Verwaltungsakt I - Begriff, Funktion, Typen Flashcards
Verwaltungsakt nach Otto Mayer
“ein der Verwaltung zugehöriger obrigkeitlicher Ausspruch, der den Untertanen ggü im Einzelfall bestimmt, was für ihn rechtens sein soll”
heute: s. § 35 S. 1 VwVfG
Beginn und Ende der Wirksamkeit des VA
- Wirksamkeit mit Bekanntgabe (§ 43 I, 41 VwVfG - Rechtmäßigkeit ist keine Voraussetzung!)
- Ende der Wirksamkeit mit:
1. Erledigung: Zeitablauf oder sonstiger Erledigungsgrund
2. Aufhebung (§ 43 II VwVfG): Rücknahme (Aufhebung eines rechtswidrigen VA); Widerruf (Aufhebung eines rechtmäßigen VA); Wiederaufnahmegrund; Widerspruchsbescheid; VG-Urteiö
Regelung (s. § 35 S. 1 VwVfG)*
* Georg Jellinek: Alle Definitionen müssen einen polemischen Charakter haben. (gemeint: ausgrenzender Charakter - inkludiert vs. exkludiert)
- inkludiert:
- auf Setzung einer Rechtsfolge gerichtet
- Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung von Rechten oder Pflichten
- Einseitige (Str.) rechtsverbindliche Gestaltung eines Lebens-SV
- exkludiert:
- Realakte (Verwaltungsrechtsakte vs. Verwaltungsrealakte) (Aufstellen von Verkehrsschildern: Verkörpert Ge/Verbot, ist jedoch selbst kein VA)
- Insbes. unverbindliche (Rechts-) auskünfte
- Vorbereitende und unselbstständige Teilakte (nicht aber: Teilgenehmigungen, Vorbescheide)
- Willenserklärungen iRe verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses (str.!)
Hoheitlich (s. § 35 S. 1 VwVfG)
- inkludiert:
- auf dem Gebiet des ÖR (in praxi irrelevant)
- Einseitigkeit ÖRlichen Handelns (str.)
- exkludiert:
- Privatrechtsakte
- auch Akte verwaltungsprivatrechtlicher Natur (Bsp. städt. Abfallversorgungsunternehmen: GmbH, aber zu 100% im Eigentum der Stadt)
- verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse (insbes. Verwaltungsverträge)
- Strafrechtsakte wohl erst mangels Behördencharakters ausscheiden
Einzelfall (s. § 35 S. 1 VwVfG)
- inkludiert:
- konkrete Regelungen
- nicht notwendig auch individuelle Regelungen (s. Allgemeinverfügungen, § 35 S. 2 - str. Abgrenzung konkret vs. individuell)
- auch Dauerverwaltungsakte
- exkludiert:
- abstrakte Regelungen, wie RVO, Satzung
- Abgrenzungsprobleme bei abstrakt–konkret
- Einordnungsprobleme: Pläne, Verkehrszeichen, Allgemeinverbindlichkeitserklärung
[Verwaltungsakte sind Verwaltungsrechtsakte und somit konkret-individuelle Normen - problematisch, da historische Sicht: Normen sind nur Gesetze]
Einzelfall II
- Regelungsgegenstand:
- abstrakt vs. konkret
- muss stets konkret sein (nach Ort, Zeit, Umständen bestimmten Einzelfall betreffend)
- Regelungsadressat:
- generell vs. individuell
- authentisch interpretiert (“gelockert”) durch § 35 S. 2 1. Alt. VwVfG für adressatenbezogene Allgemeinheitsverfügungen: i.E. reicht Konkretheit
Indizien für/gegen eine Einzelfallregelung
Pro:
- nach Zeit, Akteuren und Ort bestimmter SV
- Einmaligkeit des Lebenssachverhalts
- betrifft das Rechtsverhältnis zu einer bestimmten Sache (s. Widmung - Indizstellung einer Sache für öffentlich Belange
- Individualbekanntgabe
Contra:
- Erlass durch Legislativorgan im Gesetzgebungsverfahren
- Publikation im Gesetzesblatt (Ausnahme: 31 II BVerfGG: Tenor von Entscheidungen in Normenkontrollverfahren wird im Gesetzblatt publiziert - Sinn: diese haben Gesetzeskraft)
Bedeutung der Abgrenzung VA und “Rechtsnorm”
- unterschiedliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen
- Anforderung an EGL
- Zuständigkeit
- Verfahren
- unterschiedliche Rechtswidrigkeitsfolgen
- Nichtigkeitsdogma bei Rechtsnormen
- nur bei VA: §§ 43 ff. VwVfG
- unterschiedlicher Rechtsschutz
- Anfechtungs-/Verpflichtungsklage (§ 113 I und V VwGO) vs. Normenkontrolle (§ 47 VwGO)
- unterschiedliches Vollstreckungsregime
- Bestandskraftfähigkeit (nur) des VA
Behörde (s. § 35 S. 1 VwVfG)
- inkludiert:
- jede Stelle, die Aufgaben der öffVerw wahrnehmt, § 1 IV VwVfG
- Verwaltung im funktionellen Sinne
- dh auch Einrichtungen, die nicht zur Verwaltung im institutionellen/organisatorischen Sinne gehören (zB Gerichtsverwaltungen; Beliehene: setzt Gesetz voraus)
- exkludiert:
- Aufgaben der Legislative, der Gubernative, der Judikative
- Aufgaben der Strafverfolgung
- mangels Behördencharakter: Nicht-VA ist kein nichtiger VA!
Außenwirkung (s. § 35 S. 1 VwVfG)
- inkludiert:
- dazu bestimmt, rechtliche Außenwirkung zu erzielen
- Außenrecht
- typisch: Staat-Bürger-Beziehung
- aber auch Rechtsbeziehungen innerhalb des Staates, soweit Adressat im Verhältnis zur Behörde Träger eigener Rechte ist
- Frage der Rechtsbeziehung - außen = Berührung eines fremden Rechtskreises durch die regelnde Behörde
- exkludiert:
- Innenrecht
- zB innendienstliche Weisungen
- Abgrenzung von Grund- und Betriebsverhältnis bei Beamten (Versetzung vs. Umsetzung als Bsp)
*
Unterscheidung: Zurechnungsendsubjektivität vs. transitorische Wahrnehmungszuständigkeit
Walter des nicht-rechtsfähigen Organs (zB Behörde) nimmt Aufagen/Pflichten des dahinterstehenden Pflichtenadressaten/rechtsfähigen Organs (zB Gemeinde) wahr (transitorische Wahrnehmung) - Zurechnungsendsubjektivität betrifft rechtsfähiges Organ
Relativität der Rechtsfähigkeit
- stets in Bezug auf das konkrete Verhältnis zu bestimmen
- niemals eine absolute und insoweit volle (Problematik der kategorialen Unterscheidung von Voll und Teilrechtsfähigkeit), sondern stets eine relative (rechtsbeziehungsgebundene)
Regelungswirkungen des VA
- Wirksamkeit: rechtliche/normative Existenz (Geltung: Zugehörigkeit zu einer Rechtsordnung)
- Bindungswirkung
- Abweichungsverbot
- Rechtsgrund für den Regelungsinhalt (Rechtsgrund zum Handeln)* - Bestandskraft
- (relative/absolute) Unaufhebbarkeit
- Unanfechtbarkeit
- Voraussetzung für Vollstreckung
- Asymmetrie (Carl Schmitt): Staat darf nur das, was ihm erlaubt ist vs. Bürger darf alles, was ihm nicht verboten ist
Funktionen des VA
- Konkretisierungs- und Individualisierungsfunktion: Verbindliche Festlegung der Rechtslage im Einzelfall
- Verfahrensabschlussfunktion:
Richt- und Endpunkt des Verwverfahrens § 9 VwVfG - Vollstreckungsfunktion:
Grundlage der Verwaltungsvollstreckung § 6 I VwVfG - Rechtsschutfunktion:
- besonderes Rechtsschutzregime (aber nicht mehr rechtsschutzbegründend)
- Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sind Gestaltungsklagen; verändern also die materielle Rechtslage
- für Verwaltungsverfahren: Beteiligungsfunktion, § 28 VwVfG (rechtliches Gehör) - Rechtssicherheits- und Stabilisierungsfunktion:
- Fehlerlehre: auch bei Rechtswidrigkeit grds rechtswirksam, dann allerdings anfechtbar (fristgebunden) (vgl §§ 43 ff. VwVfG)
- Bestandskraft
- Entkoppelung von Rechtswirksamkeit und Rechtmäßigkeit
Das doppelte Antlitz des VA
- Gesetz: Rechtsetzung
- VA: Rechtsvollziehung
Aber: - Rechtsetzung und Rechtsvollziehung auf allen Stufen (von Verfassung bis Vollstreckungsrealakt)