02.05 Neuropsychologisches Paradigma Flashcards
Allgemeines Menschenbild
- Grundannahme: Menschliche Informationsverarbeitung basiert auf Aktivität des Nervensystems, Verhalten und Erleben betrifft aber auch andere biologische Systeme
- Einbezug der Wechselwirkungen des Nervensystems mit anderen Systemen -> Informationsverarbeitung im Nervensystem in Wechselwirkung mit • Motorisches System • Endokrines System (Hormone) • Kardiovaskuläres System • Immunsystem
- Komplexere psychische Funktionen neuroanatomisch nicht auf eng begrenzte Gebiete des Gehirns beziehbar
- Weiträumige Erregungs- und Hemmungsprozesse beteiligt, die oft auch andere biologische Systeme jenseits des Nervensystems beeinflussen und von ihnen beeinflusst werden
- > Keine begrenzte Lokalisation (im Gehirn) möglich
- > Keine einfache Zuordnung der Substanzfunktion (Neurotransmitter, gut überprüfbar)
- (Dynamisch) Interaktionistische Sichtweise:
Rein Biologische und rein psychologische Ursachenzuschreibungen zu verkürzt, alles interagiert miteinander
Persönlichkeitsbild
- Architektur (universell)
- Anatomische Feinstruktur (variiert stark: umweltabhängige Neuronenvernetzung, Plastizität, Myelinisierungshypothese)
- Physiologische Aktivierung (variiert ebenfalls, z.B. Autonomes NS bei Stress: Wann fährt der Körper hoch?)
- > Temperament
Temperament
- Definition und Gegenstand:
- Teil der Persönlichkeit (WIE)
- Formaspekte des Verhaltens (Parameter, 3 “A”) - Untersuchungsgegenstand:
WIE verhält sich Person bzgl. den 3 “A” der Persönlichkeit:
- Affekt
- Aktivierung
- Aufmerksamkeit
(- Zunehmende Unterscheidung von Aggression/Impulsivität)
- > Erregungs-/Hemmungsprozesse, soziale Repräsentationen in Selbst-/Fremdurteilen
3. Wurzeln Temperamentstheorie:
a) Hippokrates: Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker, Sanguiniker
b) Buss & Plomin:
Temperament: Persönlichkeitsmerkmale, die im 1. LJ beobachtbar sind, genetisch bedingt, hohe Stabilität
-> Probleme: Definition nicht exklusiv
- Auch andere Persönlichkeitsmerkmale (IQ)
- Manche Merkmale (sexuelle Reaktivität) genügen keine der drei Kriterien
- Nicht belegt, dass Temperament stärker genetisch verankert als andere Eigenschaften
- Stabilität im Kindesalter niedrig
-> Eysencks Temperamentstheorie
c) Eysencks Temperamentstheorie:
i) Teil 1:
- Temperamentsunterschiede auf zwei Dimensionen (Neurotizismus und Extraversion)
- Begründet auf Faktorenanalysen von Fragebogenitems
-> Bezogen auf hippokratische Typen:
• Choleriker: instabil, extrovertiert
• Sanguiniker: stabil, extrovertiert
• Phlegmatiker: stabil, introvertiert
• Melancholiker: instabil, introvertiert - Validität: Korrelationen
• Extraversion: Positiver Affekt, Geselligkeit, Fremdbeurteilung
• Neurotizismus: Negativer Affekt, subj. körperlicher Beschwerden, Fremdbeurteiltung (mäßig)
-> Folgen Neurotizismus: Somatoforme Störungen (Sekundäre Krankheitsgewinne)
-> Theorie 1 gut bestätigt
ii) Teil 2:
- Physiologische Grundlagen von Extraversion und Neurotizismus
- Bedingt durch interindividuelle Unterschiede in retikulären bzw. limbischen Aktivierung:
• Extraversion: Unterschiede im aufsteigenden aktivierenden System (ARAS) -> Introvertierte niedrigere physiologische Aktivierungsschwelle -> schneller erregbar (dann Transmarginale Hemmung)
• Neurotizismus: Unterschiede im limbischen System
-> Theorie 2 nicht bestätigt (Aktivierungskonzepte zu undifferenziert, einziger Befund: Phasische Hautleitfähigkeit bei Extraversion)
d) Grays Theorie:
Modifikation Eysenck: Unterscheidung von drei Verhaltenssystemen:
- Verhaltensaktivierungssystem (BAS, Annäherung)
- Verhaltenshemmungssystem (BIS, Vermeidung)
- Angriff/Flucht-System (Fight/Flight/Freezing)
Temperamentsunterschiede:
- Unterschiede in Stärke der Verhaltensaktivierung- und -hemmungssystems -> Zweidimensionaler Temperamentsraum mit Dimensionen Gehemmtheit und Aktiviertheit:
• Ängstlich: stark gehemmt, neurotisch, introvertiert
• Impulsiv: hoch aktiv, neurotisch, extravertiert
• Furchtlos: wenig gehemmt, stabil, extravertiert
• Zurückhaltend: wenig aktiv, stabil, introvertiert
• Idealgruppe: flexibel, reflexiv
Befunde Grays Theorie:
- Schüchternheit:
• Korrelation mit Introversion und Neurotizismus
• Durch Fremde, erwartete Ablehnung, Nichtbeachtung situativ hervorgerufen
-> Grays Aussagen zur Schüchternheit bewährt - Ängstlichtkeit:
• Allgemeine Änsgtlichkeit = Neurotizismus
• Muss situationsspezifisch differenziert werden, dann aber geringe transsituative Konsistenz
• Selbstbeurteilt ≠ physiologisch erfasst
e) Allgemeine Bewertung Temperamentskonzept:
- Selbstberichtete Indikatoren korrelieren selten mit beobachteten oder physiolog. Indikatoren
- > Kein gut bestätigstes psychophysiologisches Konzept des Temperaments
Methodik
- Korrelativer Ansatz
- Biologisches Merkmal (zeitstabil, in eigenschaftsrelevanten Situationen gemessen) mit beurteilten/beobachteten Persönlichkeitseigenschaft korreliert
- Bewährung:
• Keine Aussagen über Wirkrichtung
• Korrelationen zwischen Physiologie und Selbstbeurteilung gering: Verzerrungen, nicht ausreichend aggregiert, individ. Reaktionshierarchien, Messungen nicht systemspezifisch - Multivariate Psychophysiologie:
- Untersuchung mehrerer physiologischen Reaktionen in Situationen
- Hoffnung: Interindividuell kovariierende Reaktionen in bestimmten Situationen (Gleiche Situation löst bei meisten gleiche Reaktion aus, z.B. Angst während Prüfung)
- Probleme:
• Niedrige interindividuelle Korrelationen trotz hoher intra Korrelationen
• Intraindividuelle Variabilität im Feld größer als im Labor - Systemorientierter Ansatz:
- Ausgangspunkt: Genau umschriebenes System
- Manipulation und Beobachtung der Reaktion
- Interindividuelle Unterschiede in Systemreaktivität auf Persönlichkeitsdispositionen zurückgeführt
- Bewährung: Forschung fehlt, trotzdem vielversprechend
Bewertung Neuropsychologisches Paradigma
- Hauptproblem: Diskrepanz zwischen neurologisch messbaren und subjektiv-verbal Berichtbaren
- Beitrag zum Verständnis von Persönlichkeitsunterschieden der Neurowissenschaft derzeit gering