5. Gedächtnis Vorschulalter Flashcards
Gedächtnis im Vorschulalter (3-4 Jahre)
kognitives Selbst entwickelt sich
-> bewusste Wahrnehmung der eigenen Person in Abgrenzung zu anderen
Entwicklung des Kurzzeitgedächtnisses (3-4 Jahre)
kein intentionales (absichtliches) Memorierverhalten (Yendovitskaya 1971) bei expliziten Behaltensinstruktionen -> explizites Gedächtnis (willkürlich) < implizites Gedächtnis (unwillkürlich)
- Diskrepanz zwischen Rekognition (gut) & Reproduktion (deutlich geringer)
- > keine äußeren Gedächtnishilfen (retrieval cues) zur Verfügung
- > Merkmale noch nicht innerlich (Voraussetzung für Reproduktion) repräsentiert (Perlmutter, 1984)
Lokationsgedächtnis
Verbessert sich dadurch, dass Gedächtnisstützen immer besser genutzt werden können
Faktoren der Verbesserung des Ortsgedächtnisses (Sophian, 1984):
+ ansteigende Robustheit bzw. Flexibilität der Suchfertigkeiten
+ zunehmende Konsistenz beim Einsatz von Suchfertigkeiten
+ Wegfall unangemessener Suchmuster
Zunahme der Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses (2 & 12 jährige)
2-jährige Kinder: 2-3 Behaltenseinheiten für wenige Sekunden
12-jährige: 7 Behaltenseinheiten
(Dempster, 1981)
Zunahme der Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung (Kail & Salthouse, 1994)
- aber nicht in allen Gehirnregionen gleichzeitig
→ unterschiedliche Entwicklungsverläufe in kognitiven Fähigkeiten (Mabbott, 2006) - Kinder können sich visuell bereits deutlich mehr Items merken und sie korrekt wiedergeben, während die verbale Gedächtnisspanne noch nicht so weit ausgebildet ist (Gathercole, 1998).
Entwicklung des Langzeitgedächtnisses
- Handlungswissen wird in Skript gespeichert
- signifikante Entwicklung im Vorschulalter (Fivush, 2009)
- 3-4jährgie Kinder können Geschichten mit Skriptcharakter besser reproduzieren als Erlebnisses ohne Skript (trotz vertrautem Umfeld; LOGIK Weinert & Schneider, 1999)
- Eltern spielen wesentliche Rolle (Interaktionstechniken, sog. shared remembering) und haben dadurch Einfluss auf Langzeitgedächtnis (Hudson & Fivush, 1991)
Gedächtnisentwicklung zwischen 5 und 15 Jahren: Determinanten des Gedächtnisses
- Gedächtniskapazität
- Gedächtnisstrategien
- Metagedächtnis
- Bedeutung des Vorwissen
Gedächtnisentwicklung zwischen 5 und 15 Jahren
- allgemein
- spätes KIGA-Alter bis spätes Grundschulalter: größere Leistungszuwächse
Determinanten: - Gedächtnisstrategien und -kapazität
- heute auch unterschiedliche Wissensformen
-> Inhaltswissen und Gedächtnis = Vorwissen und Metagedächtnis
Gedächtniskapazität - Begriff
Begriff wird nicht einheitlich verwendet:
Kapazität (deskriptiv): beobachtbares Verhalten bzw. Leistung in einem Test zur Erfassung der Gedächtnisspanne (Dempster, 1985).
Kapazität: hypothetisches Konstrukt im Sinne eines Arbeitsspeichers, in dem Informationen transformiert werden (Gathercole, 1998).
Gedächtniskapazität - Verbesserung
-> Es gibt eine alterskorrelierte Verbesserung des Gedächtnisses
Erklärung: aufgrund neuronaler Reifungsprozesse steht dem Kind im Laufe seiner Entwicklung immer mehr Gedächtniskapazität zur Verfügung
Versuch zur Gedächtnisspanne
- Stimuli (Zahlen, Buchstaben) werden im Ein-Sekunden-Takt gezeigt
- Kinder sollen sie in gleicher Reihenfolge wiedergeben - erst wenige Items, dann mehr
- Die Anzahl der wiedergegeben Items zeigt die Gedächtnisspanne an
Ergebnisse - Gedächtnisspanne
- Item-Identifikationsgeschwindigkeit korreliert bedeutsam mit der Gedächtnisspanne (gemerkte Items)
- Reihenfolge-Information korreliert negativ mit Gedächtnisspanne
- > LOGIK (Münchner Längsstudie) zeigt kontinuierliche Verbesserung von 4- 17 Jahren, danach nicht mehr (Weinert & Schneider, 1999)
Modelle der Gedächtniskapazität
Mehrheitliche Annahme: Invarianz (Unveränderbarkeit) der insgesamt zur Verfügung stehenden Verarbeitungskapazität (Case, 1985, 1995)
-> d.h. solche Modelle sprechen sich gegen die Annahme eines reifungsbedingtem Kapazitätszuwachses aus
Gedächtnisstrategien - Definition
Strategien sind potentiell bewusste, intentionale, kognitive Aktivitäten, die dabei helfen sollen, eine Gedächtnisaufgabe besser zu bewältigen
(Schneider & Büttner, 2008)
Es werden hauptsächlich 2 Strategien angewandt:
- Enkodierungsstrategien
2. Abrufstrategien
Enkodierungsstrategien
Primär während der Einspeicherung von Informationen wirksam.
-> Bsp.: Memoriertechniken (Wiederholung), Kategorisieren nach Oberbegriffen, Elaborieren (Verwendung von Eselsbrücken)
Abrufstrategien
Hauptsächlich während des Erinnerns wirksam.
Defizite bei der Anwendung von Gedächtnisstrategien
- Mediationsdefizit
- Produktionsdefizit
- Nutzungsdefizit
-> Es gibt unterschiedliche Etappen bei der Ausbildung der Gedächtnisstrategien (Flavell et al., 1966)
Mediationsdefizit
-> Bei jüngeren Kindern (Kindergarten)
- Die Lernstrategie wird nicht spontan angewandt;
- > sie ist noch nicht verfügbar, die dafür nötigen Fähigkeiten und Fertigkeiten fehlen
- sie kann zwar per Instruktion vermittelt werden, die Anwendung verbessert aber noch nicht die Gedächtnisleistung
- > zu geringe Automatisierung
Produktionsdefizit
-> Bei älteren Kindern (Vorschule, Schulanfänger)
- Phase der Strategieentwicklung
- Lernstrategie wird kaum spontan angewandt, obwohl die nötigen Fähigkeiten, Fertigkeiten sowie die Strategie selbst schon verfügbar wäre
- Strategien können per Instruktion vermittelt werden
- sie führen auch zu besseren Gedächtnisleistungen, werden aber noch nicht auf andere Bereiche generalisiert
Nutzungsdefizit
-> Frühes Schulalter und später
- Lernstrategie wird zwar spontan angewandt, ist aber (noch) nicht gedächtnisförderlich
- Sie ist nicht automatisiert und braucht deswegen noch zu viel Gedächtniskapazität
- Empirisch umstritten vgl. Schneider et al. 2009
Wiederholungsstrategien: Studie über die Technik des Wiederholens (Flavell et al. 1966)
- Kinder (KIGA, Zweit- und Fünftklässler) sollen sich vorgelegte Bilder merken
- spontane Verwendung nimmt mit dem Alter zu
- Qualität der Wiederholung ist zentral für die Verbesserung der Gedächtnisleistung (Ornstein et al. 1988)
Wiederholungsstrategien: Studie über die Technik des Wiederholens (Flavell et al. 1966)
-> Aufbau und Ergebnisse
- 15 Sek. Zeit zur Einprägung im Anschluss, Lippenleser beobachtet Kinder
- Kinder, die spontane Lippenbewegungen zeigen, können mehr Bilder wiedergeben
- 85% der Fünftklässler, nur 10% der KIGA-Kinder benutzen die Wiederholungsstrategie
Qualität der Wiederholungsstrategien
- passive Wiederholungsstrategien [ein Wort] haben nur wenig Effekt
- kumulative Wiederholungsstrategie [mehr Items („Chunks“) werden zu einem „rehearsal set“ zusammengefasst] sind deutlich effektiver
- > Entwicklung: mit zunehmendem Alter eher kumulative Wiederholung
Organisationsstrategien
- > Kategorisierungsstrategien
- Wörter sollen in beliebiger Reihenfolge wiedergegeben werden
- > bei diesen Wörtern können Kategorien nach Oberbegriffen sortiert werden (sort recall task)
- > bessere Reproduktionsleistung
- Sortierverhalten nimmt beständig mit dem Alter zu (bis auf spätes Erwachsenenalter)
Entwicklung von Strategien
- LOGIK: Übergang zu strategischem Verhalten sehr abrupt (nicht linear!)
- Geringerer Einsatz im Alter
Metagedächtnis - Definition
-> Wissen über Gedächtnisvorgänge
Deklaratives Metagedächtnis
- umfasst faktisch verfügbare und verbalisierbare Wissens- und Gedächtnisvorgänge (Flavell und Wellmann, 1977).
- Konsolidiert sich erst gegen Ende der Grundschulzeit (Schneider 2011)
- Verbesserung bis in die Adoleszenz
Deklaratives Metagedächtnis
-> Flavell & Wellman unterscheiden das Wissen weiterhin nach
Personenmerkmale
-> Wissen über eigenes Gedächtnis und das von anderen
Aufgabenmerkmale
-> Wissen darüber, was bestimmte Aufgaben schwerer macht als andere
Strategiemerkmale
-> Aussage über die Funktion und Bedeutung verschiedener Enkodier- und Abrufstrategien
Prozedurales Metagedächtnis
=> Fähigkeit zur metakognitiven Kontrolle (Selbstregulation) und Monitoring (Selbstüberwachung) gedächtnisbezogener Aktivitäten
-> verbessert sich bis zum Erwachsenenalter beständig
- Kinder entwickeln mit der Zeit ein Gespür dafür, wie viel Anstrengung investiert werden muss, damit die Information genügend „tief“ gespeichert wird
- Überwachungsprozesse: schon relativ früh, allerdings Überschätzungen
- Prozesse der Selbstregulation
Zur Entwicklung des Metagedächtnisses: Kreutzer et al., 1975
- Studie
- Interviewstudie mit 80 SchülerInnen aus Kindergarten, sowie 1., 3. und 5. Klasse
Beispielfragen: „Ich vergesse manchmal etwas. Vergisst du auch manchmal etwas?“
Zur Entwicklung des Metagedächtnisses: Kreutzer et al., 1975
- Ergebnisse
- nur Kindergartenkinder sagen, sie würden nie etwas vergessen (dort aber 30%)
- ebenso viele sagten, der Inhalt mache keinen Unterscheid bei der Erinnernsleistung
- Je älter die Kinder sind, desto stärker verstehen sie, wie sehr Gedächtnisleistungen personen- und situationsabhängig sind
(z. B. die Frage „Erinnerst du Dinge besser als deine Freunde“ wird in der 5. Klasse vom Großteil mit „Manchmal“ etc. beantwortet) - Nur 14% der Kindergartenkinder, aber alle 5. Klässler konnten einen Bezug zwischen Lernzeit und erinnerten Dingen erkennen
Bedeutung des Vorwissen
Chi 1978: Situation, in der Wissen und Alter nicht mehr systematisch korrelieren
-> Experten (Kinder) und Novizen (Erwachsene) stellen kurz gezeigte Schachpositionen nach
-> Kinder schnitten besser ab
(aber nur bei sinnvollen Aufgabenstellungen!)
Wissen in Netzwerken organisiert, intensiver verknüpfte Inhalte besser abrufbar
-> Durch Übung entstehen mehr „Kanten“ zwischen den einzelnen „Knoten“
Gedächtnis im Erwachsenenalter
- wenig alterungsbedingte Einbußen im impliziten Gedächtnis und Skripten
- infantile Amnesie: keine Erinnerung an Säuglings- und Kleinkindphase
Gedächtnis im Erwachsenenalter
- mögliche Gründe für infantile Amnesie
- fehlendes kognitives Selbst in diesem Alter
- unterschiedliche Repräsentation von Erlebnissen (erst später verbal)
- notwendige Strukturen sind noch nicht ausgeprägt
- Inhalt wurde verdrängt