Chronischer Schmerz Flashcards

1
Q

Chronischer Schmerz: Schmerzinsensitivität

A

Schmerz ist ein Verhaltensregulativ, das von frühester Kindheit an überlebenssichernde und adaptive Verhaltensweisen motiviert und steuert.

Schmerzinsensitivität (Unfähigkeit zur Schmerzempfindung) ist extrem selten und kann tödlich sein.

Chronische Schmerzen können zu einer erheblichen Beeinträchtigung führen und das gesamte Leben beherrschen.

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2
Q

Chronischer Schmerz: Darstellung der Störung

A

Das Phänomen Schmerz:

  • Aktivierung basaler Schutz- und Abwehrreflexe bei Säuglingen, über die Lebensspanne immer stärker in komplexe Lernprozesse eingebunden
  • Reaktion des Organismus auf noxische Reize führt zu Ausdifferenzierung und Individualisierung auf 4 Ebenen
    • gestisch-mimisch
    • verbal
    • Handlungen
    • neuronal
  • private subjektive Erfahrung, deren sensorische und emotionale Qualität nur über beobachtbares Verhalten erschlossen werden kann
  • akuter Schmerz = Schmerzreaktion, die meist mit einem identifizierbaren Schmerzreiz assoziiert ist
    • exogene Schmerzquellen (z.B. mechanisch, thermisch, chemisch)
    • endogene Schmerzquellen (Entzündungen der Gelenke oder inneren Organe) sind schwieriger zu identifizieren, aber oft durch ihre Assoziation mit äußeren Krankheitszeichen ableitbar
    • akute Schmerzempfindung überdauert noxische Stimulation meist nur für eine geringe Zeitdauer
    • wird die Noxe entfernt, verschwindet meistens auch der Schmerz (Warn- und Schutzfunktion)
  • chronischer Schmerz = wenn der Schmerz ungewöhnlich lange persistiert (“beyond the normal time of healing”) und keine Schmerzquelle identifiziert werden kann
    • erhebliche diagnostische und therapeutische Widerständigkeit, die mit Frustration auf beiden Seiten einhergehen
    • kann nicht durch Eliminierung der Ursache behandelt werden → kausale Therapie
    • schmerzlinderende Medikamente (Analgetika) können helfen → symptomorientierte Therapie,
      sind aber nicht für den Dauergebrauch geeignet
  • neben der originären Schmerzkrankheit (zentrales Symptom ist der Schmerz selbst, z.B. unspezifische Rückenschmerzen, Spannungskopfschmerzen) gibt es auch chronischen Schmerz als Korrelat anderer Krankheiten (z.B. Arthritis, Tumorerkrankungen)
    • komplexe Interaktionen biopsychosozialer Faktoren tragen zu Aufrechterhaltung bei (nicht nur die Schwere der eigentlichen Ursache, z.B. Tumor, sondern auch der psychische Status des Patienten)
  • akut und chronisch sind keine disjunkten Kategorien, akuter Schmerz eher Ausgangspunkt für Chronifizierung
  • verschiedene Stadien von Chronizität mit unterschiedlichen Kriterien (nicht nur zeitliche!)
    • zeitliche Aspekte (Dauer, Häufigkeit)
    • Ausbreitung über verschiedene Körperbereiche (Multilokalität)
    • Einfluss auf Verhalten bzw. Ausmaß der schmerzbedingten Beeinträchtigung (Medikamenteneinnahme, Inanspruchnahme des Gesundheitssystems, verschiedene Funktionsbeeinträchtigungen)
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3
Q

Chronischer Schmerz: Epidemiologie

A
  • europaweite Studie 2006
  • in 15 Ländern je 2000 Personen über 18 angerufen
  • als chronisch schmerzkrank Identifizierte (min. 6 Monate, auch im letzten Monat, min. 2 Mal pro Woche, min. 5 auf Schmerzstärkeskala von 1 - 10) wurden weiter befragt
    • Prävalenzspanne: 12% (Spanien) - 30% (Norwegen)
    • Deutschland im mittleren Bereich: 17%
    • Rücken-, Knie- und Kopfschmerzen am häufigsten
    • Berufstätigkeit, Schlaf, soziale Aktivitäten und Haushaltsführung beeinträchtigt
    • 15% haben > 4 Ärzte aufgesucht
    • Frauen häufiger betroffen als Männer
    • “blue collar workers” (“Arbeiter”) stärker schmerzbelastet als “white collar workers” (“Angestellte”) durch höhere körperliche Belastung, aber auch durch höhere Arbeitsunzufriedenheit
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4
Q

Chronischer Schmerz: Bedeutung für das Gesundheitssystem

A
  • hohe Kosten aufgrund von Behandlung und Arbeits-/Erwerbsunfähigkeit
    • nichtindizierte invasive Behandlungen
    • lange Persistenz inadäquater passiver Behandlungsmaßnahmen (nichtlimitierte medikamentöse Schmerzbehandlung)
    • Vernachlässigung psychosozialer Faktoren
  • muskoskelettaler Schmerz, insb. Rücken, ist die häufigste Ursache für krankheitsbedingten Arbeitsausfall in D und der zweithäufigste Grund für vorzeitige Berentung
  • International Association for the Study of Pain (IASP) fordert Implementierung präventiver Strategien
  • besonders hoher Analgetikagebrauch in D
    • sekundäre Probleme wie Kopfschmerzen, Organschäden, psychische Abhängigkeit und erhöhtes Unfallrisiko
  • defizitäres Behandlungsangebot; zu wenig und zu selten multidisziplinäre Angebote
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5
Q

Chronischer Schmerz: Deskription

A
  • Merhebenenmodell zur Beschreibung von Störungen
    • unterscheidet behaviorale, kognitive, emotionale und biologische Ebene
    • Hinweis: basiert auf idealtypischer Darstellung eines Patienten, bei chronischem Schmerz aber große Heterogenität in der Syndromausbildung
  • behavioral: extensive Nutzung des Gesundheitssystems, sich wiederholende Diagnosebemühungen, häufige Arztwechsel, Inanspruchnahme verschiedenster Behandlungsmaßnahmen, häufige Einnahme von Medikamenten, Rückzugs- und Vermeidungsverhalten
  • kognitiv: Präokkupation mit schmerzassoziierten Gedanken, Katastrophisierung realer oder befürchteter Schmerzfolgen, ungünstige rigide Überzeugungen (“pain beliefs”) über Schmerzursachen und -folgen), Kontrollverlust- und Hilflosigkeitsüberzeugungen
  • emotional: depressive Verstimmung, Resignation, Schmerzempfinden ist auch mit der kognitiv-emotionalen Verarbeitung korreliert (Intensität, Qualität), soziale Marginalisierung durch AU und Isolation
  • biologisch: meistens unauffällig, da neurophysiologische Korrelate durch klinische Standarddiagnostik i.d.R. nicht identifiziert werden können (außer es handelt sich um Schmerzsymptome infolge einer Krankheit, z.B. Tumor), bei ausgeprägtem Vermeidungsverhalten und Inaktivität gravierende motorische Dekonditionierung, manchmal spezifische Begleitsymptome (z.B. Überempfindlichkeit gegenüber visuellen und akustischen Reizen bei Migräne durch gestörte kortikale Reizverarbeitung)
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6
Q

Chronischer Schmerz: Klassifikation

A
  • lange unterteilt in somatisch und psychisch bedingt
  • ab DSM-IV auch Interaktion von psychischen und somatischen Faktoren diagnostizierbar
    • oder nur psychisch
    • nur somatisch = Achse III (medizinische Klassifikation)
  • ICD-10 hat eine besondere Diagnoseklasse eingeführt, die sich konzeptuell dem DSM-IV anschließt und eine klassifikatorische Einordnung der meisten chronischen Schmerzpatienten ermöglicht
    • Kriterien allerdings nicht ausreichend operationalisiert
  • DSM-5 führt keine eigenständige Störungsklasse mehr für “Schmerz”, sondern fasst alle Syndrome, bei denen somatische Symptome ausgeprägtes Leiden verursachen, unter “Somatischen Belastungsstörungen und verwandte Störungen” zusammen
    • 7 Subklassen
    • Somatische Belastungsstörung kann durch die Zusatzbezeichnung “mit überwiegendem Schmerz” und mit Schweregrad spezifiziert werden
  • MASK (multiaxiales Klassifikationssystem) ist zwar nicht ökonomisch, aber konzeptuell zufriedenstellend, da es eine parallele Diagnostik der medizinischen und psychologischen Aspekte vorsieht und somit dem Konzept einer multifaktoriell bestimmten Störung am besten entspricht
    • verhindert, dass psychologische Behandlung erst dann einsetzt/aufgesucht wird, wenn “gar nichts mehr hilft”
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7
Q

Chronischer Schmerz: Komorbidität

A
  • v.a. depressive Störungen und Angststörungen
    • deutlich erhöhte 1-Jahres-Prävalenzen für MD bei Männern (17,5% vs. 4,5%) und Frauen (20,8% vs. 11,2%)
    • deutlich erhöhte 1-Jahres-Prävalenzen für Angststörungen bei Männern (32,8% vs. 6,6%) und Frauen (36,5% vs. 19,8%)
  • höhere Wahrscheinlichkeit für Substanzmissbrauch bei Männern (9,9% vs. 6,4%) und Frauen (3,1% vs. 1,7%)
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8
Q

Chronischer Schmerz: Problemanalytisches Interview

A
  • Strukturiertes Schmerzinterview (SICS) = Leitfaden zur problemanalytischen Gesprächsführung
  • beginnt mit Abklärung des potenziellen Widerstandes des Patienten gegen eine psychologische Therapie wegen der frustrierenden Vorgeschichte mit ratlosen Medizinern (“Sie sind ein Fall für den Psychiater”)
    • ggf. psychoedukative Maßnahmen (Erklärung der Therapieziele und des biopsychosozialen Schmerzmodells)
  • erst dann die eigentliche Anamnese:
    • Schmerzproblematik
      • Lokalisation
      • Intensität
      • Qualität
      • zeitliches Muster
    • Schmerzbegleitende körperliche Symptome (z.B. Verspannungen bei Rückenschmerzen) und prodromale neurologische Erscheinungen (z.B. Skotome bei Migräne)
    • Umstände des Erstauftretens
    • Aktuelle und frühere Behandlungen
    • Modulierende Bedingungen für die Schmerzintensität bzw. Schmerzauslöser
    • Bewältigungsversuche (z.B. Aktivierung eigener Ressourcen vs. passive Suche nach professioneller Hilfe)
    • Kognitionen und Emotionen im Schmerzkontext (z.B. automatische (katastrophisierende) Gedanken, Selbstinstruktionen, Auswirkungen auf aktuelle und generelle Stimmung)
    • Ausdruck des Schmerzes gegenüber Bezugspersonen (z.B. verbal, mimisch, gestisch, offen, unklar, indirekt etc.)
    • Schmerzbedingte Veränderungen im Leben des Patienten
    • Sicht des Patienten auf seine Sozialpartner (z.B. Gefühl der Unterstützung vs. Ablehnung etc.)
    • Relative Bedeutung des Schmerzproblems (Sorgen, Probleme und andere Krankheiten)
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9
Q

Chronischer Schmerz: Standardisierte Diagnostikinstrumente

A
  • Schmerzeigenschaften (Intensität, Dauer, Häufigkeit) lassen sich am besten in Schmerztagebüchern erfassen
    • mittlerweile auch elektronisch
    • über mehrere Tage oder Wochen wird jeden Tag etwa stündlich die Schmerzstärke protokolliert
    • Medikamenteneinnahmeverhalten
    • Tagesaktivitäten
  • Qualitatives Schmerzerleben am besten über Schmerzempfindungsskala (SES)
    • unterscheidet sensorische und affektive Aspekte
  • Erfassung der “Schmerzkatastrophisierung” mit Fragebogen nach Sullivan et al. (deutsche Version von Meyer et al.) oder Fragebogen zur Erfassung schmerzbezogener Selbstinstruktionen (FSS) von Flor
  • Funktionsfragebogen Hannover spezifisch für Rückenschmerzpatienten
  • Erfolgsmessung über Erfassung der schmerzbezogenen Beeinträchtigung
    • allgemein anwendbares Selbstbeurteilungsmaß für die Beeinträchtigung = PDI (Pain Disability Index); 10-stufige Analogskalen für die Beeinträchtigung durch die Schmerzen in sieben Bereichen
  • Screenings zur Erhebung der Depressivität (z.B. ADS nach Hautzinger) und psychosomatischer bzw. psychopathologischer Symptome (z.B. SCL) werden empfohlen
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10
Q

Chronischer Schmerz: Störungsmodell

A
  • Schmerz ist multifaktoriell
    • biologische, psychologische und soziale Faktoren
    • gilt für Sympomatik, Ätiologie und Aufrechterhaltung
    • für Ätiologie v.a. biologische Faktoren relevant (z.B. Verletzungen, Prädispositionen); für Verlauf bzw. Aufrechterhaltung eher psychosoziale Faktoren
    • Faktoren interagieren und sind oft schwierig zu identifizieren:
  1. Stressreaktion (psychologisch) → erhöhte Muskelspannung (biologisch)
  2. dauerhaft erhöhte Muskelspannung = höhere Schmerzsensibilität
  3. verstärktes Schmerzerleben → Minimierung der Kontrollierbarkeitsüberzeugungen in bestimmten Situationen → subjektive Hilflosigkeit
  4. subjektive Hilflosigkeit → passives dysfunktionales Bewältigungsverhalten, das sozial verstärkt wird
  • Potenzielle psychosoziale Einflussfaktoren:
    • Modellverhalten der Kernfamilie als bedeutsamer psychosozialer Einflussfaktor (z.B. durch Einfluss auf Umgang mit Medikamenten oder Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe)
    • Operante und respondente Lernprozesse
      • z.B. Fear-Avoidance-Modell des chronischen Rückenschmerzes → Vermeidung jeglicher Bewegung durch negative Erfahrungen in akuter Schmerzphase führt zu
        • motorischer Dekonditionierung der Muskulatur (wird schmerzempfindlicher)
        • negativer Verstärkung durch Minderung der Angst vor erneuter Verletzung
        • depressiver Symptomatik
      • positive Verstärkung von Schmerzverhalten durch soziale Zuwendung und Fürsorge bei gleichzeitiger “Bestrafung” von gesundem Verhalten
    • Dysfunktionale kognitive Verarbeitung
      (z. B. hoffnungslose und wütend-aggressive Gedanken, die Beeinrächtigung weiter steigern)
    • Belastende vergangene oder akute Erfahrungen (z.B. Traumata, Stressoren)
    • Eigenschaften des Gesundheitssystems
      (z. B. immer wieder Überweisungen zu anderen Fachärzten, Medikalisierung der Störung, erfolglose Behandlungsversuche)
    • Negative Bedingungen am Arbeitsplatz (ergonomisch und psychologisch)
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11
Q

Chronischer Schmerz: Relaxation und Beiofeedback

A
  • Biofeedback und progressive Muskelrelaxation (PMR) beruhen auf Annahme einer stressinduzierten höheren Muskelspannung als Schmerzursache
  • bei migränösen Kopfschmerzen eher Temperaturfeedback mit Ziel der Erhöhung der Temperatur (Hand)
  • in einigen Studien auch Rückmeldung der Gefäßweite der Arteria temporalis durch willkürliche Verengung der Arterie mit Ziel der Kontrolle über die Gefäßweite bei Migräne
  • Relaxation und Biofeedback nachweislich effektive Therapie bei chronischem Kopfschmerz
  • Biofeedback (EMG) auch erfolgreich bei Gesichtsschmerz
  • Effektivität bei Rückenschmerz deutlich weniger empirisch abgesichert
  • Biofeedback wird in Deutschland kaum als vollwertiges Therapieverfahren eingesetzt (relativ hohe Kosten für Hilfsmittel und oft Unkenntnis der Effektivität)
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12
Q

Chronischer Schmerz: Multimodale kognitiv-behaviorale Therapie

A
  • ab 1980 zunehmend multimodale Therapieansätze
  • auch ambulant als Gruppentrainings
  • Metaanalysen: Psychologische Schmerztherapie ist effektiv (.30 < d > .60), reduziert das Schmerzerleben und vermindert die Beeinträchtigung des Patienten
  • als optimal i. S. einer maximalen Beeinträchtigungsreduktion und Schmerzminderung gilt ein Behandlungsangebot, das Medizin, Psychologie, Sportmedizin, Physiotherapie und ggf. Soziotherapie vereint
  • typische Ziele/Bestandteile:
  1. Vermittlung eines biopsychosozialen Krankheitskonzeptes
    • Psychoedukation gehört unabdingbar dazu Vermittlung eines biopsychosozialen Krankheitskonzeptes
      • die meisten Patienten bringen somatisch orientierte Schmerzmodelle mit in die Therapie, was natürlich ist, aber möglicherweise hinderlich für die Zugänglichkeit für Psychotherapie
      • Offenheit für biopsychosoziales Krankheitsmodell eröffnet Psychotherapie Erfolgschancen
        • Pat. muss erkennen, dass eine Veränderung in psychosozialen Bereichen schmerzverändernd wirkt und er selbst etwas dazu beitragen kann
  2. Entspannungstechniken zur Stress- und Schmerzbewältigung
  3. Verbesserung der schmerzbezogenen Selbstbeobachtung
  4. Aktivitätenaufbau (sinnvolle, nützliche und emotional positive besetzte Potenziale des Lebens (wieder)entdecken und trotz Schmerzen nutzen) bzw. Aktivitätenregulation i.S.e. funktionalen Balance zwischen Ruhe und Aktivität
  5. Körperliche Rekonditionierung
    • Sporttherapie aufgrund der Dekonditionierung (meist Korrelat von Schmerzerkrankungen)
      • Psychologe soll anregen und langfristig motivieren durch explizite Zielanalyse, Intentionsbildung und detaillierte Handlungsplanung
      • Ausdauersport auch bei anderen Schmerzsyndromen indiziert, bei denen kein deutliches Vermeidungsverhalten diagnostiziert werden kann, da körperliche Aktivität Endorphine aktiviert (antinozizeptive Systeme)
      • Therapie des chronischen Rückenschmerzes ohne Einbezug eines sporttherapeutischen Moduls ist in jedem Fall kontraindiziert
      • kann auch als Expositionsbehandlung genutzt werden → Abbau von Angst und Vermeidung
  6. Identifikation und Modifikation von dysfunktionalen Kognitionen
    • soll Verhaltens- und Stimmungsänderungen bewirken
    • gelassene Haltung gegenüber dem Schmerz durch Umbewertung von Schmerzsymptomen und Einsatz von Aufmerksamkeitslenkungsstrategien
    • Acceptance and Commitment Therapy (ACT) betont Bedeutsamkeit des Erwerbs von Akzeptanz statt Kontrolle gegenüber Schmerz + Übungen zu Mindfulness/Achtsamkeit
    • auch als Selbstmanagement-Programme über Internet bei Patienten mit muskoskelettalen Schmerzen und Kopfschmerzen ähnlich erfolgreich wie Face-to-Face
    • Auseinandersetzung des Patienten mit seinem Verhalten im Gesundheitssystem (oft “doctor hopping”) mit dem Ziel eines verwantwortlichen, selbstsicheren Umgangs mit den Instanzen des Gesundheitssystems inkl. Vertrauen in die eigenen Schmerzbewältigungskompetenzen und Aufklärung über Chancen und Risiken von Diagnose- und Therapieangeboten
  7. Abbau von Depressivität, Hilf- und Hoffnungslosigkeit
  8. Abbau operanter Mechanismen der Schmerzaufrechterhaltung und Vermittlung von Problemlösekompetenzen
  9. Aufbau von Selbsteffizienzüberzeugungen
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13
Q

Chronischer Schmerz: Präventive Ansätze

A
  • weniger als 60% der chronifizierten Schmerzpatienten profitieren in einem zufriedenstellenden Ausmaß von biopsychosozial ausgerichteter Schmerztherapie
  • hoher Bedarf an Präventionsmöglichkeiten
  • universelle Prävention = allgemeine Gesundheitsförderung und Verbesserung der Umfeldbedingungen (z.B. Arbeitsplatz)
  • selektive und indikative Prävention = patientenbezogene Maßnahmen zur Verhinderung der Schmerzchronifizierung und umfeldbezogene Maßnahmen (z.B. Gesundheitssystem)
    • frühzeitige Beachtung psychosozialer Faktoren (“yellow flags”; in Analogie zu “red flags”, die organischen Verursachungsfaktoren; als Indikation für psychosoziale Schmerzanalyse und Aufnahme psychologische Therapiemaßnahmen in die Behandlung)
    • “Rückenschulen” als aktuell häufigstes selektives bzw. indikatives Angebot für prächronische Patienten; allerdings nur qualitativ hochwertige Programme erfolgreich, die nicht nur biomechanische Regeln (“rückenfreundliches Verhalten”) vermitteln, sondern auch psychosoziale Aspekte angehen und Wert auf die Implementierung in die berufliche und häusliche Umwelt legen
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14
Q

Chronischer Schmerz: Zusammenfassung

A
  • komplexes Störungsbild
  • hohe Prävalenz
  • extensive Krankheits- bzw. Sozialkosten
  • bestimmt von biomedizinischen, aber auch von kognitiv-emotionalen und behavioralen Faktoren
  • medizinische Diagnostik muss um psychosoziale Methoden ergänzt werden und schmerzmedizinische Behandlung um kognitiv-behaviorale Verfahren
  • multidisziplinäre Therapieprogramme haben sich rein medizinischen als überlegen erwiesen
  • Behandlung aufwändig und bei einer nicht unerheblichen Anzahl von Patienten erfolglos
  • geeignete selektive und indikative Präventionsprogramme sollten in Angebot des Gesundheitssystems integriert werden
  • Schmerztherapie ist ein psychotherapeutisches Berufsfeld mit Zukunft
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