Angststörung Verhaltenstherapie Flashcards

1
Q

Was ist mit Normabweichungen gemeint?

A

Soziale Normen im Etikettierungsansatz vs. funktionale Norm in störungsspezifischer Psychologie

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2
Q

Störungsspezifische Psychologie legt….

A

Fokus auf Symptome und Syndrome einzelner PatientInnen

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3
Q

Symptombereiche: 3 Stück

A
  1. körperlich physiologische Ebene
  2. Gedanken, Vorstellungen, Gefühle
  3. Verhalten und Handlungsimpulse
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4
Q

Symptombereiche: Körperlich physiologische Ebene

A
  • Potenziell alles was erhöhtes Erregungsniveau anzeigt, bis hin zu Angstattacke
  • Häufig zentral: schwitzen, zittern, erröten
  • körperliche Reaktion selbst
  • Wahrnehmung der Reaktion (Interozeption)
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5
Q

Symptombereiche: Gedanken, Vorstellungen, Gefühle

A
  • Einschätzung der wahrgenommenen Reaktion mit Blick auf die anderen
  • Katastrophisierende Gedanken
  • Die eigene Wirkung vor dem inneren Auge ausmalen
  • Angst, Scham, Unsicherheit, Angst vor der Angst
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6
Q

Symptombereiche: Verhalten und Handlungsimpulse

A
  • Flucht
  • Vermeidung
  • Sicherheitsverhalten
  • kann sozial ungeschickt oder inadäquat wirken
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7
Q

Allgemeine Merkmale einer psychischen Störung nach DSM:

A
  • Auslöserunabhängig: gegenwärtig verhaltensmäßige, psychische oder biologische Funktionsstörung —> die spezifische Symptomatik
  • Leidensdruck
  • Beeinträchtigungen in mind. einem Funktionsbereich
  • deutlich erhöhtes Risiko zu sterben, für Schmerzen, Beeinträchtigungen oder tiefgreifendem Freiheitsverlust
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8
Q

Diagnosen nach ICD/DSM mit Bezug zu sozialer Ängstlichkeit

A
  • soziale Angststörung
  • Störung mit sozialer Ängstlichkeit des kindesalters
  • Selbstunsicher/ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung
  • selektiver Mutismus
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9
Q

Soziale Angststörung im DSM-5

A

A. Ausgeprägte Furcht oder Angst vor einer oder mehreren sozialen Situationen, in denen die Person von anderen Personen beurteilt werden
könnte.
Beachte: Bei Kindern muss die Angst auch unter Gleichaltrigen auftauchen, nicht nur in Interaktion mit Erwachsenen.
B. Betroffene befürchten die negative Bewertung durch andere aufgrund ihres eigenen Verhaltens oder sichtbarer Angstsymptome (typische Befürchtungen: beschämend, peinlich sein, zurückgewiesen werden, andere vor den Kopf stoßen).
C. Die sozialen Situationen verursachen fast immer Angst oder Furcht. Beachte: Bei Kindern kann sich die Angst durch Weinen, Wutanfälle, Erstarren, Anklammern, Zurückweichen oder die Unfähigkeit zu sprechen zeigen.
D. Die sozialen Situationen werden vermieden oder nur unter intensiver Furcht/Angst ertragen.
E. Die Furcht/Angst steht nicht im Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung und zum soziokulturellem Kontext.
F. Dauer: typischerweise 6 Monate oder mehr
G. Furcht, Angst oder Vermeidung verursacht klinisch bedeutsames Leiden oder Beeinträchtigung im sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
H. -J. nicht besser durch Substanzwirkung, andere psychische Erkrankungen oder medizinische Faktoren zu erklären
Spezifiziere, ob nur öffentliche Leistungssituationen (u.a. öffentliches Sprechen)

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10
Q

Typische Situationen:

A

§ soziale Interaktionen (sich unterhalten, Unbekannte Menschen treffen, telefonieren, Kontakt mit Autoritätspersonen)
§ beobachtet werden (vor anderen essen, trinken, schreiben)
§ vor anderen etwas leisten (einen Vortrag halten, mündliche Prüfungen)

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11
Q

Selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung: DSM-5: Ein tiefgreifendes Muster von:

A

§ sozialer Gehemmtheit (u.a. wegen Gefühlen der eigenen Unzulänglichkeit; z.B. keine neuen Aktivitäten wg. „Beschämungsrisiko“; Kontakte nur widerwillig, wenn noch unklar, ob man gemocht wird),
§ Insuffizienzgefühlen (z.B. sich für sozial unbeholfen, unattraktiv und minderwertig im Vergleich zu anderen halten) und
§ Überempfindlichkeit gegenüber negativer Beurteilung (z.B. „präventiv“ nur eingeschränkte berufliche und private Aktivitäten; starker Fokus auf die Möglichkeit, kritisiert werden zu können)
Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und die Störung manifestiert sich in verschiedenen Situationen (inkl. intimer Beziehungen!)

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12
Q

Epidemiologie Für Kinder und Jugendliche

A

Lebenszeitprävalenz: ca. 2-4%
Punktprävalenzen: 0.5-2.6% (höher mit steigendem Alter)
Mädchen : Jungen 3 : 2
Komorbidität: andere Angststörungen, affektive Störungen (Depression fast 40% bei 15- 17jährigen), Substanzstörungen

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13
Q

Das Vulnerabilitäts- Stress-Modell:

A
  • Integratives Modell
  • Abgeleitet aus dem biopsychosozialen Modell
  • Nicht „schulenspezifisch“, aber in
    den Theorien und Therapien der kognitiv-behavioralen Perspektive stärker verbreitet
  • Nicht störungsspezifisch
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14
Q

Faktoren, die die Entstehung sozialer Angst beeinflussen
Verhaltenshemmung – behavioral Inhibition

A

—> Tendenz, auf Neues oder vermeintlich Furchtauslösendes mit Angst und Rückzug zu reagieren ‒ Furchtsame Reaktion + Schwierigkeiten, die Reaktion zu regulieren (Emotionsregulation)
—> Temperamentsmerkmal bei ca. 15-20% der Kinder
‒ Beobachtbar bereits ab dem ca. 9. Lebensmonat, valide ab dem 20. LM
‒ Häufiger bei Mädchen
—> spezifischer Risikofaktor für soziale Ängste (Korrelation mit anderen Angstformen geringer)

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15
Q

Faktoren, die die Entstehung sozialer Angst beeinflussen: Elterliches Erziehungsverhalten, Belastung

A

—> ängstlich-protektives oder ablehnendes Erziehungsverhalten ist assoziiert mit selbstunsicher- vermeidendem Bindungsmuster
—> Eltern von sozialängstlichen Kindern hatten häufiger einen überbehütenden oder gleichgültigen Erziehungsstil
—> Psychische Störungen der Eltern (v.a. Angststörungen, Depressionen und Alkoholabhängigkeit) erhöhen das Risiko einer soz. Angststörung in der Kindheit sowohl isoliert, als auch in Interaktion mit Überbehütung, Ablehnung und Mangel emotionaler Wärme

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16
Q

Faktoren, die die Entstehung sozialer Angst beeinflussen: Typische Stressereignisse und auslösende Faktoren

A

—> Kritische Lebensereignisse, z.B. Häufige Umzüge in Jugend, Schulwechsel, Schul- /Studienabschluss, Stellenwechsel, (anstehende) Beförderung, Trennung/Scheidung der Eltern
—> Soziale „Traumata“, wie ausgelacht oder gehänselt werden wegen persönlicher Merkmale (Aussehen, Sprechweise, …), öffentliche Abwertung durch Lehrkräfte, „totale Blamagen“ durch Blackout oder starke Angstsymptome in einer Bewertungssituation
—> Bestimmte Lebensbedingungen, wie bzgl. Leistung kritische oder desinteressierte Bezugspersonen, soziale Isolation, Außenseiterrollen

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17
Q

Das Verhaltenstheoretische Modell

A

abgeleitet aus experimentell begründeter Lerntheorie
§ Konzentration auf beobachtbares Verhalten
§ Regelhafte Wenn-Dann-Zusammenhänge
(Reiz-Reaktions-Muster)
§ Psychische Störung = Verhaltensauffälligkeit/- Problem
§ Erlernen - Verlernen
§ funktionale Zhg. mit Umweltbedingungen
§ A(ntecendent) –> B(ehavior) –> C(onsequence)
§ „Mensch als Roboter“

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18
Q

Das kognitive Modell

A

§ Kognitive Wende
§ Fokus auf nicht beobachtbare (kognitive)
Prozesse
- z.B. Gedanken, Selbstwahrnehmung, Attributionen, Erwartungen, Ziele, Pläne…
§ Kognitionen, die expliziert/bewusst gemacht/verbalisiert werden (und erst dadurch „beobachtbar“ werden)
§ frühe interaktionelle Erfahrungen wichtig für:
§ die Auswahl und Verarbeitung von Erfahrungen
§ Selbstbild

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19
Q

Bezug zu kognitiv behavioralen Störungstheorien: Zentral:

A
  • Störungsspezifisch
  • Schwerpunkt auf aufrechterhaltenden Bedingungen
  • auch Prädispositionen und auslösende Bedingungen
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20
Q

Informationsverarbeitung – Tendenzen bei ängstlichen Kindern/Jugendlichen/Erwachsenen: Aktuelle Situation und Frühere Erfahrungen

A
  • § Aktuelle Situation
    § Erhöhte Aufmerksamkeitshinlenkung auf angstauslösende Reize
    § Reize werden häufiger und schneller als bedrohlich eingeschätzt
  • § Frühere Erfahrungen
    § Haben Annahmen über sich selbst und
    soziale Umgebung geprägt
    —>automatische Gedanken als Resultat von wahrgenommenen Situationsmerkmalen + aktivierten früheren Erfahrungen
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21
Q

4 problematische aufrechterhaltende Prozesse

A

1) ErhöhteSelbstaufmerksamkeit
2) VerzerrteBewertungdereigenenPersonals
soziales Objekt
3) Sicherheitsverhalten
4) Angstsymptome

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22
Q

Erhöhte Selbstaufmerksamkeit
Wirkt v.a. während der Situation:

A

—> Eigentliches Ziel: aufpassen, keine Fehler machen, Angstsymptome monitoren
—> Fokus auf internale Prozesse verhindert Verarbeiten externaler Informationen, z.B. Reaktionen der sozialen Umgebung
—> Durch den Fokus auf die internalen (körperlichen) Prozesse werden Angstsymptome stärker wahrgenommen

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23
Q

Verzerrte Bewertung der eigenen Person als soziales Objekt
Wirkt während der Situation (und danach):

A

—> Negative Selbstbewertung aufgrund internaler Informationen Ò „gefühlter Eindruck“
‒ „sich ängstlich fühlen“ = „ängstlich aussehen“
—> Verzerrte Vorstellungsbilder von sich selbst in der Situation „Wie wirke ich gerade auf andere?“

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24
Q

Sicherheitsverhalten
Wirkt v.a. während der Situation

A

—> Ziel – gewünschte Wirkung: soll befürchtetes Ereignis verhindern
—> Mittel: sehr vielfältig, ergibt sich aus den konkreten Befürchtungen („Wenn X nicht passieren
soll, was kann ich tun?“)
‒ Bestimmte Verhaltensweisen vor und während der eigtl. Situation
‒ gedankliche Prozesse und Handlungen
—> Tatsächliche Wirkung – oft paradox:
‒ Kann gefürchtete Symptome hervor rufen
‒ kann ungewollt Aufmerksamkeit des „Publikums“ auf sich lenken
‒ kann Bewertungen und Verhalten anderer Personen so beeinflussen, dass die
Befürchtungen bestätigt werden
‒ fördert internale und reduziert externale Aufmerksamkeit
‒ Verhindert die Widerlegung unrealistischer Bewertungen

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25
Q

Angstsymptome
Wirken v.a. während der Situation

A

—> Für Betroffene besonders relevant: (vermeintlich) sichtbare Symptome
—> Typischer Teufelskreis

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26
Q

Post-event Processing:

A

—> dysfunktionales „Rekapitulieren der Situation“: negative (Um)Bewertung, geprägt von der erlebten Angst und der negativen Selbstwahrnehmung
—> oft repetitives negatives Denken/Grübeln, auch über unbedeutende Details; Schamgefühle
Mögliche Schlussfolgerungen für kommende Situationen:
- Sorgen, Erwartungsangst, Misserfolgserwartung
- Vermeiden!
Bessere Vorbereitung —> Sicherheitsverhalten

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27
Q

Grenzziehungen zwischen psychischer Gesundheit und psychischer Störung

A

Normabweichendes Verhalten ist nicht so eindeu- tig von psychischen Störungen abgrenzbar, wie das die Definition von psychischen Störungen im aktuellen DSM erscheinen lassen mag. Ähnliches gilt für das Verhältnis von psychischen Störungen und psychischer Gesundheit. Grenzziehungen zwischen psychischer Gesundheit und psychischer Störung gelten als schwierig bis unmöglich. Das ergibt sich schon aus den Definitionen von psy- chischer Gesundheit. So wird Gesundheit z. B. als „produktive Anpassung“ (d. h. als produktive und konstruktive Auseinandersetzung mit den Anfor- derungen des Lebens) oder als „Selbstverwirk- lichung“ definiert

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28
Q

Drei Modelle psychischer Störungen gelten als so umfassend, dass sie als Rahmenmodelle der Kli- nischen Psychologie von spezifischeren Vorstellun- gen über psychische Störungen unterschieden werden:

A

● das medizinische oder organische Modell,
● das psychosoziale Modell und
● das biopsychosoziale Modell
psychischer Störungen.

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29
Q

Warum ist die Dreiteilung in Modelle nicht unproblematisch?

A

Diese Dreiteilung ist des- halb nicht unproblematisch, weil es weder „das“ medizinische noch „das“ psychosoziale oder „das“ biopsychosoziale Modell gibt. Sie gestattet es aber, die unterschiedlichen Vorstellungen im Hinblick auf einige zentrale Grundannahmen darzustellen.

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30
Q

Das medizinische Modell: Die Grundannahmen des medizinischen (organischen) Modells psychischer Störungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

A

● Psychische Krankheit und psychische Gesundheit unterscheiden sich qualitativ.
● Die „Phänomene abnormer Erlebnis- und Verhaltensreaktionen“ lassen sich in voneinander
abgrenzbare Krankheitseinheiten einteilen.
● Psychische Krankheiten haben einen typischen, vorhersehbaren, objektivierbaren und naturwissenschaftlich erklärbaren Verlauf.
● Die Ursachen psychischer Krankheiten sind or- ganischer (körperlicher) Natur; externe (z. B. so- ziale, familiäre, lebensgeschichtliche) Faktoren können höchstens Auslöser psychischer Krank-
heiten sein.
● Gegen psychische Krankheiten kann man sich
nicht willentlich wehren; wer psychisch krank ist, kann daher nicht für sein Verhalten zur Ver- antwortung gezogen werden.
Diagnose und Therapie psychischer Krankheit fallen in den Zuständigkeitsbereich von Exper- tinnen und Experten mit medizinischer Ausbil- dung

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31
Q

Kritik am medizinischen Modell:

A

Die Kritik am medizinischen Modell psychischer Störungen kam zunächst vor allem aus der Medizin selbst, später auch aus der Soziologie. Dabei sind vor allem die Antipsychiatrie und der Etikettierungs- ansatz zu erwähnen. Sie kritisierten u. a., dass :

  • das organmedizinische Krankheitskon- zept Lebensprobleme und Abweichungen in Krankheiten umdefiniere und damit verschleiere, was eigentlich passiere.
  • Außerdem führe die Diag- nostik des medizinischen Modells zur Zuschreibung von Eigenschaften und damit zu Etikettierungen und Stigmatisierungen.
  • Schließlich diene das me- dizinische Modell zur Absicherung der ärztlichen Dominanz und Ausübung sozialer Kontrolle. Der Patient werde zwar einerseits entlastet – es wird z. B. nicht von ihm erwartet, dass er seine Krankheit durch einen Willensakt beendet –, gleichzeitig aber auch in seinen Gefühlen von Hilflosigkeit und In- kompetenz verstärkt
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32
Q

Das psychosoziale Modell:
Grundannahmen: Unter das psychosoziale Rahmenmodell psychischer Störungen fallen neben Positionen der Antipsychiatrie und soziologischen Theorien auch die meisten klinisch-psychologischen Modelle. Sie alle stimmen in vier Grundannahmen überein:

A

● der Kontinuitätsannahme,
● der Äquivalenzannahme,
- der Annahme der Kontextbedingtheit und in
- der Multikausalitätsannahme.

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33
Q

Was postuliert die Kontinuitätsannahme?

A

Die Kontinuitätsannahme postuliert, dass sich Normalität/Gesundheit und psychische Störung/ Krankheit nicht qualitativ, sondern lediglich quan- titativ (z. B. in Bezug auf Häufigkeit und Intensität bestimmter Verhaltensweisen) unterscheiden und dass die Übergänge zwischen beiden „Zuständen“ fließend sind

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34
Q

Was meint die Äquivalenzannahme?

A

Nach der Äquivalenz-Annahme „unterliegen nor- male und gestörte Aktivitäten den gleichen Verän- derungsbedingungen, d. h. in beiden Fällen finden Veränderungen aufgrund identischer Prinzipien, z. B. denen des Lernens, statt“

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35
Q

Die Annahme der Kontextbedingtheit:

A

Hinter der Annahme der Kontextbedingtheit ver- birgt sich die Überzeugung, dass der soziale Kon- text – z. B. die sozioökonomischen Rahmenbedingungen und sozialen und kulturellen Normen und Werte – einen hohen Stellenwert bei der Entste- hung, Definition und Behandlung von psychischen Störungen hat.

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36
Q

Die Multikausalitätsannahme:

A

Mit der Multikausalitätsannahme wird schließ- lich betont, dass bei der Entstehung psychischer Störungen von einer Vielfalt der Faktoren aus- zugehen ist, die „von unterschiedlicher Art“ (z.B. psychisch, sozial, somatisch) und unterschiedlich bedeutsam sein können

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37
Q

Man geht also davon aus, dass psychische Störun- gen mehr als nur eine Ursache haben, distanziert sich aber damit nicht zwangsläufig vom traditio- nellen Kausalitätsverständnis. So bleibt etwa die erste Variante des Multikausalitätsmodells, das Haupteffektmodell, immer noch an der Idee von der „eigentlichen“ Ursache hängen:

A

Es nimmt an, dass zumindest die notwendige Voraussetzung für die Entstehung einer Störung angegeben werden kann. Im Interaktionsmodell (2. Variante des Mul- tikausalitätsmodells) wird von zwei oder mehreren gemeinsam an der Entstehung der Störung beteilig- ten Faktoren ausgegangen. Erst im Transaktions- modell (3. Variante des Multikausalitätsmodells) wird eine interdependente, dynamische Kausal- beziehung angenommen

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38
Q

Psychosoziales vs. medizinisches Modell:

A

Vor dem Hintergrund der Annahmen, die allen Ansät- zen des psychosozialen Rahmenmodells gemein- sam sind, mag man versucht sein, die Debatten zwischen dem medizinischen Modell und dem psychosozialen Modell als abgeschlossen zu be- trachten. Vor allem die Multikausalitätsannahme zeigt, dass ohnehin versucht wird, unterschiedli- che Sichtweisen nebeneinander stehen zu lassen. Außerdem war die Kritik am medizinischen Mo- dell nicht immer grundsätzlich. Das beste Beispiel dafür ist die Psychoanalyse.

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39
Q

Wie wird das biopsychosoziale Modell meistens dargestellt?

A

Das biopsychosoziale Modell psychischer Störun- gen wird meistens so dargestellt, als ob damit die Einseitigkeiten des medizinischen und psycho- sozialen Modells überwunden wären. Meist wer- den die Vorteile der Integrationsleistung betont und auffallend häufig wird so getan, als ob natür- lich jeder vernünftige Mensch die Annahmen die- ses Modells teilen würde.

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40
Q

Das biopsychosoziale Modell: Grundannahmen

A
  • Wie im Grunde bereits das psychosoziale Modell mit seiner Multikausalitäts- annahme geht das biopsychosoziale Modell davon aus, dass organische, psychische und soziale Be- dingungen und Prozesse in wechselseitiger Bezie- hung zueinander stehen und dass es sich dabei um ein komplexes Wirkungsgefüge handelt.
  • Das Mo- dell wurde von Engel auf der Grund- lage der allgemeinen Systemtheorie von Bertalanf- fy (1968) entwickelt. Es geht von einem hierar- chisch aufgebauten System aus, das sich von physi- kalischen Systemen (z. B. Atome) über organische (z.B. Zellen), personale (Erleben und Verhalten), soziale (z. B. Familie), kulturelle und gesellschaft- liche Systeme bis hin zur Biosphäre erstreckt und betont, dass die in der Hierarchie benachbarten Subsysteme in Wechselwirkung zueinander ste- hen.
  • Deshalb genüge es nicht, bei (z.B. psy- chischen) Krankheiten nur auf organische Fak- toren zu achten; man müsse vielmehr alle Fak- toren abwägen, „die zu Krankheit und Patienten- status“ beitragen (Engel, 1979, S. 75), also auch soziale und psychologische Faktoren berücksichti- gen.
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41
Q

Die Beziehung des biopsychosozialen Modells zum medizinischen Modell:

A
  • Ein Modell, das für sich in Anspruch nimmt, alle Faktoren zu berück- sichtigen, die bei der Entstehung psychischer Stö- rungen eine Rolle spielen können, wirkt auf den ersten Blick tatsächlich recht überzeugend. Er- staunlich ist aber, dass es relativ häufig als Alter- native zum medizinischen Modell „durchgeht“, obwohl Engel es eindeutig als (neues) medizini- sches Modell eingeführt hat.
  • In Abgrenzung von einer Position, nach der sich die Psychiatrie auf „Geisteskrankheiten“ konzentrieren soll, die auf- grund von Hirnfunktionsstörungen biochemischer oder neurophysiologischer Art entstehen, plädier- te er dafür, auch „Lebensprobleme“ als Gegen- stand der Psychiatrie (und der Medizin überhaupt) zu sehen.
  • Deshalb sollte seiner Meinung nach das biomedizinische Modell um psychosoziale Aspekte erweitert werden, „ohne dabei die enor- men Vorteile des biomedizinischen Ansatzes zu opfern“
  • Als Psychosomatiker konnte Engel weder mit einem Krankheitsver- ständnis einverstanden sein, das lediglich somati- sche Faktoren berücksichtigte, noch wollte er – im Gegensatz zu vielen anderen Medizinern der 1970er-Jahre – die psychosoziale Seite ganz den anderen Berufsgruppen überlassen
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42
Q

Klinisch-psychologische Modelle

A

In „klinisch-psychologischen Modellen“ sind an- thropologische Annahmen und Annahmen be- züglich der Entstehung und Beeinflussbarkeit von psychischen Störungen zusammengefasst, die das Selbstverständnis der psychotherapeutischen „Grundorientierungen“ ausmachen. Die Aus- einandersetzung mit diesen Modellen ist nicht nur wichtig, um unterschiedliche Perspektiven kennenzulernen, sondern auch, um nachvollzie- hen zu können, was der Verzicht auf eine Modell- vielfalt für die psychotherapeutische Praxis be- deuten würde.

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43
Q

In Anlehnung an Bastine (1998) werden im Fol- genden fünf „klinisch-psychologische Modelle“ unterschieden und im Hinblick auf ihre „Kern- annahmen“ dargestellt:

A

● daspsychoanalytischeModell,
● dashumanistischeModell,
● dasverhaltenstheoretischeModell,
● daskognitiveModellund
● dasinterpersonaleModell.

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44
Q

Was wird mit dem begriff Kernannahmen zusammengefasst?

A

Mit dem Begriff „Kernannahmen“ werden grund- legende Annahmen zur Entstehung und Beein- flussbarkeit psychischer Störungen sowie an- thropologische Annahmen zusammengefasst. Es sind Annahmen auf einer sehr abstrakten Ebene, d. h.: Es geht hier nicht um einzelne Störungs- oder Therapietheorien, sondern um metatheoretische Annahmen, die sich in allen einem bestimmten Modell zugeordneten Störungstheorien und Therapietheorien (mehr oder weniger deutlich) finden lassen.

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45
Q

Das psychoanalytische Modell:

A
  • Das auf Freud zurückgehende psychoanalytische Modell sieht den Menschen mächtigen Kräften ausgeliefert, die noch dazu in Widerstreit zueinan- der stehen. So befinde sich der Mensch im Konflikt zwischen seinen Impulsen und Triebbedürfnissen auf der einen Seite, sozialen Werten und Normen auf der anderen Seite.
  • In psychoanalytischer Spra- che ausgedrückt: Das Ich steht im Konflikt zwi- schen den triebhaften Kräften des Es und den in der Sozialisation erworbenen Geboten des Über- Ich. Diese Konflikte gelten als unvermeidbar und gehören zum menschlichen Leben dazu.
  • Probleme und psychische Störungen entstehen dadurch, dass diese Konflikte unbewusst bleiben und vom Ich nicht bewusst bearbeitet und ausgetragen werden können. Stattdessen greift das Ich zu Abwehr- mechanismen.
  • Auf der einen Seite soll durch diese Abwehrmechanismen Angst abge- wehrt werden, die durch das Bewusstwerden sozi- al inakzeptabler Impulse oder eigener Verstöße ge- genüber den Geboten des Über-Ichs entsteht. Auf der anderen Seite verbrauchen Abwehrmechanis- men aber sehr viel psychische Energie, sodass sie scheitern können. In diesem Fall können sich die abgewehrten Inhalte in entstellter Form – als Symptome – Ausdruck verschaffen.
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46
Q

Was sind nach Freud die Symptome die einen Menschen in die Psychotherapie bzw in die Psychoanalyse führen?

A

Die Symptome, die einen Menschen in die Psycho- therapie bzw. in die Psychoanalyse führen, sind nach Freud nicht durch aktuelle widrige Lebens- bedingungen verursacht, sondern gehen auf le- bensgeschichtlich frühe Erfahrungen, vor allem auf frühkindliche Erfahrungen, zurück (Psycho- genese psychischer Störungen). Der bewusste ak- tuelle Konflikt hat unbewusste Vorläufer in der Vergangenheit. Er reißt gewissermaßen alte Wun- den auf und kann daher auch nicht bearbeitet wer- den, solange der Betreffende sich nicht mit diesen frühen Erfahrungen auseinandersetzt.

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47
Q

Zu welchem Rahmenmodell lassen sich Freuds Ansichten am ehesten zuordnen?

A

Trotz der Betonung der Psychogenese psychischer Störungen lässt sich Freuds Störungskonzeption nicht eindeutig dem psychosozialen Rahmenmo- dell (s.S. 40 f.) zuordnen. Zwar lenkt Freud den Blick auf psychosoziale und kulturelle Bedingun- gen und entfernt sich damit von der rein linear ge- dachten Kausalität des medizinischen Modells. Gleichzeitig aber geht er davon aus, dass der Mensch von angeborenen Triebkräften gesteuert wird und dass alle psychischen Erscheinungswei- sen, also auch alle Symptome, auf bestimmte Ursa- chen zurückzuführen sind und vollständig erklärt werden können (psychischer Determinismus).

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48
Q

Das humanistische Modell:

A
  • In deutlicher Abgrenzung zum medizinischen Mo- dell werden psychische Störungen z. B. bei Rogers, dem für die Klinische Psychologie wichtigsten Ver- treter des humanistischen Modells, nicht auf „zu- grundeliegende Bedingungen“ (wie Konflikte oder organische Ursachen) zurückgeführt. Vielmehr werden sie als Ausdruck und Folge dessen ver- standen, dass jemand einen Teil seiner Erfahrun- gen nicht zulässt oder verzerrt wahrnimmt, um das Bild, das er von sich hat, aufrechterhalten zu können.
  • Das Menschenbild des humanistischen Modells hat seine Wurzeln u. a. in der Phänome- nologie und Gestaltpsychologie. Jeder Mensch le- be demnach in der Welt seiner Erfahrungen und könne nur verstanden werden, wenn man sich in seinen „inneren Bezugsrahmen“ so gut wie mög- lich hineinversetzt.
  • Durch die Annahme, dass jeder Mensch sich „seine“ Welt konstruiert, wird aber nicht nur darauf verwiesen, dass persönliche Sinn- und Bedeutungszuschreibungen das Verhalten oft mehr bestimmen als äußere Gegebenheiten. Men- schen wird damit auch die Fähigkeit zugestanden, selbst zu entscheiden, wie sie sich in ihrer sozialen und materiellen Umwelt verhalten und welche Er- fahrungen sie zulassen. Anders ausgedrückt hat der Mensch die Fähigkeit, sich selbst – nach eige- nen Bedürfnissen und in Anpassung an die Umwelt – zu steuern.
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49
Q

Das verhaltenstheore- tische Modell

A
  • Ebenfalls in deutlicher Abgrenzung vom psycho- analytischen Modell stellt das mit den Namen Eysenck, Skinner und Wolpe verbundene verhaltens- theoretische Modell den Versuch dar, eine psycho- logische Grundlagentheorie – die experimentell begründete Lerntheorie – auf die Beschreibung, Erklärung und Behandlung psychischer Störungen anzuwenden.
  • Kennzeichnend für das verhaltens- theoretische Modell sind die Konzentration auf be- obachtbares Verhalten und auf regelhafte „Wenn-dann-Zusammenhänge“ und die Gleich- setzung von psychischen Störungen mit Verhal- tensauffälligkeiten bzw. problematischen Verhal- tensweisen.
  • Man geht davon aus, dass auffälliges oder problematisches Verhalten – wie jedes ande- re Verhalten auch – gelernt worden ist und dass es in funktionalem Zusammenhang mit Umwelt- bedingungen steht, die dem Verhalten voraus- gehen oder ihm nachfolgen.
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50
Q

Von welchem Rahmenmodell grenzt sich das verhaltenstheoretische Modell stark ab?
Die anthropologischen Annahmen des verhaltenstheoretischen Modells sind daher mit der Metapher „….“ zu- sammengefasst worden?

A

Wie die Störungskonzeption des humanistischen Modells lässt sich auch die Störungskonzeption des verhaltenstheoretischen Modells als klare Ab- sage an das medizinische Modell verstehen. Es wird nicht davon ausgegangen, dass den beob- achtbaren Symptomen ursächlich eine individuelle organisch fundierte Disposition zugrunde liegt. Al- lerdings wird dem Klienten/Patienten – ähnlich wie im medizinischen Modell – auch im verhal- tenstheoretischen Modell wenig Eigenverant- wortlichkeit für sein Verhalten und für die Ände- rung seines Verhaltens zugeschrieben bzw. zuge- standen. Das Verhalten von Menschen wird als eine Funktion der Umweltbedingungen oder als eine Reaktion auf Umweltbedingungen gesehen; Möglichkeiten einer aktiven Einflussnahme der Person auf ihre Umwelt bleiben weitgehend unbe- rücksichtigt. Die anthropologischen Annahmen des verhaltenstheoretischen Modells sind daher mit der Metapher „Der Mensch als Roboter“ zu- sammengefasst worden

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51
Q

Das kognitive Modell:

A

Die Selbstbeschränkung des verhaltenstheoreti- schen Modells auf die experimentell begründete Lerntheorie stieß schon bald an ihre Grenzen. Die Übertragung eines Reiz- und Reaktionsverständ- nisses, das aus tierexperimentellen Studien stammte, auf psychische Probleme vom Menschen erwies sich als unangemessen und wenig tragfä- hig. Die Erfahrungen in der klinisch-psychologi- schen Praxis legten es nahe, sich auch nichtbeob- achtbaren Prozessen zuzuwenden: den Erklärun- gen und Erwartungen der Klienten, ihren Bedeu- tungszuschreibungen (Attributionen), ihrer Selbst- wahrnehmung etc. Die kognitive Wende machte die Auseinandersetzung mit solchen Prozessen auch in der empirisch orientierten akademischen Klinischen Psychologie hoffähig.

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52
Q

Wovon geht man im kognitiven Modell aus?

A
  • Ähnlich wie im humanistischen Modell geht man auch im kognitiven Modell davon aus, dass Ver- halten sich nicht einfach nur aus gelernten Verbin- dungen von Reizen und Reaktionen entwickelt, sondern dass es (auch) darauf ankommt, wie Men- schen über Ereignisse denken und wie sie die Wirklichkeit konstruieren. Wie sich Menschen verhalten, werde deshalb auch davon mit- bestimmt, wie sie die Umwelt wahrnehmen und interpretieren und welche Bedeutung sie be- stimmten Situationen geben.
  • Für die Entwicklung und Veränderung psychischer Probleme hätten deshalb Kognitionen (Erwartungen, Ziele, Pläne, Bewertungen, Erklärungen, Überzeugungen etc.) eine zentrale Rolle.
  • Wie im humanistischen Modell wird auch im kognitiven Modell angenommen, dass bei der Auswahl und Verarbeitung von Erfah- rungen frühe interaktionelle Erfahrungen und das Bild, das jemand von sich selbst hat, eine wichtige Rolle spielen. Eine Änderung von Kogni- tionen könne daher vom Klienten u.U. auch die Bereitschaft zur Änderung des eigenen Selbstbil- des verlangen. Wie das verhaltenstheoretische und das humanistische Modell steht auch das ko- gnitive Modell in kritischer Distanz zum medizini- schen Modell.
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53
Q

Das interpersonale Modell:

A
  • Die klarste Absage an das medizinische Modell nimmt das interpersonale Modell für sich in An- spruch. Es ersetzt die lineare Kausalität des medi- zinischen Modells durch das Konzept der „zirkulä- ren Kausalität“ und interessiert sich vor allem für die Funktion psychischer Störungen in sozialen Interaktionsprozessen.
  • Im Mittelpunkt des Inte- resses stehen also nicht Individuen, sondern inter- personale Beziehungen und soziale Transaktio- nen. Das gilt vor allem für die Systemische Thera- pie und Familientherapie der 1970er- und 1980er-Jahre, die psychische Störungen nur noch über Interaktionsmuster und Interaktionsstruk- turen verstand und über Eingriffe in diese Inter- aktionsmuster zu behandeln versuchte
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54
Q

Interpesonales Modell: Rolle des Index Patienten:

A
  • Diejenige Person, die auffälliges Verhalten oder Symptome zeigt, wird in der Rolle des „Index-Pa- tienten“ gesehen. Der „Index-Patient“ bekommt in der Familie diese Rolle zugeschrieben und über- nimmt sie, um das Beziehungsgleichgewicht der Familienmitglieder aufrechtzuerhalten. Betrachtet man nur den Einzelnen, erscheinen seine Sympto- me sinnlos. Im familiären Kontext werden sie da- gegen als sinnvoller Beitrag zur Stabilisierung des Familiensystems verständlich und erklärbar. In Abgrenzung vom Konzept der linearen Kausalität (z. B. des medizinischen Modells) richtet das inter- personale Modell das Augenmerk auf Muster von Beziehungen und Interaktionen und auf die Wech- selwirkungen zwischen dem Verhalten der intera- gierenden Personen (zirkuläre Kausalität).
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55
Q

Eng verbunden mit der Annahme einer zirkulären Kausalität ist die Annahme von der Selbstorgani- sation von Systemen: Sie besagt, dass:

A

Sie besagt, dass Beziehungs- systeme (wie auch andere „dynamische Systeme“) über die Zirkularität zur Selbstorganisation ihrer Strukturen in der Lage sind. Damit ist gemeint, dass Ordnung vor allem aufgrund von dem System inhärenten wechselseitigen Beziehungen entsteht. Ordnung wird demnach also nicht „von außen im- portiert, sondern von innen entfaltet“ (Kriz, 2007, S. 220). Darin lässt sich zweifellos eine Nähe des interpersonalen Modells zum humanistischen Mo- dell sehen (vgl. dazu auch Kriz, 2007, S. 159 f. und S. 236; Kriz, 2004).

56
Q

Die Konzentration auf Interaktionsmuster und (abstrakte) Interaktionsstrukturen hatte zur Folge, dass im interpersonalen Modell :

A

Die Konzentration auf Interaktionsmuster und (abstrakte) Interaktionsstrukturen hatte zur Folge, dass im interpersonalen Modell explizite anthro- pologische Annahmen zunächst fehlten. Inzwi- schen wird darauf verwiesen, dass sich das Men- schenbild des systemischen Ansatzes an existenzi- alphilosophischen und phänomenologischen Entwürfen orientiert. Auch das lässt sich als Hinweis auf die besondere Nähe zwischen dem systemischen und dem huma- nistischen Modell interpretieren.

57
Q

Umgang mit der Modellvielfalt:

A
  • Dass alle diese Modelle selektiv sind und in dem einen oder anderen Punkt nicht überzeugen, ist nicht zwangsläufig als Nachteil zu werten, solange man sich der Selektivität von Modellen bewusst bleibt und sich nicht starrsinnig und wider bes- seres Wissen von anderen Modellen abschottet. Die Alternativen zur Modellvielfalt dürften nicht wirklich attraktiv oder realistisch sein: Weder scheint es wünschenswert, die Vielfalt an Interpre- tations- und Behandlungsangeboten auf ein „Ein- heitsmodell“ einzugrenzen, noch denkbar, dass es nur ein einziges Verständnis von psychischen Stö- rungen und eine einzige anthropologische Annah- me geben könnte oder sollte.
58
Q

Was für Störungstheorien sind mit „klinisch-psychologischen Störungstheorien“ gemeint?

A

Mit „klinisch-psychologischen Störungstheorien“ sind Störungstheorien gemeint, die sich auf eines der klinisch-psychologischen Modelle beziehen oder beziehen lassen. Dabei soll hier den Überschneidun- gen zwischen den Modellen Rechnung getragen werden. Die klinisch-psychologischen Störungs- theorien werden daher nicht entlang der klinisch- psychologischen Modelle dargestellt, sondern zu größeren Theoriefamilien zusammengefasst, de- nen Theorien mit Zugehörigkeit zu unterschiedli- chen Modellen zugeordnet sein können.

59
Q

Die klinisch-psychologischen Störungstheorien, die im Folgenden dargestellt werden, unterschei- den sich in…

A

Die klinisch-psychologischen Störungstheorien, die im Folgenden dargestellt werden, unterschei- den sich nicht nur in ihren Annahmen, sondern auch in ihrem Geltungsanspruch.

60
Q

Die klinisch psychologischen Störungstheorien unterscheiden sich auch in ihrem Geltungsanspruch:

A

Einige von ihnen erheben den Anspruch, die Entstehung aller psy- chischen Störungen zu erklären (universelle Stö- rungstheorien), andere wieder wollen nur die Entstehung einer ganz bestimmten Störung erklä- ren (störungsspezifische Störungstheorien). Eini- ge der universellen Störungstheorien (wie z. B. die Psychoanalyse) differenzieren in ihren Erklärun- gen zwischen einzelnen Störungen – erklären also z. B. die Entstehung einer Persönlichkeitsstörung anders als die Entstehung einer Depression (uni- versal-differenzialätiologische Störungstheorien) –, in anderen (wie z. B. in der klientenzentrierten Störungstheorie von Rogers) wird ein und dieselbe Erklärung auf alle Störungen angewendet (univer- sal-nichtdifferenzielle Störungstheorien).

61
Q

Derzeit wird in der Klinischen Psychologie ….. Theorien mehr Aufmerksam- keit geschenkt als …..theorien. Das liegt u. a. daran, dass:

A

Derzeit wird in der Klinischen Psychologie störungsspezifischen Theorien mehr Aufmerksam- keit geschenkt als universellen Störungstheorien. Das liegt u. a. daran, dass man sich von ihnen so- wohl ein differenziertes Verständnis von psy- chischen Störungen als auch eine bessere Aufklä- rung über die Bedingungen der Entstehung von psychischen Störungen verspricht

62
Q

Psychoanalytische Theorien lassen sich in vier Gruppen einteilen: in

A

● die Triebpsychologie (die „klassische Psychoanalyse“),
● die Ich-Psychologie,
● die Objektbeziehungspsychologien und
- die Selbst-Psychologie

63
Q

Woran wird in allen vier Gruppen festgehalten?

Was wird in der Ich Psychologie neu bestimmt?

Die Ich-Psychologie, die Objektbezie- hungstheorien und die Selbst-Psychologie betonen den Stellenwert…

A

In allen vier Gruppen wird am strukturellen (oder auch „topografischen“) Modell der drei psy- chischen „Instanzen“ (Es, Ich und Über-Ich), am Konzept des Unbewussten und an der Überzeu- gung von der großen Bedeutung frühkindlicher Erfahrungen festgehalten. Schon beim späten Freud, vor allem aber in der Ich-Psychologie (Anna Freud, Heinz Hartmann, David Rapaport) werden die Funktionen des Ichs allerdings neu be- stimmt (s. u.) Die Ich-Psychologie, die Objektbezie- hungstheorien und die Selbst-Psychologie betonen den Stellenwert enger Be- ziehungen weit mehr als die „klassische“ Trieb- theorie, welche die Eigendynamik intrapsychischer Prozesse fokussierte. Dass zur „klassischen“ psy- choanalytischen Triebtheorie weitere Störungs- theorien dazukamen, bedeutet nicht, dass die Triebtheorie damit ganz aufgegeben worden wäre. Eher hat man sich die psychoanalytischen Stö- rungstheorien als ein Nebeneinan- der unterschiedlicher Perspektiven vorzustellen.

64
Q

Psychoanalytische Störungstheorien waren lange vor allem unter dem Begriff …. bekannt. Damit sollte ausgedrückt werden, dass…

A

Psychoanalytische Störungstheorien waren lange vor allem unter dem Begriff Neurosenlehre be- kannt. Damit sollte ausgedrückt werden, dass sich ihr Erklärungsanspruch nicht auf die Entstehung von Psychosen bezog.

65
Q

Die psychoanalytischen Störungstheorien erheben also den Anspruch:

Welchen Störungstheorien sind psychoanalytische Störungstheorien zuzuordnen?

A

Die psychoanalytischen Störungstheorien erheben also den Anspruch, die Entstehung aller psychischer Störungen – mit Ausnahme der Psy- chosen – erklären zu können. Da für die Entste- hung unterschiedlicher Störungen unterschiedli- che Erklärungen herangezogen werden, sind die psychoanalytischen Störungstheorien den univer- sal-differenzialätiologischen Störungstheorien zuzuordnen.

66
Q

lässt sich der Einfluss psychoanalytischer Störungstheorien auf die weitere Entwicklung von Störungstheorien doch auch positiv bestimmen:

A

Sie haben sowohl für die Bedeutung frühkindli- cher (Beziehungs-)Erfahrungen sensibilisiert als auch dafür, dass psychische Auffälligkeiten und Störungen auch als sinnvolle Antworten auf be- stimmte Erfahrungen und als nachvollziehbare Versuche der Angst- oder Schmerzvermeidung interpretiert werden können. So sind psycho- dynamische Erklärungen heute selbstverständli- cher Teil vieler multifaktorieller Erklärungsansätze

67
Q

Die Triebtheorie Freuds (auch Konflikttheorie oder Triebkonflikttheorie genannt), die als die Störungs- theorie der …. gilt, entstand als Weiterentwicklung der ursprünglichen ….. Diese nahm an, dass neurotische Störungen durch ….. Erfahrungen ausgelöst würden, die ins Unbewusste verdrängt werden.

A

Die Triebtheorie Freuds (auch Konflikttheorie oder Triebkonflikttheorie genannt), die als die Störungs- theorie der klassischen Psychoanalyse gilt, entstand als Weiterentwicklung der ursprünglichen Trauma- theorie. Diese nahm an, dass neurotische Störungen durch traumatische Erfahrungen ausgelöst würden, die ins Unbewusste verdrängt werden.

68
Q

In der Traumatheorie wurde davon aus- gegangen, dass :

Anders als in der Traumatheorie wird in der Triebtheorie angenommen, dass…

Eine Verdrängung ins unbewusste wird erforderlich, wenn…:

A

Die zentrale Annahme der Traumatheorie, dass die Verdrängung ins Unbewusste Grundlage aller Neurosen sei, wurde auch in der Triebtheorie bei- behalten. In der Traumatheorie wurde davon aus- gegangen, dass traumatische – auf objektiven Er- eignissen beruhende – Erfahrungen starke psy- chische Energien freisetzen, die „abgeführt“ wer- den wollen. Anders als in der Traumatheorie wird in der Triebtheorie angenommen, dass eine Ver- drängung ins Unbewusste auch dann erforderlich werden kann, wenn triebhafte Kräfte oder libidi- nöse Antriebe abgewehrt werden, weil sie in ei- nen Konflikt zu den der Trieberfüllung entgegen- stehenden Kräften geraten. Anders ausgedrückt: Eine Verdrängung ins Unbewusste wird erforderlich, wenn das Ich in einem Konflikt zwischen den triebhaften Kräften des Es und den in der Soziali- sation erworbenen Werten und Geboten des Über-Ichs steht.

69
Q

Mit triebhaften Kräften oder libidinösen Antrieben sind …. und … gemeint, die:

Wo werden sie nach Freud verortet?

A

Mit triebhaften Kräften oder libidinösen Antrieben sind Impulse und Bedürfnisse gemeint, die auf un- mittelbare Befriedigung drängen. Sie werden von Freud im Es verortet, das nach dem Lustprinzip funktioniert und die psychische Energie, Trieb- energie oder Libido umfasst, die menschliches Verhalten antreibt. Das Ich dagegen funktioniert nach dem Realitätsprinzip. Es bezieht also ein, dass Impulse nicht unbegrenzt ausgelebt werden können. Die dritte Instanz des „psychischen Appa- rats“ schließlich, das Über-Ich, enthält alle Regeln, Gebote, Werte und Normen, die man im Verlauf der Sozialisation übernommen hat.

70
Q

Dass es zwischen den drei Instanzen immer wie- der Konflikte gibt, ist nach Freud:

Was ist die Aufgabe des Ichs?

A

Dass es zwischen den drei Instanzen immer wie- der Konflikte gibt, ist nach Freud normal und un- vermeidbar. Diese Konflikte können bei den Be- troffenen aber mit Angst verbunden sein. Aufgabe des Ichs ist es daher, diese Angst abzuwehren. Da- zu verwendet es unterschiedliche Abwehrmecha- nismen

71
Q

Wozu dienen Abwehrmechanismen?

A

Abwehrmechanismen dienen dem Schutz des psychischen Gleichgewichts, ver- brauchen aber sehr viel psychische Energie und sind daher nicht immer erfolgreich. Missglückt die Abwehr, komme es zur Symptombildung.

72
Q

Was gilt nach Freud als die Grundlage aller klassischen Neurosen?

A

Unter den Abwehrmechanismen kommt der Ver- drängung – d. h. dem Fernhalten unerwünschter oder bedrohlicher Erfahrungen und Affekte aus dem Bewusstsein – nach Freud eine ganz besonde- re Bedeutung zu; sie gilt als Grundlage aller klas- sischen Neurosen. Zu diesen zählen (in heutiger Terminologie) Phobien, sonstige Angststörungen, Zwangsstörungen, Anpassungsstörungen, dissozia- tive Störungen und somatoforme Störungen.

73
Q

Die Entwicklung unterschiedlicher psychischer Störungen lässt sich nach der Triebtheorie u. a. damit erklären, dass…:

A

Die Entwicklung unterschiedlicher psychischer Störungen lässt sich nach der Triebtheorie u. a. da- mit erklären, dass in jeder Entwicklungsphase ganz bestimmte Konflikte zu bewältigen sind, die ganz bestimmte Verarbeitungen erfordern.

74
Q

Freud interessierte sich vor allem für die drei Phasen der ersten sechs Lebensjahre:
Verarbeitet ein Kind in einer bestimmten Entwicklungsphase auf- tretende Konflikte nicht angemessen, kann…:

A

Die Entwicklung unterschiedlicher psychischer Störungen lässt sich nach der Triebtheorie u. a. da- mit erklären, dass in jeder Entwicklungsphase ganz bestimmte Konflikte zu bewältigen sind, die ganz bestimmte Verarbeitungen erfordern. Freud interessierte sich vor allem für die drei Phasen der ersten sechs Lebensjahre: die orale, anale und phallische Phase. Wegen des noch schwachen, sich erst noch entwickelnden Ichs sei nämlich die- se Zeit für die Entstehung von Neurosen/psy- chischen Störungen entscheidend. Verarbeitet ein Kind in einer bestimmten Entwicklungsphase auf- tretende Konflikte nicht angemessen, kann es mit einer Fixierung auf die unbewältigten Konflikte reagieren (d.h., es bleibt unbewusst in der ent- sprechenden Phase „verhaftet“). Werden die frü- hen Konfliktmuster später in einer der primären Konfliktsituation ähnlichen Situation aktiviert, „regrediere“ der Erwachsene dann u.U. auf die Entwicklungsstufe dieser Fixierung.

75
Q

Ich-Psychologie:

A
  • verlagert sich die Aufmerksamkeit auf die autonomen – nicht durch Triebe kontrollierten – Ich-Funktionen: Bewusst- sein, Denken, Wahrnehmung, Sprache, Intention, Planung, Selbst-Objekt-Differenzierungen usw.
  • Das Verhältnis zwischen dem Individuum und sei- ner Umwelt wird nun nicht mehr auf die Lust-Un- lust-Ökonomie reduziert; dem Ich wird die Fähig- keit zur Realitätsprüfung und Konfliktlösung zuge- schrieben.
  • Die Entstehung psychischer Störungen wird als misslungene Realitätsbewältigung gese- hen, die sowohl auf Störungen in der Realität- sprüfung (z. B. aufgrund systematischer Wahrneh-mungs- oder Gedächtnislücken) als auch auf eine misslungene Konfliktlösung zurückgehen könne: z. B. wenn das Ich auf primitive statt auf reife Ab- wehrmechanismen (etwa auf Verleugnung statt auf Sublimierung) zurückgreife.
76
Q

Objektbeziehungstheorie:

A
  • Eine noch klarere Abkehr von der Triebtheorie als die Ich-Psychologie stellt die Objektbeziehungs- theorie dar.
  • Wie schon der Name sagt, hebt sie die Bedeutung von Beziehungen zu anderen Menschen bzw. – allgemeiner – zur Umgebung (zusammenge- fasst: zu anderen „Objekten“) hervor.
  • Besondere Be- deutung haben dabei die „Objektbeziehungen“ in der „präödipalen“ Phase der ersten drei Lebensjah- re.
77
Q

Besondere Be- deutung haben dabei die „Objektbeziehungen“ in der „präödipalen“ Phase der ersten drei Lebensjah- re. Die Vertreter dieser Theorie nehmen an, dass…

A

● Menschen vor allem an befriedigenden Bezie- hungen zu ihrer Umgebung und zu anderen Menschen interessiert sind,
● sich Selbst und Identität durch die intrapsy- chische Repräsentation der affektiven Beziehun- gen zu den Bezugspersonen (durch die Internali- sierung von „Objekten“ und „Objektbeziehun- gen“) bilden und
- dieWeichenfüreinegesundeoderpathologische Selbst- und Identitätsentwicklung und für die Fä- higkeit, stabile und befriedigende Beziehungen zu führen, schon über die Beziehungserfahrun- gen in den ersten Lebensjahren gestellt werden.

78
Q

Die Objektbeziehungstheorie konzentriert sich da- her vor allem auf :

A

Die Objektbeziehungstheorie konzentriert sich da- her vor allem auf psychische Störungen, die früh entstehen (frühe Störungen) und die mit grund- legenden Schwierigkeiten in zwischenmensch- lichen Beziehungen verbunden sind (wie z.B. die Borderline-Persönlichkeitsstörung oder die Nar- zisstische Persönlichkeitsstörung).

79
Q

Selbst-Psychologie: die von Heinz Kohut entwickelte Selbst-Psychologie geht davon aus, dass:

A

die von Heinz Kohut entwickelte Selbst-Psychologie geht davon aus, dass das zentrale Motiv des Menschen die Verwirklichung des Selbst sei. Auch dafür sind die Beziehungserfahrungen in den ersten Lebensjah- ren von entscheidender Bedeutung. Durch den Stellenwert, den Kohut der Verwirklichung des Selbst gibt und seine Annahme, dass für die Ent- wicklung eines kohärenten Selbst eine einfühl- same, akzeptierende Bezugsperson gebraucht wird, weist die Selbst-Psychologie große Ähnlich- keiten mit der Störungstheorie von Rogers auf

80
Q

Selbst Psychologie: gesunder Narzissmus und pathologischer Narzissmus:

A

Unter günstigen Bedingungen entwickle sich ein gesunder Narzissmus, der durch ein kohärentes Selbst gekennzeichnet sei. Werden die Bedürfnisse des Kindes nach Akzeptanz nicht erfüllt, entwickle sich ein pathologischer Narzissmus.

81
Q

Auch die Selbst-Psychologie versucht also vor allem, die Entstehung früher Störungen zu erklären:

A

So wer- den z.B. das übertriebene Selbstwertgefühl, das Bedürfnis nach ständiger Bewunderung und der ausgeprägte Mangel an Einfühlungsvermögen, die für die narzisstische Persönlichkeitsstörung symp- tomatisch sind, als Selbst-Defekte interpretiert, die aufgrund traumatischer Beziehungserfahrun- gen in den ersten Lebensjahren entstanden sind.

82
Q

Kognitiv-behaviorale Störungstheorien:

A
  • mittlerweile wird inzwischen nur noch selten auf verhaltenstheoretische Störungs- theorien allein Bezug genommen.
  • So faszinierend es zunächst schien, die Prinzipien der klassischen und operanten Konditionierung auch auf die Erklä- rung der Entstehung psychischer Störungen anzu- wenden, zeigte sich doch bald, dass Störungstheo- rien, die sich auf in Laborexperimenten überprüften Konditionierungsprinzipien stützen, für die klinische Praxis wenig Aussagewert hatten.
83
Q

kognitiv behaviorale Störungstheorien: Au- ßerdem ließ sich die Position des Behaviorismus nicht durchhalten:

A

weil Menschen eben nicht nur durch äußere Bedingungen bestimmt werden, sondern zielgerichtet handeln, Pläne und Erwar- tungen haben und ihrem Verhalten Sinn und Be- deutung geben. So beeindrucken die Theorien von Pawlow, Watson, Wolpe, Eysenck oder Skinner heute kaum noch als Störungstheorien; sie haben aber dazu angeregt, bei der Erklärung der Entste- hung psychischer Störungen auch auf kontextuelle und biologische Bedingungen zu achten.

84
Q

Als besondere Kennzeichen der kognitiv-behavioralen Störungstheorien gelten heute :

A

Als besondere Kennzeichen der kognitiv-behavio- ralen Störungstheorien gelten heute ihre Störungs- spezifität und ihr Interesse an den Bedingungen, durch die eine Störung aufrechterhalten wird (den aufrechterhaltenden Bedingungen). Selbstver- ständlich werden auch Prädispositionen und aus- lösende Bedingungen berücksichtigt; die Fokussie- rung auf die eine Störung aufrechterhaltenden Be- dingungen erklärt sich aber dadurch, dass man über sie weit mehr weiß als über pathogene Ent- wicklungen und dass hier der Ansatzpunkt für the- rapeutischeVeränderungenliegt

85
Q

Die Störungstheorie von Ellis: Welcher Verdienst wird Ellis zugeschrieben?

A

die his- torisch älteste kognitive Störungstheorie, die Stö- rungstheorie von Albert Ellis, bereits parallel zur Verhaltenstherapie der 1950er-Jahre entwickelt worden. Ellis wird daher das Verdienst zugeschrie- ben, eine „Alternative zur Psychoanalyse ent- wickelt zu haben, ohne dem stark behavioristi- schen Dogmatismus der frühen Verhaltenstherapie durch Wolpe, Eysenck und Skinner verfallen zu sein …“ und „die späteren kognitiven Erweiterun- gen und Modifikationen verhaltenstheoretischer Ansätze um mehr als ein Jahrzehnt vorweggenom- men“ zu haben

86
Q

Albert Ellis: Er ging mit sei- ner Störungstheorie in vehemente Abgrenzung zur..?

A

Er ging mit sei- ner Störungstheorie in vehemente Abgrenzung zur Psychoanalyse. Zwar hatte er eine psychoanalyti- sche Ausbildung absolviert, distanzierte sich aber schon bald von der Psychoanalyse und entwickelte die Rational-emotive Therapie. Ihre Verbreitung hatte sie u. a. dem Umstand zu verdanken, dass El- lis wegen seiner Kritik an der Psychoanalyse von Eysenck unterstützt und gefördert wurde.

87
Q

Bei der Entwicklung seiner Störungstheorie ging El- lis davon aus, dass für die Genese und Aufrecht- erhaltung psychischer Störungen …… verantwortlich seien. Diese bestimmen nach Ellis…?

A

Bei der Entwicklung seiner Störungstheorie ging El- lis davon aus, dass für die Genese und Aufrecht- erhaltung psychischer Störungen dysfunktionale kognitive Prozesse – also irrationale Überzeugun-gen und irrationale Überzeugungssysteme – verant- wortlich seien. Diese dysfunktionalen Denkge- wohnheiten bestimmen nach Ellis, welche emotio- nalen Konsequenzen eine bestimmte Erfahrung hat.

88
Q

Wie viele Elemente hat die Theorie von Ellis und wird deswegen ….. Theorie bezeichnet?

A

Seine Theorie hat drei Elemente und wird daher auch als ABC-Theorie oder ABC-Schema bezeichnet.

89
Q

ABC Theorie:

A

Während sich die klassische Lerntheorie nur für die Auswirkungen von „A“ (= activating event) auf „C“ (= consequences) interessieren würde, also dafür, wie sich eine bestimmte Erfahrung auf das Verhal- ten und Erleben auswirkt (z.B. wie ein Misserfolg bei einer Prüfung zu einer depressiven Verstim- mung führt), ist die Annahme, dass A zu C führt, nach Ellis falsch. Richtig sei vielmehr, dass die äuße- ren Ereignisse die Gefühle und das Verhalten nicht direkt, sondern indirekt über „B“ (= belief system) vermittelt, verursachen. Nach Ellis sind es demnach nicht die Ereignisse, die bestimmte Emotionen her- vorrufen, sondern die durch die Ereignisse aus- gelösten Überzeugungen

90
Q

Was können die Überzeugungen nach Ellis beides sein? Was stellen diese Überzeugungen für ihn dar? Wie viele Überzeugungen sind für die Entstehung von Störungen relevant?

A

Diese Überzeugungen können rational (wenn sie dem beobachtbaren Ereignis angemessen und lo- gisch nachvollziehbar sind) oder irrational sein. Ir- rationale Überzeugungen stellen für Ellis sowohl Ursachen als auch aufrechterhaltende Faktoren von psychischen Störungen dar. Seiner Meinung nach sind vor allem elf irrationale Überzeugungen für die Entstehung von Störungen relevant. Dabei erhebt er nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und er weist darauf hin, dass ir- rationale Ideen sich überschneiden können.

91
Q

Irrationale Überzeugungen bzw. Überzeugungssys- teme werden nach Ellis bereits in der …. erworben. Das Hauptproblem sei aber darin zu se- hen, dass…?

A

Irrationale Überzeugungen bzw. Überzeugungssys- teme werden nach Ellis bereits in der Sozialisation erworben. Das Hauptproblem sei aber darin zu se- hen, dass Menschen sich mit diesen Überzeugun- gen immer wieder selbst „reindoktrinieren“: Sie reagieren auf ihre irrationalen Ideen so, als wären diese Ideen Eigenschaften der vorausgegangenen Ereignisse, und interpretieren ihre Reaktionen als Beweise („Verstärker“) für die Richtigkeit ihrer ir- rationalen Überzeugungen.

92
Q

Kognitive Theorie der Depression von Beck: Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Beck und Ellis

A
  • Wie Ellis geht auch Beck davon aus, dass Gefühle vor allem durch Gedanken bestimmt werden und dass psychische Probleme/Störungen ihre Ursachen in dysfunktionalen Kognitionen haben.
  • Im Unter- schied zu Ellis hat Beck aber seine Theorie störungs- spezifisch entwickelt: als Kognitive Theorie der De- pression. Auch heute noch ist mit der „Kognitiven Theorie und Therapie nach Beck“ meist seine Kogni- tive Theorie und Therapie der Depression gemeint, obwohl er spä- ter seine Theorie auch auf Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen (Beck & Freeman, 1993) erweitert hat. Die folgende Darstel- lung bezieht sich daher ebenfalls nur auf Becks Theorie der Depression.
93
Q

Basis jeder Depression sind nach Beck:

A

Basis jeder Depression sind nach Beck dysfunktio- nale kognitive Schemata, die aufgrund früherer belastender Erfahrungen wie Verlust, Ablehnung oder Zurückweisung entstanden sind.

94
Q

Kognitive Schemata sind als was zu sehen? Wodurch werden dysfunktionale kognitive Schemata aktiviert?

A

Kognitive Schemata sind als relativ stabile Muster der selek- tiven Wahrnehmung, Kodierung und Bewertung von Informationen und Erfahrungen zu sehen. Dysfunktionale kognitive Schemata werden vor al- lem durch Belastungen mit einem Bezug zur ur- sprünglichen Belastungserfahrung aktiviert (wenn also z. B. wieder Verlusterfahrungen gemacht oder Kränkungen erlebt werden).

95
Q

Was ist nach Beck die kognitive Triade ?

A

Die Aktivierung der Schemata äußert sich in einer für Depressive typi- schen negativen Sicht der eigenen Person, der Welt und der Zukunft („kognitive Triade“). Die kognitive Triade der Depression ist nach Beck Produkt des Zusammenwirkens einer selektiven Aufmerksamkeit gegenüber negativen Informa- tionen und Erfahrungen sowie einer verzerren- den Informationsverarbeitung, den kognitiven Fehlern

96
Q

Beck: Die selektive Wahrnehmung und die kognitiven Fehler führen dazu, dass …

Was spielt nach Beck dabei eine besondere Rolle?

A

Die selektive Wahrnehmung und die kognitiven Fehler führen dazu, dass im Laufe der Zeit immer mehr Ereignisse als Auslöser für die Aktivierung der negativen Schemata dienen. Dabei spielen nach Beck automatische Gedanken eine besondere Rol- le.

97
Q

Wobei handelt es sich nach Beck bei automatischen Gedanken?Wozu führen sie?

A

Hierbei handelt es sich um Gedanken, die sich unabsichtlich und sehr rasch einstellen und die für den Betroffenen sehr plausibel wirken. Da sie von dysfunktionalen Grundüberzeugungen („Grund- annahmen“, „Regeln“, „Oberplänen“, „Beliefs“) ge- steuert werden, gelten die automatischen Gedan- ken als subjektiv schwer kontrollier- und wahr- nehmbar. Ein Beispiel ist die rigide Erwartung, dass alles, was andere tun, die eigene Abwertung zum Ziel hat. Da es sich bei den automatischen Gedan- ken meistens um negativ verzerrende Gedanken im Sinne der genannten kognitiven Fehler handelt, reaktivieren sie diejenigen negativen Affekte, die bei der Entstehung des depressiven Schemas aktiv waren. Sie führen also zu Niedergeschlagenheit, Traurigkeit und Enttäuschung. Das wiederum be- stätigt die negativen kognitiven Schemata im Sinne eines „Teufelskreises“, was dann weitere negative Affekte auslöst und zur weiteren Bestätigung der negativen kognitiven Schemata führt.

98
Q

Interpersonale Störungs- theorien: Wenn im Folgenden als Beispiele für interpersona- le Störungstheorien mit den Störungstheorien von Rogers und Bowlby zwei Theorien dargestellt wer- den, die auch dem humanistischen bzw. dem psy- choanalytischen Modell zugeordnet werden könn- ten, so deshalb, weil es sinnvoller erscheint, ihre Gemeinsamkeiten zu betonen als ihre Unterschie- de:

A

In beiden Theorien wird interpersonalen Be- ziehungen ein zentraler Stellenwert für die Entste- hung psychischer Störungen beigemessen und bei- de stehen in kritischer Distanz zum medizini- schen Modell psychischer Störungen und zum Konzept einer linearen Kausalität

99
Q

Interpersonale Störungs- theorien:
Zu beachten ist, dass „interpersonal“ hier eine an- dere Bedeutung hat als dort, wo vom interper- sonalen Modell die Rede ist: Kennzeichnend für das interpersonale Modell ist das …?

A

Kennzeichnend für das interpersonale Modell ist das ausschließliche Interesse an kommunikativen Mustern und an den Wechselwirkungen zwischen dem Verhalten der interagierenden Personen. Eine solche Konzentration nur auf kommunikative Muster lässt sich im Rahmen von Störungstheorien schwer durchhalten. Zwar hat die Systemische Therapie den üblichen Störungstheorien das Konzept des problemdeterminierten Systems bzw. des Pro- blemsystems entgegensetzt und damit die Suche nach linear-kausalen Ursache-Wirkung-Erklärun- gen durch die Annahme von zirkulären Wechsel- wirkungen zwischen Problem und sozialem Kon- text ersetzt. Andererseits schenkt man in der Systemischen Therapie inzwischen auch in- neren Prozessen stärkere Beachtung und bezieht sich dabei explizit auf die Bindungstheorie von Bowlby. So ist sogar schon von einer „Integration der Bindungstheorie“ in die Systemische Therapie die Rede

100
Q

Die Störungstheorie von Rogers: Wie bereits erwähnt, sieht Rogers psychische Beeinträchtigungen und psychische Störungen als?

A

Wie bereits erwähnt, sieht Rogers psychische Beeinträchtigungen und psychische Störungen als Ausdruck und Folge dessen, dass je- mand einen Teil seiner Erfahrungen verzerrt wahrnimmt oder nicht zulässt, um das Bild, das er von sich hat – sein Selbst-(Konzept) – aufrecht- erhalten zu können.

101
Q

Rogers: Störungen werden also als … gese- hen

A

Störungen werden also als In- kongruenz zwischen Selbst und Erfahrung gese- hen, als Widerspruch zwischen dem wahrgenom- menen Selbst und der Erfahrung des Organismus. (Jemand nimmt sich also z. B. als zugewandt wahr, obwohl er eigentlich gerade aggressiv ist.)

102
Q

Rogers: Als was ist Organismus zu verstehen?

A

„Orga- nismus“ ist psychologisch als ein „Ort“ zu verste- hen, der alle bewussten, aber auch die dem Be- wusstsein potenziell zugänglichen Wahrnehmun- gen beinhaltet. Diese Gesamtheit aller Wahrneh- mungen konstituiert den inneren Bezugsrahmen eines Individuums: die subjektive Welt, die nur das Individuum selbst vollständig kennen kann, die anderen daher immer nur annäherungsweise zugänglich ist.

103
Q

Rogers geht davon aus, dass der Organismus …Wie bezeichnet er diese Tendenz und was ist sie?

A

Rogers geht davon aus, dass der Organismus die Tendenz hat, alle seine Möglichkeiten zu ent- wickeln, „und zwar so, dass sie der Erhaltung oder Förderung des Organismus dienen“. Diese Tendenz bezeichnet er als Aktualisie- rungstendenz; sie ist das axiomatische Kernkon- zept von Rogers’ Theorie. Ein Subsystem dieser Ak- tualisierungstendenz ist die Tendenz zur Selbst- aktualisierung: die Tendenz, das eigene Selbst zu entwickeln und aufrechtzuerhalten.

104
Q

Rogers: Die an sich sinnvolle Tendenz, das Selbst nicht nur zu entwickeln und zu verändern, sondern auch aufrechtzuerhalten (was die Orientierung in der Welt erleichtert), kann dann zum Problem werden, wenn

A

Die an sich sinnvolle Tendenz, das Selbst nicht nur zu entwickeln und zu verändern, sondern auch aufrechtzuerhalten (was die Orientierung in der Welt erleichtert), kann dann zum Problem werden, wenn Erfahrungen nicht korrekt im Selbstkonzept symbolisiert sind. Dann kann es zu einer Spaltung zwischen der Selbstaktualisierungstendenz und der Aktualisierungstendenz kommen: Erfahrun- gen werden dann nicht mehr danach bewertet, ob sie der Erhaltung und Entwicklung des Organis- mus dienen, sondern danach, ob sie das Selbstkon- zept bestätigen.

105
Q

Bei der Entstehung von psychischen Störungen spielen aber nach Rogers nicht nur intrapersonale Bedingungen eine Rolle, sondern auch interper- sonale Bedingungen: Zur Verzerrung oder Ver- leugnung von Erfahrungen kommt es, weil ?

A

Zur Verzerrung oder Ver- leugnung von Erfahrungen kommt es, weil in das Selbstkonzept auch Bewertungen aufgenommen werden, die das Kind durch wichtige andere Per- sonen erfährt. Das ergibt sich aus dem Bedürfnis nach Wertschätzung (need for positive regard) bzw. – in einer ebenfalls üblichen Übersetzung – aus dem Bedürfnis nach positiver Beachtung, das u.U. von größerer Bedeutung sein könne als die Aktualisierungstendenz.

106
Q

Rogers: Wird dieses Bedürfnis nach Wertschätzung nur unter bestimmten Bedin- gungen befriedigt, erfährt also das Kind etwa nur dann Liebe und Anerkennung, wenn es sich ganz so verhält, wie es den Vorstellungen der Eltern entspricht, dann kann ?

Was meint Rogers mit der “grundlegenden Entfremdung im Menschen?”

A

Wird dieses Bedürfnis nach Wertschätzung nur unter bestimmten Bedin- gungen befriedigt, erfährt also das Kind etwa nur dann Liebe und Anerkennung, wenn es sich ganz so verhält, wie es den Vorstellungen der Eltern entspricht, kann die organismische Bewertung von Erfahrungen durch „fremde“ Bewertungen gestört oder dominiert werden. Erfahrungen wer- den dann nach den von anderen übernommenen Bewertungen ausgewählt und bewertet und ent- weder verzerrt oder gar nicht in das Selbstkon- zept eingearbeitet. So entwickeln sich Inkongru- enzen zwischen dem wahrgenommenen Selbst und den Erfahrungen des Organismus. Wer z.B. wütend ist, aber das Selbstbild eines friedfertigen Menschen aufrechterhalten will und außerdem zu wissen glaubt, dass er nur geliebt wird, wenn er friedfertig ist, verbirgt dann also seine Wut nicht nur, er gestattet sich nicht einmal, sich wenigstens selbst als wütend wahrzunehmen. In dieser Inkon- gruenz zwischen Selbst und Erfahrung sieht Ro- gers die „grundlegende Entfremdung im Men- schen“

107
Q

Inkongruenz zwischen … und …. ist nach Rogers zwar Grundlage von psychischen Stö- rungen, muss aber nicht zwangsläufig zu einer führen.Ähnlich wie Freud Konflikte als unausweichlich ansieht, ist für Rogers :

A

Inkongruenz zwischen Selbst und Erfahrung ist nach Rogers zwar Grundlage von psychischen Stö- rungen, muss aber nicht zwangsläufig zu psy- chischen Störungen, führen. Ähnlich wie Freud Konflikte als unausweichlich ansieht, ist für Rogers vollständige Kongruenz zwischen Selbst und Er- fahrung zwar theoretisch denkbar (das wäre dann die fully functioning person; Rogers, 1987, S. 59 f.), in der Praxis aber nie gegeben.

108
Q

Rogers: Er unter- scheidet allerdings zwischen unterschiedlichen Graden der Beeinträchtigung durch Inkongruen- zen: Jemand ist in Rogers’ Terminologie verletz- lich, wenn :

Wann kommt es zur Desorganisation?

A

Jemand ist in Rogers’ Terminologie verletz- lich, wenn er sich der Inkongruenz gar nicht be- wusst ist. Nimmt er die Inkongruenz unterschwel- lig war, empfindet er Angst: Das Ausmaß der Angst ist dabei vom Ausmaß der Bedrohung des Selbst abhängig. Lässt sich die bedrohliche Erfah- rung gar nicht mehr abwehren und tritt sie zusätz- lich sehr plötzlich oder deutlich in Erscheinung, zerbreche das Selbst und es komme zur Desorga- nisation.

109
Q

Als prototypisches Beispiel für eine sol- che Desorganisation nennt Rogers :

A

den psycho- tischen Zusammenbruch. Das ist übrigens die ein- zige differenzialätiologische Aussage in Rogers’ Störungstheorie.

110
Q

Wozwischen differenziert Rogers?

A

Er differenziert nur zwischen
● Störungen, die sich bei noch irgendwie funktio- nierender Abwehr entwickeln, sodass die Symp- tome als Ausdruck dieser Abwehr verstehbar sind, und
● akut-psychotischen Zuständen, bei denen das Verhalten weder für den Betreffenden selbst noch für andere verstehbar und vorhersehbar ist.

111
Q

Die Bindungstheorie von Bowlby: Was wird in dieser Theorie die Hauptrolle bei der Entstehung psychischer Störungen zugeschrieben? Was wird als der Ort der Entstehung psychischer Störungen gesehen?

A

wird in der Bin- dungstheorie von Bowlby den Beziehungserfah-rungen der frühen Kindheit die Hauptrolle bei der Entstehung psychischer Störungen zugeschrieben. Störungen in den frühen Sozialbeziehungen wer- den als der Ort der Entstehung psychischer Störun- gen gesehen, und die Muster und Mechanismen der frühen Kind-Umwelt-Interaktionen stehen da- her ganz im Zentrum der Bindungstheorie.

112
Q

Was hat nach Bowlby Überlebensfunktion und was ist angeboren?

A

Bowlby geht davon aus, dass Bindungen grund- legende Überlebensfunktion haben und dass das „absolute Bedürfnis von Säuglingen und Kleinkin- dern nach der kontinuierlichen Zuwendung der Mutter“ angeboren sei.

113
Q

Bowlby: Was meint Bindung und was geschieht wenn diese nicht garantiert werden kann?

A

Bin- dung meint „einen emotionalen Kern gefühlter Si- cherheit und wahrgenommenen Schutzes vor Ge- fahr in Gegenwart der Bindungsperson“ (Schmidt & Strauß, 1996, S. 141). Ist die Nähe oder Erreich- barkeit der Bindungsperson nicht garantiert, wird das Kind Bindungsverhalten zeigen, d. h.: Es wird sein Verhalten darauf ausrichten, die Nähe bzw. Er- reichbarkeit der Betreuungsperson wiederherzu- stellen (z. B. durch Weinen, Nachlaufen etc.).

114
Q

Bowlby: Das innere Arbeitsmodell

A
  • Aus den Erfahrungen, die das Kind mit der Person/ den Personen macht, die es betreut bzw. betreuen, entwickelt das Kind ein inneres Arbeitsmodell Damit ist die innere Repräsentation der bindungs- relevanten Erfahrungen, der Bindungspersonen und des eigenen Selbst in der Beziehung zu den Bindungspersonen gemeint.
  • Das innere Arbeits- modell hilft dem Kind, sich an die jeweiligen äuße- ren Bedingungen anzupassen, sich darauf ein- zustellen, wie seine Bindungspersonen auf sein Bindungsverhalten reagieren werden.
115
Q

Bowlby: Prozess des Aufbaus einer Bindungsbeziehung: und sichere Bindungen

A

Denn der Aufbau einer Bindungsbeziehung wird als dyna- mischer und wechselseitiger Prozess gesehen, für den das Zusammenspiel von Kind und Bindungs- person entscheidend sei. Hier kommt der Feinfüh- ligkeit (sensitive responsiveness) der Bindungs- person eine ganz besondere Rolle zu: Zu einer si- cheren Bindung wird es nur kommen, wenn sich die Bindungsperson in feinfühliger, verlässlicher und stabiler Weise um das Kind sorgt.

116
Q

Bowlby nimmt an, dass sich frühe Bindungserfahrungen auf …….. auswirken.

A

Bowlby nimmt an, dass frühe Bindungserfahrun- gen sich sowohl auf die Entwicklung des Selbst- wertgefühls als auch auf den Umgang mit eigenen Gefühlen und das spätere Sozialverhalten, vor al- lem auf enge Beziehungen auswirken.

117
Q

Bowlby: Mangelnde Erfahrung an Sicherheit und Folgen

A

So habe eine mangelnde Erfahrung an Sicherheit in der frühen Kindheit ein negatives Selbstwertgefühl, Probleme bei der Regulierung der eigenen Emotionen und gestörte Beziehungen zur Folge.

118
Q

Das Konzept des inneren Arbeitsmodells weist Ähn- lichkeiten zum Selbstkonzept in der ….. Störungstheorie auf, aber auch zu Konzepten der ….. Störungstheorien. Unübersehbar ist die Her- kunft der Bindungstheorie aus der:

A

Das Konzept des inneren Arbeitsmodells weist Ähn- lichkeiten zum Selbstkonzept in der klientenzen- trierten Störungstheorie auf, aber auch zu Konzepten der kognitiven Störungstheorien. Unübersehbar ist die Her- kunft der Bindungstheorie aus der Psychoanalyse. Hatten die Vertreter der traditionellen Psycho- analyse ursprünglich negativ auf die Bindungstheorie reagiert, so wird inzwischen die Nähe der Bindungs- theorie zur Psychoanalyse – vor allem die Nähe zu denObjektbeziehungstheorien(s.S. 70f.)–betont.

119
Q

Akzeptanz der Bindungstheorie durch die aka- demische Psychologie:

A

▶ Dass die Bindungstheorie inzwischen eine wichtige Rolle in der akademi-
schen Psychologie spielt, hat vermutlich genau mit den Aspekten zu tun, die ursprünglich von den Vertretern der traditionellen Psychoanalyse kriti- siert wurden (vgl. z.B. Strauß & Schmidt, 1997): Bowlby betonte die Bedeutung von Verhaltens- beobachtung und biologischen Faktoren und for- derte die Berücksichtigung der äußeren Realität.

120
Q

Entstehungsbedingun- gen und Verlauf psychischer Störungen: Integrative Modelle:

A
  • Integrative Modelle finden derzeit in der Kli- nischen Psychologie besonders viel Beachtung. Ihre positive Bewertung ergibt sich aus ihrer Nä- he zum biopsychosozialen Rahmenmodell und aus dem Gewicht, das sie empirischen Befunden beimessen.
  • Integrative Modelle machen Aus- sagen zu den Bedingungen, die für die Entwick- lung psychischer Störungen relevant sein kön- nen, und zu den Variablen und Prozessen, die da- rüber entscheiden, ob Risikofaktoren zu psy- chischen Störungen führen oder nicht.
  • Modellen, die sich schwerpunktmäßig auf die Bedingungen konzentrieren, die zu psychischen Störungen füh- ren, und damit störungs- und defizitorientiert bleiben, stehen Modelle gegenüber, die von einem dynamischen Wechselspiel zwischen Risi- ko- und Schutzfaktoren ausgehen und sich auch für positive Entwicklungsverläufe interessieren
121
Q

Integrative Modelle: Die zunehmende kritische Haltung gegenüber der Einseitigkeit von „Therapieschulen“ hat dazu ge- führt, dass:

Welchem Rahmenmodell stehen sie nahe`

A

Die zunehmende kritische Haltung gegenüber der Einseitigkeit von „Therapieschulen“ hat dazu ge- führt, dass in letzter Zeit immer mehr integrative oder multifaktorielle Modelle entwickelt wurden. Sie erheben den Anspruch, unterschiedliche Per- spektiven zusammenzubringen und die Entste- hung und den Verlauf psychischer Störungen als Zusammenwirken von biologischen, psychologi- schen und sozialen Faktoren (also multifaktoriell) zu erklären; damit stehen sie dem biopsychosozia- len Rahmenmodell (s.S. 41 ff.) nahe. Außerdem erheben sie den Anspruch, den aktuellen Stand des Wissens über die Bedingungen der Entstehung und Aufrechterhaltung einer bestimmten psy- chischen Störung zusammenzufassen und dabei möglichst alle Annahmen zu berücksichtigen, zu denen es empirische Befunde gibt.

122
Q

Das Vulnerabilitäts-Stress- Modell: Das Vulnerabi- litäts-Stress-Modell geht davon aus, dass

A
  • Die meisten integrativen Modelle sind Varianten des Vulnerabilitäts-Stress-Modells. Das Vulnerabi- litäts-Stress-Modell geht davon aus, dass es nur dann zu psychischen Störungen kommt, wenn dafür eine biologische Disposition oder eine genetisch und/oder biografisch erworbe- ne Verletzlichkeit (Vulnerabilität) vorliegt und wenn zusätzlich besondere Belastungen gegeben sind.
123
Q

Die drei entscheidenden Grundannahmen des Vulnerabilitäts-Stress-Modells lauten:

A

● WederbiologischeundgenetischeFaktorennoch Belastungen allein führen zu psychischen Stö- rungen.
● Biologische und genetische Faktoren machen höchstens anfällig für psychische Störungen.
● Belastungen führen nur dann zu psychischen Störungen, wenn vorher schon eine erhöhte An- fälligkeit für psychische Störungen gegeben ist.

124
Q

Entwicklungs- psychopathologie: ▶ Themen und Grundannahmen.

A

Die Integrati- onsleistung der Entwicklungspsychopathologie be- zieht sich weniger auf die Integration der klinisch- psychologischen Modelle als auf die Integration von Annahmen und Erkenntnissen aus Klinischer Psychologie und Entwicklungspsychologie; außer- dem berücksichtigt sie Erkenntnisse der Neurobio- logie, Neuropsychologie, Humangenetik und Sozi- alpsychologie. Sie will Risiko- und Schutzfaktoren im Entwicklungsverlauf identifizieren und die Ursachen von Entwicklungsabweichungen er- klären.

125
Q

Entwicklungspsychopathologie: Ihr Interesse gilt: (5 Aspekte)

A

● den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwi-
schen der „normalen“ Entwicklung und abwei-
chenden Entwicklungsverläufen,
● den Wechselwirkungen zwischen der „norma-
len“ Entwicklung und abweichendem Verhalten,
● der Identifikation und Analyse negativer (= Risi- kofaktoren) bzw. positiver Einflüsse (=Schutz-
faktoren) auf die Entwicklung,
● dem Zusammenwirken von Risiko- und Schutz-
faktoren über den Entwicklungsverlauf und
● den Mechanismen und Prozessen, die darüber entscheiden, ob Risikofaktoren zu psychischen Störungen führen oder nicht .

126
Q

Die Entwicklungspsychopathologie geht davon aus, dass ?

A

Die Entwicklungspsychopathologie geht davon aus, dass psychopathologische Symptome vorüberge- hende Störungen der Anpassung sein können, zu denen es aufgrund bestimmter Entwicklungsauf- gaben oder kritischer Lebensereignisse kommt, und dass zu ihrem Verständnis die situativen Rahmen- bedingungen bekannt sein müssen. Sie fragt also nach den Funktionen und dem kontextuellen Sinn von Symptomen und distanziert sich damit aus- drücklich vom „Klinischen Blick“

127
Q

Entwicklungspsychopathologie: faktoren im konkreten Einzelfall auswirken, sei u. a. davon abhängig: (4 Aspekte)

A

● wie viele Faktoren vorliegen,
● ob sie vorübergehend oder anhaltend einwir-
ken,
● in welchem Entwicklungsstadium sich die be-
treffende Person gerade befindet und
● wie hoch die Vulnerabilität oder die Resilienz
der betreffenden Person ist (s. u.).

128
Q

Aus Sicht der Entwicklungspsychopathologie ist es deshalb wenig sinnvoll:

A

Aus Sicht der Entwicklungspsychopathologie ist es deshalb wenig sinnvoll, nach allgemeinen Erklä- rungen für die Entstehung psychischer Störungen zu suchen.

129
Q

Entwicklungspsychopathologie: Risiko- und Schutzfaktoren, Vulnerabilität und Resilienz. Als Risikofaktoren werden Bedingun- gen bezeichnet, die :
Schutzfaktoren können:

A

Risiko- und Schutzfaktoren, Vulnerabilität und Resilienz. Als Risikofaktoren werden Bedingun- gen bezeichnet, die die Wahrscheinlichkeit einer Abweichung von „normalen“ Entwicklungsverläu- fen erhöhen. Schutzfaktoren können die Wirkung von Risikofaktoren abmildern oder aufheben.

130
Q

Entwicklungspsychopathologie: Zu den Risiko- und Schutzfaktoren zählen

A

Zu den Risiko- und Schutzfaktoren zählen sowohl dis- ponierende Bedingungen (z. B. Temperament, in- tellektuelle Fähigkeiten und überdauernde Persön- lichkeitsmerkmale, genetische und biologische Faktoren) als auch psychosoziale Faktoren (z. B. sozioökonomischer Status, Bedingungen der früh- kindlichen Entwicklung, Familienklima, Eigen- schaften und Fähigkeiten von Bezugspersonen).

131
Q

Die Entwicklungspsychopathologie betont noch deutlicher als das Vulnerabilitäts-Stress-Modell, dass :

A

Die Entwicklungspsychopathologie betont noch deutlicher als das Vulnerabilitäts-Stress-Modell, dass Vulnerabilität nur potenziell störungsrelevant ist: Auch wenn Risikofaktoren umso eher eine Chance haben, ungünstig wirksam zu werden, je höher die Vulnerabilität ist, heißt das nicht, dass sie zwangsläufig wirksam werden.

132
Q

Mindestens genauso interessant wie die Vulnera- bilität ist für die Entwicklungspsychopathologie die Resilienz, d. h:

A

Mindestens genauso interessant wie die Vulnera- bilität ist für die Entwicklungspsychopathologie die Resilienz, d. h. die „Widerstandsfähigkeit gegen den Einfluß von Risikofaktoren“ oder – anders ausgedrückt – „die Fähigkeit, internale und externale Ressourcen erfolgreich zu nutzen“

133
Q

Entwicklungspsychopathologie: Wie ist Resilienz konzipiert?

A

Resilienz ist – ähnlich wie die Vulnerabilität – als Zusammenwirken (internaler) biologischer (z. B. körperliche Gesundheit) und psychologischer Be- dingungen (z.B. bisherige Erfahrungen in der In- teraktion mit anderen) konzipiert. Resilienz darf nicht als stabiles Persönlichkeitsmerkmal missver- standen werden; sie kann über die Zeit und über verschiedene Situationen variieren.

134
Q

Das Kausalitätsverständnis der Entwicklungs- psychopathologie: DieEntwicklungspsychopatho- logie folgt dem Anspruch des „….modells“. Sie geht davon aus, dass…

A

DieEntwicklungspsychopatho- logie folgt dem Anspruch des „Transaktions- modells“. Sie geht davon aus, dass Men- schen aktiv handelnde Subjekte sind, ihre Umwelt auch selbst gestalten und verändern und dass da- bei ihre Emotionen und ihr Bild über sich selbst eine wichtige Rolle spielen.

135
Q

Die Entwicklungspsychopathologie distanziert sich klar vom :

Unterschiedliche Entwicklungsbedingungen führen zu… gleiche Entwicklungsbedingungen führen zu…

A

Die Entwicklungspsychopathologie distanziert sich klar vom ätiologischen Ansatz des medizinischen Modells psychischer Störungen und stellt ihm das Erklärungsmodell der Äquifinalität und Multi- finalität gegenüber: Unterschiedliche Entwick- lungsbedingungen können zu gleichen Entwick- lungsergebnissen führen (Äquifinalität) und glei- che Entwicklungsbedingungen können zu unter- schiedlichen Entwicklungsergebnissen führen

136
Q

Akzeptanz der Entwicklungspsychopathologie durch die akademische Klinische Psychologie:

A

Wie das Vulnerabilitäts-Stress-Modell kann auch die Entwicklungspsychopathologie ein ausgepräg- tes Interesse an empirischen Befunden für sich in Anspruch nehmen. Das macht sie für die akademi- sche Klinische Psychologie weit attraktiver und ak- zeptabler als die meisten klinisch-psychologischen Störungstheorien. Dass sie Annahmen aus den psychodynamischen und interpersonalen Störungstheorien aufgreift (die Bedeutung der früh- kindlichen Bindungserfahrungen, des Selbstkon- zepts etc.) scheint kein Problem zu sein. Dies liegt daran, dass es zu diesen Annahmen inzwischen recht überzeugende Befunde gibt. Möglicherweise spielt aber auch eine Rolle, dass sich die Entwick- lungspsychopathologie aus einem psychologischen Grundlagenfach (der Entwicklungspsychologie) heraus entwickelt hat und dass sie Erkenntnisse aus anderen Grundlagenfächern der Psychologie sowie aus Biologie, Neuropsychologie und Human- genetik nutzt.