4a: Text Popitz, Phänomene der Macht Flashcards

1
Q

Grundsätzliches zum Text.
Frage:
“Wie geschieht es, dass wenige Macht über viele gewinnen?”

Zu der Machtbildung in den 3 Beispielen:

A

Machtibildung auf einem Schiff

  1. Die überlegene Organisationsfähigkeit der Privilegierten.
  2. Legitimitätsgeltung und Gegenseitigkeitsprinzip

Machtbildung in einem Gefangenenlager

  1. Überlegenheit und Produktivität der Solidarität durch Arbeitsteilung.
  2. Machtnahme als Staffelungsprozesse.

Machtbildung in einem Internat

  1. Reproduktion der Macht (Behalten - Geben - Nehmen=
  2. Ordnung als Basislegitimität (Investitionswert Konformität).
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2
Q

Definition Macht, nach Popoitu

A

Sein eigener Wille bei anderen durchzusetzen, auch wenn es den anderen widerstrebt.

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3
Q

Zentrale Fragen zum ersten Beispiel (Schiff).

A

Wie geschieht es, dass wenige Macht über viele gewinnen?

  • Weil und insofern die Wenigen, die Besitzende sind und weil der Besitz eine überlegende Organisationsfähigkeit vermittelt.
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4
Q

Zentrale Fragen zum zweiten Beispiel (Gefangenenlager).

A

Wie geschieht es, dass ein geringer Vorsprung, den einigen erreicht haben, ausgebaut werden kann zur Macht über andere Menschen?

  • Der Vorsprung wird gekonnt eingesetzt und weiterentwickelt. Dadurch kann der Vorsprung ausgebaut werden. Wenn der Vorsprung so eingesetzt wird, dass es zum Beispiel zum Monopol wird, wird der Vorsprung ausgebaut zur Macht über andere Menschen.
  • Macht über andere Menschen lässt sich (…) so steuern, dass der Einsatz von Besitzvorteilen die organisatorischen Vorteile erhöht und der Einsatz von organisatorischen Vorteilen die Besitzvorteile vermehrt.
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5
Q

Zentrale Fragen zum zweiten Beispiel (Heim).

A

Wie geschieht es, dass aus etwas Macht mehr Macht wird und aus mehr Macht viel Macht?

Die schwächste Gruppe, hat je stärker die Macht ist, immer weniger Möglichkeit sich zu wehren und die Ordnung zu kippen. Zudem gewöhnt man sich schnell an eine Machtordnung (Verinnerlichung der Normen).

Jede Machtordnung muss als ein System gesehen werden, in dem die Macht, did die Ordnung ordnet, sich ständig wieder neu bildet.

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6
Q

Einleitung

Leitgedanken zu den Beispielen

A

Es geht um die Fragen, wie es geschieht, dass wenige Macht über viele gewinnen. Wie, dass ein geringer Vorsprung, den einige erreicht haben, ausgebaut werden kann zur Macht über andere Menschen und wie aus Macht mehr Macht und viel Macht wird.

Diese drei Fragen werden versucht anhand der drei Beispielen Passagiere auf einem Schiff, Gefangenlager und Erziehungsanstalt zu erläutern und beantworten.

Die Beispiele verstellen drei geläufige Interpretationen von Machtprozessen:

  • Die Deutung von Machtbildung als Ausdruck eines allgemeinen Consensus
  • Die Deutung von Machtbildung als Autoritätswirkung
  • Überlegene Gewalt

Speziell an den Beispielen ist es, dass es sich bei allen um eine «kasernierte Vergesellschaftung» handelt. Die Beteiligten können nicht einfach weglaufen. Deshalb bildet sich ein Vergesellschaftungsprozess, da Konflikte nicht einfach vermieden werden können. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass alle Beteiligten mit den gleichen Voraussetzungen («leere Hände») starten.

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7
Q

Passagiere auf einem Schiff

Ausgangslage

A

Ausgangslage:
· Kreuzschiff im Mittelmeer
· Waren aller Art
· Ganz unterschiedliche Passagiere (Händler, Touristen, Familienbesucher, Umzügler, Flüchtende), viele kampieren auf Deck
· Einziger Luxus: einige Liegestühle (Verhältnis etwa 1 Liegestuhl pro 3 Passagiere, 1/3)

Erste Tage: (3- 4 Häfen wurden angefahren)
· Liegestühle wechseln ständig den Besitzer.
· Unbenutzte Liegestühle sind frei und können von allen genutzt werden.
· Gebrauchsgut ist nicht rar. Reicht gut für alle. Gebrauchsgut, das in begrenzter Zahl zur Verfügung stand, wurde nicht knapp.

Ausfahrt aus einem weiteren Hafen:
· Neuankömmlinge beanspruchen die Liegestühle dauerhaft für sich. (Auch nicht belegte Liegestühle gelten für die Neuankömmlinge als belegt). Dur Posen, Gesten und Geschrei von Auch-Besitzer wurden andere verdrängt. Die Abschreckung war so wirkungsvoll, dass keine handgreiflichen Konflikte entstanden.
· Besitzer schlossen sich zusammen, um freie Liegestühle abzuschirmen, reservieren und schützen. Es werden Gruppen gebildet, ungenutzte Liegestühle dienten als Ringmauer.

Eine Struktur entstand: Bildung zweier Klassen (Besitzende, positive Privilegien) und Nicht-Besitzende (negativer Privilegien). Einer Teilgruppe wurde der Zugang zu einem Gebrauchsgut gesperrt. Die privilegierte Teilgruppe konnte diese Gut nach Bedarf brauchen. Sie hatte also gegenüber der früheren Gesamtheit noch keinen Vorteil aber sie gehörten nicht zur anderen Gruppe.

Nächster Schritt:
· Vermietung der Liegestühle gegen Naturalien und Dienstleistungen. Besonders aber Abgabe der Funktion Wächter an einige Nicht Besitzende.
- Dadurch entsteht eine Entlastung der Besitzenden
Drei Klasse entstehen: Besitzende, Wächter, Nur-Besitzlosen

· «Nur-Besitzlosen sind von nun an aus freien Stücken und aus eigenem Verschulden in der schlechtesten Lage.»
Der Prozess vollzieht sich gegen den Willen der Mehrheit. Wie konnte das passieren? Eine offene Kraftprobe wäre am Anfang am gefährlichsten gewesen.

Die Dreiteilung ist mit der Bildung einer Dienstleistungsklasse erst etabliert.

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8
Q

Schiff
(Analyse)

Die überlegene Organisationsfähigkeit der Privilegierten.

A

Besitzer: In ihrer Sicht sahen sie sich schon als Privilegierte. Im Gegensatz zur anderen Gruppe haben sie aber auch die grössere Chance, sich schnell und wirkungsvoll zu organisieren. Ihr gemeinsames Interesse ist organisationsfähiger.

Der Anspruch kann deutlich gemacht werden, in dem andere Auch-Besitzer mithelfen. Funktionsweise: Gegenseitige Unterstützung und Kooperation; aus der Hilfe gegenüber dem Anderen entsteht ein wechselseitiges Prinzip.

Die Besitzenden haben sich gegenseitig unmittelbar etwas zu bieten: Stellvertretung, Schutz, Bestätigung. Individuelles und gemeinsames Interesse decken sich.

Im Unterschied dazu die komplizierte Situation der Nicht-Besitzenden: Einverständnis über die ungerechte Situation ist vorhanden, aber welche andere Ordnung von Verteilung wäre gerecht? Die Besitzergruppe ist sich darüber einig, dass die neue Ordnung gerecht sei.

Wer riskiert den Konflikt?
Was geschieht danach? Die Nicht-Besitzer können das Besitzdenken so unterdrücken, dass es nicht mehr zur Geltung kommt – die Umerziehung. Oder sie müssen eine geschlossene Gesellschaft bilden, and der die anderen nicht teilhaben. Freie Konkurrenz und ständiger Konflikt oder alternative Ordnung?

Probleme der Neuverteilung…: „Wer gegen das Haben ist, kann nicht mit denen, die haben wollen, frei konkurrieren“.

Bei Übernahme: Potentielle Angreifer erben das Verteilungsproblem, dass die Verteidiger der alten Ordnung gelöst und als Status quo eingebracht haben. Die Kooperation in den Konflikthandlungen sichert noch nicht den individuellen Erfolg. Der Zusammenhalt wird für den einzelnen nicht unmittelbar prämiiert.

Die Besitzlosen wissen also nicht, was später geschieht; potentielle Orientierung auf die „übernächste Phase“, auf spekulative Solidarität, nicht spekulatives Vertrauen.

Hier entstehen nun Manipulationsmöglichkeiten der Privilegierten (Bestechungsmöglichkeiten und Verstärkung der Hemmnisse der Organisationsfähigkeit der negativ Privilegierten). Die Möglichkeit, Liegestühle für eine Besitzende Person zu bewachen, ist angenehmer, als sich gegen das System aufzulehnen. Dies verstärkt die Hemmnisse der Organisationsfähigkeit der negativ-Privilegierten. Das Niveau der Organisationsfähigkeit ist nicht erreicht.

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9
Q

Schiff
(Analyse)

Wie geschieht es, dass Wenige über Viele herrschen?

A

Weil und insofern die Wenigen die Besitzenden sind und weil der Besitz eine überlegene Organisationsfähigkeit vermittelt. Weil sie herrschen, können sie diese Überlegenheit ständig reproduzieren und eventuell weiter ausbauen. Die Zusatzchance der überlegenen Organisationsfähigkeit zeigt sich bereits im Augenblick ihres Entstehens. Dies führt dann zu einem Akkumulationsprozess der Macht gegen die Interessen der Mehrheit.

Der hauchdünne Vorsprung der wenigen Besitzenden: Ergreifen der Chance im grundlegenden Akkumulationsprozess (Marx); danach ist das Problem des Besitzes „gelöst“; es stellen sich lediglich Fragen der Reproduktion und des Ausbaus von Macht.

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10
Q

Schiff
(Analyse)

Entstehung der Legitimitätsgeltung aus dem Gegenseitigkeitsprinzip

A

Vor dem Ausbau einer Dienstleistungsklasse durch Lohn-Leistung sowie Schutz-Gehorsam Relationen wird zunächst die Anerkennung einer „legitimen Herrschaftsordnung“ organisiert.

(Max Weber: die Herrschenden haben einen Legitimitätsanspruch nach unten, die Beherrschten adressieren Legitimitätsglauben nach oben)

Wie entsteht Legitimitätsgeltung?
Durch die Suggestivkraft des Einverständnisses darüber, dass es ein gegenseitiges Interesse gibt; der Austauschprozess der Privilegierten (Anerkennung meines eigenen Anspruchs bedeutet auch Anerkennung des Anspruchs desjenigen, der meinen Anspruch anerkennt). Die Anerkennung vollzog sich nach dem Gegenseitigkeitsprinzip in einem Austauschprozess der Privilegierten untereinander. Weil man gegenseitig die Ansprüche voneinander anerkennt, ist man im Recht. Dabei handelt es sich um einen Vorgang innerhalb der Gruppe der primären Legitimitätsinteressenten (die, die es wollen).

Diese Suggestivkraft wirkt bereits, wenn wechselseitige Anerkennung öffentlich demonstriert wird (Grussformen etc.). Daher passiert der Legitimationsprozess bereits vorher und bietet eine weitere eigentümliche Zusatzchance.

Oft funktioniert der wechselseitige Anerkennungsprozess der Privilegierten auch noch nach dem Zusammenbruch der alten Ordnung (Beispiel: europäische Aristokratie oder old boys networks des Finanzadels).

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11
Q

Gefangenenlager

Ausgangslager

A

Ausgangslage:
· In den letzten Tagen des Krieges wurde Gefangene in ein improvisiertes Lager geschleust, Flaches Feld, Stacheldrahtzäune
· Gewisse Kameradschaft entwickelt sich
· Währung des Lagers – Zigaretten
· Gefangene aus verschiedenen Truppen zusammengewürfelt.

Im Wesentlichen war jeder auf sich selbst gestellt.

Gruppenbildung:
· Bildung einer Gruppe von 4 Mann
· Sie teilen al ihren Besitz (der individuelle Besitz wurde zum Gemeineigentum.)
· Auch andere Leistungen wurden aufgeteilt: Spezialisierung, jeder hat seine Rolle (Koch, Klempner, Englisch sprechend, Gegner-Bekämpfer.)

Produktive Kooperation: Gruppe wurde zur Wohlstandsaristokratie
• Bau eines Herdes (offenes Feuer war verboten, Lebensmittel mussten aber gekocht werden,)
• Gruppe wurde zum Handelszentrum ( + Ex- und Import über Lagergrenzen)
• In begrenztem Umfang
- –> Stäte geistiger Begegnung
- –> Blechwarenmanufaktur

Schrittweise entsteht eine Abhängigkeit der anderen Personen

  • Zahlung
  • Benutzung des Ofens entwickelte wegen grosser Nachfrage zu einem Gnadenakt, wenn man den Ofen benutzen durfte. Das führt zu einer bevorrechtigte Klientel.

Es bilden sich keine weiteren Gruppen, obwohl die Fähigkeiten da gewesen wären. Es wollte niemand auf die individuell erreichbaren Vorteile verzichten.

Gruppe verhindert ein Bau eines zweiten Herdes, auch dank zahlreichen Hilfswilligen. Herd der Gruppe ist ein Monopol.

Man gewöhnt sich allmählich auch an die gegebene Verteilung der Rechte und Pflichten. Sie wurde zu einem Teil der Lagerordnung.

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12
Q

Analyse Gefangenenlager

Die produktive Überlegenheit von Solidaritätskernen

A

Die Besonderheit der Gruppe war, dass sie schon frühzeitig zustande kam. Die ausserordentliche Solidarität kam nur zustande, wenn seltene, riskante Handlungen gewagt werden.

Die entscheidende Voraussetzung: gegenseitiger „Vertrauenssprung“, eine begründungslose riskante, gegenseitige Solidaritätshandlung, die die Gesamtleistung der Gruppe beträchtlich erhöht.

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13
Q

Analyse Gefangenenlager

Basisbegriffe

A
  • Helfen und Teilen; Chancen der Leistungssteigerung. Individuelle Mängel können ausgeglichen werden.
  • koordiniertes Kollektivhandeln; man greift eine Sache gemeinsam an. Leistungen werden durch Summierung der einzelnen Tätigkeiten erreicht. Alle Formen gleichartigen Tätigkeiten am gleichen Ort.
  • zeitliche Reihung gleichartiger Tätigkeiten; Man löst sich gegenseitig ab. Jeder einzelne kann sein Leistungsmaximum erreichen. Durch zeitliche Reihung wird ein besonderer Effekt am gleichen Ort durch die gleiche Tätigkeit erzielt.
  • räumliche Trennung gleichartiger Tätigkeiten; Man vereinbart, örtlich unabhängig die gleichen Tätigkeiten durchzuführen. Der Misserfolg des einen kann durch den anderen Erfolg ausgeglichen werden (Risikoausgleichung).
  • stellvertretendes Handeln; die Arbeitskraft lässt sich sparen. Einer kann in einem Schritt für alle genug machen, um anderen einen Entlastungseffekt zu bieten.

Bis hier wurde ein geringer Aufwand an Koordination benötigt um wirksam zu werden, da immer die gleichen Tätigkeiten gemacht werden.

  • kurzfristige Arbeitsteilungen; setzt ein höheres Koordinationsniveau voraus. Hand- in-Hand-Arbeiten; erspart Zeit, da Lernzeiten wegfallen. Ein Denkvorgang setzt ein, in dem Einzelleistungen zu einer gemeinsamen Aufgabe zusammengesetzt werden.
  • dauerhafte Arbeitsteilungen; Spezialisierungseffekt stellt sich ein. Ein Arbeitsschritt wird nur noch von einem durchgeführt. Vorerfahrungen können genutzt werden. Hier sind besondere Innovationschancen:
  • Mechanisierung und Innovation von Arbeitsprozessen; Konzentration auf eine abgrenzende Aufgabe, ermöglicht die Entwicklung von neuen Produktionsmethoden.
  • Gliederung und Koordination des Gesamtprozesses; Zerlegung in einfache Schritte und Zunehmende Übersicht weisen auf neue Gliederung und Koordinationschancen des Gesamtprozesses hin.
  • Optimierung und Ermöglichung neuer Aufgaben: Arbeitskraft kann nun für neue Prozesse eingesetzt werden.

Strategische Solidarität schafft Herstellung von Sicherheit und Überlegenheitsbewusstsein. Produktive Überlegenheit dient als Voraussetzung für Machtpotentiale, da andere auf sie angewiesen sind.

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14
Q

Analyse Gefangenenlager

Machtnahme als Staffelungsprozess

“Wie entsteht das Abhängigkeitsgefälle im Lager?”

A

Die Gruppe hat einen Produktionsvorsprung erreicht, den niemand einholen kann. Sie war als einzige im Besitz einer Produktionsanlage und konnte dieses Missverhältnis nutzen. Eigentlich hätten andere auch einen Herd bauen können, doch es tat es niemand.

Durchsetzung eines Monopols; sukzessiv ausgedehnte Arbeitsleistung und Übertragung dieser auf das gesamte soziale Gefüge des Lagers durch. Auch folgt eine Blockade von Gegenkoalitionen (Anderen Gruppenzusammenschlüsse).

Mittel dazu: Politik des Teilens; Ausnutzung unterschiedlicher Interessen, Provokation von Streit, Staffelung und Teilung verschiedener Interessenlagen.

Beispiele von drei Teilgruppen:

  • Stabsstellen, Klientel, Anvertraute: Vom Machtzentrum abhängig. Gewinnbeteiligung wird zugestanden; tatsächliche Zugehörigkeit zum Machtzentrum bleibt ambivalent. Ein entscheidender Schritt ist getan, wenn sie tauglich und bereit sind, sich im Auftrag des Machtzentrums gegen andere zu wenden. Das führt zu einer neuen Qualität des Machtzentrums. Ausserdem steigert die Stabstelle die Ökonomie der Machtausübung und reduzieren den Aufwand des Machtzentrums; Misserfolge können übertragen werden, relativ einfach zu organisieren
  • Neutrale, Zuschauer, Nichtbetroffene; die wichtigste, aber schwierigste Gruppe; Die Neutralität muss als Friedensprivileg deutlich gemacht werden. Die Neutralen müssen als die Rausgehaltenen geschätzt und sich möglichst wohl fühlen. Das „aktive“ Heraushalten benötigt eine plausible „Friedensdividende“; die Zuschauer und Neutralen als „wichtigste, die ausschlaggebende Hilfstruppe der Machtnahme“.
  • Die Unterprivilegierten, Parias, Hemdlosen und Hörigen; kann organisiert werden durch die Stabsstellen: normalerweise Fremde und Neuankömmlinge, ist wichtig für die Selbstdefinition der Neutralen. Kann auch als erste Gruppe gebildet werden.

Weitere wesentliche Bestandteile der Machtnahme:

  • Friedenspolitik zwischen den Gruppen ist Bestandteil der Machtnahme. Die soziale Distanz zwischen den drei Gruppen muss erhalten bleiben. Ausschluss von Solidarisierungen zwischen Neutralen und Gegnern.
  • Prozess strategischer Rahmenbedingungen: „Die Ausdehnung und Steigerung des Abhängigkeitsverhältnisses beruhte also letztlich darauf, dass die Akkumulation von Gütern umgesetzt werden konnte in Machtausübung über Menschen (…) und diese Machtausübung wiederum in eine Akkumulation von Gütern“ (S.215).

Die Machtstrategie der Staffelung beruht wieder auf der Ausnutzbarkeit und Manipulierbarkeit eines Vergesellschaftungsdefizits der anderen.

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15
Q

Erziehungsanstalt

Ausgangslage

A

Ausgangslage:
· Gruppe von 14- bis 15-jährigen Jungen (13 Jungs)
· Jungs sollen resozialisiert werden, durch Vertrauen auf Selbstverwaltung und Kameradenerziehung
- Zum Zeitpunkt unserer Betrachtung hat sich unter den 13 Jungs ein Machtzentrum (von 4 Jungs) herausgebildet. Einer war der Chef.
- Eine zweite Gruppe (3 Jungs) war die Hilfsgruppe und gegebenenfalls als Einsatzkommando.
- Die restlichen 6 wurden beliebig herumkommandiert.

· Die 6 unterdrückten mussten 1 ihrer beiden Brotscheiben (Frühstück) dem Machtzentrum abgeben.
o Eintreibung durch Hilfstruppe
o Fünf Brotscheiben für das Machtzentrum (2 Chef, je 1 den anderen)
o 1 Brot als Belohnung an den Hilfstrupp
· ähnlicher Schlüssel bei gemeinsamen Arbeitsaufgaben
· Wenn einer der Unterdrückten sich weigerte, dann gab es Strafen.

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16
Q

Erziehungsanstalt
Analyse

Produktion der Macht im System der Umverteilung

A

In diesem Stadium wird das System noch oft durch direkte Gewaltanwendungen abgesichert. Später reicht die blosse Androhung und Gewalt tritt nur noch als Notmassnahme in Erscheinung. Sie ist dann nicht mehr kennzeichnend für das System sondern zeigt nur seine Defekte.

Das Machtzentrum kann weniger geben als nehmen. Darin liegt eine Chance der Akkumulation.

Behalten – Geben –Nehmen:
Jede dieser beiden Gruppen sorgt, indem sie sich selbst fügt, zugleich dafür, dass andere sich fügen. Für die Spitze ist die Fügsamkeit der einen Gruppen zugleich das Mittel, die andere fügsam zu machen.

„Ein und dasselbe wirtschaftliche Gut reproduziert sowohl in ihrer (der Machtgruppe) rechten wie in ihrer linken Hand Macht: in der rechten, mit der sie es anderen nimmt, und in der linken, mit der sie es anderen gibt“.

Auch hier: unterschiedliche Interessenlagen der beiden unterworfenen Gruppen – jeweilige Umverteilung über das Machtzentrum.

Politik der kleinsten Mittel: höhere Entlohnung der Hilfstruppen oder geringere Erpressung der untersten Gruppe. Somit kann der Druck auf die Gruppen modifiziert werden, da jede weitere Einschneidung nun noch schlimmer wäre.

Die Hilfstruppe ist dabei in der Gefahr der Austauschbarkeit und dadurch interessiert am Erhalt des Machtgefälles; sie wird deshalb darauf achten, dass die unterste Gruppe keine Organisationsfähigkeit aufbaut.

Solche Systeme lassen sich nicht mehr von innen zerbrechen und können durch einen äusseren Eingriff zerstört oder durch Veränderung ihrer wirtschaftlichen Grundlage verändert werden.

17
Q

Erziehungsanstalt
Analyse

Der Ordnungswert der Ordnung als Basislegitimität

A

Verinnerlichung der Normen als „absurder“ Vorgang. Die Abgaben und Leistungen werden gemacht. Welche Chancen der Machtnahme kommen ins Spiel, um diesen Prozess zu ermöglichen?

  • Legitimierungsprozesse können gegensätzliche Überzeugungen hemmen, Meinungsbildung erschweren und unsicher machen. Legitimierungsprozesse, die über die gegenseitige Anerkennung der Privilegierten hinausgehen, entstehen dann, wenn:

„Dauer und Ordnung eine für die Bewusstseinsbildung tragende Bedeutung erhalten“ (223). Sie soll also Ordnungssicherheit bieten.

Verhaltenssicherheit durch die Realität omnipräsenter Machtzentren ist mit Unterdrückung ausgezeichnet vereinbar.

Mit der Zeit geschieht eine Gewöhnung an das Vermeiden von „Klippen“. Auch die Unterdrückten gewinnen damit eine Verlässlichkeit der eigenen Orientierung innerhalb der bestehenden Ordnung.

(Hegel: „Die herrschenden Verhältnisse sind immer die Verhältnisse der Herrschenden“)

Nicht unbedingt Opportunismus, aber unvermeidliche Konformität;

Kalkulation des jeweiligen Investitionswertes gegen die Ordnung als Zumutung; das Phänomen, dass gerade die Unterprivilegierten „unsere Ordnung“ beschützen wollen, besteht in der Evidenz dieser Zumutung.

Es muss daher „dem Machtzentrum gelingen, der bestehenden Ordnung Dauer zu geben. Entscheidend ist, dass die Ordnung währt. Der wertvollste Gewinn ist die gewonnene Zeit“ (226)

Ordnung wird zur Basislegitimität, vorzufinden bei „allen Untermietern der Macht“. Entscheidend bei allen Konfigurationen.

18
Q

Schlussbemerkung zu Pöppens

A

Die Akte der Machtausübung stehen in 3 unterscheidbare Verbindungen:

  • In Verbindung mit überlegener bzw. Unterlegener Organisationsfähigkeiten bestimmter Gruppen,
  • In Verbindung mit exklusiven (andere ausschliessenden) Verfügungsgewalten,
  • In Verbindung mit Prozessen der Anerkennung neuer Ordnung, die wir auf den Begriff der Legitimität bezogen haben.

Grundlage für die überlegene Organisationsfähigkeit sind in allen Fällen die Akte der Solidarität, Helfen und Teilen.

Die Weiterentwicklung dieser Akte erreicht im zweiten Beispiel, in der Arbeitsorganisation der Solidaritätsgruppe ein hohes Niveau. Im ersten Beispiel genügt es, dass die Besitzenden sich bei der Überwachung der Liegestühle ablösen. Hier sind also nur 2 Organisationsleistungen nötig, die nur eine gewisse Verständigung und Abrede erfordern: Ablösung als zeitliche Reihung gleichartiger Tätigkeiten und die Verteidigung als Kollektivhandlung (Koordination gleichartiger und gleichzeitiger Tätigkeiten am gleichen Ort). Im 3. Beispiel hat sich zusätzlich eine innere Hierarchisierung eingestellt.

Entscheidend ist in allen Fällen die Diskrepanz der Organisationsfähigkeiten.

Vorteile der Organisationsfähigkeit und Besitzvorteile können als Machtmittel aufgefasst werden. So genügt der Zusammenhalt der Liegestuhlbesitzer, um Angriffe zu bremsen.

Macht über andere Menschen lässt sich so steuern, dass der Einsatz von Besitzvorteilen die organisatorischen Vorteile erhöht und der Einsatz von organisatorischen Vorteilen die Besitzvorteile vermehrt.

Hinzu kommt die Manipulierbarkeit der Prozesse der Anerkennung.

DIE DISKREPANZ DER ORGANISATIONSFÄHIGKEIT
„Macht über andere Menschen lässt sich (…) so steuern, dass der Einsatz von Besitzvorteilen die organisatorischen Vorteile erhöht und der Einsatz von organisatorischen Vorteilen die Besitzvorteile vermehrt.“

„Eine Widerstandsbereitschaft als gelernte Reaktion fehlte. Sie hätte in sehr frühen Stadien des Prozesses fast sicheren Erfolg gehabt. Insofern waren die drei Machtnahmen, die sich wie zwangsläufig mit absurder Selbstverständlichkeit vollzogen, eben nicht zwangsläufig, sondern absurd“