Angststörung Verhaltenstherapie Flashcards
Was ist mit Normabweichungen gemeint?
Soziale Normen im Etikettierungsansatz vs. funktionale Norm in störungsspezifischer Psychologie
Störungsspezifische Psychologie legt….
Fokus auf Symptome und Syndrome einzelner PatientInnen
Symptombereiche: 3 Stück
- körperlich physiologische Ebene
- Gedanken, Vorstellungen, Gefühle
- Verhalten und Handlungsimpulse
Symptombereiche: Körperlich physiologische Ebene
- Potenziell alles was erhöhtes Erregungsniveau anzeigt, bis hin zu Angstattacke
- Häufig zentral: schwitzen, zittern, erröten
- körperliche Reaktion selbst
- Wahrnehmung der Reaktion (Interozeption)
Symptombereiche: Gedanken, Vorstellungen, Gefühle
- Einschätzung der wahrgenommenen Reaktion mit Blick auf die anderen
- Katastrophisierende Gedanken
- Die eigene Wirkung vor dem inneren Auge ausmalen
- Angst, Scham, Unsicherheit, Angst vor der Angst
Symptombereiche: Verhalten und Handlungsimpulse
- Flucht
- Vermeidung
- Sicherheitsverhalten
- kann sozial ungeschickt oder inadäquat wirken
Allgemeine Merkmale einer psychischen Störung nach DSM:
- Auslöserunabhängig: gegenwärtig verhaltensmäßige, psychische oder biologische Funktionsstörung —> die spezifische Symptomatik
- Leidensdruck
- Beeinträchtigungen in mind. einem Funktionsbereich
- deutlich erhöhtes Risiko zu sterben, für Schmerzen, Beeinträchtigungen oder tiefgreifendem Freiheitsverlust
Diagnosen nach ICD/DSM mit Bezug zu sozialer Ängstlichkeit
- soziale Angststörung
- Störung mit sozialer Ängstlichkeit des kindesalters
- Selbstunsicher/ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung
- selektiver Mutismus
Soziale Angststörung im DSM-5
A. Ausgeprägte Furcht oder Angst vor einer oder mehreren sozialen Situationen, in denen die Person von anderen Personen beurteilt werden
könnte.
Beachte: Bei Kindern muss die Angst auch unter Gleichaltrigen auftauchen, nicht nur in Interaktion mit Erwachsenen.
B. Betroffene befürchten die negative Bewertung durch andere aufgrund ihres eigenen Verhaltens oder sichtbarer Angstsymptome (typische Befürchtungen: beschämend, peinlich sein, zurückgewiesen werden, andere vor den Kopf stoßen).
C. Die sozialen Situationen verursachen fast immer Angst oder Furcht. Beachte: Bei Kindern kann sich die Angst durch Weinen, Wutanfälle, Erstarren, Anklammern, Zurückweichen oder die Unfähigkeit zu sprechen zeigen.
D. Die sozialen Situationen werden vermieden oder nur unter intensiver Furcht/Angst ertragen.
E. Die Furcht/Angst steht nicht im Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung und zum soziokulturellem Kontext.
F. Dauer: typischerweise 6 Monate oder mehr
G. Furcht, Angst oder Vermeidung verursacht klinisch bedeutsames Leiden oder Beeinträchtigung im sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
H. -J. nicht besser durch Substanzwirkung, andere psychische Erkrankungen oder medizinische Faktoren zu erklären
Spezifiziere, ob nur öffentliche Leistungssituationen (u.a. öffentliches Sprechen)
Typische Situationen:
§ soziale Interaktionen (sich unterhalten, Unbekannte Menschen treffen, telefonieren, Kontakt mit Autoritätspersonen)
§ beobachtet werden (vor anderen essen, trinken, schreiben)
§ vor anderen etwas leisten (einen Vortrag halten, mündliche Prüfungen)
Selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung: DSM-5: Ein tiefgreifendes Muster von:
§ sozialer Gehemmtheit (u.a. wegen Gefühlen der eigenen Unzulänglichkeit; z.B. keine neuen Aktivitäten wg. „Beschämungsrisiko“; Kontakte nur widerwillig, wenn noch unklar, ob man gemocht wird),
§ Insuffizienzgefühlen (z.B. sich für sozial unbeholfen, unattraktiv und minderwertig im Vergleich zu anderen halten) und
§ Überempfindlichkeit gegenüber negativer Beurteilung (z.B. „präventiv“ nur eingeschränkte berufliche und private Aktivitäten; starker Fokus auf die Möglichkeit, kritisiert werden zu können)
Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und die Störung manifestiert sich in verschiedenen Situationen (inkl. intimer Beziehungen!)
Epidemiologie Für Kinder und Jugendliche
Lebenszeitprävalenz: ca. 2-4%
Punktprävalenzen: 0.5-2.6% (höher mit steigendem Alter)
Mädchen : Jungen 3 : 2
Komorbidität: andere Angststörungen, affektive Störungen (Depression fast 40% bei 15- 17jährigen), Substanzstörungen
Das Vulnerabilitäts- Stress-Modell:
- Integratives Modell
- Abgeleitet aus dem biopsychosozialen Modell
- Nicht „schulenspezifisch“, aber in
den Theorien und Therapien der kognitiv-behavioralen Perspektive stärker verbreitet - Nicht störungsspezifisch
Faktoren, die die Entstehung sozialer Angst beeinflussen
Verhaltenshemmung – behavioral Inhibition
—> Tendenz, auf Neues oder vermeintlich Furchtauslösendes mit Angst und Rückzug zu reagieren ‒ Furchtsame Reaktion + Schwierigkeiten, die Reaktion zu regulieren (Emotionsregulation)
—> Temperamentsmerkmal bei ca. 15-20% der Kinder
‒ Beobachtbar bereits ab dem ca. 9. Lebensmonat, valide ab dem 20. LM
‒ Häufiger bei Mädchen
—> spezifischer Risikofaktor für soziale Ängste (Korrelation mit anderen Angstformen geringer)
Faktoren, die die Entstehung sozialer Angst beeinflussen: Elterliches Erziehungsverhalten, Belastung
—> ängstlich-protektives oder ablehnendes Erziehungsverhalten ist assoziiert mit selbstunsicher- vermeidendem Bindungsmuster
—> Eltern von sozialängstlichen Kindern hatten häufiger einen überbehütenden oder gleichgültigen Erziehungsstil
—> Psychische Störungen der Eltern (v.a. Angststörungen, Depressionen und Alkoholabhängigkeit) erhöhen das Risiko einer soz. Angststörung in der Kindheit sowohl isoliert, als auch in Interaktion mit Überbehütung, Ablehnung und Mangel emotionaler Wärme
Faktoren, die die Entstehung sozialer Angst beeinflussen: Typische Stressereignisse und auslösende Faktoren
—> Kritische Lebensereignisse, z.B. Häufige Umzüge in Jugend, Schulwechsel, Schul- /Studienabschluss, Stellenwechsel, (anstehende) Beförderung, Trennung/Scheidung der Eltern
—> Soziale „Traumata“, wie ausgelacht oder gehänselt werden wegen persönlicher Merkmale (Aussehen, Sprechweise, …), öffentliche Abwertung durch Lehrkräfte, „totale Blamagen“ durch Blackout oder starke Angstsymptome in einer Bewertungssituation
—> Bestimmte Lebensbedingungen, wie bzgl. Leistung kritische oder desinteressierte Bezugspersonen, soziale Isolation, Außenseiterrollen
Das Verhaltenstheoretische Modell
abgeleitet aus experimentell begründeter Lerntheorie
§ Konzentration auf beobachtbares Verhalten
§ Regelhafte Wenn-Dann-Zusammenhänge
(Reiz-Reaktions-Muster)
§ Psychische Störung = Verhaltensauffälligkeit/- Problem
§ Erlernen - Verlernen
§ funktionale Zhg. mit Umweltbedingungen
§ A(ntecendent) –> B(ehavior) –> C(onsequence)
§ „Mensch als Roboter“
Das kognitive Modell
§ Kognitive Wende
§ Fokus auf nicht beobachtbare (kognitive)
Prozesse
- z.B. Gedanken, Selbstwahrnehmung, Attributionen, Erwartungen, Ziele, Pläne…
§ Kognitionen, die expliziert/bewusst gemacht/verbalisiert werden (und erst dadurch „beobachtbar“ werden)
§ frühe interaktionelle Erfahrungen wichtig für:
§ die Auswahl und Verarbeitung von Erfahrungen
§ Selbstbild
Bezug zu kognitiv behavioralen Störungstheorien: Zentral:
- Störungsspezifisch
- Schwerpunkt auf aufrechterhaltenden Bedingungen
- auch Prädispositionen und auslösende Bedingungen
Informationsverarbeitung – Tendenzen bei ängstlichen Kindern/Jugendlichen/Erwachsenen: Aktuelle Situation und Frühere Erfahrungen
- § Aktuelle Situation
§ Erhöhte Aufmerksamkeitshinlenkung auf angstauslösende Reize
§ Reize werden häufiger und schneller als bedrohlich eingeschätzt - § Frühere Erfahrungen
§ Haben Annahmen über sich selbst und
soziale Umgebung geprägt
—>automatische Gedanken als Resultat von wahrgenommenen Situationsmerkmalen + aktivierten früheren Erfahrungen
4 problematische aufrechterhaltende Prozesse
1) ErhöhteSelbstaufmerksamkeit
2) VerzerrteBewertungdereigenenPersonals
soziales Objekt
3) Sicherheitsverhalten
4) Angstsymptome
Erhöhte Selbstaufmerksamkeit
Wirkt v.a. während der Situation:
—> Eigentliches Ziel: aufpassen, keine Fehler machen, Angstsymptome monitoren
—> Fokus auf internale Prozesse verhindert Verarbeiten externaler Informationen, z.B. Reaktionen der sozialen Umgebung
—> Durch den Fokus auf die internalen (körperlichen) Prozesse werden Angstsymptome stärker wahrgenommen
Verzerrte Bewertung der eigenen Person als soziales Objekt
Wirkt während der Situation (und danach):
—> Negative Selbstbewertung aufgrund internaler Informationen Ò „gefühlter Eindruck“
‒ „sich ängstlich fühlen“ = „ängstlich aussehen“
—> Verzerrte Vorstellungsbilder von sich selbst in der Situation „Wie wirke ich gerade auf andere?“
Sicherheitsverhalten
Wirkt v.a. während der Situation
—> Ziel – gewünschte Wirkung: soll befürchtetes Ereignis verhindern
—> Mittel: sehr vielfältig, ergibt sich aus den konkreten Befürchtungen („Wenn X nicht passieren
soll, was kann ich tun?“)
‒ Bestimmte Verhaltensweisen vor und während der eigtl. Situation
‒ gedankliche Prozesse und Handlungen
—> Tatsächliche Wirkung – oft paradox:
‒ Kann gefürchtete Symptome hervor rufen
‒ kann ungewollt Aufmerksamkeit des „Publikums“ auf sich lenken
‒ kann Bewertungen und Verhalten anderer Personen so beeinflussen, dass die
Befürchtungen bestätigt werden
‒ fördert internale und reduziert externale Aufmerksamkeit
‒ Verhindert die Widerlegung unrealistischer Bewertungen