2b. Text Osterwalder: Geschichte der Erziehung und Schule Flashcards
Zerstückelung bis ins 18. Jahrhundert
1. Schule denken, über Schule öffentlich sprechen – ein modernes Problem
Schule war immer noch Teil der kirchlichen Institution. Kirchen führen 2 verschiedene Schultypen:
- Schule mit dem Ziel den Anspruch von Kirche und Religion und kirchenkonformes Verhalten zu vermitteln; insbesondere Lesen (der Bibel), Schreiben war drittrangig.
- Kirchliche Schulen musste die Ausbildung der Theologen oder Priester sicherstellen.
Dominanz der kirchlichen Institutionen (Vermittlung religiösen Wissens und kirchenkonformen Verhaltens sowie Ausbildung von Priestern und Theologen).
Enge Verbindung der Kirche mit den politischen Herrschaftssystemen der jeweiligen Kantone (Begriffssystem der Schule ist theologisch, katholisch gedacht jenseitsorientiert, reformiert diesseitige Vollendung in der Welt). Sowohl in reformierten wie auch katholischen Schulen war das Bibellesen wichtig.
Ende der Konfessionskriege; was geschah in den Schulen?
1. Schule denken, über Schule öffentlich sprechen – ein modernes Problem
Gegen Ende der Konfessionskriege setzt in den reformierten Schulen eine Verweltlichung des Schulstoffs ein. Der Verlauf dieses Prozesses war nicht reibungslos, sondern schwerfällig und wurde in institutionellen Auseinandersetzung vollzogen.
- -> Wichtig: noch diskutieren nur Pfarrer
- -> Zeitgleich: die reformerische Aufklärung gegen die Erstarrung eines Ancien Regime aus Klerus und feudalen Besitzverhältnissen, die nur intern diskutieren. Ist die Kirche verantwortlich für die Schulen?
WASER-Büchlein (1769)
1. Schule denken, über Schule öffentlich sprechen – ein modernes Problem
Das WASER-Büchlein (1769): Orientierung der religiösen Sprüchlein am täglichen Leben (kaum biblische Texte) – Erste Vorschläge, in Lehrplänen neben religiöse auch weltliche Unterweisungen aufzunehmen.
- -> Wichtig: noch diskutieren nur Pfarrer
- -> Zeitgleich: die reformerische Aufklärung gegen die Erstarrung eines Ancien Regime aus Klerus und feudalen Besitzverhältnissen, die nur intern diskutieren. Ist die Kirche verantwortlich für die Schulen?
Aufklärung
1. Schule denken, über Schule öffentlich sprechen – ein modernes Problem
Die Verbreitung von Wissen als entscheidendes pädagogisches Mittel, die gesellschaftlichen Reformen durchzusetzen. Hans Caspar Hirzel «Die Wirtschaft eines philosophischen Bauern» zeigt eine vorbildliche Lebensführung in Familie, politischen Leben der Gemeinde und Kirche. Teilt das Wissen, wie ein besserer Mensch entstehen kann und dieses wissen selbst soll auch geteilt werden, um die Umgebung zu erziehen. Aus mehr Wissen… wird ein besserer Mensch… wird eine bessere Gesellschaft.
Entstehen der GESELLSCHAFTEN, mit dem Ziel Wissen auszutauschen, zu vermehren und zu verbreiten; Belehrende Zeitschriften, Evaluationen der Dörfer, frühe BEST PRACTISE.
Helvetische Gesellschaft
1. Schule denken, über Schule öffentlich sprechen – ein modernes Problem
Die „Helvetische Gesellschaft“ (1761/62) (eine Gesellschaft von Aufklärern aus allen deutschschweizerischen Regionen und Konfessionen), brachte Reformabsichten und pädagogische Vorschläge aus Gesellschaften mit.
Erziehung junger eidgenössischer Helden, die später den Staat führen sollen. Erziehung als Notwendigkeit – die Tugend der Bürger als Voraussetzung eines republikanischen Staatswesens. Tugend der Bürger was das Ziel der reformerischen Erziehung, die in der Helvetischen Gesellschaft angestrebt wurde. Sie entsteht im Menschen nicht von selbst aber ist Voraussetzung dafür, dass ein republikanisches Staatswesen funktionieren kann.
Conclusio zu 2 Strömungen: 1. Schule denken, über Schule öffentlich sprechen – ein modernes Problem
Conclusio: Zwei Strömungen, die einfliessen:
- Die theologische, die vor allem theologische Argumente benutzt und alle auf religiöse Problemstellung zuspitzt. Sie ist eindeutig auf eine feste Institution ausgerichtet. Diskussion finden abgeschirmt von der Öffentlichkeit statt.
- Die politische und gesellschaftliche, die Öffentlichkeit zum Prinzip macht (Alle sollen Allen zuhören und sich an der Diskussion beteiligen können). Bleibt unbestimmt und vage; es ist nicht klar, ob die bestehenden Landschulen abgeschafft, ersetzt oder reformiert werden.
Im 18. Jahrhundert gab es weitere öffentliche Auseinandersetzung über die Reform der Schule. Sie betraf die städtischen und meist nur höheren Schulen.
Zünfte und Kaufleute verlangten eine höhere Schulbildung, die nicht nur auf Theologenlaufbahn zugeschnitten war, sondern auch ihren beruflichen Interessen und kulturellen Bedürfnissen entsprechen
(Neue wurde English und Französisch gelernt und es entstanden auch neue Schulen, so z.B. technische Kunstschulen oder Schulen für Mädchen).
Bezug der Helvetischen Wende und Franz. Revolution
2. Die Helvetische Wende
Zunächst Irritation durch die Franz. Revolution (In Paris leidenschaftliche Auseinandersetzungen um ein neues Schulsystem). Stapfer erlebte das vor Ort. Diskussion: Schule soll allen Bürgern gleichermassen entsprechen, um sie an der Öffentlichkeit teilhaben zu lassen.
Stapfer; Allgemein
2. Die Helvetische Wende
Philipp Albert STAPFER: Rede an die bernischen Patrizier
Gesellschaft ist arbeitsteilig; Fortschritt und Freiheit funktionieren aber nur, wenn Schule auch auf den Gegensatz des arbeitsteiligen Wissens, auf die Universalität des Wissens ausgerichtet ist. Das ist das Spannungsverhältnis der Schule: Generalisten und Spezialistenwissen. Diese Spannung soll die Schule überbrücken, indem sie öffentlich ist und alles einsehbar und kritisierbar ist. -> Öffentlichkeit und Staatlichkeit müssen zusammengedacht werden.
Stapfer: Neuer Rahmen, um Schule zu denken
2. Die Helvetische Wende
Neuer Rahmen, um Schule zu denken entsteht:
● Schule als Einheit, in einem Zusammengang gesehen, statt wie vorher kirchlich ausgerichtete Landschulen und ständischer Schulen, die auf bestimmte Laufbahnen ausgerichtet sind = Zersplitterung.
● Spannungsfeld von Staat, dynamischer, arbeitsteiliger Gesellschaft und Rechtsgleichheit (Recht entwickelt sich und bedarf dauernder Kommunikation)
● Strukturwandel sich ständig wandelnder Öffentlichkeit, auf die Schule ausgerichtet sein muss
● Wissen als Voraussetzung aktiven und passiven Wahlrechts
Nach den Vorstellungen dieser Zeit sollte nur der Klügste gewählt werden, aber jeder könnte der Klügste sein, sofern die Schule allen gleichermassen den Weg zum Wissen eröffnet. Und ebenso kann jeder den Klügsten wählen, da jeder durch die Schule Klugheit verstehen kann.
Zusammenfassend: Ein grösserer Gegensatz zum Konzept der kirchlichen Schule ist kaum denkbar. Diese wurde gedacht von einer festen, unveränderlichen absoluten, unwandelbaren Grösse, Gott und seiner Offenbarung, aus. Jetzt wird zwar Schule zu einer institutionellen Einheit, aber auf eine Grösse, Wissen, Kenntnisse und Öffentlich ausgerichtet, die vollständig offen und wandelbar sein müssen.
Stapfer: Schulpyramide
2. Die Helvetische Wende
Das aktive und passive Wahlrecht kann von Bürgern nur wahrgenommen werden, wenn auch aller Zugang zum dafür notwendigen Wissen hätten.
Lösung der Schulfrage ist Grundvoraussetzung für das Überleben der Republik.
Vorschlag für eine Schulpyramide (1799), die Kenntnis und Wissen in Bezug auf Staat und Gesellschaft vermittelt:
1. Stufe: Gemeindeorientierte Bürgerschule als Bedingung für die Ausübung der Rechte; Aufstockung durch Real- und Industrieschulen (zukünftige Sekundarschulen)
Billig, für Arme gratis -> Bildung gleich für alle
2. Stufe: Das Gymnasium (in jedem Kantonshauptort ohne jegliche sozialen Vorrechte). Voraussetzung: Wissen der Bürgerschule.
3. Stufe: Die „Centralschule“ als Bildungsstätte für die Wissenschaft und Vermittlung der Kultur, da aus ihrem kommenden Staatslenker hervorgehen. Drei Landesteile/Kulturen werden „verschmolzen und gestapelt“
4. Stufe: «Centralinstitut». Der Forschungsausschuss (der die Gesellschaft mit neuem Wissen versorgt). Gebildet aus den besten Lehrern und der Forschung selbst soll sie dem Entstehen von neuem Wissen dienen.
Die Grundlage ist gelegt: das Wissen ist das zentrale Kriterium einer demokratischen, allgemeinen, obligatorischen und weitgehend kostenlosen Schule
Ein gezieltes Spannungsverhältnis zur sozialen Ungleichheit, Schule ist zuständig für die öffentliche Moral, religiöse Erziehung ist Privatangelegenheit.
Stapfers Aufwertung des Lehrerberufs
2. Die Helvetische Wende
WICHTIG: Stapfers Entwurf will Lehrer aufwerten und sie öffentlich auf hervorgehobenem Platz erscheinen lassen. Bis anhin war der Lehrer Zudiener der Pfarrer ohne Selbstständigkeit. Stapfer sieht auch finanzielle Besserstellung und wissenschaftliche Ausbildung der Lehrer vor.
Fragebogen an alle Lehrer zur Einleitung der grossen Reform (unter Ausschluss der Pfarrer). Schon damals tauchen institutionelle Kernprobleme wie zu lange Schulwege oder soziale Einflüsse auf.
Frage stellt sich, wer soll die Schule leiten? Nicht der Staat, sondern öffentliche Erziehungsräte (als besondere Institution) bestehend aus Wissenschaftler, Bürger verschd. Klassen und Berufe, Pfarrer und Regierungsbeamte. Sie sind kantonal und bürgernah.
Diese Ansätze überleben den Zusammenbruch der Helvetik und setzen im 19. Jahrhundert die Grundidee Stapfers fort.
Ansätze für die Lösung des Problems der mangelnden Ausbildung der Lehrer.
(3. Wissen - Wissen lernen - Wissen lehren)
Verschiedene Ansätze wurden diskutiert:
- Pestalozzi: Die Lehrer sollten nicht das Wissen lernen, sondern nur die Mechanik, die das Kind dazu führt -> kurze Ausbildung und billig.
- Girard: aufwendige Ausbildung ganz weniger Lehrer
- Steinmüller: Plan für eine Erziehungsanstalt für angehende Landschullehrer. Dieser Plan sah eine Ausbildung der Lehrer nicht nur in der Methode des Unterrichtens vor, sondern sie sollten auch den Gegenstand gründlich kennenlernen, die sie unterrichten würden. Steinmüller führte ein «Schullehrer-Institut» ein. Volkschullehrer müssen über ein breites Wissen verfügen und über spezifische Schulprobleme, Methoden und Didaktik unterrichtet werden.
- Pfyffer: ähnliche Richtung wie Steinmüller, zusätzlich sieht er neben der wissenschaftlichen Lehrerausbildung die Wichtigkeit einer regelmässigen und öffentlichen „Lehrerconferencen“.
Radikal-liberales Denkmuster in der Republik
4. Schule, Recht, Staat und Öffentlichkeit – der Durchbruch der modernen Schule
Durchsetzung der Idee eines einheitlichen, öffentlichen Schulsystems als Bedingung einer funktionierenden Demokratie in den Kantonen. Lösung der Staatsfrage war noch nicht ausgereift aber die Realisierung der Schulfrage war festgelegt und konnte in Angriff genommen werden und wurde weitgehend gleichförmig ausgestaltet. Die Volksschule musste auf einen demokratischen Staat ausgebaut werden.
Ignaz Troxler (1820)
4. Schule, Recht, Staat und Öffentlichkeit – der Durchbruch der modernen Schule
Für ihn sind nur Schule und demokratischer Staat, sondern Individuum und Gesellschaft sind aufeinander bezogen. Das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft wird bestimmt durch das Recht. Recht bedeutet für ihn nicht nur Gesetzt, sondern ebenso Öffentlichkeit. Durch den offenen Austausch von Wissen entsteht erst das Volk, auf dessen Souveränität ein demokratischer Staat aufgebaut werden kann.
Recht als Grundlage der Demokratie; Austausch von Wissen als Bedingungen von Rechtsetzung; Schule als Bedingung der Vermittlung von Wissen -> erst so entsteht das „Volk“; nur so entstehen immer neue Impulse, aus denen erst die nationale Einheit der Schweiz hervorgeht.
- Schule muss öffentlich und frei sein
- Gemeinsam alle Volksklassen erfassen (Volkssouveränität)
- In ihrem steten Fortschreiten nicht gehemmt werden (Schulentwicklung)
Was fordert Troxler und Orelli in der Helvetischen Gesellschaft?
(4. Schule, Recht, Staat und Öffentlichkeit – der Durchbruch der modernen Schule)
In der Helvetischen Gesellschaft fordert Troxler und Orelli, dass man nicht an altem festhält und dieses zu restaurieren versucht, sondern dass man mit dem Fortschritt der Industrialisierung mitgeht. Die Restauration verhindert das öffentliche und freie Leben des Volkes.
Das Konzept «Schule für die Öffentlichkeit» zeigt:
Schule ist von religiösen Zielsetzungen abgelöst, aber nicht antireligiös
Schule ist eine in sich geschlossene Institution aus verschiedenen Organisationen
Schule ist auf Öffentlichkeit ausgerichtet, soll «vernünftig und frei» machen.
Die Schule stellt sicher, dass der Staat nicht in die Hände einer wissenden Minderheit gerät, die die andern ausschliesst.