Maßstäbe des Verwaltungshandelns Flashcards

1
Q

Gesetzesbindung der Verwaltung

A
  1. wegen Art. 20 Abs. 3 GG wichtigster Maßstab des Verwaltungshandelns: Rechtmäßigkeit (Legalitätsprinzip)
  2. zentrale verfassungsrechtliche Maßstäbe/Maßstabsmittler:
    - Vorrang des Gesetzes
    - Vorbehalt des Gesetzes
  3. Ausfluss der beiden verfassungsrechtlichen Grundprinzipien:
    - Gesetz als unverzichtbares Medium der Vermittlung demokratischer Legitimation
    - Gesetz als unverzichtbares Medium rechtsstaatlicher Vorhersehbarkeit und Klarheit, Distanz und Allgemeinheit, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit
  4. Gesetz
    - als Schranke des Verwaltungshandelns
    - als Auftrag des Verwaltungshandelns
    - als Ermächtigung der Verwaltung
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2
Q

Verrechtlichung außerrechtlicher Maßstäbe

A
  • Recht als spezifisches soziales Steuerungsmedium zur Durchsetzung/Imple-mentierung „außerrechtlicher“ Maßstäbe/Wertsetzungen
  • vielfach spezialgesetzlich verrechtlicht, d.h. zu Bedingungen der Recht-mäßigkeit - kurz: zu Recht - erhoben (durch Verweisungs-/Rezeptions-begriffe), damit Recht(mäßigkeit)smaßstab
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3
Q

Gesetzesabhängigkeit & Eigenständigkeit der Verwaltung

A

Gesetzesbindung bedeutet nicht, dass
- das Verwaltungshandeln zur Gänze („zu 100 %“) durch das Gesetz bestimmt und die Gesetzesanwendung ein rein logisch-deduktiver Akt wäre (subsumtions-positivistischer Irrtum)
- die Verwaltung keinerlei Selbständigkeit im Prozess der Rechtskonkretisierung und -individualisierung besäße
- Entscheidungsfreiräume der Verwaltung („Ermessen“) die seltene Ausnahme darstellten

Steuerung der Verwaltung durch das Gesetz
- ist in praxi niemals eine Vollsteuerung, sondern lässt der Verwaltung stets einen mehr oder minder großen Entscheidungsfreiraum
- ist nicht die einzige Form Steuerung der Verwaltung durch Recht (s.a. Verfassung, RVO, Unionsrecht u.ä.), wenn auch eine ganz herausgehobene
- vollzieht sich in einem gestuft-arbeitsteiligen Prozess, der auf jeder Stufe mit der Kombination von Fremd- und Eigensteuerung (Fremd- und Eigenprogrammierung) arbeitet

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4
Q

Fremd- und Eigenprogrammierung

A
  • auf allen Ebenen der Rechtserzeugung finden sich immer beide: Fremd- und Eigenprogrammierungsanteile („doppeltes Rechtsantlitz“)

    -> der Unterschied zwischen den Ebenen (Verfassungsgesetzgeber, Gesetz-geber, Regierung, Verwaltung usf.) und den korrespondierenden Rechts-quellen (Verfassung, Gesetz, RVO, VA usf.)
  • besteht nicht im Ob von Fremdprogrammierung oder Eigenprogrammierung und auch nicht im Ob der Kombination (keine qualitative Frage)
  • sondern im Wie der Kombination (quantitative Frage):
    • Faustformel: Je „politischer“, je stärker staatsleitend, je allgemeiner die Staatsgewalt, desto geringere Fremdprogrammierung und desto größere Eigenprogrammierung
    • umgekehrt: Je stärker der Vollzugscharakter hervor- und der politische Charakter zurücktritt, desto höherer Fremdprogrammierungs- und desto geringerer Eigenprogrammierungsanteil
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5
Q

herrschende Lehre zu administrativen Entscheidungsfreiräumen

A
  • administrative Entscheidungsfreiräume = Verwaltungshandeln jenseits/ außerhalb der Rechts-(Verfassungs-, Gesetzes- etc.)Bindung
  • zentrale Bausteine:
    1. Tatbestand (“wenn”)
    -> mit Beurteilungsspielraum
    -> ohne Beurteilungsspielraum (“gebundene Verwaltung”)
    2. Rechtsfolge (“dann”): Ermessensspielraum
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6
Q

Zentrale Thesen der herrschenden Lehre zu administrativen Entscheidungsfreiräumen

A

- Gebundene Verwaltung und Ermessensverwaltung stellen kategorial unterschiedliche Modalitäten des Verwaltungshandeln dar

- Bei „gebundener Verwaltung“ (Regelfall) sind die Rechtsanwendung der Verwaltung und jene des Verwaltungsgerichts strukturell gleich. Dem Gericht steht die verbindliche (Letzt-)Entscheidung zu

- Beurteilungsspielraum und Ermessen(sspielraum) sind zu trennen. Der Beurteilungsspielraum stellt einen (seltenen) Unterfall des unbestimmten Rechtsbegriffes dar

- Bei „Lockerungen der Gesetzesbindung“ durch Einräumung eines Ermessensspielraums oder eines Beurteilungsspielraumes (Ausnahme) ist auch die verwaltungsgerichtliche Kontrolle gelockert (Kehrseitentheorie)

- Im Umfang der Lockerung von gesetzlicher Bindung und gerichtlicher Kontrolle steht der Verwaltung das Letztentscheidungsrecht zu

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7
Q

Einräumung von Ermessen

A
  • Kraft Gesetzes (muss nicht Parlamentsgesetz sein; Frage des VdG)
  • i.d.R. am Wortlaut der EGL zu erkennen:
    • positive Indizien: „kann“, „darf“, „ist befugt“, „hat das Recht“, „nach pflichtgemäßem Ermessen“
    • negative Indizien: „muss“, „darf nicht (versagt werden, wenn)“, „ist verpflichtet“, „hat zu tun“, „ist zu erteilen“
    • „soll“: i.d.R. sog. „intendiertes Ermessen“
    • Wortlaut aber nur widerlegliches Indiz (Vorsicht mit Kompetenz-„kann“!)
    • Wortlaut auch kein notwendiges Indiz, auch sonstige Auslegungsindizien sind heranzuziehen
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8
Q

Ermessensfehler

A
  • Ermessensüberschreitung:
  • > Verwaltung wählt RF aus, die nicht zu den gesetzlich zugelassenen zählt
  • > Wahl unzulässiger RF
  • Ermessensunterschreitung:
  • > Verwaltung verkennt, dass ihr Ermessen eingeräumt ist & stellt keine entsprechenden Überlegungen an
  • > keine RF-Wahl
  • Ermessensmissbrauch:
    -> Verwaltung wählt zwar zulässige RF, aber mit Erwägungen, die nicht dem Zweck der Ermes-senseinräumung entsprechen
    -> unzulässige Begründung der RF-Wahl
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9
Q

Gesetzesbindung und richterliche Kontrolle der Verwaltung

A

Rolle der Rechtsprechung:

- Überwachung der administrativen Gesetzesbindung, d.h. der Rechtmäßigkeit administrativen Handelns auf Klage hin
- D.h. an sich (soweit gesetzlich nichts Abweichendes geregelt!):
(1) Kontrolle der Beachtung der Gesetzesbindung (Rechtmäßigkeit) zu 100 % (Fremdprogrammierung!)
(2) aber auch nicht mehr, insb. nicht Kontrolle der Zweckmäßigkeit, d.h. nicht Kontrolle des Verwaltungshandelns unter jedem rechtmäßigkeits-übersteigenden (insoweit „zu 100 %“) Aspekt (Selbstprogrammierung!)

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10
Q

Doppelwertigkeit der administrativen Gesetzesbindung:

A

- gegenüber dem Gesetzgeber
-> KONKRETISIERUNGS-KOMPETENZ = keine 100 %ige Programmierung durch Gesetz (“Ermessen 1”)

  • gegenüber dem (Verwaltungs-)Gericht
    -> LETZTKONKRETISIERUNGS-KOMPETENZ
    = Befugnis, den gesetzlichen Konkretisierungsfreiraum autoritativ auszufüllen (“Ermessen 2”)
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11
Q

Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Ermessensausübung

A
  • Ermächtigungsgrundlage: Zutreffende Erfassung durch Auslegung?
  • Tatsachen: Zutreffende Erfassung des Sachverhalts?
  • Verfahren: Einhaltung der Verfahrensschritte (rechtliches Gehör usf.)?
  • Auswahl der Rechtsfolge: Hat überhaupt Rechtsfolgen-Auswahl stattgefunden? Zulässige Rechtsfolge ausgewählt?
  • Begründung der Auswahlentscheidung: Mit zulässigen Erwägungen?
  • insb.: Zweckdirigierung durch Verfassungsrecht
    • Grds. der Verhältnismäßigkeit
    • Gleichheitsgrundsatz
    • sonstige grundrechtliche Wertsetzungen
  • zunehmend wichtiger: Zwecksetzungen kraft EU-Rechts
    • Diskriminierungsverbot(e)
    • effet utile
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12
Q

„Ermessensreduzierung auf Null“

A
  • Soweit ausnahmsweise jede andere „Ermessens“-Entscheidung fehlerhaft wäre, liegt eine sog. Ermessensschrumpfung/-reduzierung auf Null vor.
  • Aus Sicht der handelnden Verwaltung liegt in concreto kein Ermessen vor: es handelt sich um eine „gebundene“ Entscheidung.
  • Der Anspruch auf fehlerfreie Entscheidung ( Bescheidungsurteil) verdichtet sich zu einem Anspruch auf die einzig fehlerfreie Entscheidung ( Vornahmeurteil).
  • insb. induziert durch
    -> Freiheitsgrundrechte
    -> Gleichheitssatz (insbes. sog. Selbstbindung der Verwaltung gem. Art. 3 I GG)
    -> EU-Recht (Diskriminierungsverbote & effet utile)
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