Kapitel 8 - Prosoziales Verhalten, Helfen und Altruismus Flashcards
Prosoziales Verhalten
Mit dem Begriff prosoziales Verhalten werden in der sozialpsychologischen Literatur üblicherweise Verhaltensweisen bezeichnet, die von einer Gesellschaft allgemein als vorteilhaft oder gewinnbringend für andere Menschen und/oder das bestehende politische System definiert werden
Wovon hängt es ab, ob ein Verhaltensakt als prosozial angesehen wird?
hängt unmittelbar vom spezifischen sozialen, historischen und politischen Kontext ab
Helfen
Verhaltensweisen, die eine helfende Person in der Absicht ausführt, das Wohlergehen einer anderen Person, die die Hilfe empfängt, zu verbessern (oder zu schützen)
Eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass ein Akt als Helfen klassifiziert wird, ist die Verhaltensabsicht oder Intention der helfenden Person
Anhand welcher drei unabhängigen Dimensionen systematisieren Pearce und Amato (1980) eine Vielzahl von Verhaltensweisen, die unter den Begriff “Helfen” fallen?
Planungsgrad
Schweregrad
Art des Kontakts
Klassifikationssystem Pearce und Amato (1980)
Planungsgrad
Handelt es sich bei der konkreten Tätigkeit eher um ein relativ spontanes und informelles Verhalten oder um ein geplantes und in formale Strukturen eingebettetes Verhalten?
Klassifikationssystem Pearce Pearce und Amato (1980)
Schweregrad
Geht es darum, bei der Lösung eines kleineren Problems behilflich zu sein oder um Hilfeverhalten in einer gravierenden Notsituation?
Klassifikationssystem Pearce und Amato (1980)
Art des Kontakts
Gibt die helfende Person ihre Unterstützung in direktem Kontakt oder erfolgt die Hilfeleistung indirekt oder vermittelt?
Unterschiede in der Wahrnehmung von “Hilfe”
Zwischen Verhaltensweisen, die unter dem Begriff “Helfen” subsumiert werden, bestehen erhebliche qualitative Unterschiede
Sowohl die helfende als auch die Hilfe empfangende Person können das Hilfeverhalten ganz unterschiedlich bewerten
Hilfe zu bekommen, ist aus der Sich der empfangenden PErson nicht notwendigerweise eine positive Erfahrung, auch wenn das Verhalten so intendiert sein mag
Altruismus
Formen des Hilfeverhaltens, deren primäres Ziel es ist, das Wohlergehen einer Person zu verbessern oder zu schützen
Ein möglicher persönlicher Nutzen, der dabei für die helfende Person entsteht stellt lediglich ein “Nebenprodukt” des Hilfeverhaltens dar und ist nicht intendiert
altruistisch vs. egoistisch
Anders als im Falle altruistisch motivierten Helfens, besteht im Fall egoistisch motivierten Helfens das Ziel der helfenden Person darin, ihr eigenes Wohlergehen zu verbessern, zu schützen oder weiter auszubauen
DIe Verbesserung des Wohlergehens der anderen Person dient der helfenden Person also lediglich als Mittel zum Zweck, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen
Wurzeln des Altruismus
Unter Sozialpsycholog*innen besteht weiterhin Einigkeit darüber, dass Helfen und Altruismus biologische Wurzeln haben und genetisch im Verhaltensrepertoire der Spezies Mensch verankert sind
Theorie der Verhaltensselektion
(Hamilton, 1964; Meyer, 1999)
Im Zentrum der theoretischen Überlegung steht die Annahme, dass die natürliche Selektion insbesondere die Evolution von prosozialem Verhalten gegenüber genetisch Verwandten gefördert hat, und zwar deshalb, weil dieses Verhalten den indirekten Reproduktionserfolg eines Individuums erhöht
Leitet sich aus dem von Hamilton (1964) entwickelten Konzept der Gesamtfitness ab
Gesamtfitness (“inclusive fitness”)
Der Fortpflanzungserfolg eines Individuums, der sich aus der Addition zweier Maße ergibt:
a) direkten Fitness →Anzahl der Gene, die durch eigene Replikation (direkte eigene Nachkommen) in die nächste Generation weitergegeben werden
b) indirekte Fitness →Anzahl der eigenen Gene, die über Verwandte an die nächste Generation weitergegeben werden
Empirische Belege für das Prinzip der Verwandtenselektion
Es gibt eine Reihe von empirischen Belegen dafür, dass das Prinzip der Verwandtenselektion tatsächlich für das Hilfeverhalten von Menschen eine Rolle spielt
→Die Bereitschaft anderen Personen zu helfen, steht mit dem Grad der genetischen Verwandtschaft zwischen helfender und Hilfe empfangender Person linear an
→nur zu beobachten, wenn es sich um lebensbedrohliche Situationen handelt
→sind die Situationen nicht Lebensbedrohlich, spielt die genetische Verwandtschaft für das Ausmaß der Hilfebereitschaft keine Rolle
Reziproker Altruismus
Die Unterstützung von Nichtverwandten bringt zunächst Fitnesskosten mit sich
Wenn allerdings garantiert ist, dass diese Unterstützung von der rezipierenden Person zu einem späteren Zeitpunkt durch eine Verhaltensweise erwidert wird, deren Wert die eigenen Investitionskosten übersteigt, dann resultiert aus der ursprünglichen Investition ein Fitnessvorteil für das Individuum
Die Theorie des reziproken Altruismus postuliert daher, dass die natürliche Selektion die Evolution von Hilfeverhalten begünstigt hat, welches auf dem Prinzip der Wechselseitigkeit beruht
Reziprozitätsnorm (Gouldner, 1960)
Findet sich in nahezu allen bekannten Kulturen
unterstützt das Prinzip der Wechselseitigkeit in Hilfebeziehungen
Im Kern beinhaltet diese Norm zwei Vorschriften:
- Menschen sollen denen helfen, die ihnen geholfen haben
- sie sollen die nicht verlettzen, die ihnen geholfen haben
Ursprung der Reziprozitätsnorm
Sozialwissenschaftler*innen sehen die Regeln als Bestandteil einer universell gültigen Norm an, die ihre Verbreitung dem universellen Nutzen für das menschliche Zusammenleben verdankt
Evolutionspsycholog*innen die kulturenübergreifende Verbreitung des Reziprozitätsprinzips als einen Beleg für seine genetische Verankerung
→Annahme einer genetischen Basis dieses Prinzips wird mittlerweile auch durch eine Reihe neuerer neuropsychologischer Unterschungungen unterstützt
Kosten-Nutzen-Analysen
Zahlreiche sozialspychologische Ansätze gehen von der Prämisse aus, dass menschen anderen dann helfen, wenn der wahrgenommene Nutzen, der für sie selbst aus diesem Verhalten resultiert, die wahrgenommenen Verhaltenskosten übersteigt
→Hilfeverhalten lässt sich in diesen Ansätzen zufolge als eine Form des sozialen Auszauschs verstehen, bei der eine Person eigene Ressourcen investiert, um einen Gegenwert dafür zu bekommen
Kosten-Nutzen-Analysen
Schematische Darstellung
Eine Person analysiert in einer Hilfesituation zunächst die potenziellen Kosten und den Nutzen, die für sie persönlich durch das Hilfeverhalten resultiert
Dann vergleicht sie diese Konsequenzen mit den potenziellen Kosten und dem Nutzen alternativer Handlungen
Schließlich wählt sie auf der Grundlage dieser Analysen diejenige Verhaltensvariante aus, die den größtmöglichen Verhaltensnutzen und die geringst möglichen Verhaltenskosten für sie persönlich mit sich bringen
Kosten-Nutzen-Analysen
übergeordnetes Ziel des Hilfeverhaltens
besteht austauschtheoretischen Überlegunge zufolge damit in der Wahrung oder dem Ausbau des eigenen Wohlergehens nach dem Prinzip der Nutzenmaximierung (egoistische Motivation)