Anorexia nervosa und Bulimia nervosa Flashcards
Anorexia nervosa /Symptomatik
- anhaltendes Streben nach Gewichtsverlust durch absichtlich herbeigeführtes Abnehmen (durch Kalorienreduzierung, körperliche Aktivität, Missbrauch von Entwässerungs- und Abführmittel, manchmal auch Erbrechen)
- verzerrte Wahrnehmung des Körperschemas (Minimalisierung von Kritik, empfinden sich trotzdem als zu dick)
- somatische Symptome:
- Hypothermie
- Hypotonie
- Bradykardie
- Lanugo (Flaumhaarbildung)
- Ödeme (er hat ein Ödem)
- Amenorrhoe
Anorexia nervosa / Diagnostische Kriterien
=F50.0
A: Gewichtsverlust oder bei Kindern fehlende Gewichtszunahme. Körpergewicht mind. 15 % unter Normalgewicht. BMI < 17,5 kg /m² (BMI < 10)
B: Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt durch Vermeidung von fettmachenden Speisen.
C: Selbstwahrnehmung: zu fett. Aufdrängende Furcht , dick zu werden. Betroffene legen für sich selbst eine sehr niedrige Gewichtsschwelle fest.
D: Umfassende endokrine Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse: Amenorrhoe bei Frauen, Interessenverlust an Sexualität und Potenzverlust bei Männern.
E: Die Kriterien A und B für eine Bulimia nervosa (F50.2) werden nicht erfüllt.
Bestätigung der Diagnose, aber nicht obligat:
- Erbrechen
- selbstinduziertes Abführen
- übertriebene körperliche Aktivität
- Gebrauch von Appetitzüglern, Diuretika
F50.00: ohne aktiven Massnahmen
F50.01: mit aktiven Massnahmen
Bulimia nervosa / Symptomatik
- = Ochsenhunger
-
wiederholtes Auftreten von Essattacken (=binge eating!)
- Herunterschlingen von großen Menge
- unmittelbar danach: gegenregulierende Massnahmen
- zwischen den Essattacken: restriktives Essverhalten
- vorwiegend hochkalorische Nahrung beim Essanfall
- mehrmals pro Woche
- nach Essanfall und Erbrechen: Niedergeschlagenheit
- somatische Symptome:
- Kaliumverlust: Gefahr Herzrhythmusstörungen
- Entzündungen der Speicheldrüsen
- gereizte Speiseröhre
- Karies
- Haarausfall
Bulimia nervosa / Diagnostische Kriterien
A: Häufige Episoden von Fressattacken/Fresstaumel (drei Monate / 2x/ Woche), bei denen große Mengen an Nahrung in sehr kurzer Zeit konsumiert werden.
B: andauernde Beschäftigung mit dem Essen, unwiderstehliche Gier oder Zwang zu essen (=Craving)
C: gegensteuernde Massnahmen einer Gewichtszunahme:
- selbstinduziertes Erbrechen
- Missbrauch von Abführmitteln
- Zeitweilige Hungerperioden
- Gebrauch von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten, Diuretika. (Vernachlässigung der Insulin-Behandlung bei Diabetikern)
D: Selbstwahrnehmung als zu fett, mit aufdrängender Furcht, zu dick zu werden!
Anorexia und Bulimia nervosa / Epidemiologie, Komorbidität und Verlauf
- Lebenszeitprävalenz Frauen: 0,9 -1,5 %
- zumeist im Jugenalter
- Anorexia: ca. 14 Jahre, Bulimie ca. 16 Jahre
- Komorbiditäten:
- affektive Störungen
- Angststörungen (soziale Phobie, Zwangsstörungen)
- Substanzmissbrauch
- Mortalitätsrate = 5 %
- Anorexia nervosa:
- 47 % können nach 4-10 Jahren als geheilt angesehen werden (trotzdem häufig kein “normales” Essverhalten)
- 20 % entwickeln chronische Störung
- Prognostisch gut: früher Erkrankungsbeginn und geringe Dauer
- prognostisch schlecht: längere Dauer , Vorliegen von Heißhungerattacken
- Bulimia nervosa:
- 60 % nach 6 Jahren Behandlung “geheilt”
- ungünstig: Substanzmissbrauch und erhöhte Impulsivität
Störungsmodell für Essstörungen
Prädisponierende Faktoren
-
soziokulturell vorgegebenes Schlankheitsideal
- starker Druck, sozialer Norm zu entsprechen
- Dick sein ist negativ behaftet
-
niedriges Selbstwertgefühl
- Schlanksein und erfolgreiche Gewichtsreduktion werden als alleinige Quelle von Selbstwert gesehen v.a. in Entwicklungsphase der eigenen Identität
-
Bedingungen in der Familie:
- Verstrickung, Rigidität, Überbehütung, Konfliktvermeidung und wechselnde Koalitionsbildung
- Familienmitglied wird Symptomträger, um Stabilität des Familiensystems aufrechtzuerhalten
-
Lernerfahrungen
- Nahrungsverweigerung kann als Mittel in Kindheit eingesetzt werden um Willen durchzusetzen
- Essen als Mittel der Ablenkung oder Belohnung
-
Biologische Faktoren
- primäre hypothalamische Dysfunktion (wird diskutiert!)
- höheres Gewicht bei Start der Essstörung
-
Kognitive Faktoren
- Verzerrungen und irrationale Annahmen
- bestimmte Denkprinzipien /siehe Bild
Auslösende Faktoren
-
kritische Lebensereignisse (z.B. Trennung oder Verlust)
- Anpassungsanforderungen, denen die Pat. erstmal nicht gewachsen sind.
- extrem hohe körperliche Aktivität
Faktoren der Aufrechterhaltung
- selbstperpetuierender Kreislaufprozess
- ständige Beschäftigung mit Essen
- abnormes Essverhalten → soziale Isolation → verringerter Selbstwert
Essstörungen / Diagnostik
- umfassende medizinische Untersuchung
- Bulimia nervosa Pat. suchen sich i.d.R. selbst Hilfe, Anorexia nervosa haben meistens deutliche Ambivalenz
- erste Gespräche: Befürchtungen der Pat. klären!
- wichtig: therapeutischer und diagnostischer Prozess muss transparent sein
Essstörungen / Therapie allgemein
-
kurzfristig: rasche Modifikation des Körpergewichts (Anorexia) bzw. des Essverhaltens (bei normalgewichtigen Pat. mit Bulimie)
- ⇒ schnelle Rückbildung der körperlichen Symptome
- langfristig: Pat. sollen lernen, selbst psychologische und psychosoziale Bedingungen zu erkennen und modifizieren, die im Zsh. stehen mit gestörtem Essverhalten
- stationäre Therapie:
- BMI < 14
- Schwangerschaft
- Massiver Laxanzien/Diuretika-Abusus
- spezifische psychosoziale Belastungsfaktoren
- latente oder akute Suizidalität
- komorbide depressive Störungen, Störung der Impulskontrolle oder auch Persönlichkeitsstörungen
- starke Hyperaktivität
- Massive Vernachlässigung sozialer und beruflicher Bereiche
- Scheitern von ambulanten Behandlungsversuchen
- Goldstandard: CBT: Familie einbinden
Essstörungen / Gewichtssteigerungsprogramm bei Anorexia nervosa
- wichtig: zu Beginn diagnostische Faktoren in individuelles Störungsmodell einordnen und erläutern!
-
operante Prinzipien: Privilegien werden gewährleistet, wenn Pat. zunimmt
- Therapievertrag: wesentliche Regeln und Konsequenzen des therapeutischen Vorgehen
- Transparenz: allgemeine Zsh., aber auch Veränderungen biologisch und psychologisch nach Zunahme etc.
- erst ab BMI > 18 : alle körperlichen Mangelerscheinungen und Komplikationen bilden sich zurück!
Selbstkontrollprogramm
- 2-mal wöchtenlich Gewichtskontrollen
- Gewicht darf nicht unter Ausgangsgewicht sinken und muss pro Woche zwischen 700 - 3000 Gramm zunehmen
- Pat. sollen normale Mahlzeiten zu sich nehmen, in Klinik wird ohne Beobachtung durch Personal gegessen
- Pat. kann, muss aber nicht, Essen dokumentieren
- Belohnungen als positive Verstärker
Fremdkontrollprogramm
- wenn Zunahme in 2 Wochen < 700 g
-
Phase 1: (bis 1/3 der Differenz zum Zielgewicht zugenommen wurde)
- Essen auf Zimmer, Pat. erhält normale Portionen
- wiegen täglich
- keine Telefonate oder Besuche erlaubt (nur am Wochenende)
- Station darf nur wegen medizinischer Untersuchungen, therapeutischer Aktivitäten oder psychologischen Tests verlassen werden
-
Phase 2:(bis 2/3 der Differenz zum Zielgewicht zugenommen wurde)
- Mahlzeiten im Speiseraum unter Supervision
- Wiegen 3x / Woche
- Aufenthalt innerhalb der Klinik möglich
- Klinik kann nach Absprache verlassen werden, Besuche sind möglich, nur nicht am WE
-
Phase 3: Bis zum Erreichen des Zielgewichts
- Mahlzeiten ohne Supervision
- wiegen 2x/Woche
- Keine Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit
→ stärkere Einschränkungen sind möglich (z.B. 3x/täglich hochkalorische Flüssigkeit)
→ keine Magensonden: wenn dann Verlegung in Allgemeinklinik
Essstörungen / Ernährungsmanagement bei Bulimia nervosa
-
Modifikation des gestörten Essverhaltens
- Essverhalten soll so geändert werden, dass keine physiologischen oder psychologischen Deprivationszustände auftreten, die Heißhungeranfälle begünstigen
- auch im Rahmen der Gruppentherapie möglich sowie ambulant
-
Psychoedukation
- Ernährungsprotokoll
- ausführliche Infos liefern, was an derzeitigem Essverhalten falsch ist!
-
Therapievertrag
- Richtlinien für ausgewogene, schmackhafte Ernährung
- Planung der Ernährung
- strukturierte Esstage: nicht erbrochen, keine gegenregulierenden Massnahmen
- Belohung bei Einhaltung festlegen
- wichtig: Esstage sollten durchführbar sein, um Motivation aufrechtzuerhalten
-
Bearbeitung zugrunde liegender Problembereiche
- niedriges Selbstwertgefühl
- extremes Leistungs- und Perfektionsbestreben
- Bedürfnis nach Kontrolle und Autonomie
- mangelnde Selbstständigkeit
- erhöhte Impulsivität
- Probleme mit der Ablösung vom Elternhaus, Beziehung zu anderen Menschen
⇒ Erlernen von Coping-Strategien, Förderung von Ressourcen, Steigerung Selbstwert etc.
- Kognitive Interventionen
- verzerrte Einstellungen zum Körper und Gewicht identifizieren und durch rationalere Einstellungen ersetzen
Essstörungen / Binge Eating Disorder
- nur im DSM-5
- A: wiederholte Episoden von Essanfällen
- Verzehr erheblich großer Mengen innerhalb eines Zeitraums (meistens 2 Stunden)
- Gefühl des Kontrollverlusts
- A: wiederholte Episoden von Essanfällen