§16 Markenrecht Flashcards
Was steht im Mittelpunkt des Markenrechts und wie hebt es sich von den anderen IGR (Patent- und Urheberrecht)?
- Es geht um Kennzeichen
≠ Kennzeichen: Familien-; Firmen-; Domainnamen; etc.
UNTERSCHIED GENERELL
- Markenrecht weicht in vielen Punkten vom Patent/Immatrecht ab
- -> Markenrecht eigentlich weniger IGR als «Kennzeichenrecht»
- -> aber historisch Teil der IGR
UNTERSCHIEDE KONKRET
- Schutzvoraussetzungen: keine “qualitative Mindestanforderungen” im MSchG
o URG: Individualität, schöpferische Leistung Nicht jeder banale Text wird geschützt -> es braucht gew. Individualität;
o PatG: Erfindung, Neuheit
o Markenrecht: Wir können ohne weiteres jetzt gleich eine Marke schaffen; es braucht also keine Neuheit oder Individualität; sondern nur, dass man das Kennzeichen von anderen unterscheiden kann (minus Ausschlussgründe)
- Markenrecht = Registerrecht (Erwerb durch Eintragung)
- Schutzwirkung
o Der Inhaber der Marke kann nicht jede Verwendung verbieten (Urheberrecht), sondern nur die Verwendung eines ähnlichen Kennzeichen (z.B. NZZ-Logo)
o Der reine Name z.B. NZZ kann überall verwendet werden
Welche Arten von Kennzeichen gibt es und wie sind sie in etwa definiert?
- Marke = Kennzeichen für best. Waren oder Dienstleistungen
- Name oder Firma = Kennzeichen für Person oder Unternehmensträger
- Herkunftsangabe = Information über geographische Herkunft
- -> v.a. landwirtschaftlich wichtig; evtl. auch Finanzdienstleistungen
- Weitere, spezialgesetzlich nicht geschützte Kennzeichen (z.B. Domain-Name, Enseigne)
- -> Enseigne = bezeichnet best. Ort, bspw. St. Anna Haus in Zürich
Legaldefinition + Erfordernisse für Marke (3)?
MSchG 1 I: Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden
ERFORDERNISSE
1) Zeichenqualität
= es muss geeignet sein, um mit unseren Sinnen wahrzunehmen
2) Eignung als Individualisierungsmittel
= von anderen unterscheiden können
–> Z.B. QR- oder Strichcode ≠ geeignet, um meinen Code von einem anderen Code zu unterscheiden
3) graphische Darstellbarkeit (Art. 10 Abs. 1 MSchV)
= man kann nur Marken schützen, die sich grafisch darstellen lassen
-> Grund: Marke = Registerrecht; Marke muss daher so umschrieben werden können, dass Eintragung ins Register möglich ist (≠ Düfte)
Welche 9 Arten von Marken gibt es?
MSchG 1 II (nicht abschliessend):
- Wortmarken (inkl. Slogans) (z.B. Coca-Cola als Wort)
- Wortbildmarken (z.B. Coca-Cola-Zeichen)
- Marken bestehend aus Buchstaben oder Zahlen
- bildliche Darstellungen (z.B. Swisscom)
- dreidimensionale Formen
- akustische Marken
- Geruchsmarken,
- Farbmarken (z.B. “Stämpfli-Grün”),
- farblich gestaltete Bildmarken
3 + 2 Unterunktionen Funktionen der Marke?
1) Herkunfts- und Unterscheidungsfunktion (rechtlich geschützte Funktion)
- > Marke steht stellvertretend für andere Angaben, um das Angebot eines Herstellers zu individualisieren
1.1 Herkunftsfunktion
– Waren/Dienstleistungen stammen von einem bestimmten Unternehmen oder
– Waren oder Dienstleistungen wurden unter dessen Verantwortung hergestellt
≠ W/DL kommen von best. Ort oder best. Produktionsstätte
1.2 Unterscheidungsfunktion
– Individualisierung der eigenen Waren/Dienstleistungen
– Abgrenzung gegenüber Waren/Dienstleistungen Dritter
2) Werbe-bzw. Kommunikationsfunktion (wirtschaftliche Funktion)
– Kundenbindung durch Wiedererkennungseffekt
– inkl. community-building (z.B. Mammut ; Luxusmarken; Autos bauen ganze Kommunikationswelten gebaut und verbinden diese mit der Marke)
3) Qualitätsfunktion (wirtschaftliche Funktion)
= faktische Gewähr für gleichbleibende Qualität
= Wenn ich i’wo auf der Welt eine Cola kaufe, weiss ich ziemlich genau, was ich kriege; ich kriege auch eine gew. Sicherheit, welche Qualität es hat
≠ rechtliche Garantie für Qualität (offensichtlich)
Welche Voraussetzungen sind für den Markenschutz zu erfüllen, welche von denen werden v.A.w. geprüft und zu welchem Zeitpunkt ist deren Prüfung jeweils möglich? Wie unterscheidet sich dieses System von den IGR im Generellen?
IGR: “qualitative Mindestanforderungen” (Erfindung/Neuheit; geistige Schöpfung/Individualität)
vs.
KENNZEICHEN: KEINE AUSSCHLUSSGRÜNDE ausreichend
1) Absolute Ausschlussgründe (Art. 2 MSchG)
- > Wahrung allgemeinerhöherrangiger Interessen
- > Prüfung von Amtes wegen im Eintragungsverfahren
- > Nachträgliche Geltendmachung in Nichtigkeitsverfahren möglich
2) Relative Ausschlussgründe (Art. 3 MSchG)
-> Wahrung individueller Interessen (der Inhaber älterer Kennzeichen -> Verwechslungsgefahr)
-> Prüfung nur auf Antrag
–> Widerspruch gegen Eintragung (Widerspruchsverfahren beim IGE)
–> Nachträgliche Geltendmachung in Nichtigkeitsverfahren möglich
Welche absoluten Ausschlussgründe gibt es?
MSchG 2:
- lit. a: Zeichen des Gemeinguts
- lit. b: Schutzunfähige Waren- und Verpackungsformen
- lit. c: Irreführende Zeichen
- lit. d: Rechts-, sitten- und ordnungswidrige zeichen
Welche drei Kategorien von Zeichen des Gemeinguts unterscheidet man und aus welchen Gründen können diese Zeichen nicht monopolisiert werden?
KONKRET:
- Beschreibende Angaben,
- -> bspw. «Auto» für Autos
- Freizeichen
- -> Bedeutungswandel einer ursprünglich geschützten Markenbezeichnung zu allg. Wortschatz -> Verlust der Unterscheidungskraft aufgrund allg. Verbreitung
- -> bspw. Fön für Haartrockner
- elementare Zeichen
- -> bspw. einzelner Buchstabe, der nicht grafisch verändert ist
GRÜNDE
– Freihaltebedürftigkeit: im Interesse des Wettbewerbs dürfen wesentliche und unentbehrliche Zeichen nicht monopolisiert werden
– fehlende Unterscheidungskraft: Konsumenten nehmen Zeichen nicht als Marke wahr
Könnten folgende Begriffe geschützt werden:
1) NOVAPRIME?
2) MYPHOTOBOOK?
1) NOVAPRIME?
«Nova» ist eine potenzielle, wenn auch seltene Schreibweise vom ital. Nuova; Prime ebenfalls oft im englischen verwendet -> dieser Begriff stellt Gemeingut dar, weil die Begriffe doch nicht frei erfunden, selbst wenn so in keinem Duden; Novaprime ist eher beschreibend i.S.v. «Neuheit und Prime»
2) MYPHOTOBOOK
So ähnlich
Was ist für den quasi umgekehrten Fall nötig, dass ein Zeichen, das an sich so unspezifisch ist, dass es ggf. als Gemeingut betrachtet werden könnte, eintragungsfähig wird (2 + 3 Präzisierungen)? Bsp.?
1) Vorgang: intensiver, kennzeichenmässiger Gebrauch durch Zeicheninhaber
2) Voraussetzung für Schutz: Grossteil der relevanten Verkehrskreise versteht Zeichen als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen
- > ≈ 60–70% (ca. zwei Drittel), ev. auch weniger
- > IGE und h.L. verlangt mind. 50%
- > Beweis: demoskopisches Gutachten
BEISPIELE
- Migros M: das orange M ist ein Brand; nicht einfach ein oranges M
- > M eigentlich nur ein nicht sonderlich veränderter Buchstabe; aber qua Verkehrsdurchsetzung wissen alle, oranges M = Migros
- Apple so ähnlich: wird vom Durchschnittsabnehmer als Hinweis auf ein Unternehmen und nicht auf die Frucht verstanden
Welche zwei Fallgruppen (+ 2 Definitionen + 3 + 1 Abgrenzung)Präzisierungen) von nicht schutzfähigen Waren- und Verpackungsformen gibt es (MSchG 2 lit. b)?
1) Formen, die WESEN der Ware ausmachen
= Funktional und/oder ästhetisch notwendige Formen, die ohne Veränderung der spezifischen Eigenschaften der Ware selbst nicht verändert werden können
2) Technisch notwendige Formen von WARE ODER VERPACKUNG
= Keine technische Alternative zur Erfüllung der gleichen Aufgabe
–> es reicht, wenn alternative Formen möglich, aber viel teurer in Herstellung (z.B. Tetra-Pak)
- > Abgrenzungen:
- -> Technisch bedingte Formen
- —> keine Eintragung (da normalerweise keine Unterscheidung möglich, weil Form durch Verwendungszweck bestimmt)
- —> AUSSER Unterscheidungskraft muss nachgewiesen werden
–> Technisch nützliche Formen
—-> = Gäbig, ohne dass diese Form notwendig ist
—-> Z.B. Lego: Noppen sind bes. geeignete Art, aber nicht die andere Form. ABER: BGer meinte wegen Technik und dass Unterscheidungskraft nicht genügend nachgewiesen werden konnte
-> überzeugt gem. THOUVENIN nicht -> wettbewerbliche, nicht unbedingt technische
-> Verkehrsdurchsetzung möglich
Ist die Verkehrsdurchsetzung für Waren- und Verpackungsformen i.S.v. MSchG 2 lit. b möglich?
Nein
-> hier besteht ein Freizeichenbedürfnis
Ist die Form einer Mineralwasserflasche schutzfähig? Weshalb ja/nein?
- Schon wegen lit. a, Gemeingut
- Aber auch durch lit. b, weil es auch Dritten zugänglich sein muss (Harassen sind standardisiert)
Worüber darf gem. MSchG 2 lit. c ein Kennzeichen nicht irreführen; was ist nötig; und 2 Bsp.?
- Über Herkunft, sachliche Eigenschaften oder geschäftliche Verhältnisse des Anbieters
- Objektives Vorhandensein einer reellen Täuschungsgefahr
BEISPIELE
- “Alpina” für japanische Uhren (BGE 112 II 266)
- -> gem BGer meint man dann, dass die Uhr aus dem Alpenraum stammt
- Pirates of the Carribean
- -> wurde zurückgewiesen, weil man angeblich leicht denken würde, das Filmstudio stamme aus der Karibik
Was ist rechts-, was sitten- und was ordnungswidrig i.S.v. MSchG 2 lit. d?
- Rechtswidrig = spezialgesetzliche Grundlage, insb. Wappenschutzgesetz
- -> z.B. CH-Flagge kann nicht als Marke eingetragen werden
- Sittenwidrig = Verstoss gegen herrschende Moral und/oder allgemeines Anstandsgefühl (BGE 136 III 474 -Madonna)
- -> Madonna = «Mutter Gottes» in italienisch ≠ Marke
- Ordnungswidrig = Gesamtrechtsordnung immanente Wertungs- und Ordnungsprinzipien, etwa bei diplomatischen Bedenken, bspw. “Antigerman” für Desinfektionsmittel
Welche relativen Ausschlussgründe für den Markenschutz gibt es? Welche Voraussetzungen sind daraus abgeleitet zu erfüllen?
MSchG 3 I
- lit. a: Doppelidentität
= Zeichenidentität mit älterer Marke für gleiche W oder DL
- lit. b: Verwechslungsgefahr
- -> aufgrund Zeichenidentität mit älterer Marke für “gleichartige” W oder DL
- lit. c: Verwechslungsgefahr
- -> aufgrund Zeichenähnlichkeit mit älterer Marke für “gleichartige” W oder DL
VORAUSSETZUNGEN
1) Ältere Marke
2) Zeichenähnlichkeit
3) Gleichartigkeit der Waren und Dienstleistungen (DL)
Was gilt als “ältere Marke” (2 Möglichkeiten)?
- Regelfall: Hinterlegte oder eingetragene Marke
* Ausnahmefall: Notorisch bekannte Marke
Nach welchen Regeln ist zu entscheiden, welche Marke als zuerst hinterlegt oder eingetragen gilt?
– Hinterlegungspriorität (Art. 6 MSchG)
= Frühere Hinterlegung der Marke in Schweiz
–> Frühere Hinterlegung begründet Recht an der Marke (kein «Recht auf die Marke»)
– Priorität nach PVÜ (Art. 7 MSchG)
= Frühere Hinterlegung in Verbandsstaat der Pariser Verbandsübereinkunft PVÜ
–> Beanspruchung der Priorität bei Hinterlegung in Schweiz
–> Prioritätsfrist: 6 Monate (ab Eintragung z.B. in Deutschland); Markenschutz gilt dann rückwirkend
– Ausstellungspriorität (Art. 8 MSchG)
= Mit Marke gekennzeichnete Waren oder DL wurden auf offizieller oder offiziell anerkannter Ausstellung präsentiert
–> Prioritätsfrist: 6 Monate
Welches Prinzip durchbricht die notorisch bekannte Marke?
Durchbrechung Eintragungsprinzip
-> daher restriktive Handhabung
Welche Kriterien, damit eine Marke als notorisch bekannt und damit als ältere Marke gilt?
Kriterien für Notorietät
1) Hoher Bekanntheitsgrad (>50 %) bei relevanten Verkehrsteilnehmern (in CH)
2) geographische Ausdehnung
3) Nutzungsdauer/Nutzungsintensität
4) sichere, dauerhafte Kenntnis der Verkehrskreise
Kann auch der Inländer, der sich auf die notorische Bekanntheit seiner Marke berufen kann, aber die Eintragung unterlassen hat, das Eintragungsprinzip durchbrechen?
Umstritten; das BVGer verlangt dafür einen “internationalen SV”
Was ist der Unterschied bzw. die Gemeinsamkeiten von Kriterien + Rechtsfolgen der Verkehrsdurchsetzung und der notorisch bekannten Marke?
Gleiche Kriterien:
- Bekanntheit in der ganzen Schweiz
- Bekanntheit in relevanten Verkehrskreisen
- Unterscheidungskraft: feste Prozentzahlen teilw. abgelehnt; wenn nicht, meist > 50%
Rechtsfolgen:
- Verkehrsdurchsetzung: Schutz durch Eintragung
- Notorisch bekannte Marke: Schutz wie wenn eingetragen
Was ist ausschlaggebend für Verwechslungsgefahr i.S.v. MSchG 3 I lit. b und c (3 + 1 Implikation)?
Kombination von
1) Zeichenähnlichkeit UND
2) Waren- bzw. DL-Gleichartigkeit
aus der
3) Optik der angesprochenen Verkehrskreise
o Bei marken des täglichen Gebrauchs: Leute prüfen Marken mit geringer Aufmerksamkeit -> man unterliegt eher Risiko der Verwechslungsgefahr (Thouvenin: str.)
o Anders bei Arzneimitteln z.B.: schon geringere Unterschiede bei Marken genügen, um Verwechslungsgefahr zu verneinen