Amtshaftung Flashcards
Herkommen, Wesen und Struktur der Amtshaftung
- übergeleitete, derivative Haftung des Staates: Überleitung der Haftung des Amtsträgers auf Staat
- historisch gewachsene Staatshaftung
(1) Ausgangspunkt im 19. Jhdt.: keine Haftung des Staates/des Monarchen
• „The king can do no wrong.“
• Mandatstheorie: Mandat des Beamten nur für rechtsmäßiges Handeln
(2) § 839 BGB idFV. 1.1.1900: sonderprivatrechtliche Haftung des Beamten
(3) nach und nach (Länder & Reich je für ihren Bereich): Überleitung der Beamtenhaftung auf den Staat
(4) unter WRV: „Art. 131. (1) Verletzt ein Beamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienste der Beamte steht. Der Rückgriff gegen den Beamten bleibt vorbehalten. Der ordentliche Rechtsweg darf nicht ausgeschlossen werden.
—(2) Die nähere Regelung liegt der zuständigen Gesetzgebung ob.“
(5) unter GG: Art. 34
Art. 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG
- einheitliche Anspruchsgrundlage:
-> § 839 BGB für sich begründete nur eine Beamtenhaftung, keine Staatshaftung
-> Art. 34 GG: keine vollständige Anspruchsgrundlage (str.)
- konkurrierende Deutungen:
-> § 839 BGB als anspruchsbegründende, Art. 34 GG als anspruchs-verlagernde Rechtsgrundlage
-> Art. 34 GG als (Ausgangs-)Anspruchsgrundlage, § 839 BGB als Konkretisierung von Art. 34 GG
Haftungsvoraussetzungen 1
- Beamter im haftungsrechtlichen Sinne, Art. 34,1 GG, § 839 I 1 BGB
- In Ausübung eines öffentlichen Amtes, Art. 34,1 GG
- Verletzung einer Amtspflicht, § 839 I 1 BGB, Art. 34, 1 GG
- Drittgerichtete Amtspflicht, § 839 I 1 BGB, Art. 34, 1 GG
- Verschulden, § 839 I 1 BGB
- Kausalität, § 839 I 1 BGB
- Haftungsbeschränkungen, § 839 I 2, II, III, § 254
- Anspruchsgegner: anvertrauender staatlicher Rechtsträger, Art. 34, 1 GG
- Haftungsumfang: Schadensersatz, § 839 I 1, §§ 249 ff. BGB
Haftungsvoraussetzungen: Beamter
iRv Art. 34 GG: im haftungsrechtlichen Sinne
= jemand, der mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgabe (= in den Formen des öffentlichen Rechts wahrgenommener Aufgabe) betraut ist
d.h.:
- alle öffentlichen (nicht notwendiger Weise: öffentlichrechtlich) Bediensteten, soweit mit der Wahrnehmung von Hoheitsaufgaben betraut (Beamte im statusrechtlichen Sinne, Tarifpersonal, Minister, Parlamentsabgeordnete, Mitglieder eines Gemeinderats)
- alle Privaten, denen Hoheitsgewalt zur Wahrnehmung anvertraut ist: Beliehene
Haftungsvoraussetzungen: Beamter: P: Verwaltungshelfer
- nicht einheitlich beurteilt (insbes. Abschleppfälle)
- abhängig (nach Rspr.: Werkzeugtheorie) von: Einbindung in die hoheitliche Aufgabe; Weisungsbindung (Erfüllungsgehilfe); Teil einer einheitlichen Aufgabe(nwahrnehmung) (aA Lit.: Zurechnungstheorie)
Haftungsvoraussetzungen: In Ausübung eines öffentlichen Amtes
- d.h. nicht nur bei Gelegenheit (ähnlich wie bei § 831 I BGB)
- Testfrage: Steht das fragliche Verhalten in einem derart engen Zusammenhang mit der Dienstausübung selbst, dass es als ihr zugehörig angesehen werden kann?
- > Wertungsfrage!
- > Pflichtwidrigkeit allein kappt den Zusammenhang nicht
- > einseitige „Lossagung“ des Beamten von der Dienstausübung in concreto?
Haftungsvoraussetzungen: Verletzung einer Amtspflicht (P: Gesetzeskonformes, aber weisungswidriges Verhalten)
- Amtspflicht = Pflicht im Innenverhältnis (!)
- > Gesetzesbindung (iwS.)
- > aber auch: Weisungsbindung
- Amtspflichtverletzung
-> gesetzeswidriges oder weisungswidriges Handeln
-> Problem: gesetzeswidriges, aber weisungskonformes Handeln
• außer im Ausnahmefall, dass Weisung nicht befolgt werden darf: keine Amtspflichtverletzung
• in der Falllösung:
(1) reguläre (volle) Gesetzmäßigkeitsprüfung (z.B. auch Ermessensfehlerprüfung)
(2) Prüfung, ob weisungswidriges Handeln vorliegt (wenn ja: Musste Weisung befolgt werden? Richtet sich z.B. nach § 36 II BeamtStG, § 63 II BBG, § 48 LBG)
Weitere Haftungsvoraussetzungen
- Drittgerichtete Amtspflicht
-> Schutzzweck der Norm
-> Prüfung wie bei subjektivem Recht i.R.v. § 42 II VwGO - Verschulden
- > wie im regulären Deliktsrecht (s.a. Organisationsverschulden)
- Kausalität
-> wie im regulären Deliktsrecht (Adäquanztheorie)
Haftungsbeschränkungen
(1) Subsidiaritätsklausel (Verweisungsprivileg), § 839 I 2 BGB
- teleologische Reduktion:
• wenn alternativer Anspruch auch wieder gg. Verwaltungsträger
• bei Versicherungs- und Lohnfortzahlungsansprüchen
• bei dienstlicher Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr (Grundsatz haftungsrechtlicher Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer)
• bei Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflichten (wg. Ähnlichkeit zu sonstigen – privatrechtlichen – VSPen)
(2) Spruchrichterprivileg, § 839 II BGB
(3) Haftungsausschluss bei schuldhafter Versäumung eines Rechtsmittels, § 839 III BGB
(4) Mitverschulden, § 254 BGB
P: Amtshaftung für legislatives Unrecht?
- insgesamt noch sehr str.
- ursprünglich: überhaupt keine Haftung in diesem Bereich
- sodann: teils Haftung für „normatives Unrecht“ ( untergesetzliche abstrakt-generelle Außenrechtsregeln, insb. RVO & Satzung) bejaht, überwiegend Haftung für „legislatives Unrecht“ ( formelle Gesetze) verneint
- Tendenz heute (im Wesentlichen gegen BGH-Rspr.): grds. Anerkennung auch der Amtshaftung für legislatives Unrecht
-> so auch seit langem nach der Rspr. des EuGH im Unionsrecht
-> eine Haftung scheitert, wenn überhaupt, nicht aus grundsätzlichen Erwägungen, sondern weil Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen fehlen (insb. drittgerichtete Amtspflicht und Verschulden)