Sexuelle Funktionsstörungen und Geschlechtsdysphorie Flashcards
Sexuelle Funktionsstörungen / Störungsbilder
Allgemein = Fähigkeit von Menschen, ihren persönlichen Wünschen und Vorstellungen entsprechend sexuell zu reagieren oder ihre Sexualität zu genießen ist bedeutsam beeinträchtigt.
4 Hauptgruppen von Störungen:
- sexuelle Appetenz
- sexuelle Erregung
- Schmerzen bei sexuellem Kontakt
- Orgasmusstörungen
Sexuelle Funktionsstörung / Diagnosekriterien
- über einen Zeitraum von sechs Monaten
- in der Mehrzahl der sexuellen Situationen auftretend
- klinisch bedeutsamen Leidensdruck verursachen
Sexuelle Funktionsstörungen beim Mann
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verminderte sexuelle Appetenz: Mangel an sexuellen Gedanken oder Fantasien & vermindertes Verlangen nach sexueller Aktivität
- deutlich weniger Männer als Frauen betroffen
- gründliche Anamnese ohne Anwesenheit des Partners!
- Achtung: hidden desire disorder: scheinbare Lustlosigkeit in Partnerschaften durch anderweitiges Ausleben der sexuellen Wünsche
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Erektionsstörung: Schwierigkeit, während sexueller Aktivität eine ausreichende rigide Erektion zu bekommen oder aufrechtzuerhalten
- v.a. Komorbiditäten wie Diabetes oder kardiovaskuläre Erkrankungen
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vorzeitige (frühe) Ejakulation: anhaltend oder wiederholt tritt kurz nach Eindringen oder vorm Eindringen eine Ejakulation auf. (ante portas, vorm Einführen)
- Schwellenwert: 1 min. bis nach Einführen des Penisses
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verzögerte Ejakulation: deutlich verzögerte, oder fehlende Ejakulation trotz adäquater Stimulation
- wichtig: Differentialdiagnostik: retrograde Ejakulation (Ejakulat in Blase)
- häufig bei Einnahme von SSRI
- andere nicht näher bezeichnete sexuelle Funktionsstörungen: z.B. Schmerzen im Genital- oder Beckenbereich beim Geschlechtsverkehr
Sexuelle Funktionsstörungen bei der Frau
- Störung des sexuellen Interesses bzw. Erregung:
- mindestens 3 sind vermindert:
- Interesse an sexuellen Aktivitäten
- sexuelle Fantasien oder Gedanken
- Bereitschaft zu sexuellen Aktivitäten und Empfänglichkeit gegenüber Initiativen durch den Partner
- sexuelle Erregung bei sexuellen Aktivitäten
- reaktives Interesse bei internen oder externen sexuellen Reizen
- genitale oder nicht-genitale Empfindungen bei sexuellen Aktivitäten bei fast allen Gelegenheiten
- mindestens 3 sind vermindert:
⇒ Die Störung wird nicht vergeben, wenn die Frau nie sexuelle Erregung verspürt und sich selbst als asexuell bezeichnet und kein Leidensdruck vorhanden ist.
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genito-pelvine Schmerz- Penetrationsstörung: (Vaginismus & Dyspareunie)
- eines von vier Symptomen
- Probleme, Geschlechtsverkehr zu haben
- Schmerzen im Genital- und Beckenbereich
- Angst vor diesen Schmerzen oder vor vaginaler Penetration
- Verkrampfung der Beckenbodenmuskulatur beim Versuch der Penetration
- eines von vier Symptomen
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weibliche Orgasmusstörung: Schwierigkeiten, sexuellen Höhepunkt zu erreichen: deutlich verringertes subjektives Orgasmuserleben
- Störung sollte nur vergeben werden, wenn
- adäquate (klitorale) Stimulation vorliegt
- Störung über 6 Monate besteht
- persönliches Leid dadurch verursacht wird
- Störung sollte nur vergeben werden, wenn
⇒ hohe Komorbiditäten! Oft mehrere Diagnosen!
Sexuelle Funktionsstörungen / Ätiologie
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biologisch-medizinische Krankheitsfaktoren:
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Alter: bei Männern Nachlassen der Erektionsfähigkeit
- Frauen: Menopause, Hormonumstellungen
- onkologische, kardiovaskuläre, neurologische Faktoren
- Medikation
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Alter: bei Männern Nachlassen der Erektionsfähigkeit
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Angst - und Leistungsdruck
- Angst, sexuell zu versagen, verhindert die sexuelle Erregung, diese Angst hemmt autonomes Nervensystem, deswegen wird physiologische Erregung unmöglich
- kognitive Aspekte der Angst als enscheidender Einflussfaktor
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Depression:
- oft gemindertes Interesse
- SSRI-Einnahme
- duales Kontrollmodell der sexuellen Reaktion: sexuelle Reaktion ist abhängig von sexueller Erregung und sexueller Hemmung im Zusammenspiel, vulnerable Personen haben höhere Hemmung!
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sexueller Missbrauch
- Vulnerabilitätsfaktor, dennoch haben viele Erwachsene mit sexuellen Funktionsstörungen keine traumatisierenden Vorerfahrungen gemacht!
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Körperbild
- sexuelles Körperbild ist entscheidend
- Zufriedenheit mit Brüsten und Vulva bzw. Penis
- Exploration durch folgende Fragen:
- Erleben Sie negative Gedanken bezogen auf ihren Körper, die ihr Sexualleben stören?
- Gibt es bestimmte Aktivitäten, die sie aufgrund dessen vermeiden?
- Genießen Sie Sex deswegen weniger?
Sexuelle Funktionsstörungen / Diagnostik
Allgemeine Hinweise:
- lebenslang vs. erworben
- generalisiert vs. situativ
- sexuelle, psychische oder physische Probleme des Partners
- Stressoren: Arbeit, individuelle Vulnerabilitäten (Körperbild)
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urologische und gynälologische Diagnostik
- v. a. bei Suchtmittelgebrauch und höherem Alter oder körperlichen Erkrankungen
Sexualanamnese: offene, nicht wertende Atmosphäre:
- sexuelle Probleme erfragen (v.a. wenn wegen anderer Problematik in Behandlung!)
- Beschreibung des gestörten Verhaltens
- Erfassung aktuelles Sexualverhalten
- Erleben von nichtsexuellem Kontakt
- aktuelle Partnerschaftssituation
- aktuelle Lebenssituation
- ggf. psychosexuelle Entwicklung
strukturierte Intervies und Fragebögen
- Mini-Dips-Interview (DSM-5): Screening
- SISEX: strukturiertes Interview für sexuelle Funktionsstörungen nach DSM-5
- International Index of Erectile Function: für Männer
- Female sexual function Index
Sexuelle Funktionsstörungen / Therapie / störungsübergreifendes Vorgehen
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Rahmenbedingungen
- Sexualberatung: Aufklärung über relevante medizinische und psychologische Faktoren der sexuellen Funktion bzw. Dysfunktion
- PLISSIT-Modell der Sexualberatung:
- Permission (Erlaubnis geben)
- Limited Information (Aufklärung)
- Specific Suggestions: (Vorschläge)
- Intensive Therapy
- PLISSIT-Modell der Sexualberatung:
- ggf. Paartherapie, bei Paarkonflikten
- ambulant ist genauso erfolgreich wie stationär
- Sexualberatung: Aufklärung über relevante medizinische und psychologische Faktoren der sexuellen Funktion bzw. Dysfunktion
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kognitiv-verhaltenstherapeutisches Störungsmodell
- prädisponierende Faktoren
- situative Faktoren
- aufrechterhaltende Faktoren
- siehe Bild
Sexuelle Funktionsstörungen / Therapie / Verhaltensanalyse
Sexuelle Funktionsstörungen / Therapie allgemein
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Sensualitätsübungen
- aufeinander aufbauende Paarübungen, Partner streicheln sich/ berühren sich
- erst nur der Körper ohne Geschlecht
- dann mit Geschlechtsteilen
- stimulierendes Streicheln, Erregung
- Einführen des Penis ohne Bewegung
- Koitus mit erkundenden Bewegungen
⇒ helfen bei: Kennenlernen des eigenen und fremden Körpers, Verbesserung der sexuellen Kommunikation, Reduktion von Leistungsdenken und Fixierung auf Orgasmus,…
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geleitete Masturbation und Spiegelübungen
- = verhaltensbezogene Einzelübungen
- Spiegelübung: Nachbesprechung entscheidend wegen möglicher negativer Gefühle
- Achtung: kein vorschnelles Wechseln zur Bewertungsebene, da Fokus dann auf Leistungsebene
- Achtsamkeitsmeditation
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Kognitive Interventionen
- typische Denkfehler und dysfunktionale Kognitionen
- individuelles Störungsmodell
- Verhaltensanalysen
Sexuelle Funktionsstörungen / Störungsspezifische Interventionen
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Erektionsstörungen
- Sildenafil als Medikament
- Sensualitätsübungen
- Teasing-Übungen: mit oder ohne Partner, Erektion kommt und geht, Beeinflussung der Erektion durch durch Stimulation
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früher Samenerguss
- stop&go-Technik: nur solange mastubieren bis Ejakulation noch zurückzuhalten ist: point-of-no-return nicht überschreiten!
- Squeeze-Technik: Druck auf Frenulum kurz vor Orgasmus, ist aber eher unangenehm und schmerzhaft
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Vaginismus:
- Hegar-Stäbe und Vaginal-Trainer: Dehnung nach dem Prinzip der systematischen Desensibilisierung
Sexuelle Funktionsstörungen / Spezielle Behandlungsprogramme
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Hamburger Modell der Paartherapie von sexuellen Störungen
- Kombination von psychodynamischen und verhaltenstherapeutischen Ansätzen
- Prinzip der Selbstverantwortung = keiner der Partner soll etwas dem anderen zuliebe aushalten!
- ⇒ Förderung der Autonomie-Entwicklung
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Systemische Sexualtherapie
- im Fokus: kommuniziertes sexuelles Begehren (=Wollen)
- Unterschiede im Verlangen und Häufigkeit
- ⇒Ziel ist ein Unterbrechen des Kreislaufs aus Vorwürfen und Rückzügen, Auseinandersetzung mit sexuellen Differenzen
Geschlechtsdysphorie
= Geschlechtsidentitätsstörung, Diskrepanzen zwischen wahrgenommenem psychosozialem Geschlecht und biologischem Zuweisungsgeschlecht
- transsexuell = Angleichung des Zuweisungsgeschlechts an wahrgenommenes Gender (angestrebt oder vollzogen)
- Transgender = siehe transsexuell + vorübergehende Identifizierung mit Gender, dass abweicht von biologischem Geschlecht (Transmänner und Transfrauen)
- genderqueer = Personen, die sich nicht auf eine der zwei Kategorien männlich / weiblich festlegen wollen oder können
- Geschlechtsidentität = männlich, weiblich, divers
Geschlechtsdysphorie / Ätiologie und Verlauf
- frühes atypisches Geschlechtsrollenverhalten
- geringe erbliche Komponente
- interessant: bestimmte Hirnareale bei Transsexuellen entsprechen in ihrer Größe eher dem empfundenen nicht dem biologischen Geschlecht
- Erwachsene mit männlichem Zuweisungsgeschlecht: Unterscheidung in früher (da fühlen sich Betroffene dann eher zu Männern hingezogen) vs. später Beginn (eher zu Frauen hingezogen)
- nach Geschlechtsangleichung identifizieren sich diese Transfrauen dann als lesbisch
- bei weiblichem Zuweisungsgeschlecht genauso
Geschlechtsdysphorie / Diagnostik
- wenig epidemiologische Daten
- wichtig ist: Diskrepanz muss Leid verursachen, durch mind. 2 der folgenden Symptome gekennzeichnet sein (im DSM-5):
- ausgeprägte Diskrepanz zwischen Gender und primären oder sekundären Geschlechtsmerkmalen
- ausgeprägtes Verlangen, die eigenen Geschlechtsmerkmale loszuwerden
- ausgeprägtes Verlangen nach den Geschlechtmerkmalen des anderen Geschlechts
- ausgeprägtes Verlangen dem anderen Geschlecht anzugehören
- ausgeprägtes Verlangen, wie das andere Geschlecht behandelt zu werden
- ausgeprägte Überzeugung, die typischen Gefühle und Reaktionsweisen des anderen Geschlechts aufzuweisen
- Störung der Geschlechtsentwicklung kann zusätzlich diagnostiziert werden
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Differentialdiagnostisch:
- Geschlechtsrollen-Nichtkonformität (kein Leidensdruck),
- tranvestitische Störung (Zuweisungsgeschlecht wird nicht in Frage gestellt),
- körperdysmorphe Störung (Teil des Körpers wird als abnorm erlebt)
- im Rahmen von Schizophrenie kann das eigene Geschlecht in Frage gestellt werden
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Fragebögen:
- Utrechter Fragebogen zur Geschlechtsidentifikation: für Jungen und Mädchen
- Gender Identity /Gender Dysphoria Questionnaire for Adults
Geschlechtsdysphorie / Psychologische Behandlung
- individualisierte Behandlungsstrategie
- Fachgutachten benötigt
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Psychotherapie wegen:
- Klärung der eigenen Geschlechtsidentität
- Wunsch, Geschlechtidentität zu ändern
- Unterstützung beim sozialen Geschlechtsrollenwechsel
- Begleitung bei hormonellen, chirurgischen Maßnahmen
- Unterstützung, wenn Umfeld davon erfährt
- Behandlung komorbider Störungen (v.a. Depression)
- Alltagstest