Kapitel 1 - Einführung Flashcards
Was ist die Sozialpsychologie?
- grundlagenwissenschaftliche Teildisziplin der empirischen Psychologie
- untersucht das Erleben und Verhalten von Menschen in sozialen Situationen, d.h. Situationen, in denen Kognitionen, Emotionen, Motive und Handlungen einer Person durch die tatsächliche, vermutete (oder mitunter lediglich vorgestellte) Anwesenheit anderer Menschen beeinflusst werden
- interessieren sich insbesondere für Wechselwirkungen im Sinne statistischer Interaktionen
- Man könnte sogar sagen, dass die Sozialpsychologie die psychologische Wissenschaft der Interaktion von Person und sozialer Situation ist
Was ist eines der Hauptziele sozialpsychologischer Forschung?
empirisch überprüfbare Theorien und Modelle zu entwickeln, um zu beschreiben, zu prognostizieren und zu erklären, wie Menschen sich in sozialen Situationen verhalten – wie sie einander wahrnehmen, wie sie Einfluss aufeinander ausüben und wie sie ihre Beziehungen zueinander gestalten
Was sind zwei der forschungsleitenden Prämissen sozialpsychologischer Forschung?
-
Menschen konstruieren aktiv das, was sie als soziale Realität wahrnehmen
- reagieren nicht darauf, wie eine Situation „objektiv“ ist, sondern darauf, wie diese Situation von ihnen selbst subjektiv wahrgenommen und interpretiert wird
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Verhaltensgleichung (Kurt Lewin - einem der Mitbegründer der empirischen Sozialpsychologie)
- menschliches Verhalten (V) als eine Funktion von Personfaktoren (P) und Umweltfaktoren (U) beschreibt
- V = f (P, U)
Was untersucht die sozialpsychologische Forschung?
- wie und auf welche Weise Personenmerkmale (z.B. Eigenschaften, Einstellungen, Motive, Emotionen) Wahrnehmung, Erleben und Verhalten in sozialen Situationen beeinflussen
- Effekte von Merkmalen der (subjektiv wahrgenommenen) sozialen Situation auf Wahrnehmung, Erleben und Verhalten untersucht
- Wechselwirkung (Interaktion) der Effekte von Personen- und Situationsfaktoren auf das menschliche Erleben und Verhalten in sozialen Situationen
- versucht aufzudecken, wie Kognitionen (d.h. unbewusste oder bewusste mentale Prozesse), Emotionen oder Stimmungen das Erleben und Verhalten in sozialen Situationen beeinflussen
Was ist eine Interaktion?
Eine Interaktion zwischen zwei Einflussfaktoren liegt vor, wenn die Stärke des Effekts, den ein bestimmter Faktor (z.B. ein Situationsmerkmal) auf eine Variable (z.B. ein bestimmtes Verhalten) ausübt, systematisch mit der Ausprägung eines anderen Faktors (z.B. einem Personenmerkmal) variiert.
Beispiel: Die Stärke, die ein Situationsmerkmal auf ein bestimmtes Verhalten ausübt, variiert systematisch mit einem Personenmerkmal.
Was ist die “Personen-Situation-Interaktion”?
Der Effekt eines sozialen Situationsfaktors kann systematisch durch die Ausprägung eines Personenfaktors beeinflusst werden
Was ist eine Personeneigenschaft?
In der psychologischen Forschung bezeichnet der Begriff der Persönlichkeitseigenschaft (engl. trait) eine zeitlich relativ überdauernde und über Situationen generalisierte Erlebens- und Verhaltenstendenz
Welche sind die fünf Definitionskriterien von Persönlichkeitseigenschaften (in denen die meisten eigenschaftstheoretischen Modelle konvergieren) ?
- Der Begriff der Persönlichkeitseigenschaft bezieht sich auf Individuen
- Persönlichkeitseigenschaft sind Merkmale, anhand derer sich Individuen voneinander unterscheiden.
- In der Regel unterscheiden sich Individuen nicht darin, ob sie eine bestimmte Eigenschaft besitzen oder nicht, sondern im jeweiligen Ausprägungsgrad der Eigenschaft
- Um von einer Persönlichkeitseigenschaft zu sprechen, muss dieses Merkmal über einen längeren Zeitraum hinweg bestehen bzw. beobachtbar sein
- Persönlichkeitseigenschaften beschreiben Regelmäßigkeiten des Verhaltens, Denkens und Fühlens, und dies nicht nur über die Zeit hinweg, sondern auch über unterschiedliche Situationen hinweg
Was besagt die erste der fünf Definitionskriterien von Persönlichkeitseigenschaften?
- Der Begriff der Persönlichkeitseigenschaft bezieht sich auf Individuen.
- Er beschreibt die Art und Weise wie Individuen handeln, denken, fühlen usw.
Personen, mit hohen Ausprägungen der Persönlichkeitseigenschaft „Verträglichkeit“ tendieren beispielsweise dazu anderen zu verzeihen, sie sind eher milde bei der Beurteilung anderer Menschen, sie neigen dazu Kompromisse einzugehen und mit anderen zu kooperieren
Was besagt die zweite der fünf Definitionskriterien von Persönlichkeitseigenschaften?
- Persönlichkeitseigenschaft sind Merkmale, anhand derer sich Individuen voneinander unterscheiden
Um beim Beispiel zu bleiben: Manche Zeitgenossen sind verträglicher als andere
Was besagt die dritte der fünf Definitionskriterien von Persönlichkeitseigenschaften?
- In der Regel unterscheiden sich Individuen nicht darin, ob sie eine bestimmte Eigenschaft besitzen oder nicht, sondern im jeweiligen Ausprägungsgrad der Eigenschaft
Einflussreiche Persönlichkeitsmodelle wie das Big-Five Modell (z.B. Costa & McCrae, 1992) oder das HEXACO-Modell (z.B. Ashton & Lee, 2007) gehen davon aus, dass „Verträglichkeit“ eine universelle Persönlichkeitsdimension ist, anhand der sich Menschen im Allgemeinen beschreiben lassen. Worin sich Menschen unterscheiden ist also nicht, ob sie die Eigenschaft Verträglichkeit besitzen oder nicht, sondern wie stark diese Eigenschaft ausgeprägt ist
Was besagt die vierte der fünf Definitionskriterien von Persönlichkeitseigenschaften?
- Um von einer Persönlichkeitseigenschaft zu sprechen, muss dieses Merkmal über einen längeren Zeitraum hinweg bestehen bzw. beobachtbar sein
- Das Kriterium der zeitlichen Stabilität unterscheidet Persönlichkeitseigenschaften von den zeitlich fluktuierenden Befindlichkeiten einer Person (sog. „States“)
Um davon zu sprechen, dass ein Individuum eine hohe Ausprägung der Eigenschaft Verträglichkeit aufweist, muss eine zeitliche Stabilität dieser Eigenschaftsausprägung beobachtbar sein
Was besagt die fünfte der fünf Definitionskriterien von Persönlichkeitseigenschaften?
- Persönlichkeitseigenschaften beschreiben Regelmäßigkeiten des Verhaltens, Denkens und Fühlens, und dies nicht nur über die Zeit hinweg, sondern auch über unterschiedliche Situationen hinweg
Personen mit hohen Ausprägungen in Verträglichkeit sollten sich also in unterschiedlichen Situationen als tolerante, kompromissbereite und kooperative Individuen erweisen.
Was sind Dispositionen?
- psychologische Eigenschaften, anhand derer sich Menschen unterscheiden lassen
- Dispositionen können angeboren oder erworben sein, können relativ breit konzeptualisiert sein oder sich auf ein sehr spezifisches Merkmal beziehen
Was sind motivationale Ansätze?
Motivationale Ansätze beschreiben Personen danach, welche Ziele sie verfolgen und mit welcher Intensität sie dies tun
Was sind Ziele (goals)?
- spezifische und bewusst zugängliche Repräsentation erstrebenswerter bzw. positiv-valenter Ergebnisse
Was ist ein Motiv (motive)?
bezieht sich auf breitere Klassen von Zielen, die in unterschiedlichen Lebensbereichen angestrebt werden
Was sind bewusste (oder auch explizite) Motive?
- Bewusste (oder auch explizite) Motive lassen sich als die relativ überdauernde Handlungsbereitschaft einer Person auffassen, bestimmte Handlungen zum Erreichen von Zielen auszuüben
Was sind implizite Motive?
- Implizite Motive sind solche, die unbewusst bleiben, durch bestimmte Anreize angeregt werden und spontanes Verhalten beeinflussen
Was sind Werte (values)?
- bezieht sich auf breite Klassen von allgemeinen und relativ abstrakten Zielen
- Werte fungieren als bewusste Leitlinien für Menschen
Was ist ein Bedürfnis (need)?
- bezieht sich wie Motiv und Wert ebenfalls auf relative breite Klassen von Zielen
- Im Unterschied zum Motiv oder Wertebegriff wird mit dem Begriff des Bedürfnisses allerdings die Annahme verbunden, dass Bedürfnisse erst durch einen relativen Mangel ausgelöst werden
- Bedürfnisse werden also dann erlebens- und verhaltensrelevant, wenn sie verletzt oder unbefriedigt sind
- Der Begriff des Bedürfnisses findet sich überwiegend in frühen sozialpsychologischen Forschungsarbeiten zu den Beweggründen von Handlungen. In der neueren Literatur wurde der Bedürfnisbegriff meist durch den allgemeineren Motivbegriff abgelöst. Teilweise werden beide Begriffe auch synonym verwendet
- Bedürfnisse werden also dann erlebens- und verhaltensrelevant, wenn sie verletzt oder unbefriedigt sind
Wie definiert Lewin (1935) eine Situation?
Lewin (1935) verwendete eine „weite“ Definition des Situationsbegriffs, dem zufolge eine Situation durch alle Merkmale der Umwelt eines Individuums definiert wird, die einen kausalen Einfluss auf sein Verhalten ausüben
es gibt keinen allgemein akzeptierten theoretischen Rahmen, um zu identifizieren, zu klassifizieren und zu definieren, was eine sozialpsychologisch relevante Situation ist
Welche sind die grundsätzlichen Unterscheidungen, die innerhalb der sozialpsychologischen Forschung zum Einfluss von Situationen als besonders relevant erachtet werden?
- Objektive versus wahrgenommene Merkmale einer Situation
- Konkrete versus abstrakte Merkmale von Situationen
- Starke versus schwache Situationen
grundsätzliche Unterscheidungen zum Einfluss von Situationen
Objektive versus wahrgenommene Merkmale einer Situation
- differenziert zwischen den objektiven Merkmalen einer Situation und den wahrgenommenen subjektiv-interpretierten Merkmalen einer Situation
- Sozialpsychologen haben traditionellerweise ein stärkeres Augenmerk auf Letztere
Wovon geht die Interdependenztheorie (Kelly & Thibaut, 1978) aus?
Die Interdependenztheorie (Kelly & Thibaut, 1978) geht davon aus, dass sich die meisten sozialen Situationen anhand von objektiven Parametern der wechselseitigen Abhängigkeit von zwei Personen beschreiben lassen
(z.B. das Ausmaß, in dem positive oder negative Ergebnisse einer Interaktionsperson von Handlungen der anderen Interaktionsperson abhängen, die Dauer der Interaktion)
grundsätzliche Unterscheidungen zum Einfluss von Situationen
Konkrete versus abstrakte Merkmale von Situationen
- Um die Rolle von Situationen zu verstehen, kann man den Einfluss von konkreten Merkmalen einer spezifische Situationauf dasErlebenundVerhaltenvon Menschenuntersuchen
- z.B. die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von aggressiven Verhaltensweisen in Abhängigkeit von spezifischen beleidigenden Äußerungen einer Person
- Dieses Vorgehen erlaubt dann möglicherweise eine sehr zuverlässige Vorhersage des Verhaltens in Situationen, in denen die spezifische Äußerung auftritt
- Interessiert man sich allgemeinen für situative Ursachen von aggressivem Verhalten, ist es hilfreich von konkreten Situationen zu abstrahieren und potentiell aggressionsverursachend Situationsmerkmale(z.B. unterschiedliche Formen der Beleidigungen) aufgrund konzeptueller Gemeinsamkeiteninabstraktere Klassen zusammenzufassen (z.B. als „Provokationen“).
Diese abstraktere Kategorisierung erlaubt dann, verallgemeinerbare Aussagen, die für eine Vielzahl von konkreten Situationen Gültigkeit haben
grundsätzliche Unterscheidungen zum Einfluss von Situationen
Starke versus schwache Situationen
- situationale Faktoren beeinflussen Verhalten in dem Maße, in dem es sich um „starke“ Situationen handelt
- Persönlichkeitsvariablen sollten in schwachen Situationen einen größeren Einfluss auf das Verhalten haben, als in starken Situationen
grundsätzliche Unterscheidungen zum Einfluss von Situationen
Starke versus schwache Situationen
Welche sind laut Mischel (1977) die vier Kriterien, zur Beurteilung der Stärke einer Situation?
- ob die Situation in ähnlicher Weise von den meisten anderen Personen wahrgenommen wird
- ob die Situation sozial geteilte Erwartungen bezüglich angemessener Verhaltensweisen hervorruft
- ob die Situation angemessene positive Anreize für das angemessene Verhalten bereitstellt (bzw. negative Sanktionierungen für unangemessenes Verhalten)
- ob die Personen über die relevanten Fähigkeiten verfügen, um das Verhalten auszuführen
Was ist die “Macht der Situation”?
- Das Wissen darüber, was das angemessene Verhalten in diesen Situationen ist und wie es ausgeführt wird, wird über Sozialisationsprozesse innerhalb von Gesellschaften, Organisationen oder Gruppen erlernt und verinnerlicht
- Situationen beeinflussen das Verhalten daher oft, ohne dass es Menschen bewusst ist, und ihr Einfluss wird von ihnen gerade im Vergleich zum Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren häufig unterschätzt
- Man spricht daher in diesem Zusammenhang auch von der Macht der Situation
In welche Bereiche, lassen sich die Phänomene, mit denen sich die sozialpsychologische Forschung befasst, zuordnen?
- intra- und interpersonale Prozesse
- intra- und intergruppale Prozesse
Worin liegt ein traditioneller Schwerpunkt der Forschungen zu intrapersonalen Prozessen?
- auf der Erforschung von Einstellungen
- Welche funktionen haben Einstellungen und wie beeinflussen sie das Verhalten?
Worin liegt ein Schwerpunkt der Forschung zu interpersonalen Prozessen?
- u.a. die soziale Beziehungsforschung
- Wie entwickelt sich Freundschaft zwischen Individuen?
-
Forschung zu prosozialem Verhalten
- unter welchen Bedingungen helfen Menschen einander?
- oder zu aggressivem Verhalten
- Wann und warum fügen Menschen anderen Menschen absichtlich Schaden zu oder verletzen einander?
Worin liegt ein Schwerpunkt der Forschung zu intragruppalen Prozessen?
beschäftigt sich mit der Kooperation in Gruppen und der Gruppenleistung
Worin liegt ein Schwerpunkt der Forschung zu Intergruppenprozessen?
- Eruierung der Ursachen von Intergruppendiskriminierung
- Entwicklung von Interventionsmaßnahmen
Forschung zu Intergruppenprozessen
Vergangenheit vs. heute
- Während sich die Forschung zu Intergruppenprozessen in der Vergangenheit traditionell insbesondere mit problematischen Aspekten des Verhaltens zwischen Gruppen beschäftigt hat (Vorurteile, Konflikte, Diskriminierung)
- ist in den vergangenen Jahren ein zunehmendes Interesse an der Untersuchung positiven Verhaltens zwischen Gruppen zu verzeichnen (Hilfeverhalten zwi- schen Gruppen, intergruppale Solidarität)
Womit befassen sich Analysen auf Makroebene?
- widmen sich typischerweise den soziostrukturellen, ökonomischen oder politischen Prozessen, die Phänomene des gesellschaftlichen Zusammenlebens kennzeichnen und bedingen
- fallen damit in den Bereich der Politikwissenschaft, der Wirtschaftswissenschaft, der Soziologie u.a
Womit beschäftigen sich Analysen auf Mikroebene?
- konzentrieren sich auf psychologische oder biologische Prozesse – Analyseeinheit ist hier das Individuum oder kleinere biologische Einheiten (z.B. das Gehirn)
- Die Allgemeine und die Kognitionspsychologie, die Persönlichkeitspsychologie, die Humanbiologie und die Neurowissenschaften, um nur einige Disziplinen zu nennen, konzentrieren sich nahezu vollständig auf diese Ebene
Womit befassen sich Analysen auf Mesoebene?
- konzentrieren sich auf soziale Prozesse – Interaktionen zwischen Individuen, innerhalb von Gruppen oder zwischen Gruppen
- Mesoebene – dort wo Psychisches und Soziales aufeinander- treffen
Welche Analyseebene(n) wird/werden benötigt um komplexere soziale Phänomene zu erklären?
- Die Erklärung komplexer sozialer Phänomene – Rassismus, soziale Unruhen, sozialer Wandel u.ä. – erfordert die Verbindung von Analysen auf Makro-, Meso- und Mikroebene
- Das besondere Potential der Sozialpsychologie besteht in diesem Zusammenhang darin, Erklärungen dafür zu liefern, wie und in welcher Weise sich Makroprozesse (objektive Strukturen) auf Mikroprozesse (subjektives Erleben) auswirken und umgekehrt