Klassifikation und Diagnostik (Teil 2) Flashcards
Die wichtigsten Aufgaben der klinisch- psychologischen Diagnostik
Beschreibung
- Qualitative und quantitative Beschreibung der vorliegenden (psychischen) Störung —> Symptome, Häufigkeit, Intensität, Dauer, Bedingungen und Faktoren, die Symptome beeinflussen
Die wichtigsten Aufgaben der klinischen Diagnostik
Klassifikation
- Klassifikation der psychischen Störung —> Reduktion von Informationen für besseren Austausch sowie durch Klassifikationssysteme erhaltende therapierelevante Hinweise für Interventionsmethoden
Die wichtigsten Aufgaben der klinischen Diagnostik
Exploration
- Exploration von besonderen lebensgeschichtlichen Bedingungen bei der Entstehung und dem bisherigen Verlauf der Störungàfür individuelle Planung der Behandlung
Die wichtigsten Aufgaben der klinischen Diagnostik
Verlaufsdiagnostik
- Beobachtung des Verlaufs der Intervention und der Veränderung des Symptomatik (adaptive Diagnostik, Verlaufsdiagnostik)àerster Ist-Zustand behält nicht unveränderte Gültigkeit
Die wichtigsten Aufgaben der klinischen Diagnostik
Therapie-Evaluation
- Überprüfung des Therapieerfolgs (Qualitätssicherung) à Überprüfung des Ergebnis der Behandlung nach möglichst objektiven Kriterien, im Interesse der Therapeutinnen und Klientinnen
Diagnostische Ansätze und Methoden
Ansätze und Methoden für Erfüllen der Aufgaben der klinisch- psychologischen Diagnostik, Unterteilung in zwei Gruppierungen:
„Aspekt“, der beobachtet wird (Modalität)
—> Zentrale Aspekte menschlichen Erlebens und Verhaltens
‒ Körperliche Aspekte (z.B. physiologische Erregung)
‒ Gedanken und Gefühle (kognitiv- emotionale Ebene; z.B. Hoffnungslosigkeit, Angst)
‒ Verhalten (motorisch und sprachlich; z.B. Vermeiden einer Situation, die Angst macht)
Eingesetzte diagnostische Methode
—> Das (offene) diagnostische Gespräch
—> Strukturierte und standardisierte klinisch-
psychologische Interviews (z.B. zur Klassifikation) ÒFragebogen- und Testverfahrung (z.B. für
personenbezogene Informationen, Symptomatik) Ò Beobachtungsmethoden (z.B. Häufigkeit von
Verhalten)
—> Psychophysiologische und biologische
Verfahrungen (z.B. Messen von Muskelspannung)
Verfahren zur Klassifikation psychischer Störungen
—> Internationale Diagnose Checklisten für ICD-10 und DSM-IV (IDCL; Hiller et al., 1995)
—> Internationale Diagnose Checklisten für Persönlichkeitsstörungen (IDCL-P; Bronisch et al.,
1995),
—> Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV, Achse I (SKID-I; Wittchen et al., 1997),
—> Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV, Achse II (SKID-II; Fydrich et al., 1997),
—> Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen (DIPS; Margraf et al., 1994; als Kurzversion: »Mini-DIPS«; Margraf, 1994),
—> Composite International Diagnostic Interview (CIDI; Wittchen et al., 1997)
Symptombelastung: Die Symptom-Checkliste mit 90 Items
– Standard (SCL 90-R) Franke, 2014
—> Erfassung subjektiver Beeinträchtigungen durch körperliche und psychische Symptome innerhalb der letzten sieben Tage
—> Anwendungsbereiche: Screening, Eingangsdiagnostik, Verlaufsmessung, Veränderungsmessung, Therapieevaluation
—> 83 der 90 Items werden zu 9 Skalen zusammengefasst, 7 der Items gehen als Zusatzinformation in die Berechnung der drei globalen Kennwerte ein
Die Symptom-Checkliste mit 90 Items - Standard
(SCL 90-S; Franke, 2014) Franke, 1995 –> Skalen
—> Skalen: jede Skala erfasst dimensionale Übergänge von „normaler“ alltäglicher
Symptombelastung bis zur psychopathologisch relevanten Symptomatik
1. Somatisierung
2. Zwanghaftigkeit
3. Unsicherheit im Sozialkontakt 4. Depressivität
5. Ängstlichkeit
6. Aggressivität/Feindseligkeit 7. Phobische Angst
8. Paranoides Denken
9. Psychotizismus
—> Die 9 Skalen der Symptomcheckliste lassen sich in drei globale Kennwerte umwandeln:
‒ GSI: Global Severity Index: Indikator für die psychische Belastung
‒ PSDI: Positiv Symptom Distress Index: Intensität der Belastung
‒ PST: Positiv Symptom Total: Anzahl der Items, bei denen
eine Belastung vorliegt
—> Reliabilität:
* Interne Konsistenz: .79-.97 (stationäre
Psychiatriepatientinnen), .51-.94 (normale Personen)
* Retest-Reliabilität: 1 Woche (ambulante Psychiatriepatientinnen):
.78 -.90
Depressivität Beck-Depressionsinventar (BDI-II)
—> BDI – 1961, Schwere der Depression, 21 Items, Revision 1978
—> Erfassung subjektiv-kognitiver Aspekte globaler Depressivität, BDI-II
speziell auf die DSM-IV-Kriterien bezogen
—> 21 Aussagen mit Punktwerten jeweils von 0-3 (je höher der Wert,
desto stärker die Depression)
—> Sowohl Intensität als auch Symptome der Depression werden
erfasst: Traurige Stimmung, Pessimismus, Versagergefühle, Unbefriedigtsein, Schuldgefühle, Selbstbestrafungsgedanken, Selbsthass, Selbstvorwürfe, Weinen, Reizbarkeit, Sozialer Rückzug, Unentschlossenheit, Körperbild, Arbeitsstörungen, Schlafstörungen, Ermüdbarkeit, Appetitverlust, Gewichtsverlust, Hypochondrie, Sexuelles Interesse
Beck-Depressionsinventar (BDI-II)
—> Beispiel zu „Schuldgefühle“:
—> Cut-Off-Werte:
‒ 0 Ich habe keine Schuldgefühle
‒ 1 Ich habe häufig Schuldgefühle
‒ 2 Ich habe fast immer Schuldgefühle
‒ 3 Ich habe immer Schuldgefühle
—> Cut-Off-Werte: 0-8 nicht depressiv, 9-13 minimal depressiv, 14-19 milde depressiv, 20-28 mittel-schwer-depressiv und 29-63 schwer- depressiv —> je höher der wert desto wahrscheinlicher depressiv! Nicht zwangsläufig
—> Reliabilität
‒ Interne Konsistenz: .93. / Retest: .86-.92
—> Aufgrund seiner guten psychometrischen Qualitäten, seiner Kürze und der mit den Items erfassten breiten Symptombereiche, wird der BDI als vergleichsweise bestes Selbsteinschätzungsverfahren zur Erfassung der Schwere einer Depression bezeichnet
Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-D)
—> Screening, Fallidentifikation, Schweregrad, Behandlungserfolg
—> Selbstbeurteilungsfragebogen
—> erfasst werden die häufigste psychischen Störungen: somato-forme
Störungen, depressiver Störungen, Angststörungen, Essstörungen und
Alkoholmissbrauch
—> diagnostische Kriterien nach DSM-IV, hohe Passbarkeit zu DSM-V
—> Versionen: Komplettversion (10 Minuten), Kurzform (3 Minuten),
Ultrakurzform (PHQ-2 + GHD-2), einzelne Module
—> Einzelne Module: z.B. PHQ-9: Depression, GAD-7: generalisierte
Angststörung, PHQ-15: Schweregrad somatischer Symptome
—> Vielfältige Angaben zu den Gütekriterien und zur Sensitivität und
Spezifität
—> Nutzungsberechtigung: frei und kostenlos erhältlich, muss bei der
Publikation der generierten Daten korrekt zitiert sein
Screening psychischer Beschwerden
möglichst wenig schaden erzeugen aber alle erwischen die betroffen sind
—> spart zeit und Geld
—> Nachteile: hohe Ökonomie wird erkauft
WHO-5-Fragebogen: Beschreibung und Auswertung
—> Beschreibung
‒ Kurzscreening zur Erfassung der Lebensqualität.
‒ Ursprüngliche Entwicklung zur Behandlung von Patienten mit Diabetes.
‒ Hohe Sensitivität für depressive Erkrankungen.
—> Auswertung
‒ Die Items werden summiert. Bei einem Rohwert < 13 ist ein weiterführenderdiagnostischerProzesszuAbklärungeiner Depression indiziert.
‒ Zur Therapieverlaufskontrolle können Prozentwerte berechnet werden (Summenwert * 4).
Eigenschaften von Screenings
—> Ein Screening ist die vermutete Identifizierung einer unerkannten Erkrankung oder Störung durch die Anwendung von Tests, Untersuchungen oder anderer Prozeduren, die schnell durchgeführt werden können.
—> Screening-Tests unterscheiden Personen, die wahrscheinlich eine Erkrankung haben, von Personen, die wahrscheinlich keine haben.
—> „Ein Screening-Test ist nicht dazu bestimmt, diagnostisch zu sein.“
Klassifikation: Cut-Off-Werte
—> Ein Cut-Off-Wert klassifiziert in „unauffällig“ und „auffällig“.
—> Der Vergleich erfolgt mit einer konkreten Bezugsgruppe (z.B. gleiche Altersgruppe) und
—> Orientiert sich an der Ausprägung eines konkreten Kriteriums (z.B. Ausprägung von Problemverhalten)
Gütekriterien
Ein gutes Screeningverfahren zeichnet sich durch hohe Sensitivität bei gleichzeitig hoher Spezifität aus
—>Sensitivität = Trefferquote = 𝑅𝑃 𝐹𝑁+𝑅𝑃
—>1-Sensitivität = Verpasserquote = 𝐹𝑁 ! Beta-Fehler 𝐹𝑁+𝑅𝑃
—>Spezifität=(korrekte)Ablehnungsquote = 𝑅𝑁 𝐹𝑃+𝑅𝑁
—>1-Spezifität = Quote falscher Alarme = 𝐹𝑃 ! Alpha-Fehler
Beispiel Diagnostik bei Substanzkonsum
Substanz Alkohol:
Diagnostik der Alkoholabhängigkeit
Zielsetzungen im Überblick:
1. Screening-Verfahren (Verdachtsdiagnose)
Identifizierung von Personen mit Alkoholabhängigkeit, Alkoholmissbrauch sowie von Personen mit riskantem Alkoholkonsum
2. Feststellung einer Alkoholabhängigkeit
Zur Absicherung einer Verdachtsdiagnose
3. Differentialdiagnostik
Schweregrad, typologische Besonderheiten, differentielle Indikation und Therapieplanung
4. Symptombelastung und psychiatrische Komorbidität
Differentielle Indikation und Therapieplanung
5. Qualitätssicherung
Beispiel: Screening-Verfahren CAGE-Test (Cut down, Annoyed, Guilty, Eyeopener)
—> Zielsetzung: Identifizierung Personen mit Alkoholabhängigkeit und Alkoholmissbrauch
—> Selbstbeurteilungsfragebogen mit vier Items:
1. Waren Sie der Meinung, dass Sie Ihr Trinken einschränken sollten?
2. Ärgert es Sie, dass andere Ihr Trinken kritisierten?
3. Fühlten Sie sich schlecht oder schuldig wegen des Trinkens?
4. Tranken Sie als erstes am Morgen, um Ihre Nerven zu stärken oder einen Kater loszuwerden (“Augenöffner”)?
—> Güte:
- Sensitivität 85% (richtig klassifizierte Alkoholiker)
Spezifität 89% (richtig klassifizierte Nicht-Alkoholiker)
Feststellung einer Alkoholabhängigkeit
- Strukturierte Interviews
- z.B. Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV (SKID I)
- Suchtmodul * Fragebögen
- z.B. Münchener Alkoholismustest (MALT)
‒ Zielsetzung: Screening-Test zur Identifizierung von Alkoholabhängigen und zur Absicherung einer Verdachtsdiagnose
—> Selbstbeurteilungsteil (MALT-S): 24 Items Fremdbeurteilungsteil (MALT-F): 7 Items
–> 0-5 Punkte: unauffällig
6-10 Punkte: Verdacht auf Alkoholismus bzw. Alkoholgefährdung
11-52 Punkte: Alkoholismus
—> Güte: hohe Spezifität, geringe Sensitivität
Differentialdiagnostik
—>Differentialdiagnostisches Problem:
Viele Störungen oder Krankheiten produzieren ähnliche oder gleiche Syndrome oder Symptome, d.h. dass viele Symptome unterschiedliche Syndrome bedeuten oder anzeigen können. Wie können wir also sicher stellen, dass ein Symptom oder Syndrom eine diese Störung oder Krankheit anzeigt und nicht jene oder eine andere?
—>ausgerichtet auf die Abgrenzung und Identifizierung einer bestimmten Krankheit innerhalb einer Gruppe symptomatisch ähnlicher (oder z.T. sogar übereinstimmender) Krankheiten
Differentialdiagnostik
Skala zur Erfassung der Schwere der Alkoholabhängigkeit (SESA)
—>Zielsetzung: Bestimmung der Schwere einer bestehenden Alkoholabhängigkeit auf der Basis des Abhängigkeitssyndroms
—>Selbstbeurteilungsfragebogen, der aus zwei Teilen besteht: - Gesamtskala mit 28 Items (sieben Subskalen)
- Subskala „Wiederauftreten des Syndroms nach Abstinenz“
mit fünf Items
—>Güte: Cronbach‘s-Alpha: .71-.95; Vergleiche mit SCAN und CIDI, Zusammenhänge mit MALT, Trinkmengen und Folgeerkrankungen
Verbindung von Diagnostik und Intervention
—>Der praktischer Wert der Diagnostik zeigt sich aus den ableitbaren Handlungsanweisungen
—>Unterscheidung in selektive Indikation (Zuordnungsproblem, Selektionsstrategie) und adaptive Indikation (Anpassung der therapeutischen Intervention an den Einzelfall/ therapeutischen Prozess, Modifikationsstrategie)
—> Aufgaben der Indikation (hierarchische Entscheidung folgender Aspekte): Psychotherapie-IndikationàBehandlungsbezogene Indikation —> Adaptive oder prozessuale Indikation
—> Sowohl Zuordnung von zentralen Problem/ Symptomatiken zu Behandlungsansätzen als auch Passung zwischen Therapeutin und Klientin zur Indikationsstellung von Relevanz