Kapitel 10 - Gruppenpsychologie: Grundbegriffe Flashcards
Wodurch ist das Sozialverhalten des Menschen charakterisiert?
Dadurch, dass er Gruppen bildet
Menschen orientiere sich im Hinblick auf die Angemessenheit ihrer Einstellungen, Gefühle und Gedanken an Normen und Werten von Gruppen, zu denen sie gehören
Warum arbeiten Menschen in Gruppen zusammen?
Um Ziele zu erreichen, die sie alleine nicht erreichen könnten
Welche Auswirkungen hat die Gruppe auf den Menschen?
Die Zugehörigkeit zu Gruppen hat einen erheblichen Einfluss darauf, wie sich Menschen selbst sehen (Stichwort: soziale Identität) und wie sie sich anderen Menschen gegenüber verhalten
Da Menschen aller Kulturen und Gesellschaften Gruppen bilden, liegt die Vermutung nahe, dass diese Verhaltenstendenz angeboren ist
Was ist, laut Sozialpsychologen*innen, entscheidend, um Gruppenprozesse zu verstehen?
Inwieweit sich Personen selbst als Gruppe definieren
Sozialpsychologen*innen gehen daher von einem Gruppenbegriff aus, der die subjektive Sicht der Gruppenmitglieder, Teil einer Gruppe zu sein, zum zentralen Definitionskriterium erhebt
Soziale Gruppe
Eine Menge von Individuen, die sich selbst als Mitglieder derselben sozialen Kategorie wahrnehmen und ein gewisses Maß emotionaler Bindung bezüglich dieser gemeinsamen Selbstdefinition teilen
Die Gruppe, zu der ein Individuum sich zugehörig fühlt, wird als Eigengruppe, eine im sozialen Kontext relevante Vergleichsgruppe als Fremdgruppe bezeichnet
→Die Begriffe soziale Kategorie und Gruppe werden oft synonym verwendet
Entitativität
Bezieht sich darauf, inwieweit eine Ansammlung von Personen von einer sozialen beobachtenden Person als kohärente soziale Einheit wahrgenommen wird
Gruppen, bei denen ein hohes Maß an Interaktionen zwischen Gruppenmitgliedern besteht, werden als besonders entitativ angesehen
Gruppenkohäsion
Bezieht sich auf den inneren Zusammenhalt einer Gruppe (das “Wir-Gefühl”)
Gruppen-kohäsion ist eine variable Eigenschaft einer Gruppe: Sie kann zwischen Gruppen, unterschiedlichen sozialen Kontexten, und über die Zeit hinweg variieren
Soziale Identifikation
Der Begriff der sozialen (oder auch kollektiven) Identifikation bezieht sich auf die psychologische Beziehung zwischen Selbst und Gruppe
Soziale Identifikation wird als ein Konstrukt aufgefasst, das aus mehreren Komponenten besteht
Auf abstraktem Niveau reflektieren diese Komponenten:
→welchen Stellenwert die Gruppenmitgliedschaft für die Selbstdefinition einer Person hat
→wie viel eine Person emotional in ihre Gruppenmitgliedschaft investiert
Soziale Identifikation
Individuelle Erfahrungen und Unterschiede
Aufgrund unterschiedlicher individueller Erfahrungen können sich einzelne Gruppenmitglieder unterschiedlich stark mit ihrer Gruppe identifizieren;
ihre Stärke kann mit dem sozialen Kontext variieren
Ein wichtiger Einflussfaktor auf die psychologische Beziehung zwischen Individuum und Gruppe ist, ob die Gruppenzugehörigkeit selbst gewählt worden ist oder ob sie durch sozuale Strukturen oder die Behandlung anderer Personen vorgegeben ist
Für das erleben der Gruppenzugehörigkeit ist ferner relevant, ob es sich bei der Gruppe um eine soziale Minoritätsgruppe oder um eine Majoritätsgruppe handelt
Welche sozialpsychologischen Prozesse liegen der Gruppenbildung zugrunde?
Es gibt verschiedene Ansätze:
- Evolutionspsychologisch
- Austausch- oder Interdepenztheorien
- soziale Identitätsansatz
Welche sozialpsychologischen Prozesse liegen der Gruppenbildung zugrunde?
evolutionspsychologische Ansätze
betonen den adaptiven Wert der Gruppenbildung:
Im Zuge der Evolution des Menschen brachte das Zusammenleben in Gruppen Menschen Überlebensvorteile, was - über das Evolutionsprinzip der natürlichen Selektion vermittelt - dazu geführt hat, dass Menschen ein angeborenes Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit entwickelt haben
Für diese Annahme spricht, dass Menschen aller Kulturen und Gesellschaften Gruppen bilden
Welche sozialpsychologischen Prozesse liegen der Gruppenbildung zugrunde?
Austausch- oder Interdepenztheorien
heben die Instrumentalität der Gruppe für das Individuum hervor
Menschen sind im Hinblick auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse voneinander abhängig (interdependent)
Die Bildung von relativ zeitstabilen Gruppen erleichtert ihnen den wechselseitigen Austausch von Ressourcen und die Erreichung gemeinsamer Ziele
Mit anderen Worten: Menschen bilden Gruppen, weil sie der individuellen Bedürfnisbefriedigung dienen
Welche sozialpsychologischen Prozesse liegen der Gruppenbildung zugrunde?
soziale Identitätsansatz
betont die kognitiven Grundlagen der Gruppenbildung
Diesem Ansatz zufolge ist Interdepenz zwar eine hinreichende, nicht aber eine notwendige Bedingung dafür, dass Menschen Gruppen bilden
Notwendig ist vielmehr, dass Personen sich selbst und andere Personene als gleiche (identische, austauschbare) Elemente einer sozialen Kategorie wahrnehmen
Diese Selbstkategorie liefert dann die Grundlage für die Definition einer sozialen Idenität, die die Gruppenbildung und das Gruppenverhalten regulieren
Forschung zeig,t dass die bloße Kategorisierung von Menschen auf der Grundlage eines trivialen Merkmals bereits hinreichend sein kann, um bestimmte Formen des Gruppenverhaltens zu erzeugen
Selbstkategorisierung
Der Prozess der kongitiven Gruppierung des Selbst und anderen Personen als gleiche (identische, austauschbare) Mitglieder einer sozialen Kategorie in Abgrenzung zu Mitgliedern anderer sozialer Kategorien
Persönlichkeit und individuelle Differenzen
Diskontinuität zwischen individuelem und Gruppenverhalten
DIe empirische Forschung legt, entgegen dem Allport’schen Postulat eine Diskontinuität zwischen individuellem und Gruppenverhalten nahe, so dass man nicht einfach von den Eigenschaften von Individuen auf ihr Gruppenverhalten in Gruppensituationen extrapolieren kann
Austausch- und Interdepenztheorien
Austausch- oder Interdepenztheorien sehen in der wechselseitigen Abhängigkeit von Menschen in sozialen Interaktionen und Beziehungen den Schlüssel zum Verständnis von Interaktionen in Gruppen
Austausch- oder Interdepenztheorien
Kernannahmen
Menschen sind im Hinblick auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse voneinander abhängig (interdependent)
Die Bildung von relativ zeitstabilen Gruppen ermöglicht einen sicheren und vorhersehbaren wechselseitigen Austausch von materiellen und immateriellen Ressourcen
Durch Kooperationen mit anderen Gruppenmitgliedern können zudem Ziele erreicht werden, die individuell nicht erreicht werden könnten
Da Menschen in Gruppen ihre Beziehungen, Regeln und Ziele aufeinander abstimmen und gemeinsam definieren müssen, lassen sich ihre Verhaltensweisen nicht einfach aus ihren individuellen Eigenschaften ableiten
→eine Gruppe selbst verhält sich typischerweise auch anders als die Summe ihrer Mitglieder
Theorie der rationalen Entscheidung (Rational-Choice Theories) & Austausch- oder Interdepenztheorien
Im Einklang mit Theorien der rationalen Entscheidung gehen Vertreter*innen von Austausch- oder Interdepenztheorien zudem davon aus, dass Menschen Interaktionen, die instrumentell für die individuelle Zielerreichung sind, als positiv empfinden und sie dementsprechend wiederholen
Sie schließen sich daher Gruppen an und verbleiben in ihnen, wenn sie erwarten, dass die Interaktionen innerhalb von Gruppen zu positiven Ergebnissen für die führen; sie verlassen die Gruppe, wenn die Bedürfnisbefriedigung unter den Erwartungen bleibt und sich positivere Alternativen für die Realisierung individueller Ziele bieten
Soziale Kategorisierung und soziale Identität
Der soziale Identitätsansatz, der die Theorie der sozialen Identität und ihre Weiterentwicklung in Form der Selbstkategorisierungstheorie umfasst, betont die kognitiven Grundlagen der Gruppenbildung
Interdepenz ist zwar eine hinreichende, nicht aber eine notwendige Bedingung dafür, dass Menschen Gruppen bilden und sich entsprechend ihrer Gruppenzugehörigkeit verhalten
Notwendig ist vielmehr, dass Personen sich selbst und andere Personen als gleiche (austauschbare) Elemente einer sozialen Kategorie wahrnehmen
Minimalgruppenexperimente
Erklärung
Das Herzstück der Erklärung für die in den Minimalgruppenexperimenten beobachteten Effekte aus der Perspektive des sozialen Identitätsansatzes ist das Konzept der sozialen Identität
Der Theorie der sozialen Identität zufolge stellt die Kategorisierung in Eigen- und Fremdgruppen die psychologische Basis dafür dar, dass sich Personen nicht länger im Sinne ihrer individuellen Identität, sondern auf der Basis ihrer Gruppenzugehörigkeit im Sinne ihrer sozialen Identität definieren
Formen der sozialen Diskriminierung, wie sie in basaler Form in minimalen Gruppenexperimenten zu beobachten sind, lassen sich dieser Perspektive zufolge als eine Strategie verstehen, eine positive soziale Identität herzustellen