1.7. Der soziale Denker als kognitiver Geizhals Flashcards
Der kognitive Geizhals ist…?
Metapher für eine Person, die zu vereinfachter Urteilsbildung (Stereotype) und Heuristiken tendiert.
Auch bei Vorliegen vollständiger Informationen greifen Personen nicht auf das ganze Wissen zu, sondern verwenden Heuristiken.
Attributionsverzerrung/ der fundamentale Attributionsfehler (Ross, 1977)
Der fundamentale Attributionsfehler/ die Attributionsverzerrung besteht in einer generellen Bevorzugung internaler Ursachenzuschreibungen gegenüber externalen. Die Ursachen für ein Verhalten werden somit bevorzugt der handelnden Person und nicht der Umwelt zugeschrieben. –> Urteilsfehler
Welches Konzept stellt die Erweiterung des Konzeptes der Attributionsverzerrung/ des fundamentale Attributionsfehlers dar?
Die Actor-Observer-Differenz in der Attribution
Erklärungen für die Actor-Observer-Differenz in der
Attribution
- Informationsunterschiede zwischen Handelndem und Beobachter
◦ Unterschiedliche Salienz von Informationen (Aufmerksamkeitsfokus)
◦ Unterschiedliche Informationsinhalte - Motivationseinflüsse
◦ Kontrollmotivation bei der beobachtenden Person
◦ Selbstwertdienlichkeit der Attribution der handelnden Person
Kritik am fundamentalen Attributionsfehler
Kritik: Kulturelle Unterschiede
◦ Der fundamentale Attributionsfehler ist in kollektivistischen Kulturen (z.B. Ostasien) deutlich weniger ausgeprägt; dort richten Menschen ihr Verhalten stärken am sozialen Kontext und an situationalen Normen aus.
Kulturelle Unterschiede bezüglich des fundamentalen Attributionsfehlers
Bei ostasiatischen Menschen ist es im Vergleich zu Nordamerikanern wahrscheinlicher, dass sie…
◦ sensibler gegenüber dem Hintergrund von Personen sind, wenn sie diese beurteilen
◦ annehmen, dass Verhalten in der Zukunft eher variabel ist als konsistent
◦ augenscheinliche Widersprüche bei sich selbst eher akzeptieren
◦ weniger überrascht bei unerwartetem Verhalten sind
◦ bei Konflikten stärker auf die Argumente beider Seiten schauen und falls nötig einen Kompromiss
eingehen.
Der soziale Denker als kognitiver Geizhals: Abweichungen vom
Modell des rational denkenden Menschen
Die Beachtung, Bewertung und Integration aller möglicherweise relevanten Informationen bei Entscheidungs- und Urteilsfindungen ist sehr oft nicht möglich, da das kognitive System eine begrenzte Verarbeitungskapazität hat.
–> Heuristiken und Schemata
Was sind Heuristiken?
Vereinfachende mentale Entscheidungsregeln, die eine schnelle und effiziente Urteilsbildung ermöglichen (sog. Urteils- und Entscheidungsheuristiken).
Heuristiken als „kognitives Werkzeug“ oder „Daumenregeln“, um momentan zur Verfügung stehende Informationen unaufwändig zur Urteilsfindung heranzuziehen.
Ermöglichen oft hinreichend genaue Urteile, aber können auch zu Fehlurteilen und systematischen Verzerrungen führen
Arten von Heuristiken
- Verfügbarkeitsheuristik: Leichtigkeit der Abrufbarkeit einzelnen Informationen
- Repräsentativitätsheuristik: Rückgriff auf Ähnlichkeit und Merkmalsverteilungen
- Anker- und Adjustierungsheuristik
- Emotions-/Affektheuristik („How-do-I-feel-about“-Heuristik)
- Simulationsheuristik (kontrafaktisches Denken)
Verfügbarkeitsheuristik
Leichte Abrufbarkeit einzelner Informationen
Je verfügbarer ein Ereignis im kognitiven System (d.h. leichter abrufbar aus dem Gedächtnis; ease of retrieval) ist, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit oder Häufigkeit dieses Ereignisses eingeschätzt.
Verfügbarkeitsheuristik
- Abrufbarkeit ist höher…
◦ bei häufiger Enkodierung von Elementen aus derselben Kategorie
◦ bei erst kürzlich eingetretenen Ereignissen (recency effect)
◦ bei hoher subjektiver Besonderheit (salience effect)
◦ bei Übereinstimmung von Erinnerungs- und Enkodierungskontext (congruency effect)
Linda ist 31 Jahre alt, Single, sehr intelligent, hat einen Abschluss in Philosophie, ist engagiert in
Themen zu sozialer Gerechtigkeit. Was ist wahrscheinlicher:
1. dass Linda eine Bankkassiererin ist?
2. dass Linda eine Bankkassiererin ist, die aktiv in der Frauenbewegung ist?
Die Mehrzahl der Versuchspersonen schätzte die Wahrscheinlichkeit, dass Linda „Bankangestellte und Feministin“ sei, wesentlich höher ein (Konjunktionseffekt/fehler).
Die zweite Aussage enthält eine zusätzliche erfüllende Bedingung gegenüber der ersten und
kann daher logischerweise nicht wahrscheinlicher sein (Extensionalitätsprinzip).
Aus einem Pool von 100 Personenbeschreibungen (darunter 30 Juristen und 70 Ingenieure) wird
folgende Beschreibung zufällig gezogen: „Zweimal geschieden, verbringt Frank die meiste Zeit im Country Club. Seine Gespräche an der Bar des Clubs konzentrieren sich oft um sein Bedauern, versucht zu haben, in die Fußstapfen seines renommierten Vaters zu folgen. Die vielen Stunden akademischer Mühen, die er
verbracht hatte, hätte er besser darin investieren sollen zu lernen, wie man in seinen Beziehungen mit anderen Menschen weniger streitsüchtig ist.“
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit (von 0 bis 100%), dass Frank ein Jurist ist?
Menschen überschätzen die Wahrscheinlichkeit, dass der Mann ein Jurist ist.
Weiteres Experiment: Die Basisrate wurde variiert, indem den Versuchsteilnehmern mitgeteilt wurde, dass diese Personenbeschreibung aus Interviews resultiert, denen sich 30 Juristen und 70 Ingenieure unterzogen haben. Aufgabe der Probanden war es, abzuschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit es sich um einen Ingenieur (bzw. Juristen) handelt. Die unterschiedlichen Ausgangswahrscheinlichkeiten hatten kaum Einfluss auf das Urteil, da die Versuchspersonen aufgrund der äußeren Beschreibung die Zuordnung vornahmen. Es kam daher häufig zu Urteilsfehlern. Die Basisratenvernachlässigung, d. h. die Überschätzung der bedingten Wahrscheinlichkeit von Ereignissen mit niedriger Basisrate, erklären Kahneman und Tversky mit der Anwendung der Repräsentativitätsheuristik
Repräsentativitätsheuristik
Das Urteil wird davon beeinflusst, wie typisch bzw. repräsentativ ein Beobachtungsfall für eine Kategorie ist oder wie ähnlich eine Person einem bestimmten Prototypen ist.
- -> Vernachlässigung der Basisrate (Grundwahrscheinlichkeit)
- -> Konjunktionsfehler (conjunction fallacy)
Repräsentativitätsheuristik
- Kritik
◦ Menschen können nicht gut mit dem Wahrscheinlichkeitsbegriff umgehen und vernachlässigen die Basisrate weniger, wenn statt Prozentwerten absolute Häufigkeiten angegeben werden
◦ Versuchspersonen betrachten die Aufgabe aufgrund der Instruktion eher als „psychologische“ denn als „statistische“ Fragestellung (Schwarz, 1996).
Konjunktionsfehler (conjunction fallacy)
Abweichung von statistischem Urteilsverhalten
Konjunktion zweier Aussagen kann nicht wahrscheinlicher sein als die einzelne Aussage!
Was ist die Basisratenvernachlässigung?
Wenn Basisrateninformation und unser Repräsentativitätsempfinden nicht zusammenpassen.
d. h. die Überschätzung der bedingten Wahrscheinlichkeit von Ereignissen mit niedriger Basisrate.
- -> erklären Kahneman und Tversky mit der Anwendung der Repräsentativitätsheuristik
Anker- und Adjustierungsheuristik
Ankereffekt/ Ankerassimilation = Ausrichtung von Urteilen bzgl. numerischer Größen an einem wahrgenommenen Ausgangswert
Im juristischen Kontext: Ein frühzeitig eingebrachter Anker kann zu besseren Verhandlungsergebnissen führen (first-offer-effect; Galinski & Mussweiler, 2001)
Beispiel aus der VL für Anker-Adjustierungsheuristik?
Anzahl afrikanischer UNO-Mitglieder nach zeigen einer zufälligen Zahl
Mögliche Erklärungen für die Anker-/adjustierungsheuristik?
Numerisches Priming
Semantisches Priming
Selektives Hypothesentesten (Spezielle Suche nach genau den Informationen, die den Ausgangswert oder eine Annahme bestätigen)
Numerisches Priming?
Numerisches Priming: Erhöhte kognitive Verfügbarkeit des durch den Anker aktivierten numerischen Werts
Selektives Hypothesentesten
Suche nach Informationen, die mit dem Ausgangswert vereinbar sind bzw. diesen bestätigen (Mussweiler & Strack, 1999)
Semantisches Priming:
Ankerkonsistentes Wissen wird aktiviert und ist dann besonders kognitiv verfügbar und zugänglich und damit einflussreich.
Emotions-/Affektheuristik; How-do-I-feel-about-Heuristik
Die eigene Stimmungslage dient als Heuristik für die Beurteilung.
–> Menschen neigen dazu, bei guter Laune verschiedene Einstellungsobjekte (inkl. Anderer Personen) positiver zu beurteilen als bei schlechter Laune.
Es ist subjektiv schwierig, zwischen der emotionalen Reaktion auf das Einstellungsobjekt und der möglicherweise zuvor bestehenden Stimmung zu unterscheiden.
Besonders relevant für die Werbepsychologie
Aber: auch andere Effekte der Stimmung auf die Informationsverarbeitung möglich