Verwaltungsvorschriften II Flashcards
Bindungswirkung innerhalb der Verwaltung – nachgeordnete Stellen
- grundsätzlich bei mehrstufiger Verwaltungsorganisation: administrativer „Instanzenzug“
- oft ausdrücklich vorgesehen in Aufsichtsverhältnissen
- > wichtigster Fall: Bindung der Länder nach Art. 84 II, 85 II 1 GG an Allgemeine Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung
Bindungswirkung innerhalb der Verwaltung – Bedienstete
- abhängig vom Dienstrecht des Bediensteten als
a) Arbeitnehmer: Arbeitsvertrag §§ 315, 611 BGB
b) Beamter: § 35 BeamtStG Weisungsgebundenheit
c) Soldat: § 11 SG Gehorsam
P: Muss ein Beamter eine gesetzeswidrige VV befolgen?
einerseits: Weisungsgebundenheit des Beamten
• § 35 BeamtStG, § 62 BBG
andererseits: volle persönliche Verantwortung des Beamten für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns
• § 36 BeamtStG, § 63 BBG
-> Lösung durch Prozeduralisierung: „Remonstration“ (Gegenvorstellung)
- Vorgesetzte müssen befasst werden: „Gegenvorstellung“
- Regel: falls VV aufrechterhalten wird, Fortbestehen der Befolgungspflicht, aber Entlastung des Beamten
- (Rück-)Ausnahme: in Fällen krasser RW (Menschenwürdewidrigkeit, evidente Strafbarkeit o. Ordnungswidrigkeit) Verbot, die Weisung zu befolgen
- Modifikation im Soldatenrecht, vgl. § 11 I und II SG
P: Bindungwirkung von VV für Private: gesetzliche Ermächtigungen zu administrativer Normsetzung gegenüber Privaten, die keiner anderen Handlungsform zuzuordnen sind (RVO, Satzung oder Allgemeinverfügung [VA])? (BSP Hausordnung einer Justizvollzugsanstalt, § 15 JVollzGB BW)
unterscheide: unmittelbare Bindungswirkung zulasten vs. mittelbare Bindungswirkung zugunsten des Privaten
- letzteres ist Frage von Art. 3 I GG („Selbstbindung der Verwaltung“)
Bindungswirkungen für Gerichte?
Die Rechtsprechung ist gebunden an Gesetz und Recht, Art. 20 Abs. 3 GG
-> Folgeproblem: Sind VV “Recht” in diesem Sinne?
- im rechtstheoretischen Sinne: heute ohne Zweifel (+)
- im positivrechtlichen Sinne: nicht ohne weiteres!
- Aber: keine Frage des (fehlenden) Rechtscharakters, sondern des Adressatenkreises (Relativität des Rechtsverhältnisses!)
=> Es kommt auf das für den zu entscheidenden Fall (d.h. in der streitbefangenen Rechtsbeziehung) geltende materielle Recht an!
Selbstbindung der Verwaltung nach Art. 3 I GG - Voraussetzung
(1) Vorliegen einer Ungleichbehandlung
- VV als „Indiz“ für Verwaltungspraxis – man nimmt an, dass die Amtsträger/innen nach VV entscheiden
- beim ersten Fall: „antizipierte Verwaltungspraxis“?
(2) keine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
- sachlicher Grund für eine Änderung der Verwaltungspraxis?
(3) Gesetzmäßigkeit der Praxis
- „keine Gleichheit im Unrecht“, „kein Anspruch auf Fehlerwiederholung“
Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften
- Soweit VVen unbestimmte Rechtsbegriffe ohne Beurteilungsspielraum konkretisieren („Auslegungsrichtlinien“/„norminterpretierende VV“):
- > volle gerichtliche Überprüfbarkeit,
- > aber ggf. als „antizipierte Sachverständigengutachten“ zu qualifizieren (d.h. keine strenge Bindung für VG, Frage der Beweiswürdigung)
- Soweit VVen unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum konkretisieren („normkonkretisierende VV“):
- > (insoweit) keine gerichtliche Überprüfbarkeit,
- > sofern die Grenzen des Beurteilungsspielraumes eingehalten werden (d.h. sofern keine Ermessens- oder Abwägungsfehler vorliegen)
Problem: Können unionsrechtliche Richtlinien im mitgliedstaatlichen Recht auch mittels Verwaltungsvorschriften umgesetzt werden?
- EuGH: grds. nein – da nicht sichergestellt, dass „die Begünstigten in der Lage sind, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen“ (arg. e Diskriminierungsverbot und Effektivitätsgebot)
- > d.h.: Freiheit der Wahl von Form und Mittel der Zielerreichung nur im Rahmen von Diskriminierungsverbot und Effektivitätsgebot („effet utile“)
- > grds. bieten somit nur gesetzliche oder gesetzesähnliche Rechtspositionen dem Einzelnen effektiven Rechtsschutz
- > Konsequenz des Gesetzgebers: neue VO-Ermächtigung zur „Erfüllung von bindenden Beschlüssen“ der EU (§ 48a BImSchG)