Blutstillung und Blutgerinnung Flashcards
Abstract
Die Blutstillung (Hämostase) ist ein lebenswichtiger mehrschrittiger Prozess, der eine Blutung mit Hilfe eines Gerinnsels (Thrombus) aus einem besonderen Plasmaprotein (Fibrin) beendet.
Thrombocyten (= Blutplättchen)
Thrombocyten sind zusammen mit den Gerinnungsfaktoren des Plasmas für die Blutgerinnung zuständig.
Steckbrief: Der Thrombocyt
- Synonym: Blutplättchen, kurz: Plättchen (engl. platelet)
- Thrombocytenzahl: 150.000 - 400.000/µl (Normbereich)
- Durchmesser: Ca. 3µm
- Form: Im Ruhezustand bikonkav (flach-rund), nach Aktivierung Ausbildung von Pseudopodien
-
Wichtige Zellbestandteile
- Granula: α-Granula, elektronendichte Granula (= δ-Granula), Lysosomen (= λ-Granula)
- Mitochondrien mit Enzymen der Atmungskette (hoher ATP-Verbrauch bei Aktivierung)
- Filamente: Aktin, Filamin → Sorgen für Ausbildung der Pseudopodien und die Retraktion des Gerinnsels
- Kernlos: Proteinbiosynthese begrenzt möglich
- Bildung: Abschnürung aus Megakaryocyten im Knochenmark (siehe: Thrombopoese), stimuliert durch Thrombopoetin (TPO) und Interleukin-11
- Lebensdauer: 5-12 Tage, Abbau in der Milz
- Speicherung: Ca. ⅓ aller Thrombocyten sind in der Milz zwischengespeichert
- Funktionen: Primäre Hämostase und sekundäre Hämostase
Thrombopenie: Ein Absinken der Thrombocytenzahl im Blut unter 150.000 / µl
Bei einem Anstieg der Thrombocytenzahl im Blut unterscheidet man anhand von Verlauf und Zellzahl zwischen einer vorübergehenden, reaktiven Thrombocytose (i.d.R. zwischen 450.000 und < 1 Millionen / µl) und der länger anhaltenden Thrombocythämie (i.d.R. über 1 Million / µl)!
Inhaltsstoffe der Thrombocyten-Granula
Im Cytoplasma der Thrombocyten existieren drei verschiedene Formen von Granula:
Alpha-Granula:
-
Inhaltsstoff:
- Von-Willebrand-Faktor (vWF)
- Funktion: Verbindet die Thrombocyten mit freigelegtem Kollagen über den GPIb-Rezeptor (= Adhäsion)
- Fibrinogen (= Faktor I)
- Funktion:
- Von-Willebrand-Faktor (vWF)
- Primäre Hämostase: Verbindet die Thrombocyten untereinander über den GPIIb / IIIa-Rezeptor (= Aggregation)
- Sekundäre Hämostase: Bildet den Fibrin-Thrombus
o Faktor V
- Funktion: Ist der Cofaktor von Faktor X (in der Phase der sekundären Hämostase)
o Faktor VIII
- Funktion: Ist der Cofaktor von Faktor IX (in der Phase der sekundären Hämostase)
o Fibronectin
- Funktion:
- Primäre Hämostase: Unterstützt die Thrombocytenadhäsion und -aggregation
- Sekundäre Hämostase: Bindet kovalent an Fibrin → Fibrin-Netz wird dichter
o Wachstumsfaktoren: PDGF , VEGF , FGF, TGF-β
- Funktion:Wundheilung und Angiogenese
o α2-Antiplasmin
- Funktion: Hemmt den Gerinnselabbau (= Fibrinolyse): Als Serinprotease-Inhibitor hemmt es selektiv Plasmin
Delta-Granula
- Inhaltsstoff
- ADP
- Funktion: Aktiviert die Thrombocyten → Thrombocytenaggregation
- Ca2+
- Funktion: Wichtiger Cofaktor bei der Gerinnung (für Thrombocytenaggregation und für die Serinproteasen der sekundären Hämostase)
- Serotonin
- Funktion:
- Aktiviert die Thrombocyten
- Fördert die Vasokonstriktion
- Funktion:
Lambda-Granula (= Lysosomen)
- Inhaltsstoff
- Saure Hydrolasen
- Funktion: Dienen(to serve) vermutlich der Zerstörung von Krankheitserregern
Gerinnungskaskade
Definition: Feinregulierter, sich selbst verstärkender Prozess mit dem Ziel der Fibrin-Bildung
Gliederung:
- Extrinsischer Weg (= Exogene Aktivierung)
- Intrinsischer Weg (= Endogene Aktivierung)
- Gemeinsame Endstrecke: Bildung von Fibrin
Extrinsischer Weg (= Exogene Aktivierung)
-
Definition: Durch Tissue Factor (= Gewebethromboplastin = Faktor III) ausgelöster Aktivierungsweg der plasmatischen Gerinnung
- Tissue Factor ist ein Transmembranprotein, das von subendothelialen Fibroblasten und glatten Muskelzellen gebildet wird
- Ablauf: Der Tissue Factor bekommt bei einer Endothelverletzung Kontakt zum Blut und aktiviert Faktor VII
- Resultat: Bildung der extrinsischen Tenase: Faktor III und VIIa bilden mit Phospholipiden und Ca2+-Ionen einen Enzym-Komplex, die sog. extrinsische Tenase
Intrinsischer Weg (= Endogene Aktivierung)
- Ablauf
- Aktivierung von Faktor XII durch Kollagen, Kallikrein und hochmolekulares Kininogen
- Aktivierung von Faktor XI durch Faktor XIIa und Thrombin (= Faktor IIa)
- Aktivierung von Faktor IX durch Faktor XIa
- Aktivierung von Faktor VIII durch Thrombin (= Faktor IIa)
- Resultat: Bildung der intrinsischen Tenase: Faktor IXa und VIIIa bilden mit Phospholipiden und Ca2+-Ionen einen Enzym-Komplex, die sog. intrinsische Tenase
Gemeinsame Endstrecke des extrinsischen und intrinsischen Systems
- Ablauf
- Aktivierung von Faktor X durch die extrinsische und intrinsische Tenase
- Aktivierung von Faktor V durch Thrombin (= Faktor IIa)
- Umwandlung von Prothrombin (= Faktor II) in Thrombin durch den Faktor-Xa-Va-Komplex (= Prothrombinase)
- Limitierte proteolytische Spaltung von Fibrinogen (= Faktor I) in Fibrin-Monomere durch Thrombin (= Faktor IIa)
- Aktivierung von Faktor XIII durch Thrombin (= Faktor IIa)
- Quervernetzung der Fibrin-Monomere
- “Nachgerinnung”: Verkürzung der Thrombocyten-Pseudopodien innerhalb des Fibrinthrombus → Festigung des Thrombus
- Resultat: Bildung roter Thrombus (= Blutgerinnsel) → Endotheldefekt wird abgedichtet → Blutung sistiert
Gerinnungsparameter und deren klinische Bedeutung der primären Blutstillung
Diagnostik von Störungen der primären Blutstillung
- Thrombozytenzahl
- BlutungszeitT
- Maß für die Dauer zwischen Lanzettenstich und Stillstand der Blutung
- Erfasst quantitative und qualitative Pathologien der Thrombozyten
- Norm: Je nach Testverfahren 2-5 Minuten
Gerinnungsparameter und deren klinische Bedeutung der
der sekundären Blutstillung 1
Quick-Wert (Prothrombinzeit, Thromboplastinzeit, TPZ)
- Einheit: %
- Beschreibung: Dauer von Aktivierung des extrinsischen Systems durch Thromboplastin und Kalzium bis zur Bildung von Fibrinpolymeren
-
Beurteilung: Extrinsisches System und gemeinsame Endstrecke
- F. VII
- F.X + Co-Faktor V
- Thrombin und Fibrinogen
- Bildung von Fibrinpolymeren
-
Klinische Relevanz
- Vitamin-K-Mangel
- Synthesestörungen der Faktoren (z.B. Leberzirrhose)
- Überwachung einer Cumarintherapie
Gerinnungsparameter und deren klinische Bedeutung der
der sekundären Blutstillung 2
International Normalized Ratio (INR)
- Einheit: keine
- Beschreibung : Laborübergreifende Normung des Quick-Werts → Ersetzt im klinischen Alltag immer mehr den traditionellen Quick-Wert
-
Beurteilung: Extrinsisches System und gemeinsame Endstrecke
- F. VII
- F.X + Co-Faktor V
- Thrombin und Fibrinogen
- Bildung von Fibrinpolymeren
-
Klinische Relevanz
- Vitamin-K-Mangel
- Synthesestörungen der Faktoren (z.B. Leberzirrhose)
- Überwachung einer Cumarintherapie
Gerinnungsparameter und deren klinische Bedeutung der
der sekundären Blutstillung 3
(aktivierte) partielle Thromboplastinzeit (aPTT, PTT)
- Einheit : Sekunden
- Beschreibung: Dauer von Aktivierung des intrinsischen Systems durch Zugabe von Phospholipiden bis zur Bildung von Fibrinpolymeren
-
Beurteilung Intrinsisches System und gemeinsame Endstrecke
- F.XII, F.XI, F.IX & VIII
- F.X + Co-Faktor V
- Thrombin und Fibrinogen
- Bildung von Fibrinpolymeren
-
Klinische Relevanz
- Hämophilie
- Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom
- Überwachung einer Heparintherapie
Gerinnungsparameter und deren klinische Bedeutung der
der sekundären Blutstillung 4
(Plasma‑)Thrombinzeit (PTZ, TZ)
- Einheit: Sekunden
- Beschreibung: Dauer ab Zugabe von Thrombin bis zur Entstehung von Fibrinpolymeren
-
Beurteilung: Nur terminale Endstrecke
- Fibrinogen
- Bildung von Fibrinpolymeren
-
Klinische Relevanz
- Test auf Fibrinogenmangel
- Überwachung einer Heparin- oder Fibrinolysetherapie
erinnungsparameter und deren klinische Bedeutung der
der sekundären Blutstillung 5
Reptilasezeit
- Einheit: Sekunden
- Beschreibung: Dauer ab Zugabe von Reptilase bis zur Entstehung von Fibrin
- Beurteilung: Nur Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin
- Klinische Relevanz: Test auf Fibrinogenmangel
aPTT (aktivierte partielle Thromboplastinzeit):
- erfasst das intrinsische System der Blutgerinnung
- Citratblut (muss innerhalb von 4 h untersucht werden, Röhrchen muss bis zur Markierung gefüllt werden) ► Citratplasma + Kalziumionen, oberflächenaktive Substanz und partielle Thromboplastine (Phospholipide) ► Messung der Zeit bis zur Gerinnselbildung o
-
Indikationen:
- OP-Vorbereitung (screening)
- Kontrolle von Therapie mit Heparin und auch Marcumar
- V.a. hämorrhagische Diathese
- Therapiekontrolle bei Hämophiliepatienten
- Normwert: 20 — 40 s, Referenzwerte sind laborabängig
- Erhöht bei: Hämophilie, Willebrand-Jürgens-Syndrom, Heparin- oder Marcumartherapie, Lupus erytematodes, u.a.
- Erniedrigt bei: Hyperkoagulabilität, traumatische Blutentnahme
- Frage: Ist eine Operation bei hoher aPTT möqlich?
- Mögliche Grunderkrankungen als Ursache für die Erhöhung müssen möglichst vor einer OP ausgeschlossen werden (s.o.)
- Frage: Was muss der Patient vorher bekommen?
- Im Falle einer vorliegenden Hämophilie müssen vor einem Eingriff Faktor VIII (Hämophilie A) oder IX (Hämophilie B) subsituiert werden.
TPZ (Thromboplastinzeit):
Zeit bis zur Thrombinbildung nach Aktivierung mit Gewebsthromboplastin
- erfasst das extrinsische System
- Citratblut ► Citratplasma + Kalziumionen und Gewebsthromboplastin► Messung der Zeit bis zur Gerinnselbildung
-
Indikationen:
- Suchtest zum Ausschluss von Gerinnungsstörungen
- Kontrolle bei Therapie mit Cumarinderivaten
- Abschätzung der Lebersyntheseleistung
- Angabe prozentual als Quick-Wert (100% entspricht dem Mittelwert einer Normalpopulation, Referenzwerte sind laborabhängig)
- oder als International Normalized Ratio INR
- Normwert Quick: > 70% o Normwert INR: < 1,2 [TPZ des Patienten / TPZ einer Kontrolle]
- Erniedrigt bzw. erhöht bei: Lebersynthesestörungen
D-Dimere
: Produkte der körpereigenen Spontanfibrinolyse
- erhöht bei frischer TVT oder LE
- falsch positiv: Traumen
- Operationen (< 4 Wochen)
- Aortendissektion
- gerinnungshemmende oder fibrinolytische Therapie
- DIC
- Sepsis
- Pneumonie
- Erysipel
- Schwangerschaft, etc.
- Ein negativer D-Dimer-Test schließt eine LE mit großer Wahrscheinlichkeit aus!