15- adultes ADHS Flashcards
Zähle die wichtigsten Eckpunkte in der Geschichte der ADHS-Diagnose auf.
1900: “Defect of moral control”
1960er: Minimal brain dysfunction
1980: Aufmerksamkeitsstörung im DSM-III
1987: ADHS (DSM-III-R)
1990er: adultes ADHS als valide Erkrankung anerkannt
2000: Einführung der 3 Subtypen (DSM-IV)
2011: Zulassung von Methylphenidat in DE zur Behandlung von ADHS
Seit wann existiert die Bezeichnung der Diagnose so, wie wir sie heute kennen?
Seit 1987
Wie sieht die Prävalenz und Geschlechterverteilung aus?
bei Kindern: 6,5%, m:w = 4:1
bei Erwachsenen: 2-4%, weltweit unterschiedlich, m:w = 2:1
Welcher Anteil ist im Erwachsenenalter noch betroffen und was bleibt vor allem bestehen?
über 30% der Betroffenen
funktionelle Einschränkungen bleiben bei zwei Dritteln bestehen, Vollbild der ADHS ist bei 15% erfüllt
Welche Verlaufsformen kann ADHS annehmen (vom frühen Kindesalter bis ins Erwachsenenalter)?
- persistierender Verlauf: Einschränkung durchgehend hoch
- remittierender Verlauf: Abnahme, ab Adoleszenz kein Vollbild mehr
- später Beginn: Symptomatik konstant, jedoch ab Adoleszenz niedrigere diagnostische Schwelle!
- plötzlicher Zunahme im Erwachsenenalter, aufgrund einer Hirnverletzung (Übertritt der Schwelle)
- normaler Verlauf: durchgehend niedrige Einschränkung
Was können Gründe dafür sein, dass eine Diagnose erst im Erwachsenenalter gestellt wird?
- verschobene diagnostische Schwelle
- Symptomentwicklung erst im Jugendalter
- Symptome zuvor latent durch hohe Intelligenz und schützendes soziales Umfeld
- unzuverlässige Erinnerung
Wie entwickeln sich die Einzelbestandteile der Symptomatik im Übergang zum Erwachsenenalter?
Hyperaktivität & Impulsivität nähert sich dem Bevölkerungsdurchschnitt an
Unaufmerksamkeit bleibt auffällig
Was sind die Diagnosekriterien für eine ADHS (Kindesalter!)?
- mind. 5 Kriterien Unaufmerksamkeit oder
- mind. 5 Kriterien Impulsivität/Hyperaktivität
- mind. 5 von jedem –> Mischtyp
6 Monate lang in untypischem Ausmaß - einige Symptome vor dem 12. Lebensjahr
- Beeinträchtigung in mind. 2 Lebensbereichen
- klinisch relevante Störung in sozialer Interaktion, Arbeit oder Beruf
Nenne drei Beispiele aus der diagnostischen Kategorie Unaufmerksamkeit.
- Schwierigkeit, die Aufmerksamkeit zu halten
- Flüchtigkeitsfehler, schlechte Konzentration auf Details
- Fertigstellung von Aufgaben schwierig
- hört oft nicht zu
- Schwierigkeiten bei Organisation von Aufgaben
- Abneigung gegen Aufgaben, die geistige Anstrengung erfordern
- leicht ablenkbar
- vergesslich
Nenne drei Beispiele aus der diagnostischen Kategorie Hyperaktivität.
- unruhige Hände oder Körper
- oft Aufstehen in Situationen, in den Stillsitzen erfordert wird
- stilles Spielen oder Beschäftigen schwer
- handelt wie von einem Motor getrieben
- redet exzessiv viel
Nenne ein Beispiel aus der diagnostischen Kategorie Impulsivität.
- Schwierigkeiten, abzuwarten, bis man an der Reihe ist
- häufiges Unterbrechen Anderer
- Antworten, bevor Frage zu Ende gestellt wurde
Was sind die Wender-Utah-Kriterien?
ermöglichen eine bessere Beschreibung der Symptomatik im Erwachsenenalter
Welche Symptome kennzeichnen das Erkrankungsbild im Erwachsenenalter? (= Wender-Utah-Kriterien)
Aufmerksamkeitsdefizit, Hyperaktivität, Impulsivität etwas ans Erwachsenen-Leben angepasst +
- Affektlabilität (Wechsel neutrale und niedergeschlagene Stimmung)
- desorganisiertes Verhalten (mangelnde Planung & Organisation, Aufgaben unvollendet)
- Probleme der Affektkontrolle (andauernde Reizbarkeit, verminderte Frustrationstoleranz)
- emotionale Überreagibilität (Reizüberflutung, Black-Outs)
Wie sieht der Symptomwandel aus, der sich vom Kindes- zum Erwachsenenalter entwickelt?
Kindesalter: ADHS-Symptomatik steht im Vordergrund (+ Schul- und Erziehungsprobleme)
Erwachsenenalter: psychische Komorbidität (70%) und Probleme in der Lebensführung stehen im Vordergrund
-> Angsterkrankungen, affektive Erkrankungen, Drogenmissbrauch, Schlafstörungen
- Probleme in der Arbeit, instabile Beziehungen, Desorganisation
Welche psychiatrischen Komorbiditäten kommen am häufigsten vor?
Affektive Störungen (40% unipolare Depression, z.T. zusätzlich bipolare Störung) > Substanzmissbrauch (THC, Amphetamine, Alkohol) > Angststörungen > Abhängigkeit
Emotional-instabile PS
Dissoziale PS
Autismus-Spektrum-Erkrankungen
Welche somatischen Komorbiditäten gibt es?
Adipositas, Schlafstörungen, Asthma
wahrscheinlich auch Migräne und Zöliakie
Wie hängen ADHS und Adipositas zusammen?
- mit ADHS 70% höheres Risiko für Adipositas
- bei medikamentöser Behandlung der ADHS zurück auf Normalrisiko!
- gemeinsame Ursachen: genetisches Risiko, Dysregulation in dopaminergem Belohnungsnetzwerk
Was sind Bestandteile der Diagnostik von adultem ADHS?
- Eigen- und Fremdanamnese, Verhaltensbeobachtung, DSM5-Kriterien, Tests (ASRS, Screeningfragen)
- obligater Beginn in der Kindheit (evtl. rückwirkend feststellen)
- überdauerndes Bestehen
- Beeinträchtigung in mind. 2 Lebensbereichen
- Ausschluss somatischer oder anderer psychischer Erkrankungen, körperliche Untersuchung
- ggf. neuropsychologische Untersuchung
Welche “Red Flags” gibt es, auf die in der Anamnese geachtet werden sollte?
- in der Jugend kurze depressive Phasen, Stimmungsschwankungen, Selbstzweifel (
- Intoleranz von Langeweile oder Ruhe
- Drogenmissbrauch, Delinquenz
- exzessiver Koffein- und Nikotinkonsum, Angabe einer beruhigenden Wirkung (paradox!)
- häufiger Wechsel von Arbeit und Wohnort, Vergesslichkeit, zu spät kommen
Welche diagnostischen Herausforderungen entstehen?
- Überlappung mit den Symptomen anderer psychiatrischer Erkrankungen (z.B. Angsterkrankungen) –> DD oder Komorbidität?
Nenne 3 somatische DDs.
- Schilddrüsenerkrankungen
- Epilepsie
- Schädel-Hirn-Trauma
- Tic-Störung
- Restless-Legs-Syndrom
- Intelligenzminderung
- Schlafapnoe
- Eisenmangel
Welche möglichen Folgen kann eine unbehandelte ADHS im Erwachsenenalter haben (nenne 3)?
- gesundheitliche Probleme und Komorbiditäten (niedrige Lebensqualität)
- erhöhte Mortalität, Suizidalität
- niedrige schulische und akademische Abschlüsse
- geringer beruflicher Erfolg
- riskantes (Fahr-)Verhalten und Kriminalität
- zwischenmenschliche und familiäre Probleme
- niedriger sozialer Status, finanzielle Probleme, ungewollte Schwangerschaften
Inwiefern können Erwachsene von der Diagnosevergebung profitieren?
Erzählungen Betroffener zeigen, dass Diagnose Hoffnung und Gefühl der Kontrolle über das eigene Leben zurückgibt sowie zum besseren Coping mit der Symptomatik beiträgt (Diagnose ersetzt frühere Schuldgefühle)
Ist bei ADHS immer eine Behandlung indiziert?
nicht zwingend!
abhängig von Beeinträchtigung, Ressourcen, Komorbiditäten und Schweregrad der Symptome
Aus welchen Teilen besteht die multimodale Therapie bei Erwachsenen und welche Bestandteile sind am wichtigsten?
- Psychoedukation (immer)
- Pharmakotherapie
- nach individuellem Bedarf psychosoziale/psychotherapeutische und andere ergänzende Maßnahmen
Welche Ziele verfolgt die Psychoedukation?
- Wissensvermittlung über Entstehung, Symptomatik, Behandlung
- Zeit- und Selbstmanagement
- kognitives und emotionales Stressmanagement
- Erholungs- und Regenerationsübungen
- Verlängerung der Aufmerksamkeitsspanne
- kognitive Umstrukturierung
- Kommunikationstraining
Welche Empfehlungen für die Pharmakotherapie gibt es laut Leitlinie?
- Wahl:
Methylphenidat (Dopamin- und Noradrenalinwiederaufnahmehemmer)Lisdexamfetamin (Erhöhung Dopamin- und Noradrenalinfreisetzung) - Wahl:
andere Stimulanzklasse, Atomoxetin (sNRI) -> auch bei komorbider Ticstörung, Angst, Substanzkonsum - Wahl: Kombination von Wirkstoffen
–> einmal jährlich Überprüfung der Notwendigkeit durch Einnahmepause
Wie unterscheidet sich das therapeutische Vorgehen zwischen Kindern/Jugendlichen und Erwachsenen?
Bei Erwachsenen primär Pharmakotherapie (+ ergänzend oder ersetzend andere Maßnahmen)
bei Kindern Pharmakotherapie, wenn über 6 Jahre und schwere/moderate Symptomatik, sonst nur psychosoziale Intervention (bei älteren Kindern ergänzend oder bei Unverträglichkeit von Medikamenten)
Welche Rolle spielt die Ernährung im Rahmen der Therapie?
ungenügende Evidenz:
zuckerreduzierte und zusatzstofffreie Nahrung kann sinnvoll sein
ungesättigte Fettsäuren
Eisenmangel ausgleichen
Was ist und welche Rolle spielt Neurofeedback im Rahmen der Therapie?
Erlernen, eigene Hirnaktivität zu kontrollieren
- bei Kindern schwache bis mittlere Effektivität bei Symptomreduktion
- bei Erwachsenen keine klare Evidenz, aber erfolgreich, auch hier Symptomreduktion
Welche Rolle spielt Erblichkeit bei der Entstehung einer ADHS?
ca. 75% Erblichkeit (9-fach erhöhtes Risiko von Geschwistern, Eltern berichten in 50% der Fälle von Symptomen)
- Neigung zur Wahl von Partnern, die ebenfalls ADHS-Symptome erleben
Welche neuralen Netzwerke sind bei ADHS betroffen?
fronto-cerebelläres Netzwerk
fronto-striatales Netzwerk
Belohnungsnetzwerk
Aufmerksamkeitsnetzwerk
Netzwerk für exekutive Funktionen
Ruhezustandsnetzwerk
Was konnte bisher über genetische Faktoren herausgefunden werden?
12 signifikante genomische Loci (SNPs), die aber wenig Einfluss auf die Gesamterblichkeit haben
- Häufung von Genen, die für synaptische Prozesse und axonales Aussprossen wichtig sind!