Kapitel 17 - Positives Verhalten zwischen Gruppen Flashcards
Xenophobie
vom altgriechischen xénos - Fremder und phobos - Furcht)
scheint eine Konstante menschlicher Kultur zu sein
Xenophilie
xénos - Fremder und philía - Freundschaft, Liebe
beschreibt das Phänomen des Interesses und der Attraktion zu fremden Völkern, Kulturen oder Bräuchen, das sich in Neugier und Gastfreundschaft gegenüber Fremden und der Suche nach wohlwollendem explorativen Kontakt manifestiert
Xenophilie
Definition
In einem ganz basalen psychologischen Sinne lässt sich Xenophilie als eine positive Tendenz definieren, positiven, explorativen Kontakt mit Gruppen zu suchen, die auf der Grundlage ihrer Sprache, Ethnizität, Bräuche und Gewohnheiten als kulturell fremd und unvertraut wahrgenommen werden
Unterschiede in xenophilen Tendenzen
Wie individuelle Unterschiede im Allgemeinen, so resultieren auch individuelle Unterschiede in xenophilen Tendenzen vermutlich aus einem komplexen Zusammenspiel multiler Faktoren:
Persönlichkeitsfaktoren, individuelle Erfahrungen, soziale Einflussprozesse, kulturelle Werte
Persönlichkeitseigenschaften die auf interindividuelle Unterschiede in xenophilen Tendenzen hinweisen
Offenheit für Erfahrungen
Extraversion
zu einem gewissen Maße Gewissenhaftigkeit
HEXACO-Modell
Liefert eine Erklärung dafür, warum andere Persönlichkeitseigenschaften, nämlich Verträglichkeit, Emotionalität, und Ehrlichkeit-Bescheidenheit weniger relevant für xenophiles Verhalten sind, obwohl man dies vielleicht auf den ersten Blick erwarten würde
→Personen mit hohen Ausprägungen in Verträglichkeit, Emotionalität, und Ehrlichkeit-Bescheidenheit sind besonders dafür prädisponiert, zu gemeinsamen oder kollektiven Gütern beizutragen
HEXACO-Modell
“alturims&cooperation-related traits”
Im Rahmen des HEXACO-Modells werden die drei Eigenschaften (Verträglichkeit, Emotionalität und Ehrlichkeit-Bescheidenheit) auch als “altruism/cooperation-related traits” bezeichnet
Menschen mit hohen Ausprägungen in Verträglichkeit, Emotionalität, und Ehrlichkeit-Bescheidenheit sollten eher zurückhaltend darin sein, Intergruppenkontakt zu suchen, solange die damit assoziierten Risiken unklar sind
Individuelle Motive
Ein neuer Ansatz beschäftigt sich mit der Identifikation der individuellen Motive, die Menschen dazu führen, explorativen Intergruppenkontakt zu suchen
Konnte die folgenden sechs Motive identifizieren
- Wissenserwerb
- Werteausdruck
- Berufliche Interessen
- Soziale Entwicklung
- Kollektives Selbstbild
- Individuelles Selbstbild
Individuelle Motive
Wissenserwerb
Den eigenen Horizont zu erweitern, mehr über andere Kulturen zu erfahren, etwas Neues zu lernen, sich ein Bild vom Leben anderer Menschen zu machen, einen anderen Lebensstil zu erfahren
Individuelle Motive
Werteausdruck
Ein Zeichen gegen Diskriminierung zu setzen, Diskriminierung abzulehnen, ein friedliches und sicheres Zusammenleben zu ermöglichen, zur gesellschaftlichen Annäherung beizutragen, gemeinsame Probleme zu lösen, die alle Gruppen in der Gesellschaft betreffen
Individuelle Motive
Berufliche Interessen
Berufliche Qualifikationen zu erlangen, beruflich erfolgreich zu sein, das berufliche Profil zu verbessern, sich neue berufliche Perspektiven zu eröffnen, eigene berufliche Kompetenzen auszubauen
Individuelle Motive
Soziale Entwicklung
neue Freundschaften zu knüpfen, neue Leute kennenzulernen, Anschluss zu suchen, die eigene Kontaktfreude auszuleben
Individuelle Motive
Kollektives Selbstbild
zu zeigen was die eigene Kultur ausmacht, anderen die eigene Kultur näher zu bringen, die Bedeutung der eigenen Kultur hervorheben, die Standpunkte der eigenen kulturellen Gruppe zu vertreten, den Einfluss der eigenen Kultur zu erweitern
Individuelle Motive
Individuelles Selbstbild
Schuldgefühle zu vermeiden, von eigenen Defiziten abzulenken, familiäre Erwartungen zu erfüllen, bei Verwandten und Bekannten anerkannt zu werden, den Wünschen wichtiger Bezugspersonen zu entsprechen
Wie verbreitet ist Fremdgruppendiskriminierung im Hilfeverhalten?
Soziale Kategorisierung
Die Ergebnisse sstematischer empirischer Forschungsarbeiten zeigten, dass die Beziehung zwischen sozialen Kategorisierungsprozessen und Hilfeverhalten oft komplex ist
Zwar erbrachten einige Studien Belege für Fremdgruppendiskriminierung im spontanen Hilfeverhalten
Bei anderen Untersuchungen fanden Forschende hingegen keine Verbindung zwischen dem Eigen- bzw. Fremdgruppenstatus der hilfsbedürftigen Person und der Hilfsbereitschaft
Wie verbreitet ist Fremdgruppendiskriminierung im Hilfeverhalten?
Umgekehrte Diskriminierung
Studien ergaben schließlich, dass Fremdgruppenmitgliedern mitunter sogar mehr geholfen wird als Eigengruppenmitgliedern
→ein Phänomen, das auch als umgekehrte Diskriminierung im Hilfeverhalten bezeichnet wird
Wann sollte offene Diskriminierung gegen Fremdgruppenmitgliedern im Hilfeverhalten besonders wahrscheinlich sein?
Offene Diskriminierung gegen Fremdgruppenmitglieder im Hilfeverhalten sollte dann besonders wahrscheinlich sein, wenn
- das individuelle Verhalten nicht als Diskriminierung interpretiert werden kann, oder
- die Situation mehrdeutig genug ist, um das Verhalten durch alternative Erklärungen zu rechtfertigen
Wie verbreitet ist Fremdgruppendiskriminierung im Hilfeverhalten?
Es scheint daher, dass Menschen zumindest unter bestimmten Umständen Angehörigen anderer Gruppen nicht nur helfen, um die normativen oder moralischen Kosten zu vermeiden, die mit offener Diskriminierung bzw. dem Nichthelfen einhergehen
Stattdessen suche sie die Gelegenheiten mitunter aktiv auf, Angehörige von Fremdgruppen zu unterstützen - manchmal tun sie dies gemeinsam mit anderen Mitgliedern ihrer Eigengruppe, manchmal aber auch individuell und sogar entgegen den in ihrer Gruppe vorherrschenden Normen
Motivationale Untersschiede
empirische Forschungsarbeiten
Mittlerweile liegen eine Reihe von empirischen Forschungsarbeiten vor, die zeigen, dass die soziale Kategorisierung der hilfsbedürftigen Person als Eigen- oder Fremdgruppenmitglied einen erheblichen Einfluss auf die motivationalen Prozesse hat, die Hilfeverhalten vermitteln
Motivationale Unterschiede
Empathie
Ein wesentlicher Unterschied im Hinblick auf die motivationalen Prozesse, die Eigen- und Fremdgruppenhelfen zugrunde liegen, besteht in der Rolle von Empathie
→Die Empfindung von Empathie motiviert zum helfen, und dies sogar unter Bedingungen, unter denen Helfen mit hohen persönlichen Kosten und Aufwand verbunden ist
Empathie wird als Quelle für altruistische Motivation angesehen
Motivationale Unterschiede
Studien der Rolle von Empathie im Intergruppenkontext
Diese Studien zeigen nun, dass die Kategorisierung der hilfsbedürftigen Person als Mitglied einer gemeinsamen Gruppen den motivierenden Einfluss von Empathie verstärkt
Handelt es sich bei der hilfsbedürftigen Person hingegen um ein Fremdgruppenmitglied, spielt Empathie offenbar eine untergeordnete Rolle für das Hilfeverhalten
Motivationale Unterschiede
Sozial-kognitive Analyse der Motivationsprozesse für Helfen im Intergruppenkontext
Stürmer et al. argumentieren, dass die differentielle Rolle von Empathie auf die veränderte Ähnlichkeitswahrnehmung zwischen dem Selbst und anderen Personen infolge der sozialen Kategorisierung bedingt wird
Tritt eine gemeinsame Gruppenzugehörigkeit in den Vordergrund, werden das Selbst und die hilfsbedürftige Person auf der Grundlage der gruppendefinierenden Gemeinsamkeiten als relativ ähnlich zueinander wahrgenommen
Motivationale Unterschiede
Wahrgenomme Ähnlichkeit im Intergruppenkontext
Im Integruppenkontext fördert die wahrgenommene Ähnlichkeit offenbar insbesondere, dass sich Menschen, wenn sie Empathie für die notleidende Person verspüren, auch von diesem Gefühl leiten lassen und motiviert sind, die Notlage der Person zu lindern
Motivationale Unterschiede
Kategorisierung der hilfsbedürftigen Person als Fremdgruppenmitglied
Unähnlichkeiten zwischen dem Selbst und der anderen Person treten in den Vordergrund
- macht das Auftreten von Empathie unwahrscheinlicher
Die wahrgenommenen Unähnlichkeiten fungieren auch als eine Art Warnsignal, das in Zusammenhang mit dem Auftreten negativer Intergruppenemotionen (Unsicherheit, Angst) systematische und kontrollierte Entscheidungsprozesse auslöst
→führt dazu, dass Menschen, selbst wenn sie spontan Mitgefühl mit einem notleidenden Fremdgruppenmitglied empfinden, zurückhaltender sind, sich von diesem emotionalen Impuls leiten zu lassen
→Die Entscheidung zu helfen basiert eher auf einem systematischen Prozess der Informationsverarbeitung, bei dem die Kosten und Nutzen der Hilfeleistung systematisch geprüft werden
→Menschen helfen Fremdgruppenmitgliedern also insbesondere dann, wenn sie sich von diesem Verhalten individuelle Vorteile bzw. die Vermeidung von Nachteilen erwarten
Motivationale Unterschiede
Befunde zu motivationalen Unterschieden zu Eigen- und Fremdgruppenhelfen
Insgesamt verweisen die Befunde zu den motivationalen Unterschieden zu Eigen- und Fremdgruppenhelfen darauf, dass sich Eigengruppenhelfen in vielen Fällen als eine Form empathie-basierten Altruismus interpretieren lässt
Fremdgruppenhelfen beruht demgegenüber eher auf Kosten-Nutzen-Kalkulationsprozessen im Sinne sozialen Austauschs
Individuelle Funktionen von Fremdgruppenhelfen
Ansatz von Gil Clary, Allen Omoto, Mark Snyder et al.
Prominenter Ansatz in der Forschung zu Hilfeverhalten
→Dieser Ansatz weist der individuellen Nutzenerwartung einen zentralen Stellenwert in der Erklärung ehrenamtlichen Engagements zu
Dieser Perspektive zufolge besteht der Nutzen ehrenamtlichen Engagements in der Befriedigung bestimmter individueller Motive oder Bedürfnisse
Individuelle Funktionen von Fremdgruppenhelfen
Ansatz von Gil Clary, Allen Omoto, Mark Snyder et al.
individuelle Motive (oder Motivkonfigurationen), die hinter dem Engagement eines “Ehrenamtlers” stehen können
- Ausdruck zentraler humanitärer Werte
- Erwerb von Wissen
- persönliches Wachstum und Selbstwertsteigerung
- Soziale Integration
- Steigerung der Berufschancen
- Ablenkung von eigenen Problemen
Individuelle Funktionen von Fremdgruppenhelfen
Ansatz von Gil Clary, Allen Omoto, Mark Snyder et al.
Individuelle Zufriedenheit
Dem funktionalen Ansatz zufolge hängt die Aufrechterhaltung der Motivation, sich zu engagieren, in entscheidendem Maße davon ab, ob und inwieweit die individuellen Motive, die ursprünglich zur Aufnahme der ehrenamtlichen Tätigkeit führten, tatsächlich durch die Erfahrungen im Rahmen des Engagements befriedigt werden
Diese Annahme wird durch zahlreiche empirische Untersuchungen in unterschiedlichen Kontexten unterstützt
Soziale Funktionen von Fremdgruppenhelfen
In manchen Kontexten können Menschen dazu motiviert sein Fremdgruppenmitgliedern zu helfen, weil sie sich dadurch einen Nutzen für die Eigengruppe insgesamt erwarten
- Aufrechterhaltung von Macht- und Statusdifferenzen
- Aufrechterhaltung positiver sozialer Identität
Soziale Funktionen von Fremdgruppenhelfen
Aufrechterhaltung von Macht- und Statusdifferenzen
Nadler & Halabi (2006) Modell zu intergruppalem Helfen
Die Unterstützung einer statusniedrigen Gruppe kann dem eigenen Machterhalt dienen
Entscheidend ist dabei die Form der Unterstützung, die die statushohe Gruppe der statusniedrigen Gruppe anbietet:
→Autonomorientierte Unterstützung dient dazu, der anderen Gruppe langfristig eine selbstständige Lösung ihrer Probleme zu ermöglichen
→Formen der abhängigkeitsorientierten Unterstützung zementieren hingegen die bereits bestehende Statusdifferenz zwischen den Gruppen, indem der Fremdgruppe für ihre Probleme eine vollständige Lösung bzw. alle zur Lösung notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden
Soziale Funktionen von Fremdgruppenhelfen
Aufrechterhaltung positiver sozialer Identität
Eine kollektive Funktion intergruppalen Helfens kann darin bestehen, die Eigengruppe durch den Akt der Hilfeleistng vor Dritten in einem positiven Licht erscheinen zu lassen, oder einem möglicherweise negativen Stereotyp über die Eigengruppe entgegenzuwirken
Im engeren Sinne dient diese Form des strategischen Helfens also dazu, eine positive soziale Identität aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen
Mobilisierung gruppenübergreifender Solidarität
Reicher et al. argumentieren, dass politisch agierende Personen andere Gruppenmitglieder mobilisieren können, indem sie Konsens über drei unterschiedliche Aspekte der sozialen Identitätskonstruktion erzielen, die gruppenübergreifende Solidarität begünstigen:
- Instrumentelle Interessen
- Gruppennormen
- Werte und (Re)Definition der Gruppengrenzen
Mobilisierung gruppenübergreifender Solidarität
Aspekte der sozialen Identitätskonstruktion politisch agierender Personen
Instrumentelle Interessen
Politisch agierende Personen können versuchen, andere Gruppenmitglieder davon zu überzeugen, dass prosoziales oder solidarisches Verhalten einer Fremdgruppe gegenüber mit Vorteilen für die Eigengruppe verbunden ist
Mobilisierung gruppenübergreifender Solidarität
Aspekte der sozialen Identitätskonstruktion politisch agierender Personen
Normen und Werte
Definiert sich eine Gruppe in Abgrenzung zu anderen Gruppen über ihr Bekenntnis zu humanitären Werten bzw. entsprechenden sozialen Normen, würde mangelnde Solidarität gegenüber einer Fremdgruppe in Not diese Identitätsdefinition in Frage stellen
Politisch agierende Personen können daher acuh argumentieren, dass gruppenübergreifendes solidarisches Verhalten notwendig ist, um die eigene positive Identität der Gruppe im Vergleich zu anderen Gruppen aufrechtzuerhalten, auszudrücken oder zu betonen
Mobilisierung gruppenübergreifender Solidarität
Aspekte der sozialen Identitätskonstruktion politisch agierender Personen
(Re)Definition der Gruppengrenzen
Gruppenübergreifende Solidarität kann auch durch eine Redefinition der Gruppengrenzen im Sinne der Rekategorisierung gefördert werden
Politisch agierende Personen können versuchen, die Konstruktion der sozialen Identität so zu verändern, dass die vorherige Eigengruppe als Teil einer neuen, sozial inklusiveren gemeinsamen Gruppe aufgefasst wird, die sowohl die ursprüngliche Eigengruppe als auch die ursprüngliche Fremdgruppe umfasst
Es ist zu erwarten, dass die Strategie der Redefinition der Gruppengrenzen, so sie erfolgreich ist, eher altruistisch motiviertes Helfen der Gruppenmitglieder fördert
Mobilisierung gruppenübergreifender Solidarität
Belege für Reicher et al.’s Annahmen
Reicher et al. (2006) haben empirische Belege für ihre Annahmen durch Analysen politischer Appelle gewonnen
Mobilisierung gruppenübergreifender Solidarität
Forschungsbefunde zum prosozialen Verhalten zwischen Gruppen
Zusammengenommen tragen die Forschungsbefunde zum prosozialen Verhalten zwischen Gruppen zu einer differenzierten Sichtweise menschlichen Sozialverhaltens in Gruppen bei:
Intergruppenkonflikte und soziale Diskriminierung sind demnach keine zwangsläufige Konsequenz sozialer Kategorisierung
Ob Menschen sich feindselig und diskriminierend oder kooperativ und hilfsbereit gegenüber Mitgliedern anderer Gruppen verhalten, ist von den Zielen, Interessen und Normen der Eigengruppe abhängig bzw. der Art und Weise, wie die Beziehung zwischen den Gruppen definiert wird