Notwehr § 32 StGB Flashcards
Angriff
jede durch menschliches Verhalten (=Handlung) drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen (Notwehrfähig sind alle Individualrechtsgüter)
Problem:
- Angriff ohne Handlungsqualität -> Ein abstürzender Bergsteiger droht in eine Bergsteigergruppe zu stürzen-> Notstandslage §34,35
- Angriff ohne schuldhaftes Handeln
Schuldlos Handelnder Angreifer:
eA. kein Angriff .> hM. Für die Frage des Angriffs kommt es nicht auf die Schuld an-> allerdings eingeschränktes Notwehrrecht (Individualschutzbedürfniss besteht weiterhin, nur Rechtsbewährung ist deutlich reduziert, da dem Angreifenden sein Verhalten nicht vorwehrfbar ist
Vermindert Schuldfähiger Angreifer
Notwehrrecht besteht .> entweder mit Einschränkung (dagegen erhebliche Unsicherheit bei Angegriffenen ob er sich Verteidigen darf) oder Notwehrrecht ist uneingeschränkt
- Tiere als (Angriffs-)Werkzeug eines Menschen
Angriff ist nur menschliches Verhalten -> ein Angriff durch ein Tier kommt daher nur in Betracht wenn es auf menschlichem Verhalten beruht
Notwehrprovokation
hM.
absichtlich: Berufung auf Notwehr rechtsmissbräuchlich
dafür: Angegriffener ist in Wahrheit selbst der Angreifer-> fehlender Aspekt der Rechtsbewährung
m.M. volles Notwehrrecht bleibt erhalten (man darf sich nicht zu Angriffen hinreißen lassen
diff.A.: Verteidigung nur dann wenn ausweichen nicht möglich
auf sonstige Weise vorwerfbar herbeigeführt (fahrlässig oder vorsätzlich unterhalb der Absicht)
Einschränkung der zulässigen Verteidigung -> 3 Stufen Theorie: Ausweichen, Schutzwehr, Trutzwehr
dafür: Mitverschulden des Angegriffenen im Vorfeld macht diesen weniger schutzwürdig
Anforderung an Vorverhalten (spielt nur für auf sonstige vorwerfbare Weise herbeigeführt eine Rolle; bei absichtlicher Provokation reicht jedes Verhalten (auch rechtmäßig)
e.A.: Vorverhalten muss rechtswidrig sein
Rspr: es genügt schon ein “sozial ethisch missbilligtes Verhalten
-enger zeitlicher Zusammenhang zwischen provozierendem Verhalten und Angriff
-Angreifer durfte sich provoziert fühlen
-Angriff ist adäquate und voraussehbare Folge der Provokation
andere Ansicht: actio ilicitat in causa aiic
uneingeschränktes Notwehrrecht, aber Strafbarkeit durch das Anknüpfen an das Vorverhalten
->provozierendes Vorverhalten wird als Beginn der tatbestandlichen rechtswidrigen Ausführung der dann gerechtfertigten Tat angesehen
-Provozierendes Verhalten ist kein tatbestandliches Verhalten im Hinblick auf den später verwirklichten Tatbestand
Sonderfall der absichtlichen Abwehrprovokation
wenn sich der später Angegriffene in Erwartung einer Notwehrlage (die er aber nicht vorwerfbar herbeiführt bewusst viel stärker bewaffnet als notwendig u.U. mit dem Vorsatz exzessiver Verteidigung
-> e.A. eingeschränktes Notwehrrecht
-> a.A. keine Einschränkung, da bei der Vorbereitung der Abwehr eines erwarteten Angriffs jedes Mittel gewählt werden darf das mit Sicherheit zur erfolgreichen Abwendung führt.
Grundprinzipien des § 32
Individualschutz
-deshalb sind nur Rechtsgüter des Einzelnen notwehrfähig
Rechtsbewährung
auch in Abwesenheit von Staatsorganen Abschreckung Unrecht zu tun
gegenwärtig
wenn der Angriff unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch andauert.
-> keine präventive Notwehr !
Problem: antizipierte Notwehr
z.B. Selbstschussanlage
h.M. Gegenwärtigkeit gegeben, da in dem Zeitpunkt in dem der Mechanismus ausgelöst wurde der Angriff unmittelbar bevorstand
a.A. bei Installation der Anlage war der Angriff nicht gegenwärtig -> deshalb präventive Notwehr
Rechtswidrigkeit
wenn der Angriff im Widerspruch zur Rechtsordnung steht.
Problem: Begründet bereits das Erfolgsunrecht des Angriffsverhaltens die rechtswidirgkeit
z.B. ordnungsgemäßer Fahrer droht einen auf die Straße Laufenden zu überfahren. (darf man ihn erschießen?)
e.A. Erfolgsunrecht genügt
drohender Erfolgsunwert begründet Rechtswidrigkeit
-> betont Individualschutz
h.L. Maßgeblich ist auf das Handlungsunrecht abzustellen
Handlungsunrecht des Angreifers muss hinzutreten dh. dieser muss vorsätzlich oder objektiv fahrlässig handeln-> wer alles richtig macht handelt nicht rechtswidrig
- andere Ansicht überzeugt wegen mangelndem Rechtsschutzbedürfnis nicht
Angriff durch Unterlassen
Wie sieht es bei einer Unfallflucht aus? Angriff auf Vermögen
hM. :
nur wenn eine Garantenpflicht des Unterlassenden besteht
-> Dafür: Wenn auf Tatbestandsebene ein Unterlassen bei bestehender Garantenpflicht mit Tun gleichgestellt wird, so muss dies auch bei Rechtfertigungsvoraussetzungen der Fall sein
MM.
ja auch dann wenn nur eine Jedermann Rechtspflicht besteht deren Verletzung ein echtes Unterlassungsdelikt auslöst
-> Dagegen: echte Unterlassungsdelikte fußen auf Solidaritätsgedanken, man schuldet Hilfeleistung nur im Rahmen des Zumutbaren -> ein Eingriff durch §32 würde über dieses “Zumutbare hinaus gehen
-> § 142 als verkapptes Unterlassungsdelikt: es handelt sich um eine nur Unfallbeteiligte treffende Sonderpflicht, die mit den Handlungspflichten nach §13 StGB vergleichbar sind (nicht wie bei Jedermanns Pflicht § 323c) -> Angriff (+)
Ist die Verletzung von Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung notwehrfähig? Z.B. 315b
Nein. § 32 StGB ist auf Konflikte zwischen Angreifer und Angegriffenen zugeschnitten und vermag nur die Verletzung der Rechtsgüter des Angreifers und nicht der Belange der Allgemeinheit zu rechtfertigen.
Was ist mit der Unteilbarkeit des Unrechts gemeint ?
Teilwiese wird vertreten, dass eine Rechtfertigung aus Notwehr nur dann möglich sei wenn bei sämtlichen durch eine Handlung begangenen Delikte ein Rechtfertigungsgrund greife. Dies ist z.B. nicht der Fall wenn eine Handlung ein Delikt gegen die Allgemeinheit (z.b. 315b) und eins gegen ein Individualrechtsgut darstellt (z.B. 223). -> Nach dieser Meinung könnte bei 223 nicht 32 eingreifen da dem Normunterworfenem ein klares Ergebnis geliefert wird.
Dagegen spricht dass es um die Überlagerung unterschiedlicher Rechtsverhältnisse geht (Angreifer - Verteidiger bzw. Angreifer - Allgemeinheit) die daher auch zu einer unterschiedlichen Beurteilung führen können. Auch das gerechtfertigte Verhalten bleibt grds. bei Strafe verboten, lediglich ist der Handlungs und Erfolgsunwert des Verhaltens im Einzelfall insoweit reduziert, als es sich gegen die Angreifer richtet.