Unterlassen § 13 StGB Flashcards
Abgrenzung Tun - Unterlassen
MM: Kriterium des Energieeinsatzes: Wer Energie in eine bestimmte Richtung aufwendet, tut etwas, dagegen unterlässt derjenige etwas, der keine Energie in eine bestimmte Richtung einsetzt.
MM: Kriterium der Kausalität: Wer die Außenwelt durch kausale Einwirkung verändert, tut etwas, wer den Dingen ihren Lauf lässt, unterlässt etwas.
h.M. : Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Verhaltens: wertende (normative) Betrachtung, die auf den Schwerpunkt des Vorwurfs abstellt. Es ist zu fragen , wo bei normativer Betrachtung unter Berücksichtigung des sozialen Handlungssinns der Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Verhaltens liegt (Schwerpunkttheorie)
-> wird nach “Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs” geprüft
Garantenstellung
Entstehungsgründe:
Gesetz
z.B. Personensorge der Eltern für Kinder §1626,1631 BGB
Vetrag bzw. tatsächliche Übernahme
z.B. Arzt für Patient
vorangegangenem Gefährlichem Tun (Ingerenz)
z.B. Unfallverursacher für Verletzten
enger Lebens und Gefahrengemeinschaft
z.B. Bergsteiger, nichteheliche Lebensgemeinschaft, WG
Beschützergaranten:
-natürliche familiäre Verbundenheit §§ 1626, 1631 BGB
-sonstige enge Gemeinschaftsbeziehung (Lebens und
Gefahrgemeinschaften)
-tatsächliche freiwillige Übernahme von Schutzpflichten
-Garantenstellung von Organen und Amtsträgern
Überwachergaranten:
-Ingerenz (pflichtwidriges gefährdendes Vorverhalten)
tatsächliche und rechtliche Herrschaft über gefährliche Sachen (Verkehrssicherungspflichten)
-Plicht zur Beaufsichtigung Dritter
-Inverkehrbringen von Produkten
-Übernahme von Sicherungspflichten
-> eine vertragliche Beziehung begründet grds. keine Garantenpflicht. Nur bei besonderem Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien oder bei dauerhaften und engen Geschäftsbeziehungen. Oder wenn Gefahrenabwehr von vornherein als Element des Vertrages vereinbart wurde.
Garantenstellung aus Ingerenz
plichtwidriges gefährdendes Vorverhalten: es muss die nahe Gefahr des Schadenseintritt geschaffen oder eine bestehende Gefahr intensiviert werden.
- muss nicht unbedingt strafbar sein
- Pflichtwidrigkeit ist beim Handeln in erlaubter Notwehr und beim plichtgemäßen verkehrsgerechten Führen eines Kfz zu verneinen
- Plichtwiedrigkeit muss gerade im Verstoß gegen eine Norm liegen die dem Schutz des betroffenen Rechtsgut dient.
Quasi Kausalität
Ursächlich ist ein Unterlassen dann wenn die rechtlich erwartete Handlung nicht hinzugedacht werden kann ohne dass der tatbestandsmäßige Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele.
Objektive Zurechnung -> Pflichtwierigkeitszusammenhang
normale Formel
wie bei Fahrlässigkeitsdelikten Pflichtwiedrigkeitszusammenhang prüfen
-beruht der Erfolg gerade auf der Pflichtwiedrigkeit des Unterlassens -> setzt voraus dass Vornahme der gebotenen Rettungshandlung in der konkreten Gefahrensituation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Erhaltung des gefährdeten Rechtsguts (auch Lebensverlängerung oder geringere Verletzungen) geführt hätte.
-> Problem der Risikoerhöhungslehre
Rechtfertigungsgrund: Pflichtenkollision
Vorraussetzungen:
1. Den Täter treffen mindestens zwei Handlungspflichten von denen er nur die eine auf Kosten der anderen erfüllen kann.
2. Der Täter erfüllt die richtige Handlungspflicht, indem er
-bei rangverschiedenen Pflichten die ranghöhere erfüllt
-bei gleichrangigen Pflichten eine von beiden erfüllt
Das Rangverhältnis der Pflichten beurteilt sich dabei nach
- dem Wert der gefährdeten Güter
- der rechtlichen Stellung des Normadressaten zum geschützten Objekt
- der Nähe der Gefahr
- der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts
3. Rettungswille
-> Wenn Pflichtenkollision nicht einschlägig ist dann auf Ebene der Schuld die Unzumutbarkeit normgemäßen Verhalten ansprechen (eigenständiger (übergesetzlicher) Entschuldigungsgrund bei unechten Unterlassungsdelikten) -> Die Erfüllung der Pflicht ist dann unzumutbar wenn der Garant durch sie (eigene) billigenswerte Interessen in erheblichem Umfang gefährden würde und das Gewicht der Interessen die der Täter preisgeben soll dem Gewicht des drohenden Erfolgs entspricht.
z.B. Arbeitsplatz eines LKW Fahrers zu der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer -> Verhalten ist nicht unzumutbar
Wenn man einem Menschen hilft dem man gegenüber nur aus 323 c verplichtet ist und einen anderen nicht rettet ggü. dem man eine Garantenpflicht hat -> dann Verhalten unzumutbar
omissio libera in causa
entspricht der actio libera in causa bei den Begehungsdelikten. Jedoch wird er nicht erst bei der Schuld sondern schon im objektiven Tatbestand bei dem Merkmal “physisch-reale Abwehrmöglichkeit” angesprochen. Betrinkt sich der Täter bewusst so stark dass er danach der gebotenen Handlung nicht nachkommen kann wird er trotzdem bestraft.
Gebotsirrtum
Irrtum über die Garantenpflicht ist wie der Verbotsirrtum nach § 17 zu behandeln (relevant erst auf Schuldebene)
Versuch des unechten Unterlassungsdelikt
Prüfungsaufbau wie bei Begehungsdelikt
Problem: Versuchsbeginn beim unechten Unterlassungsdelikt
1. Meinung (Theorie des erstmöglichen Eingriffs)
Bereits das Verstreichenlassen der ersten Rettungschance markiert den Versuchsbeginn.
-dafür: Im Interesse des gefährdeten Rechtsguts muss möglichst früh gehandelt werden
der Täter kann nicht wissen ob sich ihm tatsächlich weitere Rettungschancen bieten
-dagegen: Es kommt beim Versuch auf die subjektive Vorstellung von der Tat an, so dass es genügen muss wenn der Täter denkt weitere Rettungschancen zu haben
2. Meinung (Theorie des letztmöglichen Eingriffs)
Erst wenn der Täter die aus seiner Sicht letzte Rettungschance verstreichen lässt beginnt der Versuch
-dafür: die Rechtsordnung verlangt nur die rechtzeitige Abwendung des Erfolges- wann der Garant die gebotserfüllende Handlung vornimmt ist der Rechtsordnung grds gleichgültig und bleibt damit dem Täter überlassen
dagegen: Für einen Versuch und damit einen strafbefreienden Rücktritt von selbigem verbliebe kaum noch Raum
3.Meinung (hM)
Der Versuch beginnt wenn - aus Sicht des Täters - eine unmittelbare Gefahr für das geschützte Rechtsgut entsteht (=konkrete Gefahr, die jederzeit in einen Schaden umschlagen kann ) oder wenn der Täter die Möglichkeit des rettenden Einflusses aus der Hand gibt
-dafür: Wenn es Aufgabe der Garantengebote ist Rechtsgüter vor Gefahr und Beeinträchtigung zu bewahren, so muss der Garant erst, aber auch immer dann einschreiten, wenn nach seiner Vorstellung sein späteres Eingreifen sicher/möglicherweise die Rechtsgutsverletzung nicht mehr abwenden kann oder wenn er dem Geschehen seinen Lauf lässt.
Rücktritt vom Versuch des unechten Unterlassungsdelikt
§ 24 ist nur sinngemäß anwendbar -> bloße Passivität kann nie genügen
Unterteilung zwischen beendeter und unbeendeter Versuch ist nur hilfreich für das Bestimmen der Handlung die der Täter an den Tag legen muss
Egal ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt geht der Erfolgseintritt trotz entsprechenden Rücktrittsverhalten zu Lasten des Täters (Ausnahme: Der Erfolgseintritt ist ihm nicht mehr zuzurechnen)
Problem: Rettungspflicht des Garanten nach Tatherschaftswechsel bei Suizid
-> Artzt gibt auf Verlangen Gift an Patienten -> dieser nimmt dies eigenverantwortlich ein und wird bewusstlos.
Rspr: (BGHSt 13, 166)
Es besteht keine Rettungspflicht für Garanten z.B. behandelnde Ärtzte oder Angehörige, solange der Suizident noch Herr über das Geschehen ist, wohl aber wenn der Suizident seine Tatherrschaft (infolge von Bewusstlosigkeit) verliert.
-dafür: Ab dem Tatherrschaftswechsel endet der Bereich der straflosen Suizidbeihilfe, da der Suizident ab diesem Zeitpunkt das Geschehen nicht mehr steuert.
Hoher Stellenwert des Lebensschutzes.
hL: Kein nachträgliches Entstehen einer Rettungspflicht. Eine solche besteht nur dann, wenn ein Sinneswandel des Suizidenten erkennbar wird.
dafür: Freiverantwortlicher Entschluss des Betroffenen ist zu respektieren; mit ihm endet der Behandlungsauftrag des Artztes, der ab diesem Zeitpunkt gar kein Recht zur Behandlung mehr hat.
Widerspruch zur allgemein anerkannten Zulässigkeit der passiven Sterbehilfe, die mit freiverantwortlichem Suizid vergleichbar ist
Problem: Garantenstellung bei pflichtgemäßem gefährdenden Vorverhalten
MM: Garantenstellung (+) -> Es wäre inkonsequent, denjenigen der rechtmäßigerweise in ein fremdes Rechtsgut eingreifen darf (z.B. § 32) auf das mildeste Mittel zu verweisen ihn dann aber- was überflüssige Verschlimmerung durch unterlassene Hilfe angeht - aus der Verantwortung zu entlassen.
hM: Garantenstellung (-) -> Kausalität allein genügt niemals um Verantwortlichkeit zu begründen immer muss ein “Mehr” dazukommen - eben die pflichtwiedrigkeit. Nur demjenigen, der andere Pflichtwidrig in eine Gefahrenlage bringt ist eine besondere Hilfsmaßnahme zuzumuten. Es ist nicht einzusehen, weshalb der sorgfaltsgemäß handelnde mehr strafrechtliche Pflichten tragen soll als ein zufällig anwesender Dritter. Bei pflichtgemäßem Vorverhalten ist eine Verantwortung nach §323c zum Schutz des Opfers ausreichend.