3-Entwicklungspsychiatrie Flashcards
Was ist Entwicklungspsychiatrie und aus welchen Bereichen setzt sie sich zusammen?
- Die EP widmet sich der Langzeitentwicklung psychischer Störungen unter Einbezug von frühen Risiko- und Schutzfaktoren
- Integration von Wissen aus Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie sowie Klinischer, Entwicklungs- und Kognitionspsychologie
Was ist das Ziel der Entwicklungspsychiatrie?
Die (primäre/sekundäre) Prävention und Behandlung psychischer Störungen verbessern
Welche psychischen Störungen fallen in den Bereich der EP?
im ICD 10:
F80-F89 Entwicklungsstörungen
F90-98 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit und Jugend
Was sind die ICD-10-Kriterien für eine Entwicklungsstörung?
- Beginn immer in der Kindheit
- Verzögerung der Entwicklung oder von Funktionen, die mit der biologischen Reifung des ZNS verbunden sind
- kontinuierlicher Verlauf ohne Remission oder Rückfälle
- Beeinträchtigungen werden im Zeitverlauf besser, leichte Defizite können bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben
Was sind die DSM-5-Kriterien für eine Entwicklungsstörung?
- Beginn meist vor dem Grundschulalter
- Entwicklungsdefizite, die zu einer Beeinträchtigung individueller, sozialer und akademischer Funktionen führen
- treten häufig gemeinsam auf mit: geistigen Behinderungen, Kommunikationsstörungen, Autismus-Spektrum-Störungen, ADHS, spezifischer Lernstörung, motorischer Störungen
Wie kann Entwicklungspsychiatrie im weiteren Sinne verstanden werden?
Nicht nur Entwicklungsstörungen an sich, sondern auch:
- psychische Erkrankungen, die Vorläufer im Kindes- und Jugendalter haben (= Prodromalstadien, aber trotzdem andere Diagnose??)
- Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter, die Risikofaktoren für andere psychische Erkrankungen im Erwachsenenalter darstellen
Welche Verlaufsformen können entwicklungspsychiatrische Erkrankungen haben?
2 Beispiele:
- unspezifische Syndrome –> spezifisches Störungsbild im Erwachsenenalter (BPS, MDD, Schizophrenie)
- spezifische Syndrome in der Kindheit (ADHS, ASS) –> Teil- oder Vollremission oder aber vollständiges Bestehenbleiben
Epidemiologie:
75% aller psychischen Störungen beginnen vor 25
70% aller psychischen Störungen mit Beginn vor 18 persistieren ins Erwachsenenalter
Welche ätiologischen Ebenen spielen eine Rolle bei der Entstehung von Entwicklungsstörungen?
- genetische Ebene (z.B. Polymorphismen, Mutationen)
- perinatale Ebene
- psychologische Ebene (z.B. familiäres Umfeld, Lebensereignisse)
- somatische Ebene (z.B. Läsionen, Substanzmissbrauch)
alle Ebenen interagieren!
Welche psychischen Erkrankungen haben die höchste Erblichkeit und woher kommen diese Befunde?
ADHS > Schizophrenie > Bipolare Erkrankung
Festgestellt durch Häufigkeit an Risiko-Genvarianten (Single Nucleotid Polymorphism) und deren Signifikanz im Rahmen Genomweiter Assoziationsstudien (GWAS)
Wie kann für ein Individuum das genetische Risiko für eine psychische Erkrankung festgestellt werden?
Berechnung einen Polygenen Risikowertes (PRS) anhand der aufsummierten Genotypen gewichtet nach Effektgrößen, für ein Merkmal von Interesse
- Die Effektgrößen stammen aus den GWAS-Ergebnissen (nur relevant bei Überschreitung des Signifikanz-Schwellenwertes)
Was sind Copy Number Variants?
Genvarianten, die (ähnlich wie SNPs) Auswirkungen auf die Disposition für bestimmte Erkrankungen haben können (ADHS, Autismus, BP)
Dabei variiert die Anzahl der Kopien eines bestimmten DNA-Abschnittes innerhalb eines Genoms (Abweichung vom normalen doppelten Vorkommen) aufgrund von Deletion, Duplikation, Inversion oder Translokation
Was sind Beispiele für umweltbedingte Risikofaktoren für eine Entwicklungsstörung?
- Während der Schwangerschaft: Substanzkonsum, Stress, Infektionen, Toxine
- Geburtskomplikationen
- Nach der Geburt: Stress, Trauma, Erlebnisse, Substanzkonsum in Kindheit und Jugend, Umweltgifte
Welche Lebensphase ist besonders vulnerabel, was die Gehirnentwicklung betrifft, und warum?
Adoleszenz
in dieser Phase stabilisiert sich die Dichte von Nervenzellen & Synapsen sowie der Glukose-Stoffwechsel und Geschlechtshormone werden ausgeschüttet –> viele simultane Prozesse, die die Vulnerabilität erhöhen
Diese Phase der Gehirnreifung dauert ca. bis zum 25. Lj
ADHS: Eckdaten zu Symptomatologie und Epidemiologie
- die häufigste entwicklungspsychiatrische Erkrankung!
- Hyperaktivität, Impulsivität, Aufmerksamkeitsdefizit
- ca. 7% der Kinder und Jugendlichen, 4% der Erwachsenen, dreimal mehr Jungen als Mädchen
- Risikofaktor für die Entwicklung anderer (nicht) psychischer Erkrankungen
- eingeschränkte Lebensqualität und psychosoziales Funktionsniveau, öfter Unfälle/Verletzungen
- Behandlung mit Stimulanzien
ADHS: Eckdaten zu Ätiologie
Gen x Umwelt x Entwicklung
Entwicklungs- und Umweltfaktoren: prä-, peri- und postnatale Risikofaktoren wie z.B. psychosozialer Stress der Mutter, Substanzkonsum, Geburtskomplikationen, Kindesmisshandlung
ADHS: Welche unterschiedlichen Verlaufsmuster kann die Krankheit im Kindesalter annehmen?
Persisting Low
Quickly Remitting (hier Risiko für nachfolgenden Wiederanstieg??)
Gradually Remitting
Persisting High
Bipolare Erkrankung: Eckdaten zu Symptomatologie und Epidemiologie
- Beginn in der Adoleszenz oder im jungen Erwachsenenalter
- wiederkehrende Phasen von Depression und (Hypo-)Manie sowie Mischzuständen
- Bipolar I: Wechsel Depression <-> Vollbild Manie; Bipolar II: Wechsel Depression <-> mind. 1 Phase Hypomanie
- ADHS kann Risikofaktor sein!
- Risikofaktor für Suizid, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Behandlung mit Stimmungsstabilisatoren
Bipolare Erkrankung: Eckdaten zu Ätiologie
Gen-Umwelt-Interaktion
Umweltfaktoren: Schwangerschaftskomplikationen, Substanzmissbrauch, Darmbakterien, stressreiche Lebensereignisse
Genetische Faktoren: z.B. Loci, die für Rezeptoren, Ionenkanäle und -transporter und synaptische Komponenten verantwortlich sind
- generell noch viel Forschungsbedarf, um die Rolle von bestimmten genetischen Loci zu klären, mehr Heritabilität zuordnen zu können und molekulare Mechanismen zu klären
Bipolare Erkrankung: Welche unterschiedlichen Verlaufsmuster kann sie im Zeitraum von mehreren Jahren annehmen?
- predominantly euthymic (ca. 80% der Zeit Euthymie)
- moderately euthymic (ca. 50%)
- ill with improving course (Euthymie nimmt zu)
- predominantly ill (ca. 10%)
Bipolare Erkrankung: Was nimmt im Laufe des Stufenmodells zu, was nimmt ab?
Stufenmodell selbst ist nicht dabei, finde ich zu ausführlich
Die prognostische Zuversicht und das Ansprechen auf Behandlung nehmen ab
Allostatische Last (= Organismus wird über lange Zeit überbeansprucht durch die Konfrontation mit chronischem Stress), funktionelle Einschränkungen, Veränderungen in Kognition und Neuroprogression (klinische, biochemische, kortikale Veränderungen) nehmen zu
Schizophrenie: Eckdaten zu Symptomatologie & Epidemiologie
- Beginn in Adoleszenz oder im jungen Erwachsenenalter
- sehr heterogenes Krankheitsbild, viele Subtypen und Verlaufsformen
- Kernsymptome: Halluzinationen, Wahnvorstellungen, katatone Symptome, Negativsymptome (Affekt, Kognition)
- Behandlung mit Antipsychotika
Schizophrenie: Eckdaten zu Ätiologie
Gen-Umwelt-Interaktion
Genloci (häufig, selten oder CNVs) beeinflussen molekulare Mechanismen an der Synapse. Diese genetische Variabilität beeinflusst wieder die Pharmakotherapie (personalisierte Medikation wichtig!)
Umweltfaktoren: z.B. Cannabiskonsum
Interaktion am Beispiel Cannabis -> ist das genetische Risiko für die Erkrankung hoch, wird es durch häufigen Cannabis-Konsum noch höher, aufgrund von Veränderung der Hirnmorphologie (kortikale Dicke verringert)
Schizophrenie: Welche Verlaufsformen zeigt das transdiagnostische Stufenmodell?
unspezifische Symptomatik –> gedämpfte Symptomatik –> Symptomatik überschreitet Schwellenwert, starke und auffällige Symptomatik –> wiederkehrende oder andauernde Symptomatik –> schweres, andauerndes, unaufhörliches Erkrankungsbild
Es gibt im Modell für mehrere Erkrankungen allgemeine pathophysiologische Mechanismen, die je nach Fortschreiten ausgeprägt sind, bis hin zum Vollbild:
Entwicklungsneurobiologische Symptome -> Psychose
Hyperarousal -> Angst & Depression
zirkadiane Symptome -> Bipolares Spektrum
Im Verlauf nimmt die Komorbidität mit anderen Erkrankungen sowie die Einschränkung sozialer und neurobiologischer Funktionen zu.
Schizophrenie: Anhand welcher Faktoren lassen sich gefährdete Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene identifizieren? Welche Symptome gehören dem Prodromalstadium an?
- psychische Störungen in der Familiengeschichte
- frühe unspezifische Symptome (z.B. Schlafprobleme, Schulprobleme)
- Psychosoziale Probleme oder Trauma in der Kindheit
- ADHS in der Kindheit
Prodromalstadium (70% der diagnostizierten Fälle)
- Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafprobleme
- soziale Isolation
- depressive Stimmung / Stimmungsschwankungen
- psychotische Symptome: magische Gedanken, ungewöhnliche Ideen, halluzinatorische Phänomene
- Suizidalität
Nur 20-35% gehen danach in eine Schizophrenie über
Bipolare Erkrankung: Welche Symptome finden sich im Prodromalstadium?
- Konzentrations- und Schlafprobleme
- Stimmungsschwankungen (depressiv vs. euphorisch), Reizbarkeit
- abnormaler Antrieb (erhöht vs. reduziert)
Vermutlich 20-30% gehen nach 2 Jahren in eine Bipolare Erkrankung über
Wie lässt sich das Risiko für eine Bipolare Erkrankung genetisch vorhersagen?
Mithilfe der Berechnung von Polygenen Risikoscores
Nachweis: Studie zeigte, dass Betroffene mit einem höheren PRS einer Risikogruppe angehören (ADHS, MDD oder ER), verglichen mit Personen aus der gesunden Kontrollgruppe, die keinen erhöhten PRS aufwiesen
Bipolare Erkrankung: Welche Präventionsansätze gibt es für das Frühstadium?
- Psychoedukation
- Psychotherapie, Gruppentherapie, Familientherapie (Gruppen- und Einzeltherapie verringerten in einer Studie bei jungen Betroffenen mit familiären Symptomen sowohl manische als auch depressive Symptome
- Behandlung bereits bestehender psychischer Erkrankungen, die als Risikofaktoren fungieren (ADHS, Angst, Depression)
- eher keine Medikation
- Omega-3-Fettsäuren
Schizophrenie: Welche Präventionsansätze gibt es für das Frühstadium?
- KVT, Familientherapie
- Antipsychotika
- Omega-3-Fettsäuren