Schuld Flashcards
Schuldprinzip
nulla poena sine culpa: keine Strafe ohne Schuld
Schuld = Maß und Grenze bei der Bemessung der Strafe, vgl. § 46 I StGB
Strafbegründungsfunktion
Eine rechtswidrige Tat kann nur bestraft werden, wenn der Täter auch schuldhaft gehandelt hat.
Strafzumessungsfunktion
Die Schuld kann größer oder kleiner sein, d. h. sie besitzt einen quantitativen Aspekt. Die Zumessung der einzelnen Strafe muss sich deshalb an der Höhe der konkreten Tatschuld orientieren, vgl. § 46 I 1 StGB.
normativer Schuldbegriff
Tat muss dem Täter persönlich vorzuwerfen sein, weil er sich bei seiner Willensentschließung und Willensbetätigung nicht von seinen rechtlichen Pflichten hat leiten lassen, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre - Schuld als “Andershandelnkönnen”
→ Schuldfähigkeit + Schuldvorwurf
Schuldfähigkeit - Kinder
bei Begehung unter 14 Jahre alt: nach § 19 StGB immer schuldunfähig
Schuldfähigkeit - Jugendliche
zwischen 14 und 18: nach § 3 S. 1 JGG dann schuldfähig, wenn zum Tatzeitpunkt nach ihrer sittlichen und geistigen Reife in der Lage, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln - bedingte Schuldfähigkeit
Schuldfähigkeit - Erwachsene
älter als 18: stets schuldfähig, wenn nicht ausnahmsweise Störung iSd § 20 StGB vorliegt
§§ 20, 21 StGB: biologische Komponente
biologisch anormaler Zustand
→ Vorliegen eines Eingangsmerkmals des §§ 20, 21 StGB
§§ 20, 21 StGB: psychologische Komponente
- Fehlen der Einsichtsfähigkeit (intellektueller Faktor): tatsächliches Fehlen der Unrechtseinsicht
- Fehlen der Steuerungsfähigkeit (voluntativer Faktor) = Fähigkeit, nach der Unrechtseinsicht zu handeln
aufgrund des biologisch anormalen Zustands
→ Beurteilung grds. nur bezogen auf bestimmte Tat, nicht abstrakt
actio libera in causa
Problemstellung: Beim Täter liegt zum Tatzeitpunkt infolge eines von ihm zuvor schuldhaft herbeigeführten Rauschzustands eine seelische Störung i. S. d. § 20 StGB vor.
intensiver Notwehrexzess
Verteidiger geht in einer bestehenden Notwehrlage über das zulässige Maß hinaus, Überschreitung der Erforderlichkeits- oder Gebotenheitsgrenze
= Täter setzt sich stärker als erforderlich zur Wehr
§ 33 StGB unstreitig anwendbar
extensiver Notwehrexzess
Täter handelt, obwohl eine Notwehrlage noch nicht oder nicht mehr besteht (Überschreitung der Gegenwärtigkeitsgrenze)
str.: von § 33 StGB erfasst?
personaler Notwehrexzess
Der Täter verletzt aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken statt des Angreifers die Rechtsgüter eines Dritten oder der Allgemeinheit.
§ 33 StGB nicht anwendbar
Putativnotwehr
Täter nimmt irrtümlich eine in Wirklichkeit nicht bestehende Notwehrlage an.
§ 33 StGB nicht anwendbar
Putativnotwehrexzess
Täter nimmt irrtümlich eine in Wirklichkeit nicht bestehende Notwehrlage an (ETI), er überschreitet zudem in dieser vermeintlichen Notwehrlage auch noch die Grenzen der Verteidigung
§ 33 StGB nicht anwendbar, da stets tatsächliche Notwehrlage vorausgesetzt ist (a. A.: § 33 StGB analog / § 17 StGB analog / § 35 II StGB analog)
asthenische Affekte
auf Gefühlen der Schwäche beruhende Gemütserregungen: Gefühl der Bedrohung, psychischer Ausnahmezustand von solcher Intensität, dass der Täter das Geschehen nur noch in erheblich reduziertem Maße verarbeiten kann
→ müssen nicht das einzige Motiv sein, nicht einmal vorherrschend in einem Motivbündel sein, dürfen aber nicht völlig nebensächlich sein
ausgeschlossen: sthenische Affekte, z. B. Wut, Kampfeslust
nahe stehende Person, § 35 StGB
Nahe steht dem Täter ein Mensch, dem er gegenwärtig in einer auf Dauer angelegten und auf Gegenseitigkeit beruhenden Weise persönlich eng verbunden ist.
Zumutbarkeit der Gefahrenhinnahme, § 35 StGB
→ § 35 I 2 StGB nicht abschließend
- Selbstverursachung der Gefahr
- Bestehen eines besonderen Rechtsverhältnisses
- Unverhältnismäßigkeit zwischen Gefahrenabwehr und Tatfolgen
- besondere Duldungspflicht
Selbstverursachung der Gefahr, § 35 I 2 StGB
bloßes Kausalwerden durch sozialadäquates Vorverhalten ist für Schuld irrelevant und darf nicht zu einer Gefahrtragungspflicht führen
h. M.: pflichtwidriges (a. A.: schuldhaftes) Vorverhalten erforderlich, Täter muss seine Güter ohne einen zureichenden Grund in eine vorhersehbare Gefahr gebracht haben; trägt der Täter selbst die Verantwortung für seine seelische Zwangslage, kann er diese nicht mehr entschuldigend geltend machen
zweifelhaft: Täter bringt ihm nahestehende Personen in Gefahr und begeht dann rechtswidrige Tat, um sie zu retten → eig. besonders starke Zwangslage (Unzumutbarkeit (+))
§ 35 I 2 StGB: besonderes Rechtsverhältnis
Eine besondere Gefahrtragungspflicht trifft Personen, denen im Interesse der Allgemeinheit besondere berufliche oder berufsähnliche Schutzfunktionen auferlegt sind, die typischerweise mit spezifischen Risiken für die eigenen Güter einhergehen.
Keine Gefahrtragungspflicht besteht bei Gefahren, die das zumutbare Höchstmaß überschreiten.
Notstandswille
Täter muss mit Gefahrabwendungswillen handeln, unstreitig genügt die bloße Kenntnis der Notstandslage nicht
übergesetzlicher entschuldigender Notstand
In besonderen Ausnahmekonstellationen kann nach h. M. die Notstandshilfe auch dann entschuldigt werden, wenn es sich bei dem von ihr Begünstigten weder um einen Angehörigen des Täters noch um eine andere ihm nahestehende Person handelt.
Voraussetzung ist, dass der Täter in einer ungewöhnlichen, nahezu unlösbaren inneren Zwangslage seine Entscheidung nach bestem Gewissen trifft und sein vom Rettungszweck getragenes Handeln unter den gegebenen Umständen das einzige Mittel ist, noch größeres Unheil für Rechtsgüter von höherem Wert zu verhindern.
persönliche Strafausschließungsgründe
Umstände in der Person des Täters, deren Vorliegen bei Begehung der Tat zur Straflosigkeit führen
persönliche Strafaufhebungsgründe
Umstände in der Person des Täters, die erst nach Begehung der Tat eintreten und die bereits begründete Strafbarkeit rückwirkend wieder beseitigen
Freiheit i. S. d. § 35 StGB
nur Fortbewegungsfreiheit
→ Gefahr für Selbstbestimmungsfreiheit nicht ausreichend
Anforderungen an Rechtsgutachten für Unvermeidbarkeit i. R. v. § 17 StGB
- kein Gefälligkeitsgutachten
- Fachanwalt, gewisse Expertise
- inhaltliche Anforderungen
→ restriktiv handhaben
§ 20 StGB ↔︎ § 21 StGB
ist Täter fehlende Unrechtseinsicht (Einsichtsfähigkeit) nicht vorzuwerfen → § 20 StGB, ist sie ihm vorzuwerfen → § 21 StGB (bzw. § 17 StGB)
Rspr.: Faustregeln BAK-Werte
- BAK unter 2.0‰: i. d. R. volle Schuldfähigkeit
- BAK von 2.0 - 3.0‰ (Tötungsdelikte 2.2‰): ggf. § 21 StGB
- BAK ab 3.0‰ (Tötungsdelikte 3.3‰): § 20 StGB nicht mehr auszuschließen
P: Wird die bewusste Notwehrüberschreitung von § 33 StGB erfasst?
= Täter handelt im Unrechtsbewusstsein, d. h. er erkennt die Überschreitung der Notwehrgrenze
e. A.: (-)
(+) § 33 StGB erfasst seinem Zweck nach nur Situationen, in denen der Täter aufgrund des Affekts den Sachverhalt unvollständig bzw. unrichtig wahrnimmt
h. M.: (+)
(+) Wortlaut § 33 StGB verlangt keine unbewusste Überschreitung
(+) Gesetzgeber hat entsprechende Einschränkungen diskutiert, aber verworfen
(+) Normzweck einschlägig: auch wer weiß, was er tut, kann in einer so starken psychischen Ausnahmesituation sein, dass ihm kein Vorwurf gemacht werden kann
P: Notwehrexzess nach vorwerfbarer Herbeiführung der Notwehrlage?
- Absichtsprovokation: (-), da Notwehrrecht wegen fehlender Gebotenheit nicht besteht
- sonst vorwerfbare Provokation
e. A.: (-)
h. L.: § 33 StGB muss eingreifen, wenn trotz vorwerfbar herbeigeführter Notwehrlage ein Notwehrrecht verbleibt
(+) Wortlaut § 33 StGB deckt generellen Ausschluss nicht, auf § 35 I 2 StGB basierender Analogieschluss ginge zu Lasten des Täters
BGH: wie h. L., allerdings soll § 33 StGB nicht gelten, wenn sich der Angegriffene planmäßig auf die tätliche Auseinandersetzung eingelassen hat, um ohne die Polizei den Angriff abzuwehren
(+) in diesem Fall sthenischer Effekt eigentliche Ursache
(-) Unklarheit Abgrenzung, Beweisbarkeit
P: Erfasst § 33 StGB auch den extensiven Notwehrexzess?
h. M.:(-)
(+) nicht (mehr) bestehendes Recht kann nicht “überschritten” werden
(+) Unrechtsminderung bei § 33 StGB folgt gerade daraus, dass tatsächlich eine Notwehrlage vorliegt
a. A.: (+)
(+) psychologische Vergleichbarkeit zum intensiven NWE
(+) Wortlautargument greift nicht: auch bei Üebrschreitung der Erforderlichkeit liegt kein Notwehrrecht vor
a. A. (differenzierend): vorzeitig (-), nachzeitig (+)
(+) bei vorzeitigem NWE hat nie Notwehrrecht bestanden, zweifelhaft, ob je eines entstehen wird
(+) nachzeitig: psychologische Vergleichbarkeit
§ 20 StGB: Spielsucht
zwar klinisch eigene Kategorie, aber forensisch erst relevant, wenn Betroffener durch Spielsucht gravierende psychische Veränderungen in seiner Persönlichkeit erfährt
nicht stoffgebunden → § 64 StGB (-)
§ 33 StGB: asthenischer Effekt beruht nur auf vorgestelltem Angriff → zu berücksichtigen?
(-) so wird gar nicht bestehende Notwehrlage relevant (vgl. intensiver - extensiver NWE)
(+) § 33 StGB setzt nur Kausalitätsbeziehung zwischen asthenischem Effekt und Überschreitung voraus, nicht dass auch Notwehrlage für asthenischen Effekt ursächlich sein muss
(+) vgl. Irrtum des Täters über Intensität des Angriffes
§ 33 StGB: Kenntnis der Notwehrlage erforderlich?
(+) beruht wie § 32 StGB auf dem Gedanken der Unrechtsminderung → str., ob nur Kenntnis oder auch Verteidigungswille
pro VW: Wortlaut § 32 StGB “um … zu” sowie Kompensation des Handlungsunrechts
→ Verteidigungswille muss sich gerade auf das verteidigte Rechtsgut beziehen