Das Unterlassungsdelikt Flashcards
echte Unterlassungsdelikte
spezielle Strafvorschriften, die selbst ein bestimmtes Unterlassen unter Strafe stellen
unechte Unterlassungsdelikte
§ 13 StGB: jedes Erfolgsdelikt kann auch durch ein Unterlassen verwirklicht werden, wenn der Täter eine Garantenstellung hat
Garantenstellung
Rechtspflicht zur Erfolgsabwehr
Abgrenzung Tun ↔︎ Unterlassen
Energieeinsatzlösung
Tun und Unterlassen sind rein naturalistisch voneinander zu unterscheiden
Tun: Einsatz körperlicher Energie
Unterlassen: Täter greift nicht ein, lässt Dingen ihren Lauf
Abgrenzung Tun ↔︎ Unterlassen
Schwerpunktlösung (h. M.)
Entscheidend ist, wo unter Berücksichtigung des sozialen Handlungssinns der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt.
Abbrechen fremder Rettungsbemühen = Tun oder Unterlassen?
aktives Eingreifen = Tun
bloßes Untätigbleiben = Unterlassen
→ worauf liegt Schwerpunkt?
- Abbruch, bevor alles zur Rettung Erforderliche getan ist: Unterlassen der weiteren Rettungsbemühungen
- Abbruch, nachdem das Opfer eine realisierbare Rettungschance erhalten hat: aktive Entfaltung von Gegenaktivitäten, Tun
omissio libera in causa
der an sich handlungsfähige Garant führt seine Handlungsunfähigkeit zum Tatzeitpunkt schuldhaft herbei
→ MM: Unmöglichkeitslösung
→ h. M.: Vorverlegungslösung
omissio libera in causa: Welcher Zeitpunkt ist maßgeblich?
Unmöglichkeitslösung
Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem die konkrete Rettungshandlung erforderlich wird. Zu diesem Zeitpunkt fehlt dem Nicht-Handelnden die Handlungsmöglichkeit.
omissio libera in causa: Welcher Zeitpunkt ist maßgeblich?
Vorverlegungslösung (h. M.)
→ für Unterlassungsdelikte keine § 20 StGB vergleichbare Regelung, daher Strafbarkeit unproblematisch, es reicht, dass Handlungsfähigkeit zu einem früheren Zeitpunkt bestand
→ einen Garanten trifft auch die Pflicht, seine Handlungsfähigkeit im Hinblick auf die Abwehr vorhersehbarer Gefahren zu erhalten
Kausalität: Risikoverringerungslehre
Ein Unterlassen ist für den tatbestandlichen Erfolg bereits dann ursächlich, wenn die Vornahme der unterlassenen Handlung das Risiko des Erfolgseintritts vermindert hätte.
(-) in dubio pro reo
abgewandelte conditio - Formel (h. M.)
→ Quasi - Kausalität
Ein Unterlassen ist nur dann kausal, wenn das unterlassene Verhalten nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg in seiner konkreten Gestalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele.
Beschützergarantenstellung
Personen, die eine Obhutspflicht für ein bestimmtes Rechtsgut haben, d. h. sie müssen dieses Rechtsgut vor allen oder zumindest gewissen Gefahren schützen.
Überwachungsgarantenstellung
Personen, die für eine bestimmte Gefahrenquelle verantwortlich sind, d. h. sie müssen dafür Sorge tragen, dass keine fremden Rechtsgüter von dieser Quelle geschädigt werden.
Entstehung Beschützergarantenstellung
- aus familiärer Verbundenheit
- aus enger persönlicher Lebensbeziehung
- aus Gefahrengemeinschaft
- aus tatsächlicher Übernahme
- aus Amtsträger- oder Organstellung
Entstehung Überwachungsgarantenstellung
- aus Verkehrssicherungspflicht
- aus Aufsichtspflicht
- aus vorangegangenem Tun (Ingerenz)
→ scheidet aus bzgl. des Tuns frei verantwortlich handelnder Personen
Kein Fehlschlag Unterlassen
Der Versuch ist i. d. R. fehlgeschlagen, wenn der Täter nach seiner Vorstellung die Tat durch sein weiteres Untätigbleiben nicht mehr vollenden kann.
Rücktrittshandlung Unterlassen
Rücktritt i. d. R. durch bloßes Nichtstun nicht möglich
Da sich der Täter beim versuchten Unterlassungsdelikt vorstellt, dass der Erfolg ohne sein weiteres Zutun gleichsam von allein eintreten wird, liegt hier nach h. M. normalerweise ein beendeter Versuch vor.
Die Rücktrittsanforderungen richten sich deshalb i. d. R. nach §§ 24 I 1 Alt. 2, 24 I 2 StGB. Erforderlich ist eine auf Erfolgsabwendung gerichtete aktive Tätigkeit, durch die der Täter
- entweder die Vollendung der Tat verhindert
- oder zumindest sich ernsthaft um eine Verhinderung der Vollendung bemüht.
mehrere Unterlassende → Tatbeteiligung?
Unterlassen mehrere Garanten die ihnen gebotene und mögliche Handlung, gilt i. d. R. jeder als unmittelbarer Täter.
mittäterschaftliches Unterlassen
Unterlassende können die Handlungspflicht nur gemeinsam erfüllen, das Unterlassen muss auf einem gemeinsamen Tatentschluss beruhen
Beteiligung am Begehungsdelikt durch Unterlassen
Problemstellung: Der handlungspflichtige und -fähige Garant schreitet gegen die aktive Begehung einer Straftat durch einen anderen nicht ein. → Gehilfenlösung → Pflichtenlösung → Tatherrschaftslösung (h. L.) → subjektive Theorie (Rspr.)
Beteiligung am Begehungsdelikt durch Unterlassen
Gehilfenlösung
Der Unterlassende ist stets nur Gehilfe, da er das Geschehen hier nicht in seiner Hand hält. Die Tatherrschaft liegt in Form der Handlungsherrschaft allein beim aktiv handelnden Täter.
Beteiligung am Begehungsdelikt durch Unterlassen
Pflichtenlösung
Der Unterlassende ist stets Täter. Unterlassungsdelikte sind Pflichtdelikte, bei denen das Unterlassen des Garanten als Pflichtverletzung seine unmittelbare Täterschaft begründet.
Beteiligung am Begehungsdelikt durch Unterlassen
Tatherrschaftslösung (h. L.)
Es ist nach Tatherrschaftskriterien zu differenzieren:
Unterlassender = Täter, wenn er erheblichen Einfluss auf den Begehungstäter besitzt oder diesen sonst leicht aufhalten könnte
Unterlassender = Gehilfe, wenn kaum Einfluss besteht
Beteiligung am Begehungsdelikt durch Unterlassen subjektive Theorie (Rspr.)
Maßgeblich sind die Willensrichtung und die innere Einstellung des Unterlassenden:
Täter: eigenes Tatinteresse
Gehilfe: Unterordnung dem Willen des Begehungstäters