Klinische Psychologie und das Konstrukt „Psychische Störung“ Flashcards
Was sind psychische Störungen? Eine Krankheit?
der Begriff “Krankheit” wird erst zur „Kennzeichnung solcher Zustände einer Person benutzt, die nicht mehr als normal angesehen werden und daher einer besonderen Erklärung bedürfen. Dabei handelt es sich um beobachtbare oder drohende Veränderungen im Wohlbefinden (…), im Verhalten und in der Leistungsfähigkeit einer Person, die normalerweise nicht zu erwarten sind“
Krankheitsbegriff ist eng verknüpft mit…
Krankheitsbegriff eng verknüpft mit körperlichen Erkrankungen (durch somatisch-biologischen Ursachen zustande kommend)
Rechtsprechung von Krankheitsbegriff:
Krankheit (i.S. der gesetzlichen Krankenversicherung) „versteht sie einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer Heilbehandlung, die Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat.“
Was heißt „regelwidrig“?
Abweichung von der Norm
Psychische Störungen aus Naturwissenschaftlicher Perspektive
- psychische Störungen sind objektiv vorfindbar
- Entstehung und Verlauf erfolgen nach naturwissenschaftlichen Gesetze
- Erforschung mit den Mitteln der empirischen Forschung
Psychische Störungen aus Sozialwissenschaftlicher Perspektive
- psychische Störungen werden immer wieder neu interpretiert
- Interpretationsangebote sind vor dem Hintergrund der jeweils vorherrschenden sozialen, kulturellen und geistigen Strömungen zu betrachten
- führt zu immer wieder neuem Umgang mit dem Anders-Sein, den Behandlungszuständigkeiten und Folgen für die Betroffenen
„Interpretationen“ psychischer Störungen …und ihre Folgen
Beispiel (1): Depression: im Laufe der Zeit
- griechisch-römische Antike: Übermaß an schwarzer Galle
- Mittelalter: dämonische Versuchung oder Sünde (Teufel); von Gott entfernt
- Moderne: Pathologisierung (als Krankheit angesehen)
- Definitionsschwelle depressiver Erkrankungen: fortlaufend gesenkt
(→ DSM-5) - Wandel der Behandlungsmethoden
„Interpretationen“ psychischer Störungen …und ihre Folgen
Beispiel (2): Alkoholismus: im Laufe der Zeit
- ein transzendentales Gemeinschaftserlebnis
- guter“ und „schlechter“ Rausch
- Alkoholkonsum eine Erscheinungsform von “Erbminderwertigkeit“
- Alkoholismus – eine Krankheit?
- Verringerung der Grenzwerte für gesundheitsschädliches Verhalten durch die WHO in den letzten Jahrzehnten
—> Wandel
These: Betrachtet man psychische Störungen nur aus einer Perspektive, so
führt diese zu einer Gegenstandsverkürzung
—> Psychische Störungen…
‒ sind ……
‒ können als ….. aufgefasst werden
‒ was und ab wann etwas als abweichend/krank gilt, unterliegt einem …
‒ sind beobachtbar, beinhalten aber auch eine …..
‒ …sind Normabweichungen
‒ …können als Krankheiten aufgefasst werden
‒ …was und ab wann etwas als abweichend/krank gilt, unterliegt einem Wandel der Zeit
‒ …sind beobachtbar, beinhalten aber auch eine Bewertung
—> Grundlage der Bewertung: Normen (5 Stück)
‒ Statistisch
‒ Sozial
‒ Funktional
‒ Ideal
‒ Subjektiv
Innerhalb der Medizin: Klinische Psychologie besonderen Bezug zu?
Psychiatrie
Gründungsväter der klinischen Psychologie
Der Beginn der Klinischen Psychologie wird an zwei Ereignissen und zwei Veröffentlichungen festgemacht: (Jahreszahlen nicht wichtig)
- 1896 gründete der amerikanische Psychologe Lightner Witmer (1867–1956) in Phi- ladelphia die erste „Psychologische Klinik“
- und führte den Begriff „Klinische Psychologie“ ein.
- Ein Jahr zuvor (1895) hatte Emil Kraepelin (1856– 1926) sein Werk „Der psychologische Versuch in der Psychiatrie“ veröffentlicht.
- Im selben Jahr er- schienen die von Sigmund Freud (1856–1939) – gemeinsam mit Josef Breuer – verfassten „Studien über Hysterie“.
Witmer. Charakteristisch für Witmers Verständnis von „Klinischer Psychologie“ waren:
- die ausdrückliche Anwendungs- und Einzelfallorientierung. „Klinisch“ bedeutete für ihn „Arbeit mit dem Einzelfall“.
- In seiner Klinik bestand diese Ar- beit in der Diagnostik und Behandlung von Kin- dern mit sprachlichen Retardierungen, Lernbeein- trächtigungen, schulischen Problemen und Erzie- hungsproblemen.
- Die klinische Methode war aber seiner Meinung nach nicht auf die Arbeit mit be- einträchtigten Menschen begrenzt, sondern ohne Weiteres auch auf Menschen anwendbar, die sich vom Durchschnitt z. B. durch besondere Begabun- gen unterscheiden. Die Behandlung war vorwie- gend pädagogisch orientiert.
- Neu war, dass man nun versuchte, das praktische Handeln an den Er- kenntnissen der wissenschaftlichen Psychologie auszurichten.
- „Anwendungsorientierung“ war also keine Absage an die wissenschaftliche Psycho- logie, sondern eher eine besondere Form ihrer Auf- wertung.
Witmers Leistungen werden heute vor allem in seinem Beitrag zur ……. gesehen
Witmers Leistungen werden heute vor allem in seinem Beitrag zur Professionalisierung der Klinischen Psychologie gesehen.
Kraepelin. Kraepelin versuchte:
- experimentelle Ansätze der Psychologie auf psychiatrische Fragestellungen zu übertragen.
- Er führte u.a. Untersuchungen zu den psychischen Auswirkungen von Schreck, Über- raschung und Erwartung, zur Schlaftiefe und zu den Auswirkungen von Vergiftungen, Alkohol, Drogen etc. auf psychische Prozesse durch.
- Seine experimentelle Orientierung und sein Interesse an pharmakologischen Arbeiten wurden bereit- willig aufgegriffen und zur Basis einer experimen- tellen Tradition in der Psychopathologie, die bis heute fortlebt.
- Auch die medizinische Sicht auf psy- chiatrische Probleme wurde von Kraepelin nicht infrage gestellt.
- Er legte vielmehr den Grundstein für die Entwicklung einer Krankheitslehre psy- chischer Störungen, die für die Psychiatrie fast 100 Jahre lang Geltung behielt.
- Erst mit der Ein- führung der ICD-10 im Jahr 1992 wurde das von Kraepelin ent- wickelte System psychischer Krankheiten aufgege- ben
Freuds Verdienste für die Entwicklung der Klinischen Psychologie sind u.a. darin zu sehen, dass …..
- er auf die Bedeutung soziokultureller Ein- flüsse und frühkindlicher Erfahrungen für die Entstehung psychischer Störungen aufmerksam gemacht und die Bedeutung der therapeutischen Beziehung für Veränderungsprozesse erkannt hat.
- Auch Freuds Orientierung war ursprünglich expe- rimentell-naturwissenschaftlich. Er gab diese Ori- entierung aber später zugunsten eines phänome- nologisch-hermeneutischen Wissenschaftsver- ständnisses auf.
- Vor dem Hintergrund des bis heu- te vorwiegend experimentell-naturwissenschaftli- chen Selbstverständnisses der akademischen Psy- chologie ist es deshalb umso bemerkenswerter, dass Freuds Bedeutung für die Entwicklung der Klinischen Psychologie nie ernsthaft infrage ge- stellt wurde.
- Allerdings wird ihm besonders gern eine indirekte Bedeutung zugeschrieben: Die meisten klinisch-psychologischen Störungstheo- rien und Behandlungsansätze seien in Abgrenzung zur Psychoanalyse entwickelt worden.
Weiterentwicklung der klinischen Psychologie in Deutschland und der USA
Von der Psychodiagnostik zur Psychotherapie:
Störungs- theorien und Behandlungsansätze erlangten allerdings erst …
relativ spät nennenswerte Bedeutung für das Selbstverständnis der Klinischen Psycho- logie
Die Einflüsse der deutschsprachigen Psychologie auf die Entwicklung der Klinischen Psychologie wurden mit Beginn von was deutlich schwächer? Warum?
- Die Einflüsse der deutschsprachigen Psychologie auf die Entwicklung der Klinischen Psychologie wurden mit Beginn des Nationalsozialismus deut- lich schwächer.
- Psychologieprofessoren „nichtari- scher Abstammung“ wurden in den Ruhestand versetzt, entlassen, verschleppt und/oder ermor- det.
- Einige (auch nichtjüdische) Professoren emi- grierten in die USA. Zwar wurden auch neue Pro- fessuren eingerichtet, für eine Berufung waren da- mals in Deutschland aber weniger wissenschaftli- che Qualifikationen erforderlich als vielmehr Er- fahrungen in der „Wehrmachtspsychologie“, vor allem in Diagnostik
Die Psychologie war nun also weniger in Bezug auf ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse gefragt als in Bezug auf ….. Qualifikationen. Das erfor- derte eine neue Art der Ausbildung:
1941 wurde in Deutschland die erste Diplom-Prüfungsord- nung für Psychologie erstellt. Sie löste das bisher rein wissenschaftlich orientierte Studium zuguns- ten eines berufsvorbereitenden Studiums ab (und blieb bis 1973 fast unverändert gültig). Die Kli- nische Psychologie war in diesem Stadium aller- dings noch nicht als Studienfach vorgesehen.
Was begann in der USA noch während des zweiten Weltkrieges?
begann dort (USA) noch während des Zweiten Weltkrieges eine neue Ära für die Kli- nische Psychologie. War Psychotherapie bis dahin mit Psychoanalyse gleichgesetzt, wurden allmäh- lich auch genuin psychologische Behandlungsver- fahren entwickelt.
Entwicklung der klientenzentrierten Psycho- therapie:
Bereits 1942 veröffentlichte Carl Rogers (1902–1987) sein Buch „Counseling and Psychothe- rapy“. Dieses Buch gilt als der Beginn der klienten- zentrierten Psychotherapie, die in Deutschland al- lerdings erst Ende der 1960er-Jahre (als Ge- sprächspsychotherapie) bekannt wur- de.
Entwicklung der Verhaltenstherapie:
Noch stär- ker mit der wissenschaftlichen Psychologie ver- bunden zeigten sich die Vertreter der Verhaltens- therapie, die in den 1950er-Jahren entwickelt wurde: 1958 verwendeten Arnold Lazarus (geb. 1932) und Hans Jürgen Eysenck (1916–1997) – unabhängig voneinander, wie immer betont wird – zum ersten Mal in einer Veröffentlichung bzw. in einem Vortrag den Begriff „Behavior Therapy“
„Verhaltenstherapie“ wurde ursprünglich nicht ein- fach nur als neuer psychotherapeutischer Ansatz, sondern als ….. ver- standen
„Verhaltenstherapie“ wurde ursprünglich nicht ein- fach nur als neuer psychotherapeutischer Ansatz, sondern als Alternative zur Psychotherapie ver- standen
Wovon grenzte sich Eyseneck ausdrücklich ab?
von der Psychotherapie
Das aus heutiger Sicht vertraute Verständnis von Klinischer Psychologie gibt es in Deutschland seit:
Das aus heutiger Sicht vertraute Verständnis von Klinischer Psychologie gibt es in Deutschland seit Ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre
Da klinische das mit abstand beliebteste schwerpunktfach :
frühere Spezialisierungsmöglichkeiten abgeschafft
Was meint Medikalisierung?
Medikalisierung meint, dass ur- sprünglich nichtmedizinische Probleme als medizi- nische Probleme („Krankheiten“) definiert werden und dass man zum Beschreiben, Verstehen und „Behandeln“ dieser Probleme auf medizinische Denkmodelle Bezug nimmt