im charakterlichen Bereich dar. Der Rückzug aus der emotionalen Welt vollzieht sich nicht in Richtung auf Sachinteressen, sondern auf die eigene Person, auf deren Wohl und Wehe und auf ihre Bedeutsamkeit. Dabei besteht eine unübersehbare Tendenz, die Wichtigkeit der eigenen Person zu überschätzen, während andere bis zur Bedeutungslosigkeit entwertet werden. Die strukturellen Defizite (fehlende Empathie für andere, fehlende realistische Selbsteinschätzung und Selbstreflexion, fehlende Fähigkeit, eigene Affekte und Impulse zu regulieren) bestimmen das Erleben in starkem Maße und führen dazu, dass mit anderen lieblos, verächtlich, unter Umständen destruktiv-aggressiv und ausbeuterisch umgegangen wird. Die Bewältigungsleistung liegt freilich darin, dass jede Schuld und Verantwor- tung anderen zugeschrieben werden kann und alles Positive dem grandiosen Selbst gutgeschrieben wird. Diese Bewältigungsstruktur kann krisenhaft zusammenbre- chen, wenn die Realitätsverkennung und Selbsttäuschung von der eigenen Grandiosi- tät und Überlegenheit über alle anderen an unübersehbaren äußeren Gegebenheiten, Trennungen, Anzeigen, Schulden, Insolvenz, Verurteilung usw. sichtbar wird.

47
Q

Das histrionische Bewältigungsmuster lebt von:

A

Das histrionische Bewältigungsmuster lebt von der Aktivierung, Emotionalisie- rung, Sexualisierung und Dramatisierung des Erlebens, wodurch das strukturelle Defizit überdeckt und ein hohes Maß an emotionaler Lebendigkeit und Vitalität vorgetäuscht wird. Während Außenstehende, z. B. Diagnostiker oder Therapeuten, dies in der Regel deutlich wahrnehmen (und Partner es leidvoll erleben), kann die oder der Betroffene die Selbsttäuschung einer besonders farbigen Identität oft lange aufrechterhalten, ehe sie krisenhaft zusammenbricht.

48
Q

Auch zwanghafte leistungsorientierte Bewältigungsmuster können strukturelle Defizite überdecken:

A

Auch zwanghafte leistungsorientierte Bewältigungsmuster können strukturelle Defizite überdecken, manchmal sogar für lange Zeit, so dass die krisenhafte Dekom- pensation erst in der Lebensmitte erfolgt, wie das bei Patienten mit somatoformen Schmerzstörungen der Fall sein kann.

49
Q

Die übrigen, von konfliktneurotischen Störungen bekannten Bewältigungsmuster wie ängstlich-abhängiges oder altruistisch-überfürsorgliches Verhalten erfordern :

A

Die übrigen, von konfliktneurotischen Störungen bekannten Bewältigungsmuster wie ängstlich-abhängiges oder altruistisch-überfürsorgliches Verhalten erfordern mehr dauerhafte Objektnähe, die in der Regel von strukturell gestörten Patienten nicht erbracht werden kann.

50
Q

Traumabezogene Störungen: Das Störungsbild der posttraumatischen Belastungsstörung beschreibt:

A

Das Störungsbild der posttraumatischen Belastungsstörung beschreibt die psychischen Folgen von überwältigenden emotionalen Erfahrungen und postuliert ein eigenes ätiopathogene- tisches Modell auf neurobiologischer Grundlage. Therapeutisch ist ein spezielles Vorgehen (Stabilisierung, Konfrontation, Integration) darauf ausgerichtet. Ausgehend von dem Konzept der Akuttraumatisierung werden auch für biographisch weit zurückliegende Belastungser- fahrungen der Kindheit Traumafolgen („Komplextraumatisierung“) angenommen. Als meist- genanntes Traumaereignis wird der sexuelle Missbrauch beschrieben. Die Ausweitung des Traumabegriffs auf alle Belastungserfahrungen erscheint nicht unproblematisch.

51
Q

Die Akuttraumatisierung: Mit den vorausgehend dargestellten konflikthaften und strukturellen Störungen wurden zwei unterschiedliche Formen psychischer Fehlentwicklung beschrieben, die als?

A

Mit den vorausgehend dargestellten konflikthaften und strukturellen Störungen wurden zwei unterschiedliche Formen psychischer Fehlentwicklung beschrieben, die als Disposition zu späteren Erkrankungen unbewusst bzw. implizit mitgetragen, durch Abwehr und Bewältigungsmuster zeitweise stabilisiert werden und die schließ- lich unter dem Druck von aktuellen Lebenssituationen und Entwicklungsaufgaben dekompensieren und in unterschiedliche Symptombildungen münden.

52
Q

Dieser psychodynamische Ansatz versteht psychische Störung im Erwachsenenalter als Folge von?

A

Dieser psychodynamische Ansatz versteht psychische Störung im Erwachsenenalter als Folge von Fehlentwicklungen der Persönlichkeit, die durch emotionale Belas- tungen in der Kindheit in Gang gesetzt und im weiteren Lebenslauf prozesshaft ausgestaltet wurden.

Ihre nachhaltige Wirksamkeit entfalten die Belastungen, wenn sie die kindliche Persönlichkeit in prägbaren und vulnerablen Entwicklungsabschnit- ten treffen, so dass die schädigenden Erfahrungen tief in die Persönlichkeit, d. h. in ihre neurobiologische Struktur eingegraben werden. An solchen Fehlentwicklungen können in erheblichem Maße genetische Faktoren beteiligt sein, die das Kind zu- sätzlich in seiner Entwicklung vulnerabel machen und die Art seiner Abwehr und Bewältigungsreaktionen mitbestimmen.

53
Q

Mit den vorausgehend dargestellten konflikthaften und strukturellen Störungen wurden zwei unterschiedliche Formen psychischer Fehlentwicklung beschrieben: Die beiden Modellvorstellungen

A

Diese beiden Modellvorstellungen beinhalten einerseits das traditionelle psychody- namische Modell des unbewussten neurotischen Konflikts (in dem gewissermaßen ein pathogenes unbewusstes Konfliktmuster in die ansonsten gesunde Persönlich- keit eingefügt ist und diese zu „neurotischen“ Kompromissbildungen zwingt) und andererseits ein Modell der beeinträchtigten Persönlichkeitsentwicklung, bei dem eine Abfolge von frühen strukturellen Defiziten mit einer lebenslangen Sequenz von immer neuen Bemühungen um Bewältigung und Erfahrungen des Scheiterns erkennbar wird.

54
Q

Mit der Konzeption von Trauma und Traumafolgestörung wurde eine weitere, ganz anders aufgebaute Modellvorstellung von psychischen Störungen entwickelt und von psychodynamischen Therapeuten aufgegriffen:

A

Mit der Konzeption von Trauma und Traumafolgestörung wurde eine weitere, ganz anders aufgebaute Modellvorstellung von psychischen Störungen entwickelt und von psychodynamischen Therapeuten aufgegriffen. Ausgehend von dem klinischen Bild der posttraumatischen Belastungsstörung im Gefolge von emotional überwäl- tigenden Belastungserfahrungen, richtete sich die Aufmerksamkeit klinisch auf die vielfältigen Erscheinungsbilder der Traumafolgesymptomatik und theoretisch auf die Frage, wie Extrembelastungen psychisch verarbeitet werden.

55
Q

Als psychische Traumatisierung gilt:

A

Als psychische Traumatisierung gilt (in Analogie zur körperlichen Unfalltrauma- tisierung) der Einbruch von existenzbedrohenden, emotional-überflutenden, ko- gnitiv nicht verstehbaren, physiologisch nicht regulierbaren Erfahrungen in eine bereits gestaltete Persönlichkeit (erwachsen, jugendlich oder kindlich), die bis dahin entweder unauffällig war oder bereits konflikthafte oder strukturelle Störungen aufwies.

56
Q

Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung sind erfüllt, wenn:

A

Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung sind erfüllt, wenn ein vorausgegangenes Traumaerlebnis nachweisbar ist (das in der Regel nicht länger als 6 Monate zurückliegt) und typische Symptome auftreten

57
Q

Interessant ist die Beobachtung, dass von den Menschen, die z. B. einer Unfalltrauma- tisierung ausgeliefert waren, nur ein kleiner Teil eine posttraumatische Symptomatik entwickelt. Was kann das bedeuten?

A

Das kann bedeuten, dass ein irreparabler traumabedingter Einbruch in das Gefühl der persönlichen Sicherheit am ehesten dort erfolgt, wo bereits eine psy- chische Vulnerabilität gegeben war.

58
Q

Die therapeutische Entwicklung im Zusammenhang mit der posttraumatischen Be- lastungsstörung ging in die Richtung einer anfänglichen emotionalen Stabilisierung und nachfolgenden Traumakonfrontation im Rahmen behutsam geleiteter imagina- tiver Traumaexposition. Dabei erwies sich z. B. … als geeignet, ……

A

Die therapeutische Entwicklung im Zusammenhang mit der posttraumatischen Be- lastungsstörung ging in die Richtung einer anfänglichen emotionalen Stabilisierung und nachfolgenden Traumakonfrontation im Rahmen behutsam geleiteter imagina- tiver Traumaexposition. Dabei erwies sich z. B. die Methode des EMDR (Eye Move- ment Desentization and Reprocessing) als geeignet, Traumafolgesymptome deutlich zu reduzieren und die Patienten erheblich zu entlasten. Im Gegensatz zu der guten Effektivität konnte die Wirkweise des Vorgehens wenig geklärt werden, wenngleich eine große Fülle von Hypothesen gebildet wurde.

59
Q

Das verbesserte Verständnis des Traumaparadigmas ließ auch erkennen, welche:

A

Das verbesserte Verständnis des Traumaparadigmas ließ auch erkennen, welche vielfältigen Auswirkungen eine Akuttraumatisierung für den Betroffenen haben kann

60
Q

Im Hinblick auf die differenzialdiagnostische Abgrenzung der Traumafolgestörung zur strukturellen Entwicklungsstörung ist es bedeutsam, dass

A

Im Hinblick auf die differenzialdiagnostische Abgrenzung der Traumafolgestörung zur strukturellen Entwicklungsstörung ist es bedeutsam, dass beide Störungsbilder strukturelle Auffälligkeiten aufweisen, die wir im Falle der Traumafolge als sekun- dären Einbruch in das strukturelle Gefüge verstehen – falls sie nicht schon zuvor entwicklungsbedingt vorlagen.

61
Q

Strukturelle Folgen der Akuttraumatisierung

A
  • Gefühl der unvermeidlichen Verwicklung und Verstrickung mit anderen (Selbst-Objekt- Differenzierung)
  • Unsicherheit infolge dissoziativer Symptomatik: Was erinnere ich, was will ich? (Selbst- reflexion)
  • Welches sind wirklich meine Gefühle? (Affektdifferenzierung)
  • Wer bin ich wirklich? (Identität)
  • Gefühl der Überflutung durch Affekte oder der Affektentleerung (Affektregulation)
  • unrealistische Zuschreibungen zu anderen Personen (realistische Objektwahrnehmung)
  • massiv infragegestellte Möglichkeit, Beziehungen selbst zu regulieren (Interessensaus-
    gleich, Reziprozität)
  • Unverständlichkeit der anderen (Empathie)
  • fehlendes inneres Sicherheitsgefühl, Überflutung durch negative Objektbilder (Interna-
    lisierung)
  • reflektorisches Misstrauen (Bindung)
62
Q

Diagnostische Kriterien der Traumafolgestörung:

A

A1: schwer belastendes Ereignis

A2: Zustand der Hilflosigkeit

B: Intensionen

C: Vermeideverhalten

D: Hyperarousal

63
Q

Folgen der Akuttraumatisierung im Erwachsenenalter

A

Allgemeine Folgen:
- affektive Folgen (Angst, Depression)
- kognitive Folgen (dissoziative Lücken)
- körperliche Folgen(z.B Sexualabwehr)
- soziale Folgen (Beziehungsvermeidung)
- Selbsterleben (Opferidentität, negativer Selbstwert)
- Objekterleben (Dichotomie von Täter und Opfer)

Spezielle Folgen:
- Aktualisierung vorliegender neurotischer Konflikte (Schuld, Scham)
- Aktualisierung vorliegender struktureller Probleme (bei bereits bestehende borderline Problematik)
- sekundäre strukturelle folgen

64
Q

Die Komplextraumatisierung
- Die traumatheoretische Entwicklung, die sich zunächst außerhalb des psychody- namischen Feldes ereignete, fand bei psychodynamischen Therapeuten eine große Resonanz, wobei sich das Interesse auf unterschiedliche Aspekte richtete:

A
  • Folgen lang zurückliegender Traumatisierung (z. B. Patienten im Rentenalter, die
    als Kinder durch Kriegsereignisse belastet wurden),
  • sexueller Missbrauch in Kindheit und Jugend unter dem Aspekt von Traumati-
    sierung und Traumafolge,
  • dissoziative Phänomene, traumabezogene Erklärungshypothesen und Behand-
    lungsansätze,
  • Traumatisierung in der frühen Kindheit/frühesten Kindheit/pränatalen Zeit und
    die Frage der Traumafolgestörung im Erwachsenenalter („Komplextraumatisie-
    rung“),
  • Entwicklung traumaspezifischer Therapieansätze bzw. traumamodifizierter psy-chodynamischer Therapien.
65
Q

Die Attraktivität traumabezogener Störungsmodelle und Therapieansätze bis hin zur professionellen Identität des „Traumatherapeuten“ bei tiefenpsychologischen Psy- chotherapeuten hat wohl mehrere Gründe: (3)

A
  1. Zum einen bedeutet diese Spezialisierung (die nur einen sehr begrenzten Aufwand erfordert) eine Aufwertung der Psycho- therapeuten, die sich von Analytikern häufig wenig geschätzt fühlen,
  2. zum Zweiten liefern die verschiedenen Traumatherapien konkrete Anweisungen zur Bearbeitung lebensgeschichtlicher Belastungserfahrungen sehr viel konkreter und handlungs- näher als es sonst in der analytisch orientierten allgemeinen Tiefenpsychologie der Fall ist. Dort wird wohl die „Aufarbeitung familiärer Belastungserfahrungen“ emp- fohlen, aber es werden wenig konkrete Techniken vermittelt.
  3. Zum Dritten eröffnet der Wechsel hin zu einer Traumaperspektive bei schwierigen Behandlungsverläufen für Therapeuten und Patienten neue Hoffnungen, dass das bisher nicht zu fassende Grundproblem, das sich in der Regel in massiven Schwierigkeiten der therapeu- tischen Beziehung und therapeutischen Arbeit zeigt, nun erkannt und bearbeitet werden könne. Dabei bewirkt die Zuschreibung einer Opferidentität möglicherweise eine vorübergehende Stabilisierung des Patienten und eine vermeintliche Erklärung für viele bisher unerklärliche Lebensschwierigkeiten. Schließlich mobilisiert die Auffassung von einer Traumatisierung des Patienten eine besonders intensive emoti- onale Patient-Therapeut-Beziehung mit hohem, manchmal kämpferisch engagierten Einsatz des Therapeuten.
66
Q

Zwangsläufig hinkt die wissenschaftlich-empirische Überprüfung der traumabe- zogenen Hypothesen und Therapieansätze hinterher, und sie wird immer schwieri- ger je?

A

Zwangsläufig hinkt die wissenschaftlich-empirische Überprüfung der traumabe- zogenen Hypothesen und Therapieansätze hinterher, und sie wird immer schwieri- ger je vielfältiger und subjektiver die Begriffe, Konzepte und Methoden verwendet werden.

67
Q

Der Begriff „Trauma“ ist ursprünglich gemeint als? hat aber nun welche Bedeutung erlangt? (Chiffre)

A

Der Begriff „Trauma“, ursprünglich gemeint als emotional überwältigende, psychisch nicht verarbeitbare Belastungserfahrung, die zwangsläufig typische posttraumatische Folgen hat, ist durch diese Entwicklung stellenweise bis zur Bedeutungslosigkeit aufgeweicht und hat vielfach den Charakter einer Chiffre angenommen, d. h. einer Formulierung, mit der man etwas nicht näher Bestimmbares sprachlich markiert. So verwenden Psychotherapeuten den Traumabegriff für Belastungserfahrungen erwachsener Patienten (z.B. bei Arbeitsplatzverlust, ehelichen Auseinandersetzun- gen, Partnertrennung, körperlichen Erkrankungen usw.), insbesondere aber für ganz unterschiedliche kindliche und speziell frühkindliche Belastungserfahrungen (unerwünschte Geburt, Ablehnung durch die Eltern, Geburt eines Geschwisters, Tod eines Angehörigen, lieblos-strenge Erziehungsmaßnahmen, Sexualisierung von Beziehungen zu Angehörigen, physische und sexuelle Gewalt usw.) und nicht zuletzt auch für vermutete pränatale Belastungserfahrungen.

68
Q

Wie schwer muss eine Belastungssituation in der Kindheit sein, damit sie als Trauma eingeschätzt werden kann?

A

Hier ist kein Platz mehr für schwere biographische Be- lastungen: Alles was über Beziehungskonflikte hinausgeht und nicht angeboren oder ansozialisiert ist, fällt in die ätiologische Kategorie des Traumatischen.

69
Q

Wie lassen sich also in schwer belasteten Familien die nebeneinander und nachein- ander erfolgenden Einflüsse von fehlender Entwicklungsförderung, Fehlsozialisation, neurotischer Konfliktinternalisierung und Traumatisierung unterscheiden? Oder klinisch-therapeutisch gefragt: Wie behandelt man eine Patientin mit Zügen der Borderline-Persönlichkeitsstörung, zeitweise bestehender sozialer Desintegration, Traumafolgesymptomen, Suchtentwicklung und Essstörung?

A

Ein solches diagnos- tisches Konvolut ist nicht unwahrscheinlich. Chaotische Familien können die bei ihnen aufwachsenden Kinder nicht in ihrer Entwicklung adäquat fördern (daher die Borderline-Störung), sie induzieren vielfältige Fehlsozialisierungen (daher das dissoziale Verhalten und die Suchtentwicklung, die häufig aus Außenseiterkontakten resultiert). Solche Familien mit ihren häufig unklaren Grenzen zwischen den Genera- tionen können ihre Mitglieder nicht adäquat schützen, so dass die Wahrscheinlichkeit des sexuellen Missbrauchs außerhalb oder auch innerhalb der Familie wächst. Die daran anschließende Anorexie oder Bulimie ist vergleichsweise noch am leichtesten als Bewältigungsversuch für hochgradige affektive Spannungszustände und Identi- tätsunsicherheiten zu interpretieren. Der Versuch, hier das Trauma als ätiologisch besonders bedeutsam herauszugreifen und spezifisch zu behandeln, führt, z. B. an- gesichts der Borderline-typischen Beziehungsverwirrungen, zu komplizierten und nicht immer effektiven Behandlungsverläufen.

70
Q

Die Hypothese der Traumatisierung im Kindesalter wird häufig unabhängig vom Entwicklungsalter des vermuteten Traumageschehens formuliert: Die Annahme der Komplextraumatisierung

A

Es macht zwei- fellos einen großen Unterschied aus, ob ein 14-Jähriger einen Überfall erlebte, eine 9-Jährige sexuell missbraucht wurde, eine 4-Jährige körperliche Gewalt erfuhr, ein Neugeborenes von der Mutter abgelehnt wurde, ein Ungeborenes einen Abtrei- bungsversuch überlebte usw. Die Annahme der Komplextraumatisierung verzichtet in der Regel auf die Diskussion des Entwicklungsalters und der altersspezifischen Entwicklungsstörungen. Es genügt die Verknüpfung von aktuell traumaverdäch- tiger Symptomatik mit kindlicher schwerer Belastung unabhängig vom Alter, um die Diagnose einer Traumafolgestörung zu stellen und die Notwendigkeit einer spezifischen Traumabehandlung zu betonen.

71
Q

Falsch/Vorschnelle Diagnosen: Welche Art von Therapeuten stoßen vorschnell auf kindliche Traumen?

A

Es ist vorstellbar, dass insbesondere solche Therapeuten auf vermutete kindliche Traumen stoßen, die primär nicht davon ausgehen, dass sich im Leben vieler Patien- ten schlimme Dinge ereignet haben können. Sie klären diagnostisch nicht routine- mäßig ab, welche problematischen Erfahrungen Patienten in ihrer biographischen Entwicklung gemacht haben, welche Rolle Sexualität dabei gespielt hat, welche As- pekte von physischer Gewalt sie erlebt haben oder welche beschämenden Familien- geheimnisse sie mit sich tragen. Ihnen erscheint dann eine überraschend mitgeteilte Belastungssituation als kindliches Trauma, das nun therapeutisch speziell fokussiert werden muss.

72
Q

Das Konzept der Komplextraumatisierung – eine Diagnose, die es in den Klassifika- tionssystemen noch nicht gibt und der aktuell ein „Forschungsstatus“ zugeschrieben wird – meint zunächst:

A

Das Konzept der Komplextraumatisierung – eine Diagnose, die es in den Klassifika- tionssystemen noch nicht gibt und der aktuell ein „Forschungsstatus“ zugeschrieben wird – meint zunächst, ätiologisch vieles auf den Begriff zu bringen, schafft aber durch die zwangsläufige Unschärfe der Diagnostik neue Schwierigkeiten, insbesonde- re wenn therapeutisch gefordert wird, dass der belastete Patient nicht nur stabilisiert werden muss, sondern dass es den Tatbestand der traumatischen Belastung heraus- zuarbeiten gilt, womit dem Patienten möglicherweise eine Opferidentität vermittelt wird. Ehe nicht wissenschaftlich belegt ist, dass es komplexe Traumatisierung in der Kindheit als eine eigenständige ätiopathogenetische Dimension gibt, sollten stattdessen die komplexen biographischen Belastungserfahrungen erfasst und deren konfliktneurotische und strukturelle Aspekte herausgearbeitet werden.

73
Q

Sexueller Missbrauch: Bedeutung in der Psychoanalyse und Trauma

A
  • In den Anfangszeiten der Psychoanalyse stand das Thema der kindlichen Sexualität sehr im Vordergrund. Mit dem Fortschritt in der Entwicklungspsychologie wurde deutlich, dass sich die meisten psychischen Störungen doch nicht auf die Entwicklung der sexuellen Libido beziehen ließen und das Interesse an der kindlichen Sexualität trat in den Hintergrund. In dem Begriff des sexuellen Missbrauchs wird das Thema jetzt wieder aktuell und unterstreicht die Bedeutung realer Sexualerfahrungen in Kindheit und Jugend, allerdings jetzt unter einem neuen Vorzeichen, dem des Trau- mas.
  • Der sexuelle Missbrauch ist für viele Therapeuten das Traumathema schlecht- hin. Die Erfahrung eines Kindes, dass Erwachsene sexuelle Interessen auf es richten und sexuelle Handlungen an ihm und mit ihm begehen, ist schwer zu bewältigen und häufig eine Katastrophe für die Entwicklung der sexuellen Identität und sexuellen Erlebnisfähigkeit. Es ist, wenn wir an der oben gegebenen Definition von Trauma und Traumafolgestörung festhalten, aber nicht zwangsläufig in jedem Fall gleichbe- deutend mit Traumatisierung – auch wenn es das im Zusammenhang mit physischen Gewalterfahrungen durchaus auch sein kann. Die missbräuchlichen Ereignisse ge- schehen nicht im luftleeren Raum, sondern häufig in dysfunktionalen Familien, die dem Einzelnen, speziell dem Schwachen, keinen Schutz gewähren.
74
Q

Der sexuelle Missbrauch ist vor allem Ausdruck einer familiären Doppelmoral:

A

Ein Flirt mit einem jungen Mann gilt als Katastrophe mit angedrohten Folgen für die Patientin, ein sexueller Missbrauch durch einen Familienangehörigen ist kein Thema und bleibt ohne Folgen für den Missbrauchenden. Wenn sich die Patientin von der unloyalen Familie lossagen würde, verlöre sie alles, letztlich auch sich selbst, denn in ihrer Kultur hat sie eher eine Identität als Teil der Gesamtfamilie und weniger als autonomes Individuum.

75
Q

Generell bildet die fehlende …. mit dem Opfer des sexuellen Missbrauchs einen wesentlichen Teil der Dynamik.

A

Generell bildet die fehlende Loyalität mit dem Opfer des sexuellen Missbrauchs einen wesentlichen Teil der Dynamik.

76
Q

Während im Falle der Akuttraumatisierung das umschriebene Ereignis selbst das wesentlich schädigende Moment ist, sind bei biographischen Belastungen wie z. B. sexuellem Missbrauch:

A

Während im Falle der Akuttraumatisierung das umschriebene Ereignis selbst das wesentlich schädigende Moment ist, sind bei biographischen Belastungen wie z. B. sexuellem Missbrauch die langfristigen Beziehungsstörungen und emotionalen Fol- gen des Ereignisses von besonderer Bedeutung. Dazu gehören verlorene Sicherheit, infragegestellte Glaubwürdigkeit, Beschämung und Selbstbeschuldigung, fehlende Loyalität und Unterstützung durch Nahestehende.

77
Q

Der Umgang mit Sexualität bezogen auf Kinder und Jugendliche, ist immer auch ein Indikator für:

A

Der Umgang mit Sexualität bezogen auf Kinder und Jugendliche, ist immer auch ein Indikator für die Struktur einer Familie und die Struktur der jeweiligen Gesellschaft und speziell ihrer Bereitschaft, den jeweils Schwächeren (den Kindern oder in pater- nalistischen Gesellschaften den Frauen) Schutz und Förderung zu gewähren oder ih- nen gegenüber Macht und Gewalt anzuwenden. Es erscheint wenig plausibel, einem singulären Ereignis die Bedeutung eines Traumas zuzumessen, wenn die gesamte Lebenskonstellation und die Familienbedingungen eine konsequente Missachtung der Interessen des schwachen Individuums beinhalten.

78
Q

Das klassische Konfliktmodell beschreibt?

A
  • Das klassische Konfliktmodell beschreibt die unbewusste Speicherung von unlösbaren, konflikthaften Beziehungserfahrungen, wobei die unerledigten Im- pulse (z.B. auf bestimmte Personen gerichtete Liebes- oder Hassimpulse) und die zugehörigen Affekte (z.B. Angst, Schuld, Scham) im Vordergrund stehen.
79
Q

Das klassische Konfliktmodell: 3 Pathogene

A
  1. Das eigentlich Pathogene liegt in der unbewussten Impulsspannung und an- drängenden Affektivität, die auf bestimmte Menschen gerichtet ist.
  2. Weiterhin ist es die gespürte Ich-Einschränkung und gelebte Kompromissbildung, die aus der Abwehr der objektgerichteten Impulse resultiert,
  3. zum Dritten ist es ein darauf basierendes dysfunktionales Verhalten, das auf geradezu tragische Weise immer wieder (repetitiv) zum Scheitern zentraler Bemühungen führt.
80
Q

Das klassische Konfliktmodell: Der gesamte Komplex lässt sich auch als ….. beschreiben, als innere Gewissheit, dass es nie gut werden kann, so sehr man sich auch bemüht und so nahe man sich dem Ziel auch immer wieder glaubt. Was lässt sich in der therapeutischen Situation als Übertragungsangebot erkennen?

A

Der gesamte Komplex lässt sich auch als unbewusste pathogene Überzeugung beschreiben, als innere Gewissheit, dass es nie gut werden kann, so sehr man sich auch bemüht und so nahe man sich dem Ziel auch immer wieder glaubt. In der diagnostischen oder therapeutischen Situation lässt sich die Reinszenierung des Geschehens als Übertragungsangebot erkennen.

81
Q

Das Modell des frühen Konflikts: Worum geht es?

A

Das Modell des „frühen Konflikts“ beschreibt etwas Vergleichbares, nur dass die Elemente des unbewussten, dysfunktionalen Schemas weniger deutlich zu erken- nen sind.

Es geht mehr um diffuse Beziehungsbedürfnisse (z. B. Angenommen- werden, Gesehenwerden, Zugehörigsein, Geborgensein) und weniger um aktive eigene Handlungsimpulse. Auch die Affekte sind diffuser und weniger deutlich objektbezogen, eher handelt es sich um Gestimmtheiten wie Verlorenheit, Ent- täuschung, ängstliche Beunruhigung, Verletztheit. Die Spannungen werden eher körpernah oder weitgehend körperlich erlebt, die Objekte, auf die sich die Be- dürfnisse und Affekte richten, erscheinen weniger personal konturiert, sondern geradezu „medial“ atmosphärisch gestaltet.

82
Q

Die pathogene Überzeugung des Modell des frühen Konflikts:
Was bedeutet das für die diagnostische Situation?

A

Die pathogene Überzeugung ist weni- ger: „Ich kämpfe hier einen aussichtslosen Kampf!“, sondern schicksalshafter: „Es geschieht mir immer wieder; ich erleide“ oder: „Mein Körper kann nicht mehr“. Darin wird erkennbar, dass die innere Situation nicht als Narrativ gespeichert und abrufbar ist, sondern als implizite Beziehungserfahrung vorliegt. So lässt auch die diagnostische Situation weniger eine handlungsnahe Inszenierung und ein deutliches Übertragungsangebot erkennen als vielmehr eine affektive Ansteckung durch ein bestimmtes Beziehungsklima.

83
Q

Das Modell der strukturellen Störung: Was steht im Vordergrund und was sind die pathogenen Überzeugungen?

A

Das Modell der strukturellen Störung imponiert im ersten Moment als eine ex- treme Steigerung der frühen Konfliktkonstellation. Die dysfunktionalen Affekte stehen ganz im Vordergrund: Erregung, Verzweiflung, Panik, Konfusion oder affektives Erlöschen, Leere, Starre. An die Stelle umschriebener pathogener Über- zeugungen tritt Ratlosigkeit gegenüber der eigenen Person und der Objektwelt.

84
Q

Das Modell der strukturellen Störungen: Risiko der Therapierenden

A

Es bleibt unklar, auf welche Objekte all das gerichtet ist; umschriebene Impulse oder Bedürfnisse sind schwer zu erkennen. Das Risiko liegt für den Untersucher oder Therapeuten in der Versuchung, das Fehlende zu komplettieren und psy- chologisch sinnvoll zu machen. Erregung wird als Aggression verstanden, Selbst- verletzung folglich als Autoaggression, Ratlosigkeit wird als Abwehr autonomer Handlungsimpulse, Hilflosigkeit als Erzwingenwollen von Hilfe und somit als Kontrollimpuls interpretiert.

85
Q

Strukturelle Störung Modell: Sehr viel leichter lässt sich die Pathogenese des Geschehens als Nichtverfügbar- keit über strukturelle Werkzeuge verstehen:

A

Fehlende Selbstreflexivität und fehlende Mentalisierung erlauben es dem Selbst nicht, sich zu verstehen; feh- lende Empathie lässt die anderen und ihre Absichten unklar bleiben; fehlende Objektabgrenzung führt zu interpersonellen Verstrickungen; Unfähigkeit, Af- fekt zu ertragen und zu regulieren, erfordert notfallmäßige Gegenmaßnahmen (z.B. bei Selbstverletzung, Essanfällen, Drogeneinnahme).

Versteht man dieses Verhalten als Ausdruck von entwicklungsbedingter Hilflosigkeit, Ungeübtheit, fehlender Selbstkompetenz und vor allem fehlender Beziehungskompetenz, lässt es sich eher akzeptieren und therapeutisch beantworten (und in der Regel rasch stabilisieren) als unter der Annahme eines Konfliktmodells („Der Patient will es unbewusst so“) oder als das zugehörige Abwehrmodell („Der Patient tut all dies um bestimmte Impulse abzuwehren“).

86
Q

Worin liegt der wesentliche pathogen Faktor der strukturellen Störung?

A

Der wesentliche pathogene Faktor der strukturellen Störung liegt in der Unfä- higkeit, sich selbst zu verstehen und sich zu regulieren, und in der Unfähigkeit, emotionale Beziehungen zu anderen herzustellen und die Beziehungsangebote anderer zu verstehen und auszuhalten.

87
Q

Dieses Modell der unzureichenden Entwicklung psychischer Werkzeuge unter- scheidet sich deutlich von dem klassischen Konfliktmodell, in dem:

A

Dieses Modell der unzureichenden Entwicklung psychischer Werkzeuge unter- scheidet sich deutlich von dem klassischen Konfliktmodell, in dem die ungelebte eigene Beziehungsbedürftigkeit und Impulsivität und die „neurotischen Stile“ des Abwehrens, Vermeidens, Nicht-Wahrnehmens im Vordergrund stehen. Es tut sich ferner ein deutlicher Gegensatz auf zwischen mentalisierten und nicht mentalisierten inneren Vorgängen.

88
Q

Hingegen schließen sich die pathogenen Mechanismen der frühen Konflikte und der strukturellen Entwicklungsstörungen nicht aus:

A

Hingegen schließen sich die pathogenen Mechanismen der frühen Konflikte und der strukturellen Entwicklungsstörungen nicht aus, sie bestehen häufig nebenein- ander, sind sie doch beide Folgen von nicht mentalisierten, implizit gespeicherten Vorgängen der frühen Entwicklung.

89
Q

Als Folge früher Belastungserfahrungen lassen sich verschiedene physiologische und psychologische Dysfunktionen annehmen, die im Hintergrund der struktu- rellen Störung wirksam sind:

A

– hoher Stresslevel
– Arrousal von negativen Affekten
– Deformierung der Selbst- und Objektrepräsentanzen
– dysfunktionale Abwehr (Spaltung, Projektion)
– desorganisierter Bindungsstil
– maladaptives, selbstschädigendes Verhalten

90
Q

Die Pathogenese der Traumafolgestörung im Sinne der Akuttraumatisierung, soweit man sie heute versteht, steht logisch nicht in einer Reihe mit den drei vorgenannten, da:

A

Die Pathogenese der Traumafolgestörung im Sinne der Akuttraumatisierung, soweit man sie heute versteht, steht logisch nicht in einer Reihe mit den drei vorgenannten, da sie nicht zwangsläufig aus frühen Persönlichkeitsentwicklungs- stufen abgeleitet ist. Hier steht vielmehr die psychische Nicht-Verarbeitung von überflutenden Erlebnissen im Vordergrund.

91
Q

Die Pathogenese der Traumafolgestörung im Sinne der Akuttraumatisierung: Während verarbeitbare emotionale Erfahrungen, in lang dauernden, zirkulären Vorgängen allmählich von dem anfänglich heftigen Affekt gelöst, zum Bestandteil der eigenen Vergangenheit gemacht und in den Hintergrund des bewussten Erlebens gerückt werden (z. B. im Vorgang des Betrauerns), bleiben die nicht verarbeitbaren traumatischen Erlebnisse in einem On-off-Pattern:

A

Sie sind entweder völlig ausgeblendet (nicht erinnerbar, nicht eigene Vergangenheit) oder in voller emotionaler Wucht präsent und ohne ein Gefühl des zeitlichen Abstandes ganz oder in Bruchstücken aktuali- siert. Die Pathogenese liegt im dissoziativen Leermachen einerseits und im wieder Geflutetwerden andererseits sowie in vielfältigen reflektorischen Bemühungen, diese emotionale Achterbahnfahrt durch Rückzug und soziale Vermeidung zu umgehen.

92
Q

Es liegt auf der Hand, dass diese pathogenetischen Aspekte andere klinische Aus- wirkungen haben müssen als die vorgenannten, vor allem die konfliktbedingten Störungen. Andererseit sind vielfältige Verflechtungen vorstellbar:

A

Es liegt auf der Hand, dass diese pathogenetischen Aspekte andere klinische Aus- wirkungen haben müssen als die vorgenannten, vor allem die konfliktbedingten Störungen. Andererseits sind vielfältige Verflechtungen vorstellbar: strukturelle und konflikthafte Folgen von traumatischen Erfahrungen oder umgekehrt traumatische Erfahrungen, begünstigt von bereits vorliegenden konflikthaften oder strukturellen Störungen.

93
Q

Zum heutigen Zeitpunkt, wo zu dem Thema noch viel Widersprüchliches diskutiert wird, scheint das Sicherste und das Unsicherste?

A

Zum heutigen Zeitpunkt, wo zu dem Thema noch viel Widersprüchliches diskutiert wird, scheint es das Sicherste, die jeweiligen pathogenetischen Faktoren diagnos- tisch möglichst klar herauszuarbeiten und therapeutisch adäquat zu beantworten. Das Unsicherste ist es wohl, aus Einfällen und Erinnerungen des Patienten und aus Gegenübertragungsgefühlen des Therapeuten Traumatisierungsvermutungen abzu- leiten und darauf Traumabehandlungen zu gründen.