Prozessuale Vorfragen Flashcards
1
Q
Entscheidung durch Einzelrichter
A
- Nach § 6 I VwGO, zu unterscheiden von § 87a III, II VwGO
- „Das Gericht entscheidet durch den Berichterstatter als Einzelrichter, weil die Kammer ihm den Rechtsstreit durch Beschluss vom … gem. § 6 I VwGO übertragen hat.“
- Zustimmung der Beteiligten nicht notwendig, vgl. § 6 I VwGO
- Kein Verstoß gegen Art. 101 I 2 GG (gesetzlicher Richter), da die Übertragungsvoraussetzungen einfachgesetzlich geregelt sind und Rückübertragung möglich ist
- Anfechtbarkeit nur bei offensichtlicher Willkür o. fehlender Kammerentscheidung
- Rückübertragung nach § 6 III 1 VwGO
2
Q
Rubrumsberichtigung von Amts wegen
A
- Sowohl Aktiv- als auch Passivrubrum kann berichtigt werden, dies sollte entsprechend gekennzeichnet werden.
- Aktivrubrum z.B. ungeteilte Erbengemeinschaft, die nach hM nicht beteiligtenfähig ist
- Passivrubrum z.B. bei Missachtung des Behördenprinzips
3
Q
Auslegung des Klagebegehrens bzw. Umdeutung des Klageantrags
A
- Klagebegehren ist nach § 88 VwGO auszulegen (außer Antrag ist protokolliert, § 86 III VwGO)
—> Wahres Rechtsschutzziel, wie es sich aus Vortrag, insb. Klagebegründung und Inhalt der angefochtenen Bescheide, ergibt - Einige Konstellationen laufen auf Klagehäufung, § 44 VwGO, hinaus:
—> Anfechtung nur der Hauptverfügung, vollstreckungsrechtliche Verfügung ist aber auch gemeint - Zahlungsbescheid wird angefochten, Ursprungs-VA ist auch gemeint
- „Entgegen der von dem Kläger in der Klageschrift gewählten Formulierung ist bei verständiger Würdigung seines Vorbringens davon auszugehen, dass dieser … begehrt. Dieses folgt daraus, dass … . Da das Gericht gem. § 88 VwGO nicht an die Fassung der Anträge sondern an das im vorher genannten Sinne zu verstehende Klagebegehren gebunden ist, ist der Antrag des Klägers dahingehend auszulegen, dass …“
4
Q
Verzicht auf mündliche Verhandlung
A
- Gem. § 101 II VwGO kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden
—> Verstoß dagegen stellt Verletzung von Art. 103 I GG (rechtliches Gehör) dar und ist Verfahrensfehler iSd §§ 124 II Nr. 5, 138 Nr. 3 VwGO - Verzicht muss klar, eindeutig und vorbehaltlos erklärt werden und gilt nur für die nächste gerichtliche Entscheidung
- „Im Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht gem. § 101 II VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.“
5
Q
Entscheidung bei Ausbleiben der Beteiligten
A
- Gem. § 102 II VwGO ist der Beteiligte in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hinzuweisen, dass auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann
—> verbleibt Hinweis und wird trotzdem verhandelt wird Art. 103 I GG (rechtliches Gehör) verletzt - „Das Gericht konnte in der Sache einseitig mündlich verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. denn er wurde mit dem Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß zum Termin geladen (§ 102 II VwGO).“
6
Q
Vorprozessuale Fragen
A
- Entscheidung durch Einzelrichter, § 6 I VwGO
- Rubrumsberichtigung von Amts wegen
- Auslegung des Klagebegehrens bzw. Umdeutung des Klageantrags
- Verzicht auf mündliche Verhandlung, § 101 II VwGO
- Entscheidung bei Ausbleiben von Beteiligten, § 102 II VwGO
- Klagerücknahme
- Teilweise übereinstimmende Erledigungserklärung
7
Q
Klagerücknahme - Grundsatz
A
- Wegen Dispositionsgrundsatz kann nach Rechtshängigkeit bis zur Rechtskraft des Urteils die Klage zurückgenommen werden
- Rechtsstreit gilt dann als nicht anhängig geworden, bereits getroffenen Entscheidungen verlieren ex tunc ihre Wirkung, § 173 I VwGO iVm § 269 III 1 ZPO
- Verfahren ist eingestellt, § 92 III 1 VwGO
- Rücknahmeerklärung ist bedingungsfeindlich, unwiderruflich und unanfechtbar
- Erfolgt Rücknahme nach Antragstellung ist deren Wirksamkeit von der Einwilligung des Beklagten abhängig, vgl. § 92 I 2 VwGO
8
Q
Teilweise Klagerücknahme
A
- Bei teilbarem Streitgegenstand möglich, kann auch in Sitzungsniederschrift enthalten sein
- Abzugrenzen von der Erledigungserklärung
—> Wichtig für Kostenfolge, vgl. § 155 II VwGO
—> Rücknahme wenn keine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten, Erledigung bei Änderung - „Das Verfahren war gem. § 92 III 1 VwGO einzustellen, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.“
9
Q
Rücknahmefiktion
A
- Gem. § 92 II 1 VwGO gilt eine Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung länger als zwei Monate nicht betreibt
—> Wenn Voraussetzungen vorliegen ergeht gerichtlicher Beschluss nach § 92 II 4 VwGO, der, wenn die Einwilligung des Beklagten nicht notwendig ist, mit dem Einstellungsbeschluss nach § 92 III 1 VwGO verbunden werden kann - Drei Voraussetzungen:
1. Kläger betreibt Rechtsstreit unzureichend und gibt daher Anlass für die gerichtliche Betreibensaufforderung
—> Dies setzt als Ausprägung von Art. 19 IV GG voraus, dass begründete Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses bestehen
2. Aufforderung zum Betreiben binnen 2 Monaten mit Hinweis auf Rücknahmefiktion, § 92 II 3 VwGO, und auf Kostentragungspflicht, § 155 II VwGO
—> darf nicht routinemäßig oder in Koppelung mit Aufforderung zur Klagebegründung erfolgen, vgl. § 82 I, II VwGO
3. Geschieht nichts, gilt die Klage als kraft Gesetzes zurückgenommen
10
Q
Teilweise übereinstimmende Erledigungserklärung
A
„Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 III 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend erledigt erklärt haben.“
11
Q
Antrag auf Wiedereinsetzung der mündlichen Verhandlung
A
- mündliche Verhandlung ist grds. geschlossen, aber neuer Vortrag erfolgt
- § 104 III 2 VwGO räumt Gericht Ermessen ein
—> Reduktion? Mglw. wegen Recht auf Gehör und § 86 I VwGO
12
Q
Streitgegenstand
A
- Nach § 88 VwGO auszulegen, bei Änderung § 91 VwGO
- Prüfung:
1. Liegt sie vor?
2. Ist sie zulässig?
a. Einwilligung, § 91 II VwGO
b. Sachdienlich
3. Rechtsfolge
13
Q
Wirksamkeit von Prozesserklärungen
A
- § 130 I 2 BGB (+) solange Erklärung noch keine prozessuale Wirkung entfaltet hat
- Widerruf der ersten Erledigungserklärung bis zum Eingang der zweiten Erledigungserklärung bei Gericht
- §§ 119 ff. BGB nicht anwendbar
- Über § 130 I 2 BGB hinausgehende Widerrufsmöglichkeit, wenn Festhalten an Erklärung gegen Treu und Glauben verstoßen würde
—> arglistige Täuschung
—> widerrechtliche Drohung
—> erkennbares Versehen