5-Unipolare Depression Flashcards
Was sind die ICD-10 Kriterien der depressiven Episode?
Mind. zwei Wochen, getrennt durch mehrere Monate ohne affektive Symptomatik:
A) Obligate Symptome:
* Gedrückte Stimmung
* Interessenverlust
* Verminderung des Antriebs mit erhöhter Ermüdbarkeit
B) Weitere Symptome (bei schwerer Depression mindestens 4 weitere Symptome):
* Konzentrationsminderung
* Vermindertes Selbstwertgefühl
* Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit
* Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
* Suizidgedanken oder –handlungen
* Schlafstörungen
* Appetitminderung
- Klassifizierbar als leicht/ mittel/ schwer
- Mit und ohne psychotische Symptome
- Mit und ohne „somatische“ Symptome:
1.Interessenverlust, bes. für angenehme Aktivitäten
2.Mangelnde Fähigkeit, emotional zu reagieren
3.Früherwachen, > 2 Std. früher als gewohnt
4.Morgentief (Zirkadianik)
5. (Objektivierbare) Hemmung oder Agitiertheit
6.Deutlicher Appetitverlust
7.Gewichtsverlust (>5% im vergangenen Monat)
8.Deutlicher Libidoverlust
Wie häufig sind depressive Erkrankungen?
- Bundesgesundheitssurvey 98/99: 4-Wochen Prävalenz: 6,3%
- (Jahres-)Prävalenz weltweit (2015): ca. 5%
- Frauen doppelt so häufig betroffen wie Männer
- Erkrankung betrifft alle Altersgruppen
–> jede 4. Frau und jeder 8. Mann im Laufe des Lebens!
Beschreibe mögliche Folgen von Depressionen
Psychosoziale Folgen (Arbeitslosigkeit, Frühberentung, Scheidung etc.)
Insgesamt hohe ökonomische Belastung durch Fehlzeiten am
Arbeitsplatz bzw. Arbeiten trotz Depression (Absentismus und Präsentismus)
Psychiatrische Komorbiditäten wie z.B. Substanzmissbrauch/- abhängigkeit
Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
Erhöhtes Risiko für weitere somatische Erkrankungen aufgrund
ungesünderer Lebensführung
Deutlich erhöhtes Risiko für Suizidversuche/Suizide
Angaben zur Häufigkeit von Suiziden
Weltweit 0,8 Mio. Suizide p.a. (ca. 11/100.000 Einwohner)
Weltweit zweithäufigste Todesursache bei 15- bis 29jährigen
Vollendete Suizide häufiger bei Männer, Suizidversuche häufiger bei Frauen
Suizidversuche ca. 20-fach häufiger als vollendete Suizide
Im Jahr 2017 starben in Deutschland
9.235 Menschen durch Suizid (laut Statistisches Bundesamt)
Was lässt sich über den Zusammenhang zwischen Stimmungserkrankungen und Suizide sagen?
Bis zu 15 % aller Pat. mit schwerer Depression versterben an Suizid
Ca. 25 % weisen einen Suizidversuch auf
Ca. 70 % haben Suizidgedanken
90% aller Suizidenten litten vorher unter psychiatrischen Erkrankungen, am häufigsten Depression / Bipolarer Störung (50-85 %)
Suizidalität ist in den seltensten Fällen freie Willensentscheidung, sondern ein (verhinderbares!, behandelbares!) Krankheitssymptom!
Auf welchen Ebenen kommt es durch depressive Symptome zu Veränderungen?
Veränderungen auf Ebene der
Stimmung/Affektivität
des Denkens
des Verhaltens
körperliches Empfindens /Körperfunktionen
Welche Verlaufsformen von Depressionen werden unterschieden?
Einzelne Episoden, Rezidiverend, Chronischer Verlauf
welche Subtypen von Depressionen wurden historisch unterschieden?
Reaktive Depression/ depressive Reaktion
Neurotische Depression vs. endogene Depression (Melancholie)
–> Orientierung an Lebensereignissen, dem Vorliegen von „somatischen
Symptomen“, Vorgeschichte des Patienten und positiver Familienanamnese
–> Implizites ätiologisches Konzept – oft irreführend!
Diese Dichotomie wurde daher aufgegeben (lebt allerdings in Ansätzen im Konzept der „Anpassungsstörung“ weiter)
Welche Phänotypische Subtypen von Depressionen werden unterschieden?
A) Gehemmte Depression:
Reduktion der Psychomotorik und des Antriebs Extremfall: depressiver Stupor
B) Agitierte Depression:
Getriebenheit, Unruhe, ziellose Aktivität, „Jammerdepression“
C) Atypische Depression:
Gesteigerter Appetit (Kohlenhydratheißhunger), bleierne Schwere, Tagesmüdigkeit, übermäßiges Schlafbedürfnis
D) Psychotische=wahnhafte Depression:
20% aller „endogenen“ Depressionen (Melancholien) mit affektkongruenten
Wahnideen: Verarmung, Versündigung, hypochondr. Wahn
E) Somatisierte (= „larvierte“ Depression):
vegetative/ funktionelle Organbeschwerden sind im Vordergrund Depression im Sinne gedrückter Stimmung (vordergründig) gering
ausgeprägt
Vitalstörungen wie Abgeschlagenheit, Enge- und Schweregefühle
Leibnahe Symptome: Kopfschmerzen, Schwindel, Rücken-, Atem-, Herz-, Magendarm-, Unterleibsbeschwerden
Häufig vorstellig bei Allgemein- und Fachärzten!
Was für Subtypen von Depressionen existieren in Bezug auf spezielle Lebensphasen?
A) Schwangerschaftsdepression
B) Wochenbettdepression = postpartale Depression (hat nichts zu tun mit
„baby blues“ = „Heultage“, DD Wochenbettpsychose):
- In den ersten zwei bis sechs Wochen nach der Geburt
- Häufig: 10-15%
- Beginnt auch häufig schon in der Schwangerschaft
C) Involutions-/ Spätdepression (ab 50 J.)
* Protrahierte Phasendauer
* Hohe Suizidgefahr
D) Altersdepression (ab 60 J.):
* Oft mit hirnorganischen Beeinträchtigungen
Welche Zugehörigen Diagnosen des affektiven Spektrums gibt es?
A) Dysthymie (ICD-10 F34.1):
* Chronisch depressive Verstimmung, mindestens 2 Jahre andauernd, die nach Schweregrad und Dauer nicht
die Kriterien für eine depressive Episode erfüllen
* Bessere Phasen wechseln sich ab mit Verstimmungen, die depressiven Tage müssen für die Diagnose aber überwiegen
* Dysthymie + Depression: sog. „double Depression“
B) Rezidivierende kurze depressive Störung (F38.1):
* Ein bis drei Tage andauernde, schwer depressive Phasen, hochfrequent bis zu einmal monatlich
* Hohes Suizidrisiko!
C) Dysphorische prämenstruelle Störung (DSM-5):
- zyklusabhängig, teils schwer ausgeprägt, aber nur kurz andauernd
- kann sich auch eher in kognitiven Defiziten oder Stimmungsschwankungen mit Gereiztheit äußern
- spricht auf SSRI an
Wie ist das Multikausale Modell aufgebaut?
4 verschiedene Kreise:
A) Frühkindliche Erfahrungen (Persönlichkeitsentwicklung)
B) Biologisch/genetische Faktoren (Hirnstoffwechsel, Stresshormone)
C) Lerngeschichtliche Aspekte (z.B. Erfahrung von Selbstwirksamkeit
D) Situative Auslöser (z.B. kritische Ereignisse, Stress)
Was besagt das Vulnerabilitäts-Stress-Konzept
Schon vor dem Ausbruch der Erkrankung kommt es durch verschiedene Faktoren zu Veränderungen im Gehirn, die eine “Anfälligkeit” bedingen, aber für sich allein keine Erkrankung auslösen.
Wenn zusätzlich noch bestimmte Stressfaktoren als Belastungselemente auftreten, können diese durch das “anfällige” Gehirn nicht mehr ausglichen werden: es kommt zum Ausbruch der Erkrankung.
Je nachdem, welche Risikogenvarianten vorliegen und wie andere neurobiologische Faktoren vorhanden sind, können verschieden Entwicklungs- und Umweltfaktoren dann unterschiedliche psychische Erkrankungen auslösen
Was für Differenzialdiagnosen der unipolaren Depression gibt es?
Anpassungsstörung
* Bis 6 Monate nach einem belastenden Ereignis, ohne das die Störung mutmaßlich nicht
aufgetreten wäre
* Kriterien für depressive Episode sind nicht voll erfüllt
Störungen, die häufig mit depressiven Symptomen einhergehen:
* Angststörungen
* Zwangsstörungen
* Somatoforme Störungen
* Essstörungen
* Persönlichkeitsstörungen
* Abhängigkeitserkrankungen
Cave: Die Diagnose einer Depression wird nur dann gestellt, wenn die Depression vor der anderen Störung auftrat!
Organische affektive Störung
Kriterien für depressive Episode können erfüllt sein, doch häufig fehlen Zirkadianik, Früherwachen, aufgehobene Schwingungsfähigkeit; dafür deutliche Antriebsminderung
Primär durch zerebrale Erkrankungen oder Störungen verursacht, z.B.:
* hirnatrophische degenerative Prozesse
* vaskuläre Erkrankungen
* metabolische/ endokrine Erkrankungen
* Intoxikationen
* Entzug von psychotropen Substanzen
Schizophrenien, schizoaffektive Störungen, wahnhafte Störungen
* Depression als Prodromalsymptom
* Gleichzeitig mit schizophrenen Symptomen
* Depression als Residualsymptom
Andere, endogene und exogene Faktoren
* Herzvitien, Myokardinfarkt
* Kollagenosen
* Infektionskrankheiten
* Malignome
* Schlafapnoe
*
Depressions-ähnliche Symptome werden zudem häufig verursacht durch:
* Medikamente (orale Kontrazeptiva, anabole Steroide, Glukokortikosteroide, Betablocker, Interferone…)
* Endokrine Erkrankungen: Hypothyreose, M. Cushing, M. Addison, Hyper- und Hypoparathyreodismus…
* Neurologische Erkrankungen: M. Parkinson, Chorea Huntington, Multiple Sklerose, Demenzen, Hirntumore, Subduralhämatom…
Wie können organische Ursachen einer Depression ausgeschlossen werden?
Ausschluss organischer Ursachen durch:
* Orientierende internistische Untersuchung
* Gründliche neurologische Untersuchung
* Laborparameter (BKS, BB, Elektrolyte, Leber-, Nierenwerte, Schilddrüsenwerte, Lues-
Serologie, BZ, evtl. LP, weiterführende Endokrinologie)
* EEG, EKG
* Zumindest bei erster Episode zerebrale Bildung (cMRT)
Weitere Diagnostik:
* Testpsychologie: Leistungstestung, Persönlichkeitstestung