Kapitel 8 Zusammenfassung Flashcards
Typische Essstörungen im Kindesalter:
Neben der Pica im Kindesalter (F 98.3), bei der ungenießbare Dinge gegessen werden (und die unter »Andere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit und Jugend« klassifiziert wird), sind es vor allem die Magersucht (Anorexia Nervosa, F 50.0) und die Ess-Brech-Sucht (Bulimia Nervosa, F 50.2) sowie die atypischen Essstörungen.
Die Unzufriedenheit mit der eigenen Figur und dem eigenen Gewicht ist eine sehr häufige Erfahrung, die Jugendliche und manchmal auch schon Kinder machen. Wozu führt das?
Die Unzufriedenheit mit der eigenen Figur und dem eigenen Gewicht ist eine sehr häufige Erfahrung, die Jugendliche und manchmal auch schon Kinder machen. Viele haben aus diesem Grund bereits mindestens eine Diät im Kindes- und Jugendalter durchgeführt, um ihr Gewicht zu reduzieren, gleichwohl sie zu Beginn nicht übergewichtig waren.
Wann wollen Jugendliche vor allem einer Gewichtszunahme entgegensteuern?
Vor allem im Rahmen der Pubertät, wenn es entwicklungsbedingt zu körperlichen Veränderungen kommt, wollen Jugendliche einer Gewichtszunahme entgegensteuern.
Wodurch zeichnen sich Essstörungen aus?
Essstörungen zeichnen sich dadurch aus, dass Betroffene sich über ein gesundes und natürliches Maß hinaus mit Essen, Figur und Gewicht beschäftigen, dass sie eine gestörte Körperwahrnehmung aufweisen und in ihrer Lebensführung deutlich eingeschränkt sind.
beiden wichtigsten Essstörungen, die in der ICD-10 codiert werden können, sind?
Viele Kinder eignen sich schon in einem frühen Alter ein ungesundes Essverhalten an, da sie u.a. dem Schlankheitsideal entsprechen wollen. Die beiden wichtigsten Essstörungen, die in der ICD-10 codiert werden können, sind die Anorexia Nervosa und die Bulimia Nervosa.
Wozu kann unregelmäßiges essen führen?
Auch unregelmäßiges Essen kann – gleichwohl es nicht lebensgefährlich ist – zu einer Reihe von Störungen im Körperhaushalt führen.
Wenn Kinder und Jugendliche nicht mehr essen, weil sie sich für zu dick halten oder eine ausgeprägte Furcht davor haben, zu dick zu werden – bei gleichzeitig bestehendem Untergewicht –, spricht man von?
Wenn Kinder und Jugendliche nicht mehr essen, weil sie sich für zu dick halten oder eine ausgeprägte Furcht davor haben, zu dick zu werden – bei gleichzeitig bestehendem Untergewicht –, spricht man von einer Anorexia Nervosa (F 50.0).
Der Begriff der Anorexie per se ist nicht gleichbedeutend mit einer psychischen Störung, sondern beschreibt was?
Der Begriff der Anorexie per se ist nicht gleichbedeutend mit einer psychischen Störung, sondern beschreibt ein bestehendes Untergewicht bei vorherrschender Appetitlosigkeit. Dieses kann auch durch eine körperliche Erkran- kung (oder ihre Behandlung) verursacht werden.
Was spezifiziert der Begriff “Nervosa?”
Erst der zusätzliche Begriff »Ner- vosa« spezifiziert hier, dass es sich um eine psychisch bedingte Störung handelt.
Anorexia Nervosa: Selbstwahrnehmung und Leugnung
Jugendliche mit einer Anorexia Nervosa sehen die eigene Figur anders, als sie tatsächlich ist. Ihre Figur hat einen übertriebenen Einfluss auf die Selbstwahrneh- mung und den Selbstwert. Meist geht die Störung einher mit einer Leugnung des Untergewichts. Die Jugendlichen sehen nicht, dass sie psychisch krank sind, sondern erleben sich in ihrem zum Teil erheblichen Untergewicht als gewichtsangemessen und attraktiv.
Anorexia Nervosa und Menstruation
Bei Jugendlichen, die bereits ihre erste Menarche hatten, bleibt die Menstruation aus, wenn das Untergewicht dauerhaft bestehen bleibt. Sie sind dann in dieser Zeit unfruchtbar, da der Körper erkennt, dass er bei dem bestehenden Gewicht nicht in der Lage wäre, im schwangeren Zustand ein Kind mitzuversorgen.
Was für Verhaltensmerkmale (Bewegung etc) erleben Betroffene?
Meist erleben Betroffene einen hohen Bewegungsdrang, dem sie so oft es geht Folge leisten. Sie wiegen sich exzessiv, beschäftigen sich permanent mit Essen und Nahrung, erstellen Kalorientabellen und kennen sich bestens aus mit den Inhaltsstoffen und Kalorien von verschiedensten Nahrungsmitteln. Sie essen nicht gerne in der Öffent- lichkeit, bekochen dafür andere gerne.
Anorexia Nervosa: Schließlich zeigen sie einen merkwürdigen Umgang mit Nahrungsmitteln:
sie verstecken Lebensmittel vom Teller in ihrer Kleidung, damit sie sie nicht essen müssen, »verkrümeln« sie in den Taschen oder verstecken sie in den Backen. Bei Jugendlichen mit Diabetes mellitus kommt es vor, dass sie die Insulingaben absichtlich reduzieren, um dem Körper dadurch weniger Kalorien zuzuführen (Insulin-Purging).
Anorexia Nervosa: Die ICD-10 unterscheidet zwei Subtypen:
einen restriktiven Typ, bei dem keine aktiven Maßnahmen wie Erbrechen, Abführ- mittel, Laxantien ö. ä. angewandt werden, und einen bulimischen Typ, bei dem aktive Gegenmaßnahmen angewendet werden, um eine Gewichtszunahme zu vermeiden. Bei beiden Subtypen besteht ein deutliches Untergewicht.
Anorexia Nervosa: Die Unterversorgung des Körpers aufgrund der mangelhaften Nahrungszufuhr führt zu einer Reihe biologischer Konsequenzen (neben der Unfruchtbarkeit):
den betroffenen Jugendlichen können Haare ausfallen, Wasser lagert sich im Gewebe ein (Ödeme) und Magenfunktionsstörungen treten auf. Je länger und je früher (z.B. bei präpubertalem Beginn) der Mangelzustand anhält, desto ausgeprägter sind die biologischen Konsequenzen. Auch die Knochendichte kann sich ändern (Osteoporose), der Grundumsatz verringert sich und die Temperaturregulation ist gestört (Herpertz-Dahlmann, 2015). Untergewichtige Menschen frieren daher häufig und müssen sich entsprechend warm anziehen. Manche dieser körperlichen Begleiterscheinungen bilden sich wieder zurück, wenn das Gewicht sich normali- siert, andere tun das nicht vollständig (z. B. die Knochendichte). Diese psychische Störung schädigt daher – mitunter dauerhaft – die körperliche Funktionsfähigkeit.
Bulimia Nervosa.
Wobei handelt es sich bei dieser Störung?
Betroffene Jugendliche und junge Erwachsene haben häufige Episoden von Essattacken, wobei in einem kurzen Zeitraum eine große Menge – meist kalorienreicher – Nahrung verzehrt wird. Oft erleben die Betroffenen einen deutlichen Kontrollverlust über das Essen in dieser Zeit. Sie denken, sie hätten keine Kontrolle mehr über die Art und Menge der Nahrungsaufnahme und sie können bei einer Essattacke tatsächlich nicht aufhören zu essen.
Bulimia Nervosa: Verhalten nach den Essattacken
Meist essen die Jugendlichen sehr schnell und erleben dabei ein heterogenes Mischbild von Emotionen, die von Ekel bis hin zu Ekstase variieren können. Im Anschluss an den Essanfall möchten die Betroffenen den befürchteten Auswirkungen (Ge- wichtszunahme) entgegenwirken, indem sie sogenannte kompensatorische Maß- nahmen ergreifen. Die bekannteste Maßnahme ist das selbstinduzierte Erbrechen nach einem Essanfall, weitere Maßnahmen sind der Missbrauch von Laxantien, Diuretika oder Klistiere. Außerhalb der Essanfälle zeichnen sich die Jugendlichen eher durch ein stark gezügeltes Essverhalten aus.
Bulimia Nervosa: Verhalten nach den Essattacken
Meist essen die Jugendlichen sehr schnell und erleben dabei ein heterogenes Mischbild von Emotionen, die von Ekel bis hin zu Ekstase variieren können. Im Anschluss an den Essanfall möchten die Betroffenen den befürchteten Auswirkungen (Ge- wichtszunahme) entgegenwirken, indem sie sogenannte kompensatorische Maß- nahmen ergreifen. Die bekannteste Maßnahme ist das selbstinduzierte Erbrechen nach einem Essanfall, weitere Maßnahmen sind der Missbrauch von Laxantien, Diuretika oder Klistiere. Außerhalb der Essanfälle zeichnen sich die Jugendlichen eher durch ein stark gezügeltes Essverhalten aus.
Bulimie: wann entstehen die meisten bulimischen Störungen?
Die meisten bulimischen Stö- rungen entstehen vor dem 22. Lebensjahr. In etwa der Hälfte der Fälle geht der Entwicklung der Bulimie eine Anorexia Nervosa voraus.
Unterschied zwischen Bulimie und Anorexie:
Die Bulimia Nervosa kennzeichnet sich dadurch, dass die Betroffenen im Rahmen einer Essattacke viele Lebensmittel zu sich nehmen und später kompensatorische Maßnahmen zur Gewichtsregulation ergreifen. Ein we- sentlicher Unterschied zur Anorexia Nervosa besteht darin, dass bei einer Bulimia Nervosa kein deutliches Untergewicht besteht.
Binge Eating.
Eine dritte wichtige Essstörung ist das Binge Eating (Binge Eating Disorder, BED). Diese Störung ist bisher nur im DSM-5 aufgeführt. Hierbei treten ebenfalls wiederholt Essanfälle auf (die auch mit dem Erleben eines Kontroll- verlusts einhergehen), allerdings werden im Unterschied zur Bulimia Nervosa keine kompensatorischen Maßnahmen ergriffen. Die Essstörungen werden im DSM-5 in dem Kapitel Fütter- und Esssstörungen behandelt. Die Adipositas ist hingegen keine psychische Störung. Sie findet sich in der ICD-10 als medizinischer Krankheitsfaktor.
Prädisponierende Faktoren: genetische unspezifische Prädisposition
Es gibt Hinweise für eine genetische unspezifische Prädisposition für Essstörungen, denn man findet sowohl bei mono- (über 50 Prozent) als auch bei dizygoten Zwillingen (5 – 11 Prozent) erhöhte Konkordanzra- ten bei Essstörungen
Essstörungen und soziokulturelle Faktoren:
Auch soziokulturelle Faktoren spielen hier eine bedeutende Rolle. Auf Frauen (und inzwischen auch auf Männern) liegt ein großer Druck, dem Schönheitsideal einer Gesellschaft, das sich insbesondere in den Medien widerspiegelt, zu entsprechen.
Die Internalisierung des Schlankheitsideals ist dabei ein wich- tiger Risikofaktor für die die Entwicklung einer Essstörung.
Welche Persönlichkeitsmerkmale sind relevant bei der Entstehung einer Essstörung?
Persönlichkeitsmerkmale, die als relevant für die Entstehung einer Essstörung diskutiert werden, sind Per- fektionismus, Defizite in der Emotionsregulation (z.B. Probleme in der Wahr- nehmung und im Umgang mit Gefühlen; Oldershaw et al., 2015), mangelnde Autonomie oder auch soziale Unsicherheit.
Welche Familiären Merkmale finden sich gehäuft bei Essstörungen?
Familiäre Merkmale, die sich gehäuft bei Essstörungen finden, sind ein behütendes bis hin zu einem einengenden Elternhaus. Jacobi et al. (2004) weisen darauf hin, dass solche familiären Interaktionen auch Konsequenzen der Essstörung sein können. Auch Perfektionismus oder ein höheres prämorbides Gewicht ließen sich nicht eindeutig als kausale Risikofaktoren bestätigen. Schließlich ist zu bedenken, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Eltern von essgestörten Patientinnen ebenfalls eine psychische Störung aufweist
Auslo ̈sende Faktoren einer Essstörung
Das Halten von Diäten kann als ein Auslöser sowohl für die Anorexia Nervosa als auch die Bulimia Nervosa gelten. Essanfälle sind beispiels- weise umso wahrscheinlicher, je länger nichts gegessen wurde. Auch das Ausmaß von Kohlenhydraten in der Nahrung spielt hier eine Rolle: wenn speziell Kohlen- hydrate ausgespart wurden, versucht der Körper gerade diesen Mangel durch die Essanfälle auszugleichen. Ein solcher Mangel kann dann zu einer Störung der Sättigungsregulation führen und solche körperlichen Faktoren können wiederum die Manifestation einer Essstörung begünstigen
Psychologische Faktoren einer Essstörung
Psychologische Faktoren, die z.B. das Halten von Diäten auslösen können, sind eine affektive Instabilität (unterschiedliche Intensitäten von Emotionen, die für die Jugendlichen schwer zu regulieren sind), ein dichotomes Denken (»Entweder ich kann mein Essen zügeln oder ich bin ein Versager«) sowie belastende Lebensereig- nisse oder -phasen, die mit schwierigen Entwicklungsaufgaben einhergehen. Die Pubertät ist beispielsweise eine Zeit, in der eine Sozialisation der Autonomie stattfindet, wo ein einengendes und zu behütendes Elternhaus die erfolgreiche Bewältigung der Entwicklungsaufgabe erschwert. Auch Leistungsanforderungen oder interpersonelle Konflikte können die Manifestation der Störung begünstigen.
Welche Faktoren halten eine Essstörung aufrecht?
Diätverhalten, das dichotome Denken, das negative Körperbild und der an die äußere Erscheinung geknüpfte Selbstwert.
Wichtige Faktoren bei der Entstehung und Manifestation von Essstörungen sind der Druck der Medien und der Umwelt in Bezug auf das vorherr- schende Schönheitsideal, genetische Faktoren, Persönlichkeitseigenschaften des Kindes, familiäre Faktoren sowie das Halten von Diäten.
Epidemiologie Essstörug
- Circa 90Prozent der von einer Anorexia oder Bulimia Nervosa betroffenen Jugendlichen sind weiblich.
- Lediglich bei der Binge-Eating-Störung ist das Geschlechtsverhältnis von weiblichen zu männlichen Jugendlichen weniger extrem.
- Aktuelle Prävalenzraten aus dem europäischen Raum weisen darauf hin, dass die Anorexia Nervosa bei Frauen zwischen 1 bis 4 Prozent schwankt und die Bulimia Nervosa ca. 1 bis 2 Prozent der Frauen betrifft
- Bei Männern liegen die Prävalenzen zwischen 0,3 Prozent und 0,7 Prozent.
- Die Essstörungen kommen also etwa bei 1 bis 4 Prozent der (weiblichen) Bevöl- kerung vor. Der Erkrankungsbeginn ist zumindest bei der Anorexia Nervosa fast immer im frühen Jugendalter, wohingegen die Bulimia Nervosa in der Regel später beginnt, manchmal auch erst im frühen Erwachsenenalter
- Schließlich ist wichtig zu erkennen, dass Essstörungen bei beiden Geschlechtern häufiger in Gruppen vorkommen, bei denen aus beruflichen Gründen Gewicht und Figur von zentraler Bedeutung sind (z. B. Balletttänzer, Skispringer, Jockeys, Models usw.).
Essstörung und klomorbide Störungen
Zu den häufigen komorbiden Störungen zählen Angststörungen (v.a. Soziale Phobie) und Depressionen sowie Zwangsstörungen. Auch Substanzkonsum und selbstverletzendes Verhalten tritt häufiger in Kombination mit Essstörungen auf
Essstörungen und Suizid
Etwa die Hälfte der von einer Anorexie betroffenen Jugendlichen haben Suizidgedanken, Suizidversuche liegen nach Herpertz-Dahlmann (2015) zwischen 3 und 7 Prozent.
Mit Ausnahme der Binge-Eating-Störung sind überwiegend …. von Essstörungen betroffen. Der Störungsbeginn liegt meist im ….
Mit Ausnahme der Binge-Eating-Störung sind überwiegend Mädchen und Frauen von Essstörungen betroffen. Der Störungsbeginn liegt meist im Jugendalter.
Verlauf und Prognose
- Insbesondere die Anorexia Nervosa ist eine Essstörung mit einem ungünstigen Langzeitverlauf. Die Mortalitätsrate ist hier um ein Vielfaches erhöht.
- Auf der anderen Seite sterben über einen längeren Zeitraum betrachtet (z. B. 20 Jahre) bis zu 10 Prozent (bei der Bulimie bis zu 1 Prozent) und der Rest (10 – 30 Prozent) bessert sich meist nur wenig bzw. bleibt chronisch krank.
- Bei betroffenen Jugendlichen bleiben meist für die Magersucht typische Einstel- lungen und ein verändertes Essverhalten bestehen, selbst wenn sie ein normales Gewicht erreichen. Die Bulimie hat eine etwas günstigere Prognose als die Anorexia Nervosa, allerdings ist die Störung mit sehr viel Scham besetzt und viele Betroffene ekeln sich vor sich selbst.
Langfristig wirksame prognostische Faktoren sind das Alter, die Krankheitsdauer und das Ausmaß des Gewichtsverlustes vor Krankheitsbeginn. - Die Anorexia Nervosa hat im Vergleich zur Bulimia Nervosa einen ungüns- tigen Verlauf, der mit erhöhten Mortalitätsraten verbunden ist.
Psychosoziale Belastungen von Essstörungen
- Magersüchtige Patientinnen zeigen oft keinen Leidensdruck und versuchen viel- mehr, ihren Gewichtsverlust zu beschönigen. Während dies zu Beginn der Gewichtsabnahme dem Umfeld weniger auffallen mag, müssen Angehörige ab einem bestimmten Ausmaß an Gewichtsverlust hilflos zusehen, wie die Betroffe- nen sich fast zu Tode hungern. Dies führt oft besonders bei den nächsten Angehörigen (wie den Eltern) zu Gefühlen der Verzweiflung. Meist bemühen sie sich mit allen Mitteln, ihr Kind zum Essen zu bringen, doch dieser ständige Druck hat oft nicht den erwünschten Effekt und führt sogar eher dazu, dass die Jugend- lichen sich im Nicht-Essen bestärkt fühlen
- Die familiären Interaktionen erhalten dadurch etwas von einem Zwangsprozess: jedes Familienmitglied versucht, den anderen durch den Einsatz von aversiven Mitteln zu einer Verhaltensänderung zu zwingen. Es ist daher nicht überraschend, dass das familiäre Klima dementspre- chend leidet. Nicht selten treten die magersüchtigen Mädchen ihren Eltern (und oft insbesondere ihrer Mutter als primärer Bezugsperson) mit einer ambivalenten Stimmung gegenüber: von extrem feindselig bis hin zu verängstigt und Sicherheit suchend finden sich viele emotionale Qualitäten bei dem Kind.
- Oft kommt es bei Essstörungen zu belastenden innerfamiliären Konflikten, da die Betroffenen ihre Krankheit vertuschen oder verkennen, während ihr Umfeld bei ihnen eine Verhaltensänderung erzwingen will.
Pr ̈aventions- und Interventionsmo ̈glichkeiten Essstörungen
Einheiten, in denen u.a. die Subjektivität des Schönheitsideals diskutiert, ein Training zur Verbes- serung der Medienkompetenz durchgeführt sowie eine gesunde Ernährung und ihre Abgrenzung zu Essstörungen besprochen wird. Auch die Problemlösefähig- keit und soziale Kompetenz der Teilnehmer wird geschult, der Umgang mit Bullying und die (normale) pubertäre Entwicklung werden thematisiert und körperbezogene Übungen wie das wertfreie Anschauen des eigenen Körpers im Spiegel werden durchgeführt.
Bei bereits manifesten Essstörungen ist eine Psychotherapie in der Regel indiziert. Nach Herpertz-Dahlmann und Schwarte (2019) gehören zu den Bau- steinen einer mehrdimensionalen Therapie bei Anorexia Nervosa eine Ernäh- rungstherapie (z.B. Ernährungsprotokoll und Essensplan für eine gezielte Ge- wichtszunahme) sowie weitere kognitiv-verhaltenstherapeutische Strategien (z. B. zur Hinterfragung der mit einer Essstörung häufig einhergehenden dysfunktiona- len Gedanken). Auch psychoedukative Maßnahmen für Eltern sowie familien- therapeutische Maßnahmen (z. B. zur Förderung des innerfamiliären Kommuni- kationsverhaltens) haben sich als hilfreich erwiesen.
Depressionen: definition
Depressionen werden als unipolare affektive Störungen betrachtet (unipolar: an einem Pol eines Kontinu- ums). Darüber hinaus gibt es auch bipolare affektive Störungen, die beide Pole einer Stimmungsdimension beinhalten, eine abnorm gehobene (manische) Stimmung und eine abnorm gesenkte, niedergedrückte (depressive) Stimmung.
Hauptmerkmale einer depressiven Episode sind gemäß der ICD-10 (Remschmidt et al., 2017):
” depressive Stimmung
“ Interessenverlust und / oder Freudlosigkeit
“ Antriebsmangel (meist einhergehend mit erhöhter Ermüdbarkeit)
Hinzu kommen weitere Symptome, darunter
“ Verlust des Selbstvertrauens oder des Selbstwertgefühls
“ unbegründete Selbstvorwürfe oder ausgeprägte, unangemessene Schuldgefühle
“ Suizidgedanken oder -handlungen
“ vermindertes Denk- und Konzentrationsvermögen, Unentschlossenheit
“ psychomotorische Agitiertheit oder Hemmung
“ Schlafstörungen
“ verminderter oder gesteigerter Appetit
Eine depressive Episode gilt als solche, wenn :
Eine depressive Episode gilt als solche, wenn die Symptome mindestens 14 Tage lang an der Mehrzahl der Tage vorhanden waren. Die Episoden werden darüber hinaus hinsichtlich ihres Schweregrades klassifiziert: eine leichte depressive Episode setzt sich aus zwei der drei Hauptmerkmale und mindestens zwei der weiteren Merkmale zusammen, eine mittelgradige Episode aus zusätzlich mindestens drei weiteren Merkmalen und bei einer schweren Episode müssen alle drei Hauptmerkmale sowie mindestens fünf der weiteren Merkmale vorliegen.
Weitere Beschwerden, die bei Kindern und Jugendlichen im Rahmen einer Depression auftreten können (aber nicht müssen), sind:
Weitere Beschwerden, die bei Kindern und Jugendlichen im Rahmen einer Depression auftreten können (aber nicht müssen), sind körperliche Beschwerden wie Kopf-, Muskel-, oder Magenschmerzen, Langeweile, Substanzgebrauch (vgl. Abschn. 8.3), Angst vor dem Tod oder auch eine erhöhte Reizbarkeit.
Wodurch kommen depressive Symptome im Kleinkindalter zur Geltung?
Dementsprechend kommen depressive Symptome im Kleinkind- alter (1–3Jahre) u.a. durch ein ausdrucksarmes Gesicht, ein auffälliges Spiel- verhalten, eine Spielunlust, mangelnde Phantasie, selbststimulierendes Verhalten (wie Kopf-/Körperschaukeln oder Daumenlutschen) und gestörtes Essverhalten zum Ausdruck.
Wodurch kommen depressive Symptome im Vorschulalter zur geltung?
Im Vorschulalter (3–6Jahre) gelten ein trauriger Gesichtsaus- druck, eine verminderte Gestik und Mimik, eine mangelnde Fähigkeit, sich zu freuen, ein vermindertes Interesse an motorischen Aktivitäten sowie Schlafstö- rungen als Symptome einer Depression. Schulkinder können dann erstmals auch verbale Berichte über Traurigkeit einbringen und suizidale Gedanken haben.
Wie können depressive Störungen in ihrer Phänomenologie variieren?
Depressive Störungen können in ihrer Phänomenologie über das Vor-, Grundschul- und Jugendalter variieren. Depressionen bei Jugendlichen haben eine große Ähnlichkeit zu denen des Erwachsenenalters. Trotz der Variabilität gibt es einheitliche Kriterien der ICD-10, die für die gesamte Lebensspanne gelten.
Zwischen welchen Störungsbildern unterscheidet die ICD 10?
Die ICD-10 unterscheidet zwischen einer einzelnen (ersten) depressiven Episode (F 32), einer rezidivierenden depressiven Störung (F 33) und einer anhaltenden, leichteren Form einer depressiven Verstimmung, die als anhaltende affektive Störung bezeichnet wird (F 34). Bei letzterer findet man selten einen episodischen Verlauf, meist handelt es sich um eine leichtere chronische Form einer depressiven Verstimmung, die über mindestens zwei Jahre anhält, um als Dysthymie klassifiziert werden zu können. Obwohl die Kinder und Jugendlichen zwischendurch durchaus auch normaler Stimmung sein können, hält dies meist nur wenige Wochen an.
Depressionen und Verursachungsfaktoren:
Depressive Störungen sind multifaktoriell bedingt. Sie sind also das Resultat einer Interaktion von mehreren Verursachungsfaktoren.
Psychologische Faktoren der Depression
dass depressive Störungen besonders dann auftreten, wenn Kinder und Jugendliche dazu tendieren, schlechte Erlebnisse und Erfahrungen internal, stabil und global zu attribuieren. Demnach sollen diese Kinder dann deprimiert werden, wenn sie denken, dass sie an dem schlechten Erlebnis bzw. Ereignis selbst schuld sind (es selbst herbeigeführt haben; internale Attribution), dieses Ereignis auch in Zukunft erneut auftreten wird (es also stabil ist) und sich auch auf andere Situationen oder Ereignisse ausbreiten wird (globale Attribution). Diese Annahmen wurden in der Theorie der gelernten Hilflosigkeit verankert, die sich bis heute zum Hoffnungs- losigkeitsmodell (Abramson et al., 1989) fortentwickelt hat, die dem internalen Attributionsstil allerdings nicht mehr denselben Stellenwert in der Entstehung einer Depression zuschreibt. Unter Kontrolle des initialen depressiven Ausmaßes sagt der Attributionsstil das Ausmaß der depressiven Symptomatik bei Kindern und Jugendlichen sechs Monate später vorher.
Das Hoffnungslosigkeitsmodell der Depression
Das Hoffnungslosigkeitsmodell ist ein Beispiel für ein kognitives Vulnera- bilitäts-Stress-Modell der Depression, welches in der Interaktion von kognitiven Faktoren gepaart mit negativen Lebensereignissen den Weg hin zu einer depres- siven Störung sieht.
kognitives Modell der Depression von Beck:
Ein weiteres kognitives Modell kommt von Beck et al. (1996). Hier wird eine depressive Störung als Folge negativer Schemata gesehen, die bei der Verarbeitung von belastenden Lebensereignissen zu kognitiven Fehlern führen und so eine kognitive Triade erzeugen. Diese ist bestimmt durch ein negatives Selbst- und Weltbild sowie von einer negativen Vorstellung der Zukunft.