Kapitel 11 - Sozialer Einfluss Flashcards
Sozialer Einfluss
Unter sozialem Einfluss versteht man in der Sozialpsychologie den Prozess der Veränderung individueller Einstellungen, Werte, Verhaltensweisen etc. aufgrund der Konformität mit relevanten Informationen durch andere Personen
Majoritätseinfluss
Seit Deutsch und Gerard (1955) einflussreicher Analyse wird Majoritätseinfluss auf zwei unterschiedliche Prozesse zurückgeführt:
- informationaler Einfluss
- normativer Einfluss
Konformität
Unter Konformität wird die Veränderung individueller Verhaltensweisen, Überzeugungen, Einstellungen etc. infolge sozialer Beeinflussung durch eine numerische Majorität (Mehrheit) der Gruppenmitglieder verstanden
Die individuellen Positionen werdne infolge des Einflusses an die Majoritätsposition angepasst
Majoritätseinfluss
Informationsaler Einfluss
beruht auf dem Bedürfnis, ein möglichst akkurates Bild der sozialen Realität zu erhalten
In Situationen, in denen sich Menschen selbst unsicher bzgl. der Einschätzung eines Sachverhalts sind, orientieren sie sich daher daran, wie die meisten anderen Personen den Sachverhalt einschätzt bzw. sich demgegenüber verhält
Sozialer Einfluss, der darauf beruht, dass man die von der Majorität der Gruppenmitglieder vertretenen Überzeugungen, Einstellungen etc. als angemessene Interpretationen der Realität akzeptiert
Ein wichtiger Grundstein für das Verständnis informationalen Einflusses wurde durch das Experiment von Sherif (1936) zur Formulierung sozialer Normen gelegt
Majoritätseinfluss
Normativer Einfluss
Während informationaler Einfluss auf das Bedürfnis zurückgeführt werden kann, ein möglichst akkurates Bild der sozialen Realität zu erhalten, lässt sich normativer Einfluss durch Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und sozialer Anerkennung erklären
Normativer Einfluss beruht darauf, dass man die Erwartungen anderer Gruppenmitglieder erfüllen und negative Sanktionen bei normabweichendem Verhalten vermeiden möchte
In einer Serie paradigmatischer Experimente zeigte Asch (1956), dass Mesnchen sich auch dann der Position der Majorität anpassen, wenn diese einen Sachverhalt ganz offensichtlich falsch beurteilt
Majoritätseinfluss
Normativer Einfluss
Compliance
Wenn menschen sich in öffentlichen Situationen normenkonform verhalten, ohne dass sie die entsprechende Nrom privat akzeptieren
Majoritätseinfluss
Normativer Einfluss
Welche situativen Bedingungen begünstigen Konformität aufgrund normativen Einflusses?
Interdepenz
Größe der Majorität
Unabhängigkeit der Quellen
Öffentliche Identifizierbarkeit
Majoritätseinfluss
Normativer Einfluss
Welche situativen Bedingungen begünstigen Konformität aufgrund normativen Einflusses?
Interdepenz
Sind die Gruppenmitglieder im Hinblick auf die Erreichung eines Zieles voneinander abhängig, erhöht sich typischerweise die Tendenz zur Konformität
Majoritätseinfluss
Normativer Einfluss
Welche situativen Bedingungen begünstigen Konformität aufgrund normativen Einflusses?
Größe der Majorität
Bei Untersuchungen mit dem Asch-Paradigma ist der Effekt des normativen Einflusses bereits zu beobachten, wenn eine Person mit zwei Personen konfrontiert ist, die einstimmig eine andere Meinung vertreten
Zusätzliche Personen führen zu vergleichsweise geringeren Effektsteigerungen
→Es bedarf nicht unbedingt einer zahlmäßig extrem überlegenen Majorität, um Konformität auf der Basis von normativem Einfluss zu erzeugen
Majoritätseinfluss
Normativer Einfluss
Welche situativen Bedingungen begünstigen Konformität aufgrund normativen Einflusses?
Unabhängigkeit der Quellen
Ein Faktor, von dem abhängt, ob die Konformität weiter zunimmt, wenn die Person mit mehr als zwei Personen konfrontiert ist, die eine abweichende Meinung vertreten, besteht darin, ob diese anderen Personen als unabhängig Urteilende oder als “Stimmvieh” angesehen werden
→Mehrere unabhängige Informationsquellen werden also als verlässlicher angesehen als ein Gruppenurteil
Majoritätseinfluss
Normativer Einfluss
Welche situativen Bedingungen begünstigen Konformität aufgrund normativen Einflusses?
Öffentliche Identifizierbarkeit
Begünstigend wirkt sich insbesondere die öffentliche Identifizierbarkeit der eigenen Position aus
Tatsächlich reduzierte sich die Konformität der Untersuchungspersonen in Untersuchungen mit dem Asche-Paradigma drastisch, wenn die Untersuchungsperson ihr Urteil nicht durch ein öffentlich sichtbares Handzeichen, sondern schriftlich (geheim) abgeben konnte
Majoritätseinfluss
Normativer Einfluss
Widerstand
Einstimmigkeit der Majorität:
“Abweichler*innen” (Personen, die - von der Majoritätsmeinung - abweichende Meinungen abgeben, die mal richtig und mal falsch sind)
“Abweichler*innen” sind als Rollenmodelle für Widerstand gegen Konformitätsdruck wichtig - eine Schlussfolgerung, die durch eine Reihe von Untersuchungen zum Widerstand gegen Einflussversuche von Majorität untermauert wird
Majoritätseinfluss
Die Erwartung von Übereinstimmung
Ein Schlüsselfaktor zum Verständnis von Konformitätsprozessen liegt darin, dass Menschen in vielen Situationen Übereinstimmung erwarten
Tatsächlich überschätzen Personen typischerweise den Anteil der Personen, die ihre eigenen Einstellungen, Meinungen, Weltsichten etc. teilt, ein Urteilsfehler, der auch als false consensus effect bezeichnet wird
Majoritätseinfluss
False consensus effect
Die Tendenz, die Übereinstimmung zu überschätzen, die zwischen den eigenen Einstellungen, Meinungen, Weltsichten und denen anderer Personen herrscht
Majoritätseinfluss
False consensus effect
Erklärungen
Kognitive Verfügbarkeit
Belege für Ähnlichkeiten zwischen der eigenen Person und anderen Personen lassen sich leichter aus dem Gedächtnis abrufen als Unähnlichkeiten
Selbstverankerung und Projektion
Menschen gehen bei der Einschätzung von anderen zunächst von sich selbst aus und projizieren ihre eigenen Einstellungen auf andere
Konsistente Informationssuche
Menschen suchen gezielt nach Menschen, die mit ihnen übereinstimmen, während sie Personen, die eine andere Sichtweise haben, vermeiden
Bedürfnis nach Zugehörigkeit
Menschen streben danach, mit anderen Personen übereinzustimmen, um gegenüber sich selbst und anderen ihre Gruppenzugehörigkeit zu zeigen. Dieses Bedürfnis verzerrt ihre Wahrnehmung der tatsächlichen Übereinstimmung
Theorie des Minoritätseinflusses - Serge Moscovici, 1976
Der Minoritätseinfluss ist eine entscheidende Triebkraft für Innovation und sozialen Wandel innerhalb von Gruppen und Gesellschaften
Die Wirksamkeit von Minoritätseinfluss hängt der Theorie zufolge entscheidend vom Verhaltensstil der Minorität ab:
Eine Minorität wird insbesondere dann erfolgreich (informationalen) sozialen Einfluss ausüben, wenn sie ihren abweichenden Standpunkt konsistent vertritt d.h., wenn sie ihre Position einstimmig und über die Zeit hinweg aufrechterhält
Diese Befunde sind repräsentativ für weitere Forschungsergebnisse, die den Einfluss konsistent auftretender Minoritäten auf die Majorität belegen
Konversionstheorie - Moscovici (1980)
Minoritätseinfluss und Majoritätseinfluss beruhen auf unterschiedlichen psychologischen Prozessen
→ersterer auf Validierungsprozessen
d.h. systematischer Verarbeitung der Minoritätsargumente aufgrund eines kognitiven Konflikts zwischen eigener und Minoritätsmeinung
→letzterer auf Vergleichsprozessen
d.h. relativ oberflächlicher Verarbeitung, die durch das Bedürfnis geprägt ist, die durch einen Meinungskonflikt entstehende Bedrohung der eigenen Zugehörigkeit zur Majorität durch Anpassung aufzulösen
Minoritätseinfluss sollte eher zu privater Akzeptanz (Konversion), Majoritätseinfluss hingegen eher zu compliance führen
Die empirische Befundlage ist allerdings nicht einheitlich
Die Rolle von Gruppenidentifikation
Eigen- und Fremdgruppenbeziehung ist zwischen der Quelle des sozialen Einflussversuchs und der eigenen Person von zentraler Bedeutung für die Effektivität von sozialem Einfluss
Die Rolle von Gruppenidentifikation
Wovon gehen David und Turner (2001) in ihrer Analyse sozialer Einflussprozesse auf der Basis der Selbstkategorisierungstheorie aus?
Dass nur diejenigen Personen sozialen Einfluss ausüben können, die auf - für den Einfluss - relevanten Dimensionen als ähnlich zum eigenen Selbst wahrgenommen werden
Es sollte zu sozialem Einfluss kommen, wenn:
- die Einflussquelle(n) als Mitglied(er) der Eigengruppe wahrgenommen werden
(Einflussversuche von Fremdgruppenmitgliedern sollten hingegen zurückgewiesen werden)
- die Position der Quelle(n) relativ prototypisch für die Eigengruppe ist
(d. h. sie ist typsich für die Eigengruppe, aber wenig typisch für die Fremdgruppe)
Die Rolle von Gruppenidentifikation
Was folgt aus David und Turners (2001) Annahmen der Analyse sozialer Einflussprozesse?
Dass Minoritäten nur dann Einfluss ausüben können, wenn sie von der Person als Teil der Eigengruppe definiert werden
Minoritätseinfluss muss daher eine Form der Rekategorisierung verausgehen, durch die die Minorität nicht länger als Fremdgruppe, sondern als Teil einer Eigengruppe wahrgenommen wird
Empirische Belege sprechen dafür, dass sich Menschen im Einklang mit der Selbstkategorisierungstheorie typischerweise eher von (prototypsichen) MItgliedern ihrer eigenen Gruppe beeinflussen lassen. Dennoch kann unter bestimmten Bedingungen auch Einfluss von Fremdgruppenmitgliedern ausgeübt werden
Warum gehorchen Menschen Autoritäten?
Informationaler Einfluss spielt eine Rolle →Autoritäten werden besondere Kompetenzen und Kenntnisse zugeschrieben; sie sind legitimiert, Gehorsam einzufordern; ihre Entschiedungen werden daher als richtig und angemessen akzeptiert
Personen gehorchen Autoritäten, da sie Furch vor der Sanktionierung von Ungehorsam haben (normativer Einfluss)
In hierarchisch strukturierten Gruppen, Organisationen oder Institutitonen schreiben Normen den Gehorsam gegenüber Autoritäten vor, und die Akzeptanz dieser Normen spielt eine wichtige Rolle für die Funktionsfähigkeit dieser sozialen Systeme
Wann wird Gehorsam sozial problematisch?
Wenn Personen Anweisungen von Autoritäten Folge leisten, obwohl das von ihnen geforderte Verhalten in direktem Widerspruch zu ihrem Gewissen oder allgemien akzeptierten moralischen Prinzipien steht
Wie lässt es sich erklären, dass - laut Milgrams Experiemten - der “Durchschnittsmensch” dazu gebracht werden kann, einer Autorität Folge zu leisten, selbst wenn das Verhalten gegen eigene Werte und Überzeugungen verstößt?
Infomationaler Einfluss
Informationaler Einfluss ist insbesondere in mehrdeutigen, unklaren oder neuen Situationen wirksam, für die die Menschen keine Verhaltensroutinen haben. In diesen Situationen orientieren sich Menschen an anderen Personen
Normativer Einfluss
Wenn eine Autoritätsperson so darauf besteht, dass man gehorcht, ist es für viele Menschen i.d.R. schwierig, sich zu widersetzen (“Sie haben keine Wahl, Sie müssen weitermachen!”)
Selbstrechtfertigung
Bsp. Milgram Experiment
Der VL wies die Untersuchungsperson an, die Schocs graduell zu erhöhen. Die Untersuchungspersonen standen jeweils der Entscheidung gegenüber, die Dosis um weitere 15 Volt zu erhöhen. Da sie dieser Dosis schon zu Beginn der Untersuchung zugestimmt hatten, wurde es mit jeder nachfolgenden Entscheidung für sie schwieriger zu entscheiden, an welchem Punkt sie nicht weitermachen würden
“es waren ja immer nur 15 Volt Erhöhung”
Durch experimentelle Variationen seines Paradigmas erbrachte Milgram auch aufschlussreiche Hinweise dafür, in welchen Situationen die Bereitschaft zu Gehorsam abnimmt
Wann war dies u.a. der Fall?
- die Distanz zum “Opfer” wurde verringert
- die Legitimität der Autoritätsperson stand in Frage
- andere Teilnehmende (Assistenten des Vl) weigerten sich zu gehorchen
Die Bedeutung der wahrgenommenen Behandlung durch Gruppenautoritäten und andere Gruppenmitglieder
Group-Engagement-Modell
Liefert einen Erklärungsansatz dafür, wie Autoritäten Einstellungen und Verhaltensweisen von Gruppenmitgliedern beeinflussen
Im Mittelpunkt steht hier nicht allein die Interaktion zwischen Autorität und individuellem Gruppenmitglied, sondern die Implikationen dieser Interaktion für die Beziehung zwischen Individuum und Gruppe
Das Modell integriert Annahmen der sozialpsychologischen Gerechtigkeitsforschung, insbesondere der Forschung zur prozeduralen Gerechtigkeit mit dem sozialen Identitätsansatz
→Die Annahmen des Groupe-Engagement Modells zur Bedeutung der Qualität der intragruppalen Behandlung sind nicht nur auf die Behandlung durch Autoritäten beschränkt
Die Bedeutung der wahrgenommenen Behandlung durch Gruppenautoritäten und andere Gruppenmitglieder
Group-Engagement Modell
prozedurale Gerechtigkeit
beinhaltet die subjektive Wahrnehmung, dass Autoritäten innerhalb der Gruppe der eigenen Person in Entscheidungsprozessen fair und unvoreingenommen gegenüber stehen und ihr die Möglichkeiten geben, Entscheidungen, die sie selbst betreffen, mit zu beeinflussen
Die Bedeutung der wahrgenommenen Behandlung durch Gruppenautoritäten und andere Gruppenmitglieder
Group-Engagement Modell
Was kommuniziert eine prozedural gerechte Behandlung durch Autoritäten?
kommuniziert zwei Kernbotschaften im Hinblick auf die soziale Identität des individuellen Gruppenmitglieds:
Zum einen signalisiert sie, dass die Person von den Autoritäten als vollwertiges Gruppenmitglied respektiert wird
Zum zweiten kommuniziert diese Behandlung auch, dass die Person stolz auf ihre Gruppe sein kann, da die gerechte Behandlung durch die Autoritäten die moralischen Werte und Prinzipien der Gruppe insgesamt reflektiert
Die Bedeutung der wahrgenommenen Behandlung durch Gruppenautoritäten und andere Gruppenmitglieder
Wozu führen Stolz und Respekt dem Group-Engagement Modell zufolge
zu einer Stärkung der Identifikation mit der Eigengruppe
Dies wiederum verstärkt die Effektivität sozialer Einflussprozesse durch andere Gruppenmitglieder, was schließlich zu Verhaltensweisen führt, die konform zu den Zielen der Gruppe und ihren Normen sind
Die Bedeutung der wahrgenommenen Behandlung durch Gruppenautoritäten und andere Gruppenmitglieder
Groupe-Engagement Modell
empirische Befunde
Mittlerweile liegt eine Vielzahl von empirischen Befunden vor, die zeigen, dass die Wahrnehmung von anderen Gruppenmitgliedern respektiert zu werden, dazu führt, dass sich die Gruppenmitglieder stärker für die Gruppe und ihre Ziele engagieren
→Ein Grund hierfür besteht darin, dass sich respektierte Gruppenmitglieder stärker mit ihrer Gruppe identifizieren
Die gesteigerte Identifikation führt wiederum zu einer Internalisierung der Gruppenziele, so dass sich die Mitglieder der Gruppe diesen Zielen gegenüber innerlich verpflichtet fühlen und sich entsprechend verhalten