10a. Liessmann: Theorie der Unbildung Flashcards

1
Q

Einleitung zum Begriff Bildung

A
  • Bildung ist Macht. Wissenschaftliches Wissen ersetzten traditionelle Instanzen der Weltdeutung (Religionen, Kulte, Magien und Ideologien).
  • Bildung als Utopie, als Hoffnung, als Ideologie säkularer Gesellschaften, als Motor für Modernisierungsschübe (50 ff.). Diverse Gruppen (Kleinbürger, Arbeiterklasse, Migranten, Behinderte, Frauen, Minderheiten) sehen in der Bildung eine Möglichkeit, um etwas an der Situation zu ändern.
  • Bildung ist das Mittel, mit dem diverse Probleme (Vorurteile, Inhumanität, Arbeitslosigkeit, …) verhindert werden soll.
  • Zudem soll sie auch Kinder glücklich und Erwachsene beschäftigungsfähig machen.
  • Die alten Bildungsbegriffe und Bildungsinstitutionen müssen abgelöst werden. Man müsse gegen die alten Bildungsideale des 19. Jh. Kämpfen. Man möchte statt Kopflastigkeit Praxisnähe und Flexibilität. Statt Leistung und Konkurrenzfähigkeit lieber Integration, Emotionalität und Abschaffung der Noten an Schulen.
  • Allmählich merkt man, dass nicht die Humboldt’schen Bildungsideale, sondern die seit den 60er in rascher Abfolge initiierten Bildungsreformen für die derzeitigen Schwächen des Bildungssystems verantwortlich sind.
  • Bildungsreformen, Praxisnähe, Hass auf die traditionelle Idee von Bildung vereint alle. „Wissensexplosionen als Datenablagerungen“ (52 ff.).
  • Wissen wird als Ressource behandelt. Jedoch nimmt das allgemeine Wissen scheinbar ab. Der Glaube an die Datenablagerungen auf Festplatten ersetzt das Denken. Die suggeriert eine Demokratisierung des Wissens, wo doch nur dessen grossflächige Einebnung zu konstatieren ist.
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2
Q

Bildung nach Liessmann

A
  • Antikes Ideal und humanistisches Konzept: Humboldts „Theorie der Bildung des Menschen“; Das am antiken Ideal und humanistische Konzept orientierte Bildung als Programm der Selbstbildung des Menschen, eine Formung und Entfaltung von Körper, Geist und Seele, die einzelnen zu einer entwickelten Individualität und zu einem selbstbewussten Teilnehmer der Gesellschaft macht.
  • Gleichzeitig galt Bildung als einzige Möglichkeit, den Menschen aus der Barbarei und der Unmündigkeit zu führen. Endabsicht ist Selbsterkenntnis und FREIHEIT.
  • Das (Bildungs-) Subjekt entsteht im Ineinander von Allgemeinem und Besonderen, von Individuum und Gemeinschaft (Die Verbindung des Ich mit der Welt). Der Geist des Menschen will sich besser verstehen und alle Wissenschaft und Technik sollen dem Menschen in seinem Handeln freier machen.
  • Paradigmatisch für die „humanistische Bildung“ ist das exemplarische Lernen (der Kultur der Griechen) und der komplexen Formen und Gestalten, in denen sich Menschsein realisieren kann; Hegel: Bildung ist das Medium, in dem sich die Gattung und der Geist überhaupt erst realisieren lässt…
  • NIETZSCHE (60 ff.): Er konstatierte eine unendliche Differenz zwischen den Anmassungen, denen sich eine humanistische Schule aussetzt, und ihrer daran gemessen erbärmliche Realität. Das Humboldtsche Gymnasium verfehle sein Ziel, weil dies nicht erreichbar sei.
  • Nietzsche spricht von Gegensatzbildung von „Anstalten der Bildung und Stätten der Lebensnot“. Stätten der Lebensnot sind die Schulen. Die Not des Lebens zwingt (heute) „Bildung“ dazu, alle Probleme anzunehmen und dies zu lösen versuchen.
  • Stätten der Bildung (latein; schola = Innehalten in der Arbeit) waren für Nietzsche der Gegensatz zur Anstalt der Lebensnot. Orte, die nicht von den Duftigkeiten und Bedürftigkeit des Lebens geprägt sind. Orte der Freiheit deshalb, weil sich dort die Leute befinden, die Frei von Zwang, Nützlichkeit, Praxisrelevanz sind.
  • Die besondere Bedeutung der SPRACHE und des Denkens (bei Nietzsche) (63 ff.): Sprachkompetenz und - Bewusstsein als Basis jeglicher Bildung…Wo da nicht passiert, soll man aufhören, nach Bildung zu streben. Sprache war ihm wirklich sehr wichtig.
  • Hingegen kann auf Religion (Glaube…) getrost verzichtet werden, Glaube ist keine Sache des Denkens…
  • Aufstieg und Fall des „BILDUNGSBÜRGERTUMS“ (65 ff.); ehemals Massstab für die Kultur eines Landes – heute Verlust eines jeglichen verbindlichen Kanons – Ersatz durch EVENT-Manager.
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3
Q

Halbbildung nach Liessmann

A
  • Unter den Bedingungen der Kulturindustrie wird Bildung gemäss Adorno zu sozialisierter Halbbildung als allgegenwärtiger Erscheinungsform des entfremdeten Geistes.
  • Bildung wird zu einem Sammelsurium von Kulturgütern transferiert, die wohl erworben und konsumiert, jedoch nicht mehr angeeignet werden können.
  • Solche Verdinglichung sah Adorno in jenen Gymnasien am Werk, in denen der Bildungskanon stur auswendig gelernt wurde. Die Reduktion des Kanons auf einige Schlagworte, die man sich rasch einverleibt, ohne einen Zusammenhang verstehen zu können, markiert die Halbbildung.
  • Wo kaum noch etwas verstanden wird, muss es umso hartnäckiger behauptet werden: darum ist Halbbildung gereizt und böse.

• Viel von dem, was man unter dem Titel Didaktik verstand, gehorchte einem einfachen Prinzip: die Inhalte klassischer Bildung zu einem äusserlichen, auf die vermeintlichen Bedürfnisse der Jugendlichen zugeschnittenen, halbwegs attraktiven Sammelsurien von Reizen, Zugängen, Anregungen und Aufhängern verkommen zu lassen. -> Korruption der Bildung durch ihre Aktualisierung und Medialisierung
anything goes, aber nichts wird begriffen…

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4
Q

Unbildung nach Liessmann

A
  • Bildung verschwindet; Wahrheitsgehalte (gem. Adorno) als letzte Referenz lösen sich auf…
  • Nicht Unwissenheit und Dummheit, sondern: das Programm der Aufklärung hat keine Rechtsgrundlage mehr.
  • Stattdessen: Skills und Kompetenzen (…) werden deklariert als BILDUNGSZIELE…
  • Statt mit dem „eigenen Kopf“ zu denken… Teamfähigkeit und VERNETZUNG;
  • Heute werden genau jene Ziele demonstrativ in Frage gestellt, die einst den klassischen Bildungsdiskurs motivierten: die Autonomie des Subjekts, die Souveränität des Individuums, die Mündigkeit des einzelnen.
  • Unbildung ist heute der Verzicht darauf, überhaupt verstehen zu wollen.
  • Was sich heute Bildung nennt orientiert sich nicht mehr an den Grenzen des Individuums, sondern an externen Faktoren wie Markt, Beschäftigungsfähigkeit (employability), Standortqualität und technologischer Entwicklung.
  • In einer sich rasch wandelnden Welt scheint Bildungslosigkeit, also der verzichte auf verbindliche geistliche Traditionen und klassische Bildungsgüter zu einer Tugend zu sein. Die es dem einzelnen ermöglicht, rasch flexibel und unbelastet von «Bildungsbalast» auf die sich ständig Ändernden Anforderungen der Märte zu reagieren.
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